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Fiktive Schadensberechnung im (Gewerberaum-)Mietrecht

Rechtsanwalt Dr. Rainer Burbulla  Rechtsanwalt Dr. Rainer Burbulla

Nach dem Urteil des BGH vom 31.03.2021 (XII ZR 42/20) können Ansprüche des Vermieters auf Schadensersatz statt der Leistung im (Gewerberaum-)Mietrecht nach wie vor ohne Weiteres auch fiktiv abgerechnet werden. Die baurechtliche Rechtsprechung des VII. Zivilsenats des BGH, wonach eine fiktive Schadensbemessung von Mängelbeseitigungskosten außer Betracht bleibt, findet im (Gewerberaum-)Mietrecht keine Anwendung.

I.      Ausgangslage

Seit der Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung des VII. Zivilsenats des BGH zum Baurecht in der Entscheidung vom 22.02.2018[1], wonach ein (Werk-)Besteller bei Vorliegen eines Mangels nicht mehr fiktiv den Schaden in Höhe der Mangelbeseitigungskosten abrechnen konnte, wurde diskutiert, ob diese werkvertragliche Rechtsprechung auch auf das Kaufrecht und das (Gewerberaum-)Mietrecht übertragen werden kann. Für das (Wohnraum-)Mietrecht hat das Amtsgericht Hamburg-Blankenese in seinem Urteil vom 12.06.2019[2] diese Frage konkret aufgeworfen und ausgeführt:

„Wenn man neueren Tendenzen in der Rechtsprechung folgt, dann dürfte die Vermieterin selbst bei Vorliegen eines Mangels gar nicht fiktiv ihren Schaden in Höhe der Mängelbeseitigungskosten abrechnen“.

Im Ergebnis hat das Amtsgericht Hamburg-Blankenese die Beantwortung dieser Frage dann allerdings offengelassen. Im Schrifttum wurde diese Frage ebenfalls eingehend diskutiert, und überwiegend wurde vertreten, dass eine Übertragbarkeit der werkvertraglichen Rechtsprechung des BGH auf das Mietrecht nicht in Betracht kommt.[3] Zwischenzeitlich hat der BGH eine Übertragbarkeit der werkvertraglichen Rechtsprechung auf das Kaufrecht abgelehnt.[4] Nunmehr hat der BGH dies auch ausdrücklich für das (Gewerberaum-)Mietrecht[5] klargestellt, und das zu Recht:

II.     Unterschiede zwischen dem Werkvertragsrecht und dem (Gewerberaum-) Mietrecht

Für das Werkvertragsrecht begründet der BGH seine Auffassung damit, dass die Abrechnung fiktiver Mängelbeseitigungskosten häufig zu einer Überkompensation und damit einer nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen nicht gerechtfertigten Bereicherung führt. Denn der fiktiver Aufwand einer Mängelbeseitigung hängt von verschiedenen Umständen ab, z.B. dem Weg der Mängelbeseitigung, der Einbeziehung anderer Gewerke in die Mängelbeseitigung etc. und kann die vereinbarte Vergütung, mit der die Parteien das mangelfreie Werk bewertet haben, deutlich übersteigen. Mit demselben Argument wurde vom BGH früher die Erstattungsfähigkeit von Umsatzsteuer bei fiktiver Abrechnung verneint. Diese Grundsätze lassen sich nicht auf das (Gewerberaum-)Mietrecht übertragen.

1.     Kein werkvertraglicher Vorschussanspruch (§ 637 Abs. 3 BGB) im Mietrecht

Wörtlich führt der BGH insoweit in seiner Entscheidung vom 31.03.2021 – XII ZR 42/20) Folgendes aus:

„Soweit der VII. Zivilsenat in einer Bausache entschieden hat, dass eine fiktive Schadensbemessung von Mängelbeseitigungskosten außer Betracht bleibt (BGHZ 218, 1 = NJW 2018, 1463; vgl. auch BGH, Beschl. v. 18.02.2020 – VII ARZ 1/20, NJW 2021, 53), beruht das auf Besonderheiten des Werkvertragsrechts, insbesondere dem Vorschussanspruch nach § 637 Abs. 3 BGB, die bei den Ersatzansprüchen des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache keine Parallele finden (vgl. auch BGH, Urt. v. 12.03.2021 – V ZR 33/19).“

2.     Weitere Unterschiede

Neben dem werkvertraglichen Vorschussanspruch (§ 637 Abs. 3 BGB) bestehen weitere Besonderheiten gegenüber dem Mietrecht im Werkvertragsrecht. Dort werden regelmäßig Beschaffenheitsvereinbarungen getroffen, Mängel können Auswirkungen auf bestellereigene Sachen haben, und erhöhte Kosten der Mängelbeseitigung können das Verhältnis zur vereinbarten Vergütung tangieren, so dass dem Werkvertragsrecht tatsächlich die Gefahr einer Überkompensation innewohnt.

3.     Einzelfälle: Beschädigung der Mietsache durch Mieter/unterlassene Schönheitsreparaturen und Rückbau

Diese Aspekte gelten im Mietrecht nicht. Im Mietrecht kommt der Frage nach der Übertragbarkeit der werkvertraglichen Rechtsprechung vorrangig Bedeutung hinsichtlich der Beschädigung der Mietsache durch den Mieter, dem Unterlassen geschuldeter Schönheitsreparaturen und Rückbauten zu. Für sämtliche Fälle kommt – wie der BGH zu Recht konstatiert – eine Übertragbarkeit der Rechtsprechung nicht in Betracht.

Führt der Mieter rechtswidrige Beschädigungen der Mietsache herbei, handelt es sich um vertragliche respektive deliktische Ansprüche, die von § 280 Abs. 1 BGB erfasst werden und auf die schon mangels Anwendung des § 281 Abs. 1 BGB die Übertragbarkeit der werkvertraglichen Rechtsprechung des BGH ausschließt.[6]

Im Falle eines Anspruchs des Vermieters auf Rückbau liegt keine den Rückbau betreffende besondere Beschaffenheitsvereinbarung vor, noch besteht ein Konflikt mit einem Missverhältnis zwischen den Rückbaukosten und den Vorstellungen der Parteien hinsichtlich deren Werts. Denn der Rückbaupflicht steht keine Gegenleistung des Vermieters gegenüber, weil der Umbau nicht vom Mietvertrag gedeckt ist und somit nur bei Vorliegen einer Genehmigung erfolgen darf. Der Umbau dient allein dem Mieter, der bei Mietende die Mietsache so zurückgeben muss, wie er sie erhalten hat. Gleiches gilt bei der Pflicht des Mieters zur Vornahme von Schönheitsreparaturen.[7]

III.    Fazit

Die Rechtsprechung des BGH, wonach in der (Gewerberaum-)Miete nach wie vor Schadensersatzansprüche des Vermieters aufgrund von fiktiven Mängelbeseitigungskosten geltend gemacht werden können, ist somit (dogmatisch) zutreffend und bietet der Praxis erfreuliche Klarheit und Rechtssicherheit.

 

[1]     BGH, Urt. v. 22.02.2018 – VII ZR 46/17, NJW 2018, 1463 = ZMR 2019, 463; vgl. auch BGH, Beschl. v. 08.10.2020 – VII ARZ 1/20, NJW 2021, 53 = MDR 2021, 90.

[2]    AG Hamburg-Blankenese, Urt. v. 12.06.2019 – 131 C 60/17.

[3]    Eingehend: H. Schmidt, in: Beck-Online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.07.2021, § 546, Rn. 155 und Riehm, NZM 2019, 273. Für nicht vorgenommene Schönheitsreparaturen bejaht Lehmann-Richter, NZM 2018, 315 eine Übertragbarkeit der Rechtsprechung.

[4]    BGH, Urt. v. 12.03.2021 – V ZR 33/19, NZBau 2021, 320 = NZM 2021, 583.

[5]    BGH, Urt. v. 31.03.2021 – XII ZR 42/20, NJW-RR 2021, 803 = MietRB 2021, 201 (Lehmann-Richter).

[6]     Vgl. auch H. Schmidt, in: Beck-Online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.07.2021, § 546 BGB, Rn. 155; a.A. mit weniger überzeugender Begründung: LG Darmstadt, Urt. v. 25.10.2018 – 23 O 356/17, BeckRS 2018, 34836 = MDR 2019, 95.

[7]     H. Schmidt, in: Beck-Online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.07.2021, § 546, Rn. 155.

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