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Steuerrecht-Blog

Korrespondenzprinzip zwischen Feststellungsverfahren und Schenkungsteuerbescheid – Berücksichtigung von Grundstücksbelastungen

Raymond Halaczinsky  Raymond Halaczinsky
Rechtsanwalt, Bonn

Können bei Grundstückschenkungen übernommene Wohn-/Nutzungsrechte als Gegenleistungen schenkungsteuermindernd abgezogen werden (entspr. § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStG), wenn im Feststellungsbescheid über den Grundbesitzwert als Grundstückswert ein niedrigerer Verkehrswert gem. § 198 BewG angesetzt wird, bei dem Wohn-/Nutzungsrechte fehlerhaft wertmindernd berücksichtigt worden sind?

Im Streitfall wurde das betr. Grundstück i.R. einer gemischten Schenkung durch Vertrag v. 3.3.2015 übertragen. Die Schenkung galt zu diesem Tag als ausgeführt (näheres zum Zeitpunkt der Ausführung s. R E 9.1 ErbStR). Die Wohn-/Nutzungsrechte wurden aber erst aufgrund des Übertragungsvertrages am 3.3.2015 begründet und zu einem späteren Zeitpunkt im Grundbuch eingetragen. Der Beschenkte hatte somit kein dinglich vorbelastetes Grundstück erworben, sondern den insoweit unbelasteten Erwerbsgegenstand erst im Gegenzug für die Übertragung mit den vereinbarten Nutzungsrechten belastet. Der Gutachter hatte aber die Wohn-/Nutzungsrechte schon bei der Bewertung auf den 3.3.2015 wertmindernd berücksichtigt. Das Erbschaft-/Schenkungsteuer-FA war an die (fehlerhafte) Feststellung des niedrigeren Verkehrswerts gebunden (Grundlagenbescheid).

Haben sich bei der gutachterlichen Ermittlung des niedrigeren gemeinen Werts einer wirtschaftlichen Einheit des Grundbesitzes Nutzungsrechte als Grundstücksbelastungen bereits wertmindernd ausgewirkt (§ 198 BewG), ist deren Abzug im Verfahren über die Festsetzung der Schenkungsteuer nach § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG ausgeschlossen, so das FG. Im Fall des rechtsfehlerhaften Abzugs der Nutzungsrechte im Wertermittlungsverfahren (nach § 198 BewG) wird dieser Fehler somit nicht im Feststellungsverfahren korrigiert, sondern durch korrespondierende Sachbehandlung im Steuerfestsetzungsverfahren kompensiert.

Allgemein gilt: Soweit möglich sollten Steuerpflichtige/bzw. deren Berater, die auf Basis eines Sachverständigengutachten einen individuellen niedrigeren Verkehrswerts übernehmen, diesen schon vorab auf Unstimmigkeiten/Fehler prüfen (zu den Anforderungen grundlegend R B 198 ErbStR; H B 198 ErbStH).

Im Übrigen wird das Urteil im Ergebnis dem Abzugsverbot des § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG gerecht (dazu R E 10.10 Abs. 6 ErbStR). Die Frage ist aber, ob das Ergebnis nicht durch Korrektur des Feststellungsbescheides hätte herbeigeführt werden müssen (und wenn dieses verfahrensrechtlich nicht mehr möglich ist) gleichwohl die Wohn-/Nutzungsrechte abgezogen werden müssten). Ob dies so ist, wäre in einer Revision vom BFH zu entscheiden. Da das FG die Revision nicht zugelassen hatte, ist Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden (Az. des BFH: II B 44/21). Sollte ein vergleichbarer Fall vorliegen, könnte der Nichtabzug von Wohn-/Nutzungsrechte in Hinblick auf eine mögl. Revision vorerst angefochten/offengehalten werden.

Der Fall ist insgesamt für die Gestaltung von Grundstücksübertragungen gegen Wohn-/Nutzungsrechte und gegen Übernahme weiterer Verpflichtungen wie Darlehensübernahmen (abziehbar), aufgestauten Sanierungskosten (nicht abziehbar) und Bausachverständigenkosten (abziehbar) von Interesse (zu den Abzugsmöglichkeiten s.a. R E 7.4 ErbStR, H E 7.4 ErbStH). Außerdem ging es um den 10%igen Abschlag für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke (§ 13c jetzt § 13d ErbStG, R E 13d Abs. 9, 10 ErbStR). Der Kläger hatte die Hälfte eines Hauses geschenkt bekommen, in dem 4 Wohnungen vermietet waren. Anzumerken ist, dass die 10 %-Steuerbefreiung für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke nach § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG zur Folge hat, dass übernommenen Gegenleistungen im Regelfall „nur“ zu 90 % abzugsfähig sind (R E 10.10 Abs. 5 ErbStR).

Unabhängig vom Einzelfall kann grundsätzlich durch Beantragung des Ansatzes eines nachgewiesenen niedrigeren Verkehrswerts gem. § 198 BewG Erbschaft-/Schenkungsteuer gespart werden (sofern die Gutachterkosten die Ersparnis nicht „aufzehren“). Werden dabei Wohn-/Nutzungsrechte wertmindernd berücksichtigt (durch Abzug mit ihrem Kapitalwert), ist dies im Zweifel günstiger als der Abzug nach § 10 Abs. 1 Satz 1und 2 ErbStG. Denn der Abzug ist in dem Fall, in dem das Nutzungsrecht vorzeitig endet (insb. durch Tod des Berechtigten) gem. § 14 Abs. 2 BewG vom FA zwangsläufig nachträglich zu reduzieren (was nachträglich zu einer höheren Steuerbelastung führt/führen kann); vgl. z.B. FG Hamburg v. 27.5.2020 – 3 K 122/18, ZErb 2021, 153 = DStRE 2021, 154). Dieser Effekt kann nicht eintreten, wenn das Wohn-/Nutzungsrechts i.R.d. Wertermittlung nach § 198 BewG berücksichtig wird; der Feststellungsbescheid muss nicht nachträglich korrigiert werden.

FG München v. 16.6.2021 – 4 K 347/19 (NZB II B 44/21), ErbStB 2021, 322

Mehr zum Autor: MR a.D. Raymond Halaczinsky ist in Bonn als Rechtsanwalt tätig. Er gehört zum festen Autorenteam des ErbschaftSteuer-Beraters (ErbStB) und publiziert als Autor, Mitautor und Herausgeber; u. a. ist er Mitherausgeber des Daragan/Halaczinsky/Riedel, Praxiskommentar zum ErbStG und BewG.

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