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Steuerrecht-Blog

Schenkungsteuer bei der Errichtung einer Familienstiftung

Raymond Halaczinsky  Raymond Halaczinsky
Rechtsanwalt, Bonn

Welches Verwandtschaftsverhältnis muss bei der Besteuerung einer schenkweisen Übertragung von Vermögen auf eine inländische Familienstiftung (§ 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG) zugrunde gelegt werden, wenn durch die Familienstiftung neben einer angemessene Versorgung der Stifter A und B und ihrem Kind, hier der Tochter, weiterer Abkömmlinge des Stammes von A & B, jedoch erst nach Wegfall der vorherigen Generation, angemessen finanziell unterstützt werden sollen? Wer ist hier „entferntest Berechtigter“ i.S.d. § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG?

Im Streitfall richten sich die Steuerklasse gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG und der anzurechnende Freibetrag nach der für Urenkel und deren Abkömmlinge geltenden Vorschrift des § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG (Freibetrag von 100.000 € für übrigen Personen der StKl. I). Denn dieser Personenkreis gehört zu den „entferntest Berechtigten“ gem. §15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG, weil sie nach der Satzung – auch nur theoretisch – in Zukunft aus der Generationenfolge Vorteile aus der Familienstiftung erlangen können.

Zur Begründung führt das Gericht u.a. aus: § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG soll nicht die weitestgehende Begünstigung der Familienstiftungen (StKl. I und pauschal einen Freibetrag von zurzeit 400.000 €) normieren, sondern auf die Satzung Rücksicht nehmen. Die Stiftung hätte es selbst in der Hand, den Kreis der Begünstigten und damit die steuerliche Begünstigung zu bestimmen. Es bestehe keine Verpflichtung bzw. kein Anspruch, den Kreis der Begünstigten danach zu bemessen, welche nach der Satzung vorgesehenen Begünstigten bei der Errichtung der Familienstiftung tatsächlich schon geboren sind. Es lehnt damit entspr. einschränkende Auffassungen im Schrifttum ab (z.B. Söffing, ErbStB 2020, 107; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, Stand: 4/2019, § 15 Rz. 106). Jülicher hat sich i. Erg. primär dafür ausgesprochen, erst mit der Geburt der nächsten Generation potentiell Begünstigter diese nachträglich in die Besteuerung der Errichtung einer Familienstiftung einzubeziehen und einen solchen Bescheid sodann nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO mit dem Bekanntwerden einer solchen Geburt wegen dieses späteren Ereignisses mit Rückwirkung zu ändern. Jedenfalls müsse aber dann, wenn entgegen der Erwartung der Stifter eine solche nachfolgende Generation bis zur Auflösung der Stiftung tatsächlich nicht geboren wird, der Steuerbescheid, der die Errichtung der Stiftung erfasste, aufgrund der gleichen Vorschrift der AO mit Rückwirkung geändert werden.

Bei Errichtung einer Familienstiftung ist genau zu überlegen, wer potentiell Begünstigter/Begünstigte sein soll. Berechtigte sind der oder die Personen, denen nach der Satzung (Stiftungsurkunde) Vermögensvorteile eingeräumt werden (vgl. R E 15.2. ErbStR 2019). Dabei kommt es stets auf das Verwandtschaftsverhältnis zu dem/den Stifter(n) an (gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG nach dem Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten zu dem Erblasser oder Schenker). Mit jeder weiteren begünstigten Generation wirkt die Begünstigung auf ein entfernteres Verwandtschaftsverhältnis zu den Stiftern. Im Ergebnis ist der entferntest Berechtigte die Person, die das ungünstigste persönliche Verhältnis i.S.d. § 15 Abs. 1 ErbStG zum Stifter verursacht (vgl. z.B. Stein in v. Oertzen/Loose, ErbStG, 2. Aufl. 2020, § 15 Rz. 68).

In schon verwirklichten/errichteten Familienstiftungen, bei denen lt. Satzung auch Urenkel und deren Abkömmlinge begünstigt worden sind, und in denen die Steuerklasse bzw. der Freibetrag umstritten sind, können laufende Einspruchs-/Klageverfahren in Hinblick darauf, dass Revision eingelegt worden ist (Rev. II R 25/21) weiterhin ruhen. Festsetzungen unter Auslegung des „entferntest Berechtigten“ i.S.d. dieses Urteils könnten in Hinblick auf die Revision angefochten werden.

Allerdings sind die Erfolgsaussichten eher ungünstig einzuschätzen. Die Finanzverwaltung (vgl. R E 15.2 Abs. 1 ErbStR 2019 und H E 15.2. ErbStH 2019) und auch das FG Münster v. 18.5.2017 – 3 K 3247/15 Erb, EFG 2017, 1208 = ErbStB 2017, 267 [E. Böing] aufgehoben aus verfahrensrechtlichen Gründen durch BFH v. 19.2.2020 – II R 32/17, BStBl. II 2021, 25 = ErbStB 2020, 341 [Rothenberger]) gehen – wie das FG Niedersachsen – davon aus, dass für Zwecke des Freibetrags bei Übergang von Vermögen auf eine Familienstiftung auch eine im Stiftungsgeschäft als Begünstigte erfasste, aber noch nicht lebende Enkelgeneration zu berücksichtigen sei. Anzumerken ist hier noch, dass § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG nur für Familienstiftungen gilt, die im Inland errichtet werden (vgl. FG Hessen v. 7.3.2019 – 10 K 541/17, EFG 2019, 930). Diese Grundsätze sollten jedenfalls bei anstehenden Satzungsgestaltungen beachtet werden. Hierzu ist auf die Urteilsgründe und einschlägiges Schrifttum zu verweisen.

Niedersächsisches FG v. 24.6.2021 – 3 K 5/21 (Rev. II R 25/21), s.a. ErbStB 2021, 300, mit Komm. Marfels

Mehr zum Autor: MR a.D. Raymond Halaczinsky ist in Bonn als Rechtsanwalt tätig. Er gehört zum festen Autorenteam des ErbschaftSteuer-Beraters (ErbStB) und publiziert als Autor, Mitautor und Herausgeber; u. a. ist er Mitherausgeber des Daragan/Halaczinsky/Riedel, Praxiskommentar zum ErbStG und BewG.

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