Erkenntnis aus der Güterichterstatistik 2017: Die Verweisungsquote muss steigen!

Camilla Hoelzer MM/Mega  Camilla Hoelzer MM/Mega
Vors. Richterin am Finanzgericht, Güterichterin, zertifizierte Mediatorin

Bedingt durch das Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktlösung vom 21.8.2012 (MediationsG) werden seit dem 1.1.2014 die Verfahren vor dem Güterichter in den jährlichen Rechtspflegestatistiken veröffentlicht (www.destatis.de unter Rechtspflege, Fachserie 10). Die letzte Güterichterstatistik datiert vom 23. 7.2018 und betrifft das Jahr 2017.

Die Daten für das Jahr 2017 legen zum einen offen, dass das Güterichterverfahren bundesweit uneinheitlich zur Anwendung kommt. Die Streubreite der Verweisungen an den Güterichter an den Landgerichten 1. Instanz liegt zwischen 13,56 % (Mecklenburg-Vorpommern) und 0,05 % (Rheinland-Pfalz). Auf die Bundesländer mit weniger als 1 % Güterichterverweisungen entfallen immerhin 53 % der bundesweit bei den Landgerichten 1. Instanz erledigten Verfahren.

Des Weiteren zeigt die Güterichterstatistik 2017, dass die Fallzahlen der von den Güterichtern erledigten Verfahren im Verhältnis zu den von den Streitrichtern erledigten Verfahren, wie auch schon in den Vorjahren, niedrig sind. So wurden bei den Landgerichten 1. Instanz bundesweit von 308.026 insgesamt erledigten Verfahren 6.730 Verfahren (2,18 %) zum Güterichter verwiesen mit einer Erledigungsquote von 46,3 %; bei den Amtsgerichten fanden nur 7.655 (0.8 %) der im Jahr 2017 bundesweit erledigten 952.413 Verfahren ihren Weg zum Güterichter bei einer Erledigungsquote von 50,6 %.
Insgesamt lässt sich aus den Zahlen kein positiver Trend zu mehr Güterichterverfahren feststellen, denn die Verweisungsquoten sind gegenüber dem Jahr 2016 sogar leicht zurückgegangen, und zwar für die Zivilgerichtsbarkeit von 0,98 % auf 0,92 %. Bedingt durch den allgemeinen Rückgang der Fallzahlen in der Zivilgerichtsbarkeit sprechen die absoluten Zahlen der Güterichterverfahren (20.889 im Jahr 2016 und 18.038 im Jahr 2017) eine noch deutlichere Sprache.

Was bedeuten diese statistischen Zahlen für das Güterichterverfahren? Belegen sie, dass sich die gerichtsinterne Mediation auf dem Rückzug befindet? Dass das, was durch die Verhinderung der Aufnahme des Richtermediators im Rahmen der Gesetzgebung zum Mediationsgesetz im Rechtsausschuss des Bundestages geplant war, nämlich das Ende der richterlichen Mediation in anhängigen Gerichtsverfahren, bald erreicht sein wird?

Mitnichten.

Mit der Einführung des Güterichterverfahrens erhielt die deutsche Justiz vom Gesetzgeber das Recht und die Pflicht, den Bürgern und Unternehmen neben der autoritativen Streitentscheidung und dem streitrichterlichen Vergleich die Möglichkeit einer Beilegung des Rechtsstreits mithilfe alternativer Verfahren der Konfliktlösung einschließlich der Mediation anzubieten. Das Güterichterverfahren stellt damit eine bedeutende innovative Ergänzung in der Angebotspalette der deutschen Justiz zur Streitbeilegung dar. Mit seinen gut aus- und fortgebildeten Güterichtern hat dieses Angebot das Potenzial, eine Alternative zu Schiedsgerichten, Schlichtungsstellen u.Ä. zu werden.

Was nützt allerdings ein gutes Angebot, wenn es nicht angenommen wird? Hier gibt die Güterichter-Statistik 2017 hilfreiche Hinweise zur Abhilfe. Der Knackpunkt für die zu niedrige Zahl von Güterichterverfahren sind die zu niedrigen Verweisungsquoten an den Güterichter.

Für die Verweisungsquoten stehen die Justizministerien einschließlich des Bundesjustizministeriums und die Gerichtsleitungen, aber auch jeder Streitrichter, in der Verantwortung, über das Güterichterverfahren zu informieren, es attraktiv zu gestalten und zur Anwendung zu bringen. Warum dieser Verantwortung regional unterschiedlich intensiv nachgekommen wird, wie die Güterichterstatistik belegt, sollte die Verantwortlichen nicht nur zum Nachdenken sondern zum Handeln bringen. Auch darf es nicht sein, dass sechs Jahre nach der Einführung des Güterichterverfahrens der Richterschaft, die die Streitverfahren an den Güterichter verweisen muss, zu einem beachtlichen Teil weder das Verfahren der Mediation noch die anderen, dem Güterichter offen stehenden Möglichkeiten der alternativen Streitbeilegung hinreichend bekannt sind. Da ist es kein Wunder, dass die Streitrichter mit einer Verweisung an den Güterichter zögern oder sie gar ablehnen.

Auch von außen erfolgt kein Druck, denn die rechtsuchenden Bürger und Unternehmen kennen zwar mittlerweile immer mehr die Mediation als konfliktlösendes Verfahren, können aber mit dem Begriff des Güterichters nichts anfangen. Sie beantragen deshalb kein Güterichterverfahren, zumal die Beraterschaft die Geeignetheit eines Güterichterverfahrens augenscheinlich nicht standardmäßig prüft, geschweige denn empfiehlt.

Zwar finden sich auf den Homepages der meisten Gerichte Informationen über das Güterichterverfahren. Dass diese Informationen leicht zu finden und die dortigen Verfahrensschilderungen verständlich sind, ist allerdings längst nicht überall der Fall.

Was also von wem zu tun ist, um dem Güterichterverfahren die nötigen Wachstumsimpulse zu verschaffen, liegt aufgrund der Güterichterstatistik 2017 klar auf der Hand. Ziel muss dabei sein, die Verweisungsquote bundesweit gleichmäßig zu steigern.

 

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