Great Expectations!

Große Erwartungen (Originaltitel: Great Expectations) ist ein Roman von Charles Dickens, künftig, leicht modifiziert, nämlich als „berechtigte Erwartungen„, aber auch eine Kategorie im Wohnungseigentumsrecht. Denn bei BGH v. 16.3.2018 – V ZR 276/16 – Rz. 15, ist Folgendes zu lesen:

Wird … in erheblichen Umfang in die Gebäudesubstanz eingegriffen, entsteht bei den übrigen Wohnungseigentümern die berechtigte Erwartung, dass bei dem Umbau des Sonder- und des Gemeinschaftseigentums insgesamt die aktuellen technischen Vorgaben und damit auch die nunmehr geltenden Schallschutzwerte beachtet werden […]. Selbst wenn die übrigen Wohnungseigentümer die im Hinblick auf Veränderungen des Gemeinschaftseigentums gemäß § 22 Abs. 1 WEG erforderliche Zustimmung erteilt haben, kann ihnen aus dem Gebrauch des Gemeinschaftseigentums ein Nachteil im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG erwachsen, sofern bei der Bauausführung die derzeitigen Anforderungen an den Schallschutz unterschritten werden und dies nicht ausdrücklich gestattet worden ist. Aber nur grundlegende Um- oder Ausbauten wie etwa ein Dachgeschossausbau begründen eine Pflicht zur Beachtung der aktuellen technischen Anforderungen an den Schallschutz [..].

Ich übersetze eine der Aussagen für den flüchtigen Leser anhand eines kleinen Fallbeispiels und seiner Lösung:

Fall: Wohnungseigentümer Schallschützer stellt den anderen Wohnungseigentümern seinen Wunsch vor, das Dachgeschoss auszubauen. Er erklärt den anderen Wohnungseigentümern, den vorhandenen Aufbau des Bodens zwischen dem Obergeschoss und dem bisherigen Dachboden nicht verbessern zu wollen. Jedenfalls legt er den anderen Wohnungseigentümern seine Bauplanung vor, aus der sich solches nicht ergibt (um der Bestimmtheit des Beschlusses nach § 22 Abs. 1 WEG zu genügen, ist die Vorlage der Planung zwingend und ist die Planung als Anlage des Beschlusses zur Niederschrift und in die Beschluss-Sammlung zu nehmen). Die anderen Wohnungseigentümer stimmen der Planung nach § 22 Abs. 1 WEG zu. Ausdrückliches zum Schallschutz findet sich im Beschluss nicht. Der Beschluss erwächst in Bestandskraft. Wohnungseigentümer Hellhörig, dessen Wohnung unter der Wohnung von Wohnungseigentümer Schallschützer, liegt, verlangt nach 3 Monaten, dass Wohnungseigentümer Schallschützer den Bodenaufbau verändert und verlangt einen Aufbau des Bodens, der die aktuellen technischen Vorgaben und damit auch die nunmehr geltenden Schallschutzwerte beachtet.

Lösung: Wohnungseigentümer Hellhörig hat Recht! Denn die Zustimmung der Wohnungseigentümer ändert nichts daran, dass sie von Wohnungseigentümer Schallschützer verlangen können (wie lange: 3 Jahre – und nach welcher Norm?), entgegen seiner Planungen den Bodenaufbau zu verändern und dabei die aktuellen technischen Vorgaben und damit auch die nunmehr geltenden Schallschutzwerte zu verbessern. Denn die anderen Wohnungseigentümer hatten die berechtigte Erwartung, Wohnungseigentümer Schallschützer würde ungeachtet seiner anders lautenden Planung, die ihnen auch bekannt war oder jedenfalls bekannt sein musste, die derzeitigen Anforderungen an den Schallschutz erfüllen. Ob allerdings für die Dachhaut, die Isolierung, die Stränge usw. etwas anderes gilt, die Wohnungseigentümer Hellhörig auch verbessert sehen will, ist unklar. Gibt es hier auch „berechtigte Erwartungen“?

Diese Sichtweise der Dinge sollte nochmals, zeitnah und gründlich überprüft werden (und soll sie wenigstens für alle Dachausbauten der letzten 30 Jahre gelten?). Jedenfalls ich selbst meine, ich könnte grundsätzlich nicht erwarten, dass mein Gegenüber mir etwas gibt, von dem er mir vorher gesagt hat, er gebe es mir nicht. Ich meine vielmehr, wenn ich etwas haben will, müsste ich das formulieren. Insoweit habe ich durch § 22 Abs. 1 WEG auch ein starkes Druckmittel: Bekomme ich nicht, was ich will, z.B. einen besseren Schallschutz als bislang, verweigere ich meine Zustimmung – denn dafür, nämlich meine Rechte zu wahren, ist die Zustimmung (auch) da. Ich selbst meine ferner, bei dieser Frage ginge es auch um keine Petitesse. Ich meine vielmehr, wir sollten zögern, Verträge („Spiel- und Tummelfeld“ hier u.a.:  die Bestimmungen der §§ 134, 138, 242, 305 ff. BGB, „Kernbereiche“, „Rechtsmissbräuche“, „Verwirkungen“ usw.), aber auch Gesetze „Stück für Stück“ abzutragen und an ihre Stelle – je nach Zeitgeschmack! – unsere Gefühle, unsere (berechtigten und unberechtigten) Erwartungen (wer sagt mir, welche Erwartungen [un]berechtigt sind?) und das, was wir selbst als „Treu und Glauben“ ansehen, zu setzen. Machen wir es aber doch, muss klar gesagt werden, warum das Recht nicht anders gedeutet werden kann – berechtigte Erwartungen sind da als Argument gegebenenfalls etwas „dünn“ – und woraus Pflichten folgen, welche Norm also im Fall Wohnungseigentümer Schallschützer zwänge, auf eigene Kosten das gemeinschaftliche Eigentum zu verbessern.

Im Übrigen: Die berechtigten Erwartungen sollen als BGH-Hauptaussage wohl vor allem für den, der keine Zustimmung hatte, in „erheblichen Umfang“ in die Gebäudesubstanz einzugreifen, zur Folge haben, dass er das gemeinschaftliche Eigentum in Bezug auf den Schallschutz gemäß aktuellen technischen Vorgaben auf eigene Kosten verbessern muss. Dieser Erwartung zuzustimmen, fällt bestimmt vielen leichter. Indes: Als Rechtsfolge einer unberechtigten baulichen Veränderung (gegebenenfalls sogar einer berechtigten, aber nachteiligen Gebrauchsänderung in Bezug auf das Sondereigentum?) soll man nicht nur Unterlassung, Wiederherstellung und Schadenersatz, sondern eben auch eine Verbesserung des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen können? Ist das kein Angriff auf bisherige rechtliche Strukturen und ein Friedensbruch mit §§ 249 ff. BGB? Und nochmals: was wäre die Anspruchsgrundlage?

Der Leser von  Charles Dickens kennt gegebenenfalls Pips Ende – der Hauptfigur in Great Expectations: Seine Erwartungen enden im Wesentlichen mit dem Tode seines Gönners Magwitch. Allerdings versöhnt er sich mit Joe – und selbst mit Estella. Man kann daher nicht ausschließen, dass auch die berechtigen Erwartungen wieder enden und sich frische Lösungen mit WEG und allgemeiner Dogmatik besser harmonieren.

 

Wi̱·der·spruch Substantiv [der] – oder?

Bei BGH v. 15.12.2017 – V ZR 257/16 – Rz. 8 heißt es wie folgt:

Nach der Rechtsprechung des Senats hat der Wohnungseigentümer die Beitragsvorschüsse zu leisten, die während der Dauer seiner Mitgliedschaft in der Eigentümergemeinschaft aufgrund von wirksam beschlossenen Wirtschaftsplänen oder Sonderumlagen fällig werden (so genannte ‚Fälligkeitstheorie‘)“.

Wollte man den Stachel löcken, so könnte man etwa fragen, was „Beitragsvorschüsse“, was „Eigentümergemeinschaft“ und was „Mitgliedschaft“ meint. Denn Wohnungseigentümer zahlen keine Vorschüsse, sie zahlen das Hausgeld. Zahlungen auf das Hausgeld sind aber kein Vorschuss auf eine spätere Schuld. Denn alles andere verkennte das Verhältnis von Wirtschaftsplan und Abrechnung (dazu siehe nur Hügel/Elzer, WEG, 2. Auflage 2018, § 28 Rz. 54 und Rz. 157). Ferner: Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer i.S.v. § 10 Abs. 6 Satz 1 WEG hat zwar nach h.M., der zu folgen ist, Mitglieder, heißt aber anders (in § 10 Abs. 6 Satz 1 WEG: „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“, in § 10 Abs. 6 Satz 4 WEG „Wohnungseigentümergemeinschaft“). Und die Gemeinschaft nach Bruchteilen nach §§ 741 ff. BGB am gemeinschaftlichen Eigentum mag man zwar „Eigentümergemeinschaft“ nennen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 WEG spricht allerdings von „Gemeinschaft“, § 741 BGB von „Gemeinschaft nach Bruchteilen“). Diese aber hat Teilhaber, keine Mitglieder.

Aber nicht um dieses soll es in diesem Blog (eine Wortkreuzung aus Web und Log für Logbuch oder Tagebuch – sagt Wikipedia) gehen, sondern um die „Fälligkeitstheorie“. BGH v. 15.12.2017 – V ZR 257/16 – Rz. 8 – hält nämlich daran fest, dass der das Hausgeld schuldet, der bei Fälligkeit des Hausgelds Eigentümer des entsprechenden Wohnungseigentums ist. Nach BGH-Ansicht bestimmt also die Fälligkeit einer Schuld den Schuldner, nicht die Entstehung der Schuldpflicht. Aber wie passt das mit BGH v. 16.02.2018 – V ZR 89/17 – zusammen? Dort geht es um die Frage, welcher Verwalter bei einem Verwalterwechsel das abgelaufene Kalenderjahr abrechnen muss. In Rz. 12 und die Rz. 13 heißt es insoweit wie folgt:

Für die Frage, wer die Erstellung der Jahresabrechnung schuldet, kann es nur auf das Entstehen der Abrechnungspflicht nach § 28 Abs. 3 WEG ankommen. Die Fälligkeit sagt nämlich nichts darüber aus, wer die Leistung schuldet. Durch sie wird lediglich der Zeitpunkt bestimmt, von dem an der Gläubiger die Leistung verlangen kann (…). Von dem Eintritt der Fälligkeit kann die Person des Schuldners daher nicht abhängen. Das Kriterium der Fälligkeit ist für die Beantwortung der Frage, wer die Jahresabrechnung erstellen muss, auch praktisch unbrauchbar. Die Bestimmung des genauen Zeitpunkts der Fälligkeit ist regelmäßig mit Unsicherheiten behaftet.“

Es kommt nach BGH v. 16.02.2018 – V ZR 89/17 – für die Bestimmung des Schuldners also auf die Entstehung einer Pflicht an (hier besteht noch Unklarheit: Ende Wirtschaftsjahr oder Beginn des neuen Wirtschaftsjahrs?), nicht aber auf die Fälligkeit der Abrechnung, wann also die allgemeine Pflicht, abzurechnen, konkret zu erfüllen ist (Daumenregel: spätestens 1/2 Jahr nach Beginn des neuen Wirtschaftsjahres).

In diesen beiden Sichtweisen liegt ein dogmatischer Widerspruch? Ich meine, so sei es! Ich meine ferner, nur ein Weg sei richtig: Entweder die Anknüpfung an die Entstehung einer Schuld oder die Anknüpfung an ihre Fälligkeit. Und ich meine, der Königsweg sei in beiden Fällen die Anknüpfung an die Entstehung einer Schuld (dazu Elzer, Abrechnung und Wechsel in der Verfügungsmacht – auf die Entstehung kommt es an!, ZWE 2018, 153 ff.). BGH v. 16.02.2018 – V ZR 89/17 – wäre damit Beifall zu zollen (großer! denn es wird dort sehr präzise formuliert – viel präziser als auch etwa ich es bei der Abrechnung bislang getan habe). BGH v. 15.12.2017 – V ZR 257/16 – wäre hingegen (auch aus diesem Grunde) leider ein Irrweg und wäre künftig zu überprüfen, traute man sich, einer „Fälligkeitstheorie“ eine Absage zu erteilen.

Vielleicht sind die Pflicht, eine Abrechnung zu erstellen, und die Pflicht, Hausgeld zu zahlen, dogmatisch betrachtet voneinander strikt zu unterscheiden? Aber was wäre der Grund? Wer weiß. Wir müssen leider warten, ob Karlsruhe den hier behaupteten Widerspruch enträtseln und verklaren kann, warum es einmal auf die Entstehung der Pflicht (Schuldner der Abrechnung) und einmal auf ihre Fälligkeit (Schuldner des Hausgeldes) ankommen soll. Vielleicht gibt es ja keinen Widerspruch. Es bleibt jedenfalls spannend.

Lösung für Schrottimmobilien

Der BGH hat in einer Entscheidung vom 23.3.2018 (V ZR 307/16) die Vorschrift § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG erweiternd ausgelegt. Nach ihr kann jeder Wohnungseigentümer eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer Vereinbarung verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint, erweiternd ausgelegt.

Er geht davon aus, dass ein Anpassungsanspruch, der zunächst im Wege der Klage durchgesetzt werden muss, auch dann besteht, wenn ein Eigentümer an der wirtschaftlichen Verwertung seiner Einheit gehindert ist. Hierzu muss gegebenenfalls durch ein Sachverständigengutachten das Vorliegen schwerwiegender Gründe für eine Anpassung der Nutzung nachgewiesen werden.

Dies kann vor allem Bedeutung auch bei Schrottimmobilien haben, die zu dem vorgesehenen Zweck nicht mehr genutzt werden können. Betroffen sind leerstehende Hotelanlagen und Gewerbeimmobilien. Aber auch bei Wohnimmobilien in Schrumpfungsregionen kann sich eine abweichende Nutzung anbieten.

Voraussetzung ist in sämtlichen Fällen, dass die geänderte Nutzung auch baurechtlich möglich ist. Dies ist beispielsweise dann nicht der Fall, wenn ein Sondergebiet für ein „Hotel“ besteht und nunmehr eine Wohnnutzung angestrebt ist. In diesem Fall müssen die Eigentümer „doppelgleisig“ vorgehen.

Die Göttin der Gerechtigkeit

Justitia ist – glaubt man an eine Götterwelt – die Göttin der Gerechtigkeit. Seit vielen Jahrhunderten wird sie meist mit einer Augenbinde dargestellt. Die Augenbinde ist heutzutage kein Spott mehr, sondern neben der Waage das Symbol für die Unparteilichkeit, also das richten ohne Ansehen der Person.

Schaut man auf die eine oder andere Entscheidung, könnte man – wie zum Beginn der Darstellungen der Justitia mit einer Augenbinde – meinen, die Augenbinde stehe im Einzelfall auch für die Fähigkeit, nicht alles zu sehen. Ein Beispiel. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2017 ­– V ZB 52/15 – Rz. 15 unterrichtet unter Bezugnahme im Wesentlichen auf Palandt davon, durch einen Beschluss der Wohnungseigentümer könne ein Vertrag zwischen der Gemeinschaft und einem Ersatzzustellungsvertreter zustande kommen. Beim Beschluss des Gerichts nach § 45 Abs. 3 WEG sei es nicht anders.

In § 45 Abs. 2 Satz 1 WEG heißt es indes ebenso wie in § 45 Abs. 3 WEG „Bestellung“. Dies deutet womöglich darauf hin, die Wohnungseigentümer – und ebenso das Gericht – bestellten durch einen Beschluss eine Person. Denn von einem Vertrag steht da nichts. Und das zu Recht. Denn natürlich kann der Ersatzzustellungsvertreter einen Vertrag schließen. Das ist sogar sinnvoll. Der Vertrag (die Anstellung) ist aber von der Bestellung zu unterscheiden. Wie beim Verwalter. Und wie beim Verwaltungsbeirat. Auch nach dem von Bundesgerichtshof zitierten Palandt ist daher zu unterscheiden. In der aktuellen Auflage heißt es in dem eigentümlichen „Palandt-Deutsch“ bei § 45 WEG Rz. 6 wie folgt:

„Davon [Anm. des Verfassers: von der Bestellung] zu unterscheiden ist der Vertretervertrag (BGB 662 [zB bei WEigtümer] od 675 [zB bei RA]) zw der GdWE u dem Bestellten. Über Angebot an Bestellten einschl VertrInhalt (zB Vergütg, Form der Unterrichtg, AufwendgsErsHöhe) bzw Annahme dessen Angebots wird ebenfalls mit Mehrh beschlossen (entspr § 26 Rn 12 ff); idR wird er dch den Austausch von Bestellgs- u AnnahmeErkl stillschw geschlossen. Vergütg (BGB 611, 612) u AufwendgsErs (zu dessen Höhe vgl LG Mü ZMR 10, 803) einschl Vorschuss (BGB 669, 670) werden von der GdWE geschuldet u getragen“.

So – in der Regel allerdings lesbarer – steht es in jedem aktuellen Kommentar bei § 45 WEG (auf Nachweise verzichte ich an dieser Stelle mit Freuden). Ferner findet sich auch in jedem aktuellen Kommentar, aber auch in Habilitationsschriften und Aufsätzen, etwas zur Frage, ob Wohnungseigentümer durch Beschluss namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einem Dritten ein Angebot machen können oder ob der Beschluss nur ein Weg ist, einen Willen zu bilden, der dann aber noch durch Abgabe eines Angebots auszuführen ist (siehe dazu nur § 27 Abs. 1 WEG).

Zwar mag man selbst der Auffassung sein, (auch) durch Beschluss könne ein Angebot ausgesprochen werden. Vielleicht hat man dabei sogar gute, gar die besseren Argumente auf seiner Seite. Diese sollte man dann aber auch nennen. Tut man es nicht, bleibt leichter Argwohn, man wolle das andere einfach nicht sehen. Die Bedenken sind im konkreten Fall wahrscheinlich nicht begründet – man war sich wohl seiner Ansicht am Ende einer Entscheidung einfach sehr sicher und sah bei den abrundenden Hinweisen keinen genügenden Anlass, den Blick schweifen zu lassen. Das hätte man aber tun können – und wohl auch tun sollen. Denn so könnte der Ungerechte meinen, Justitia trüge auch zur Unzeit eine Augenbinde.

Im Übrigen: In vielen Gerichten findet man die Augenbinde – aber nicht immer. Warum auch nicht? Denn hat Justitia ihr Urteil gefällt, kann sie doch den Menschen ins Gesicht sehen und sollte es tun. Verlässt man das Gericht, etwa das Oberlandesgericht in Berlin, kann es daher schon sein, dass Justitia einen streng beäugt. Im Übrigen soll in Preußen seiner Majestät Minister der öffentlichen Arbeiten mit Schreiben vom 18. Januar 1907 sogar bestimmt haben, bei „künftigen Gerichtsbauten die Justitia ohne Augenbinde auszuführen“ (http://www.lto.de/recht/feuilleton/f/symbol-im-modernen-rechtstaat-justitia-reif-fuer-die-besenkammer/). Na dann.

Freibrief für schlampige Verwalter?

Ja oder doch Nein?

Jemand verkauft seine Eigentumswohnung. Dazu ist die Zustimmung des Verwalters erforderlich. Der Verwalter erklärt beim Notar seine Zustimmung. Der Kaufpreis wird fällig gestellt und vom Erwerber bezahlt. Der Notar möchte das Eigentum umschreiben. Nunmehr erklärt der Verwalter, dass er seine Zustimmung widerruft. Das Grundbuchamt möchte wegen der fehlenden Verwalterzustimmung das Eigentum nicht auf den Käufer umschreiben. Ein leider in der Praxis nicht seltener Fall.

Widerruf sogar per Fax?

Das OLG München hat in einer aktuellen Entscheidung (Beschluss vom 31.05.2017-34 Wx 386/16) das Verhalten des Verwalters akzeptiert. Die Verwalterzustimmung sei als Einwilligung frei widerruflich (§ 183 Satz 1 BGB). Sogar ein per Faxschreiben dem Notar oder dem Grundbuchamt zugegangener Widerruf soll ausreichend sein. Damit bleibt dem Erwerber nur die Klage gegen den Verwalter auf Erteilung der Zustimmung.

Widerruflichkeit einer privatrechtsgestaltenden Erklärung?

Die Verwalterzustimmung wirkt  privatrechtsgestaltend. Während im öffentlichen Recht einer Behörde der Widerruf eines privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakts nicht gestattet ist, soll das im Privatrecht anders sein. Damit kann ein Verwalter, der zunächst nicht sorgfältig geprüft hat, ob der Erwerber die Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft erfüllen wird, seine erklärte Zustimmung später widerrufen. Damit werden das schuldrechtliche und das dingliche Rechtsgeschäft unwirksam. Der Vormerkungsschutz des Erwerbers geht verloren, auch wenn er den Kaufpreis wegen der zunächst erteilten Zustimmung bereits entrichtet hat. Damit gehen die Wirkungen der Verwalterzustimmung weit über ihren Zweck hinaus. Es bleibt abzuwarten, wie der BGH auf die zugelassene Rechtsbeschwerde hin, wenn diese eingelegt wird, die Rechtsfrage entscheiden wird.

 

 

(Wohnungs-)Eigentum vernichtet Teil 1

Ein guter Freund hat es sich nicht ausreden lassen, weder von mir noch von seiner Ehefrau, und hat eine Eigentumswohnung erworben. In loser Folge darf ich nunmehr darüber berichten, welche Lebensfreude ihm dadurch verloren gegangen ist und in Zukunft verloren gehen wird. Da ich aus törichter Suche nach praktischen Anwendungsfällen meiner ausschließlich theoretischen Kenntnisse des Wohnungseigentumsrechts stets ein offenes Ohr für seine Nöte habe, darf ich mir zusätzlich den Kopf über die eigenwilligen Entscheidungen zerbrechen, die in der Eigentümergemeinschaft getroffen werden. Zum Beispiel über folgenden Tagesordnungspunkt der anstehenden Eigentümerversammlung:

„Rauchwarnmelder Keller und Treppenhaus EG und Dachgeschoss“

Abgesehen von der prägnanten, herzerfrischenden Kürze mit der dieser Beschlusspunkt formuliert ist, ergeben sich doch zwei Folgefragen.
(1) Besitzt die Eigentümergemeinschaft eine Beschlusskompetenz, um über den Einbau von Rauchwarnmeldern in den genannten Räumen zu entscheiden?
(2) Entspricht ein solcher Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung?

zu (1): Vorausgeschickt werden muss, dass die Eigentümer in der letzten Versammlung beschlossen hatten, dass für den Einbau der Rauchwarnmelder in den Wohnungen jeder Sondereigentümer selbst verantwortlich sein soll. Soweit sich die Beschlussvorlage auf im Sondereigentum stehende Keller- und Dachgeschossräume bezieht, stellt sich nicht nur die Frage, ob aufgrund der landesgesetzlichen Bauordnung (es ist die Bayerische) überhaupt eine Kompetenz der Gemeinschaft besteht, hierüber zu beschließen, sondern auch, ob sie diese Befugnis wirksam auf die Miteigentümer delegiert hat und ob und wie sie diese wieder an sich ziehen kann. Zumindest für Bayern besteht wohl eine Beschlusskompetenz der Gemeinschaft, geboren oder gekoren sei dahingestellt, Art. 46 Abs. 4 Satz 1 und 3 BayBO unterscheidet sich in seinem Wortlaut nicht von § 45 Abs. 6 Satz 1 und 3 HbgBauO, so dass die Entscheidung des BGH vom 8. 2. 2013 – V ZR 238/11, NJW 2013, 3092 = MDR 2013, 835 = MietRB 2013, 241, einschlägig sein dürfte. Soweit man eine Delegation des Einbaus der Warnmelder auf die einzelnen Eigentümer bejaht (dagegen sind z.B. AG Wuppertal ZMR 2016, 64; AG Bonn ZMR 2015, 407; Riecke NZM 2016, 217, 221), wird man auch den actus contrarius gestatten müssen, also dass die Gemeinschaft diese Befugnis wieder an sich zieht.

zu (2): Wann aber entspricht die Ausstattung von Räumen des gemeinschaftlichen Eigentums und des Sondereigentums über das in Art. 46 Abs. 4 Satz 1 BayBO bestimmte Maß hinaus dem Grundsatz ordnungsmäßiger Verwaltung? Für Abramenko bemisst sich dies nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. So könne „[d]ie Gemeinschaft […] gute Gründe haben, über den gesetzlich vorgeschriebenen Minimalschutz hinauszugehen und auch das Gemeinschaftseigentum mit Rauchwarnmeldern auszustatten“ (ZWE 2013, 117, 118). Wann solche „guten Gründe“ vorliegen, bleibt jedoch unklar. Für Schultz entspricht ein Beschluss, das Gemeinschaftseigentum mit Rauchwarnmeldern auszustatten „in der Regel“ ordnungsgemäßer Verwaltung, „weil aufgrund des Alarms, den sie [die Rauchwarnmelder] bei einem Brandausbruch auslösen, Maßnahmen zur Brandbekämpfung und zur Erhaltung des ursprünglichen Zustands des gemeinschaftlichen Eigentums vorgenommen werden können“ (ZWE 2009, 383, 384). Auch ein Rückgriff auf die DIN 14676 („Rauchwarnmelder für Wohnhäuser, Wohnungen und Räume mit wohnähnlicher Nutzung“), die von Riecke erwogen wird (NZM 2016, 217, 219) hilft m.E. nicht weiter, da ansonsten die gesetzliche Pflicht zur Mindestausstattung stets vom Stand der Technik überboten werden würde, was den Normcharakter der bauordnungrechtlichen Vorschriften entwerten würde. In der Tat wird man mit Abramenko eine Einzelfallbetrachtung anzustellen haben, die im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Abwägung einerseits die Wahrscheinlichkeit eines Brandausbruchs als auch einer rechtzeitigen Branderkennung in dem betroffenen Bereich des Gemeinschaftseigentums mit den zu erwartenden Kosten der Installation und Wartung der Rauchwarnmelder vergleicht. Ist ein Brandausbruch in Kellerräumen wenig wahrscheinlich und ist auch nicht zu erwarten, dass der Rauchwarnmelder dort wahrgenommen wird, so spricht dies m.E. eher gegen einen Einbau der Rauchwarnmelder. Allerdings ist zu beachten, dass die Eigentümer einen Ermessensspielraum haben, der nur eingeschränkt gerichtlich nachprüfbar ist. Soweit die Kosten der Anschaffung und Wartung der Warnmelder in einem geringen Rahmen halten (etwa bis zu 25 EUR pro Melder), wird man deren Installation noch für ermessensgerecht halten, auch wenn die Wahrscheinlichkeit eines Brandausbruchs und einer rechtzeitigen Branderkennung sehr gering sein sollten.

Mein Freund hat meine Stellungnahme resigniert zur Kenntnis genommen und ist für zwei Wochen in den Urlaub gefahren. Mal sehen, was die Eigentümer in der Zwischenzeit beschließen werden.

 

Viva la Revolución?

Nach Wikipedia ist eine Revolution ein grundlegender und nachhaltiger struktureller Wandel eines oder mehrerer Systeme, der meist abrupt oder in relativ kurzer Zeit erfolgt. Der Wandel kann friedlich oder gewaltsam vor sich gehen. Eine Revolution von oben – auch nach Wikipedia – beschreibt grundlegende Reformen vonseiten der Herrschenden. Solche Revolutionen – Revolutionen von oben – finden sich im Wohnungseigentumsrecht häufig. Bedeutsame Beispiele sind etwa die BGH-Entscheidungen vom 20.09.2000 – V ZB 58/99 zur Frage, ob es eine Beschlusskompetenz gibt, ein Sondernutzugsrecht zu gewähren, vom 23.08.2001 – V ZB 10/01 zu konstitutiven Bedeutung der Bekanntgabe des Beschlussergebnisses, vom 25.09. 2003 – V ZB 21/03 zur Reichweite des § 16 Abs. 2 WEG oder vom 02.06.2005 – V ZB 32/05 zur Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Alles keine Ruhmesblätter. Wir haben sie aber überlebt und – zum Teil – festgestellt, dass es gar nicht so schlimm war.

Möglicherweise haben wir es jetzt wieder mit so einer grundlegenden Reform vonseiten der WEG-Herrschenden zu tun. In einer „Nebenbeibemerkung“ könnte nämlich zu lesen sein, in der Zustimmung zu einer baulichen Veränderung könne zugleich die Gewährung eines Sondernutzungsrechts liegen (BGH, Urteil vom 13.01.2017 – V ZR 96/16, Rz. 30 ff. und Leitsatz 2). Wäre es so, wäre das freilich ein hier zu würdigender „Paukenschlag“. Denn stets müssten nun die Wohnungseigentümer und müsste der Verwalter als Versammlungsleiter prüfen, ob in der baulichen Veränderung – für eine Modernisierung kann nichts anderes gelten – zugleich ein Sondernutzungsrecht liegt. So liegt es zwar nicht beim Einbau eines Personenaufzugs (hier irrt der BGH), da dessen Errichtung tatsächlich noch nichts dazu sagt, wer den Personenaufzug später (allein) gebrauchen darf. So liegt es der Sache nach aber etwa bei der Anbringung von Schildern, da die Fläche, an denen sie befestigt werden, eben nur von dem „bauwilligen“ Wohnungseigentümer (respektive seinem Schild) gebraucht wird.

Kann dieses Denken indes richtig sein? Kann es wahr sein, dass eine BGH-Rechtsprechung dazu führt, dass das, was von Gesetzes wegen beschlossen werden kann, dennoch nichtig sein kann? Ich selbst meine – man merkt das natürlich –, es könne nicht richtig sein. Ich wehre mich dagegen, das Gesetz gleichsam zu kastrieren. Ich meine, wer bauen darf, darf dabei dann eben auch die Bauteile oder Flächen allein gebrauchen, an denen er baut. Alles anderes ist für mich selbst eher sinnfrei. Es kann doch nicht sein, dass sich eine – durchaus fragwürdige – Rechtsprechung baulichen Veränderungen in den Wege stellen können kann. Ich hoffe daher – auch hier –, Karlsruhe bliebe eher konservativ und führte aus, hat es dazu mal wieder Gelegenheit, man verstehe es falsch und verdrehe das Gedachte/Gemeinte/Gewollte. Denn Karlsruhe habe eigentlich – wenn überhaupt – nur etwas zur Beschlussersetzung sagen wollen, nicht aber zu baulichen Veränderungen. Eine solche kann zwar seiner Ansicht sehr wohl auf eine Vereinbarung zielen, das ist aber ein anderer Irrtum, dem auch ein anderes Mal nachzugehen ist.

Dum spiro, spero!

Ich beschäftige mich hier und da mit dem Wohnungseigentumsrecht – etwa seit 20 Jahren. Am Anfang wusste ich nichts – und fällte dennoch Beschlüsse (es galt das FGG). Es wird das eine oder andere „Produkt“ geben, für das ich mich schämen muss. Seitdem habe ich zwar ein wenig gelernt. Ich weiß aber wohl besser als viele andere, wie wenig ich weiß.

Manches, so dachte ich, sei freilich von dem, was ich so denke oder sage, unangreifbar. Etwa der Satz: alle wesentlichen Bauteile, die man an einem in Wohnungseigentum aufgeteilten Gebäude sehen kann – was also die äußere Gestaltung betrifft – stehen im gemeinschaftlichen Eigentum. Warum ich hier so sicher war? Nun, so steht es in § 5 Abs. 1 WEG. Und so ist es auch völlig unstreitig.

Muss ich jetzt umlernen? Jedenfalls in einem Anfang April 2017 – also rund 5 Monate nach seiner Verkündung – veröffentlichten Urteil meint der Bundesgerichtshof, ein „Dachvorbau“ (teilverglaste Holzseitenwände) stehe im Sondereigentum (BGH, Urteil vom 18. November 2016 – V ZR 49/16, Rz. 8). Zum Beleg zitiert der Sachrechtssenat unter anderem – Stefan Hügel und mich (Hügel/Elzer, WEG, 1. Auflage 2015, § 5 WEG Rz. 40 Stichwort Dachterrasse). Die Aussage steht da aber – natürlich – nicht. Denn wir äußern uns nur zur Frage, in wessen Eigentum der Raum steht und berichten über die von uns abgelehnte h.M., eine Dachterrasse sei Raum. Was für die wesentlichen Bestandteile eines im Sondereigentum stehenden Raum gilt, berichten wir a.a.O. Rz. 10 ff.. Dort ist dann auch Rz. 14 zu lesen, dass ein wesentlicher Gebäudebestandteil eben nicht sondereigentumsfähig ist, wenn seine Veränderung, Beseitigung oder das Einfügen der Bestandteile des Gebäudes die äußere Gestaltung des Gebäudes verändert. Und so liegt es im Fall – streiten die Wohnungseigentümer doch gerade, ob der Dachvorbau den optischen Gesamteindruck des Gebäudes gegebenenfalls nachteilig verändert.

Da ich das alles auch weiterhin für richtig halte, bin ich zu einem Umlernen nur wenig geneigt. Ich selbst meine daher, der Bundesgerichtshof leitete aus der von ihm gefundenen Prämisse höchst interessante, freilich auch höchst falsche Schlüsse ab. Wenn es etwa heißt, auf [bestimmte] bauliche Maßnahmen am Sondereigentum seien § 22 Abs. 2 und 3 WEG entsprechend anzuwenden, halte ich das für sehr unglücklich. Wer da wohl über die Verwaltung des Sondereigentums abstimmt – der Erdgeschoßbewohner?

Und warum ist der Beschluss nicht nichtig ? Geht es nicht um die Verwaltung des Sondereigentums? Und wenn der Bundesgerichtshof, Rz. 21, vom Gesetzgeber berichtet, der nicht bedacht habe, dass das gleiche Problem bei baulichen Maßnahmen am Sondereigentum auftritt,  deren  Nachteil  für  andere Wohnungseigentümer  in  ihrer  Ausstrahlung  auf den  optischen  Gesamteindruck  des  Gebäudes  bestehe, dann werde ich wohl auch künftig sagen, der Gesetzgeber habe die Frage gar nicht bedenken müssen.

Was bleibt, ist meine Hoffnung (spero), der Bundesgerichtshof korrigierte sich – so schnell es nur geht und während (dum) ich noch atme (spiro). Die Kraft und den Mut dazu hat der Bundesgerichtshof. Wenn es dann heißt, man habe ihn nur missverstanden, das Landgericht habe eben nichts anderes festgestellt, so soll mir das recht sein.

 

 

Hic sunt dracones

Die Juristen Savigny und Thibaut stritten vor ziemlich genau 200 Jahren über Sinn und Unsinn einer Kodifikation des Privatrechts. Savigny, der ironischer Weise später in Preußen Minister für Revision der Gesetzgebung wurde, meinte, es sei zunächst ein gründliches Studium der Rechtsquellen notwendig. Wer will sich dem entgegenstemmen. Hat man etwa die Freude gehabt, einer Arbeitsgruppe des BMJV auch nur gastweise anzugehören, kann man nur darauf pochen, dass die, die da basteln, den Stoff, an dem sie rummokeln, besser kennen sollten.

Ungeachtet dessen ist eine WEG-Reform angekündigt worden. Die Bundesregierung hat in einer Kabinettssitzung am 9.  November 2016 Änderungsbedarf am WEG eingeräumt und diese für die nächste Legislaturperiode – wer auch immer dann im Amt ist – auch in Aussicht gestellt. Hintergrund ist ein Antrag des Bundesrates (BR-Drucksache 340/16) zur Förderung der Barrierefreiheit und Elektromobilität in Wohnungseigentümergemeinschaften. Dieser ist freilich handwerklich eher ärgerlich und kann so nicht umgesetzt werden.

Richtig ist indes, dass es – wie nicht zuletzt die Entscheidung BGH v. 13.1.2017 – V ZR 96/16 zum Wunsch eines Wohnungseigentümers, einen Aufzug auf eigene Kosten zu bauen, zeigt – durchaus Punkte gäbe, die man im WEG ändern könnte. Ein Punkt wäre etwa die bislang völlig misslungene Kodifikation des Verbandes Wohnungseigentümergemeinschaft. Ein anderer wären Vorgaben für die nach § 28 Abs. 3 WEG zu erstellende Abrechnung nebst Muster oder die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums vom Bauträger. Diese und viele andere diskutierte Änderungen sollten aber erst in Angriff genommen werden, wenn die Fragen ausreichend abgewogen, die Probleme verstanden und die möglichen Lösungen bekannt sind. Dass der Gesetzgeber das leisten kann, ist freilich unsicher. Dass es der BGH leistet, wird man aber auch nicht ernsthaft erwarten dürfen.

Schön wäre daher eine Art „WEG-Lehrstuhl“. Ebenso wie mit einer Lehrbefugnis für Mietrecht wird man damit zwar nicht unbedingt rechnen dürfen. Es wäre aber sinnvoll, ein Recht, dass Millionen von Deutsche berührt, nicht mehr länger links liegen zu lassen. Was es braucht, ist daher gegebenenfalls ein Stifter. Vielleicht erbarmt sich ja irgendwann mal ein Verlag.

ETW-Verkauf: Zwischenablesungskosten

Im Zuge des Verkaufs einer Eigentumswohnung nahm der Wärmemessdienst eine Zwischenablesung vor.

Im Rahmen eines ohnehin gegen den Mieter geführten Heizkostenprozesses schob der alte Eigentümer noch die Forderung nach, nicht er, sondern der Mieter müsse die rund fünfzig Euro Ablesekosten etc. tragen. Das LG Ellwangen legte sich aber quer (Urt. v. 10.06.2016 – 1 S 159/13): „Wird eine vermietete Eigentumswohnung verkauft, braucht der weiterhin in der Wohnung verbleibende Mieter die infolge des Eigentumsübergangs anfallenden Kosten für eine Zwischenablesung und die Nutzerwechselgebühr nicht zu tragen.“

Praxistipp: Da es beim Verkauf einer Eigentumswohnung um etliche -zigtausend Euro geht, schadet es nicht, bei den Kaufverhandlungen auch an die „kleinen“ Beträge zu denken. Hier wäre also eine zeitanteilige Quotelung  zwischen Alt- und Neueigentümer sinnvoll gewesen (vgl. Lammel, HeizkostenV, 4. Aufl. 2015, § 9b, Rz. 15).