Modernisierung der Ziviljustiz – aber bitte nicht ohne konsensuale Elemente

Dr. Peter Röthemeyer  Dr. Peter Röthemeyer
Jurist und Mediator in Wennigsen bei Hannover

In der seit längerem geführten Diskussion um die Digitalisierung der Justiz (vgl. z.B. Digital Justice Summit) nimmt die Arbeit der von den Justizministerinnen und -ministern eingesetzten „Reformkommission Zivilprozess der Zukunft“ eine gewichtige Rolle ein. Der jetzt veröffentlichte Abschlussbericht enthält eine Fülle von Vorschlägen, die ausgehend von der Idee von Online-Klagen und Plattformtechnologie eine grundlegende Modernisierung versprechen; vgl. die informative Übersicht von Reinhard Greger.

Zur Frage der Einbindung alternativer Streitbeilegung stellt der Abschlussbericht allerdings eine Enttäuschung dar. So sollen den rechtsuchenden Bürgerinnen und Bürgern im Justizportal keine Informationen zu alternativen Streitlösungsverfahren gegeben werden (S. 50 f.), eine „Nullte Instanz“ im Sinne begleiteter Einigungssuche soll nicht angeboten werden (S. 99 ff.) und auch im Verfahren sollen Vergleichsmöglichkeiten nicht unmittelbar durch KI entwickelt werden, sondern allenfalls mittelbar durch Unterstützung richterlicher Güteverhandlungen (S. 211 f.). Diese Zurückhaltung überrascht, zumal die vorbereitenden „Münchner Thesen“ der Gerichtspräsidentinnen und -präsidenten Module wie Mediation und Schlichtung ausdrücklich vorsehen und die Präsidentin des OLG Celle Stefanie Otte für ein portalgebundenes Gesamtkonzept der konsensualen Streitbeilegung eintritt (ZKM 2024, 152 ff.).

Die von der Reformkommission mitgeteilten Gründe für diese Zurückhaltung bewegen sich zwischen Sorgen etwa vor Vertrauensverlusten, vor Arbeitsaufwänden und vor Haftung. Auch wird Skepsis zur für eine KI-Entwicklung erforderliche Datengrundlage genannt (S. 212 – wobei die Seitenzahl natürlich zufällig ist und nicht etwa eine versteckte Selbst-Einordnung als „Totschlagsargument“ 😉 darstellt – § 212 des Strafgesetzbuchs regelt bekanntlich den Totschlag), obwohl die Kommission offensiv für eine Pflicht zur Veröffentlichung zivilgerichtlicher Entscheidungen eintritt (S. 113 ff.).

Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber, dessen Tätigwerden der Bericht v.a. vorbereitet, konsensuale Elemente im Sinne einer ganzheitlichen Streitlösungsphilosophie entschlossener einbeziehen wird. Immerhin sieht schon das bestehende Recht Verknüpfungen mit alternativer Streitbeilegung vor. So ermöglicht § 15a EGZPO den Ländern, die Erhebung bestimmter Klagen von dem vorherigen Versuch der Streitlösung vor einer staatlich eingerichteten oder anerkannten Gütestelle abhängig zu machen. Den Umstand, dass etwa nachbarrechtliche Streitigkeiten nicht ohne weiteres vor Gericht gebracht werden können, wird das Justizportal den Nutzenden kaum vorenthalten. Dann aber muss ein serviceorientiertes Portal auch Informationen und Links zu den zuständigen Stellen enthalten, zumal wenn diese staatlich verantwortet sind. Auch zu den Themenbereichen einer Nullten Instanz und KI-gestützter Einigungsvorschläge scheinen vertiefte Überlegungen lohnend. Noch ist Zeit.