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Steuerrecht-Blog

Keine Abzinsung einer aufschiebend bedingten Last

Michael Marfels  Michael Marfels
RD a.D.

Der BFH hat der Revision der Kl. stattgegeben und entschieden, dass eine Abzinsung der aufschiebend bedingten Last für die Zeit zwischen dem Rechtsgeschäft und dem Bedingungseintritt nicht stattfindet.

Die Klägerin (Kl.) ist Alleinerbin nach ihrem im Januar 2016 verstorbenen Ehemann M. Dieser hatte am 23.12.2004 seinen Kommanditanteil an der A-KG seiner Tochter T geschenkt unter Vorbehalt des Nießbrauchs hieran. Nach seinem Tod hatte die Tochter an die im Dezember 1937 geborene Kl. (Mutter der T) zulasten des Kommanditanteils einen monatlichen Betrag i.H.v. 4.000 € zu zahlen. M übernahm die Schenkungsteuer. Das FA setzte deshalb die Schenkungsteuer ggü. M am 31.3.2010 fest. Hierbei wurde die der Kl. ggü. bestehende Rentenzahlungsverpflichtung der T gem. § 6 Abs. 2 BewG nicht angesetzt. Nach dem Tod des M beantragte die Kl., die Steuerfestsetzung vom 31.3.2010 zu ändern und die von der Beschenkten an sie zu entrichtende Rentenlast nunmehr steuermindernd bei der Steuerfestsetzung ggü. M zu berücksichtigen (Jahreswert 48.000 € x Vervielfältiger von 8,034 = 385.632 €).

Dem folgte das FA jedoch nur i.H.v. 213.100 €, da nach seiner Auffassung der auf den Todestag des Schenkers im Januar 2016 zu berechnende Kapitalwert (unstreitig 385.632 €) auf den Zeitpunkt der gemischten Schenkung (23.12.2004) abzuzinsen sei.

Die Klage blieb erfolglos, da nach Ansicht des FG der Wert der Rentenlast auf den Tag des Bedingungseintritts (Tod des M) zu ermitteln und nach § 12 Abs. 3 BewG abzuzinsen sei.

Wirkung einer aufschiebenden Bedingung: Bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs einer Schenkung werden gem. § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 6 Abs. 2 BewG Lasten, deren Entstehung vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt, zunächst nicht berücksichtigt. Tritt die Bedingung ein, ist nach § 6 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 BewG die Festsetzung der nicht laufend veranlagten Steuern, also auch der Schenkungsteuer, auf Antrag nach dem tatsächlichen Wert des Erwerbs zu berichtigen.

Der Begriff „Bedingung“ in § 6 Abs. 1 BewG ist zivilrechtlich zu verstehen und bedeutet, dass bei einer rechtsgeschäftlich vereinbarten aufschiebenden Bedingung die Wirkung dieses Rechtsgeschäfts von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis abhängt, das Rechtsgeschäft also gem. § 158 Abs. 1 BGB erst mit dem Eintritt der Bedingung wirksam wird. Solange die Bedingung nicht eingetreten ist, liegt die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts im Ungewissen bzw. schwebt.

Maßgebender Bewertungszeitpunkt bei aufschiebend bedingter Last: Die abzugsfähigen Verbindlichkeiten sind mit ihrem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert abzuziehen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG). Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BewG ist der Kapitalwert von lebenslänglichen Nutzungen und Leistungen mit dem Vielfachen des Jahreswerts anzusetzen. Die Vervielfältiger sind nach der Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes zu ermitteln (§ 14 Abs. 1 Satz 2 BewG). Maßgebender Zeitpunkt für die Berechnung des Kapitalwerts einer aufschiebend bedingten Belastung ist der Zeitpunkt des Bedingungseintritts. Zugrunde zu legen ist daher der bei Bedingungseintritt geltende Vervielfältiger gem. § 14 Abs. 1 BewG.

Keine Abzinsung während des Schwebezustands: Die bedingte Last ist nicht nach § 12 Abs. 3 BewG für den Zeitraum des Schwebezustands zwischen dem Rechtsgeschäft – hier der Schenkung des M im Jahre 2004 – und dem Bedingungseintritt – hier dem Tod des M im Jahre 2016 – abzuzinsen. Die Abzinsung erfolgt nach § 12 Abs. 3 Satz 1 BewG nur bei einer unverzinslichen Schuld mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr und wenn diese zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig wird. Die Schuld oder Forderung ist dann mit dem Betrag anzusetzen, der vom Nennwert nach Abzug von Zwischenzinsen (5,5 %) unter Berücksichtigung von Zinseszinsen verbleibt. Die Regelung des § 12 Abs. 3 BewG beruht darauf, dass bei identischem Nominalbetrag eine auf Jahre gestundete Forderung oder Schuld einen niedrigeren gegenwärtigen Wert hat als die sofort fällige Forderung. Durch die Abzinsung einer Schuld soll berücksichtigt werden, dass eine Verpflichtung nicht zeitnah, sondern erst in fernerer Zukunft zu erfüllen ist und damit der zu ihrer Erfüllung erforderliche Aufwand zeitversetzt anfällt. § 12 Abs. 3 BewG ermöglicht aber keine Abzinsung bei einer Schuld, die unter einer aufschiebenden Bedingung steht. Diese führt auch im Bewertungsrecht zu einem Schwebezustand der zukünftigen Forderung bzw. Schuld. §§ 4 ff. BewG bestimmen für den bedingten Erwerb entspr. der BGB-Regelung ausdrücklich, dass der Schwebezustand bewertungsrechtlich unberücksichtigt bleibt.

Eine Abzinsung nach § 12 Abs. 3 BewG scheitert schon daran, dass die Fälligkeit der Rentenverpflichtung nicht zu einem feststehenden Zeitpunkt eintritt, denn der Zeitpunkt des Todes des M, von dem die Fälligkeit abhängt, ist ungewiss. Außerdem fehlt es während des Schwebezustands an einer abzuzinsenden Forderung, denn die Forderung ist erstmals mit Eintritt der Bedingung zu berücksichtigen; sie ist gleichzeitig aber auch fällig und nicht mehr gestundet. Damit sind weder im Zeitpunkt der gemischten Schenkung (mangels bestimmten Fälligkeitszeitpunkts einer noch nicht existenten Verpflichtung) noch im Zeitpunkt des Bedingungseintritts (mangels mehr als einjähriger Laufzeit einer zinslos gestundeten Forderung) die Voraussetzungen einer Abzinsung nach § 12 Abs. 3 BewG erfüllt.

Das Urteil bestätigt die m.E. gem. § 6 Abs. 2 BewG eindeutige Rechtslage, wonach aufschiebend bedingte Lasten zunächst weder bei der Erbschaft- noch bei der Schenkungsteuer berücksichtigt werden. Erst wenn die vereinbarte Bedingung eintritt, ist bei aufschiebend bedingten Lasten die entspr. Steuerfestsetzung auf Antrag zu ändern.

Zu beachten ist, dass die Berücksichtigung aufschiebend bedingter Lasten nur auf Grund eines Änderungsantrags zu einer Änderung der Schenkung- oder Erbschaftsteuerfestsetzung zugunsten des Antragstellers führt.

Der BFH gibt ausdrücklich die Rechtslage des § 12 Abs. 3 BewG wieder, nach der im Falle der Abzinsung von einem Zinssatz von 5,5 % auszugehen ist. Dem steht nicht der Beschluss des BVerfG entgegen, wonach lediglich die 6%-Verzinsung von Steuerforderungen und –erstattungen verfassungswidrig ist. Die Zugrundelegung von 5,5 % in § 12 Abs. 3 BewG und Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen sind von dieser Entscheidung nicht betroffen.

BFH v. 15.7.2021 – II R 26/19, ErbStB 2022, 4

 

Mehr zum Autor: Michael Marfels gehört zum festen Autorenteam des Erbschaft-Steuerberaters (ErbStB).

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