Abzug eines vor dem Tod des Erblassers fällig gewordenen Zugewinnausgleichsanspruchs als Nachlassverbindlichkeit

Die Klägerin (Kl.) und der Erblasser waren zu beider Lebzeiten zunächst im gesetzlichen Güterstand verheiratet. Im Jahr 2012 vereinbarten sie eine Gütertrennung einschl. einer in diesem Zusammenhang durch den Erblasser an die Kl. zu leistenden Zugewinnausgleichszahlung. In einem zeitgleich errichteten gemeinschaftlichen Testament setzten sich beide gegenseitig zu alleinigen Vorerben ein. Der Zugewinnausgleichsanspruch sollte der Kl. für den Erbfall einen Anspruch auf Liquidität verschaffen, über den sie unabhängig von ihrer Stellung als Vorerbin alleine verfügen können sollte. Nach dem Tod des Erblassers im Jahr 2020 machte die Kl. in ihrer Erbschaftsteuererklärung die Zugewinnausgleichszahlung i.H.d. vereinbarten Nennbetrages als abzuziehende Verbindlichkeit geltend.

Das beklagte FA hielt diese Verbindlichkeit aus der Beendigung des Zugewinns als Nachlassverbindlichkeit nicht für abzugsfähig. Der Vertrag über die Beendigung des Zugewinns sei bereits im Jahr 2012 geschlossen worden. Bis zum Tod des Erblassers seien darauf keine Zahlungen erfolgt, so dass der Erblasser nicht mehr mit einer Inanspruchnahme seitens der Kl. habe rechnen müssen. Im Ergebnis sei der Erblasser mit der Forderung nicht wirtschaftlich belastet gewesen. Dagegen erhob die Kl. Klage beim FG.

Das FG hat der Klage der Kl. stattgegeben und entschieden, dass ein vor dem Tod des Erblassers fällig gewordener Zugewinnausgleichsanspruch als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden kann, sofern im Einzelfall die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Belastung i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG gegeben sind.

Der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten i.R.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG setze als teleologisch begründetes Korrektiv voraus, dass sie im Todeszeitpunkt eine wirtschaftliche Belastung dargestellt haben. Zu diesem Zeitpunkt sei im Fall des Erblassers die wirtschaftliche Belastung durch den Zugewinnausgleichsanspruch als gegeben anzusehen. Bei objektiver Würdigung der Verhältnisse war damit zu rechnen, dass die Kl. diesen Anspruch geltend machen werde. Der Anspruch sollte die Kl. beim Tod des Ehemannes absichern und sei daher nicht zu dessen Lebzeiten geltend gemacht worden. Zudem sei der Anspruch im Todeszeitpunkt zivilrechtlich auch noch nicht verjährt gewesen, da die Verjährung bis zum Zeitpunkt des Erbfalls gehemmt sei. Auch habe es an einem durch die berechtigte Ehefrau gesetzten Vertrauenstatbestand gefehlt, aufgrund dessen der Erblasser davon hätte ausgehen dürfen, dass die Kl. den Zugewinnausgleichsanspruch nicht mehr geltend machen würde, so dass auch eine zivilrechtliche Verwirkung gem. § 242 BGB ausscheide.

Zugewinnausgleichsanspruch und wirtschaftliche Belastung: Der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten setzt nach st. Rspr. des BFH voraus, dass sie im Todeszeitpunkt eine wirtschaftliche Belastung dargestellt haben. Daran fehlt es, wenn bei objektiver Würdigung der Verhältnisse in diesem Zeitpunkt nicht damit gerechnet werden konnte, dass der Gläubiger seine Forderung geltend machen werde. Das Merkmal der wirtschaftlichen Belastung ist ein teleologisch begründetes Korrektiv. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG verlangt seinem Wortlaut nach nicht ausdrücklich danach. Bei objektiver Würdigung der Verhältnisse muss zum Zeitpunkt des Todes des Ehepartners damit zu rechnen sein, dass dieser Anspruch geltend gemacht wird.

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine wirtschaftliche Belastung liegt insb. dann vor, wenn damit dem Erben unter Liquiditätsaspekten finanzielle Mittel für die Zeit nach dem Erbfall zur Verfügung gestellt werden sollen. Alleine aus dem Umstand, dass der berechtigte Erbe zu Lebzeiten sich hinsichtlich der Geltendmachung von einzelnen Teilforderungen nicht an die vereinbarten Fälligkeitstermine gehalten hat, folgt jedenfalls nicht der Ausschluss der Annahme der wirtschaftlichen Belastung. Es besteht kein Erfordernis dahingehend, dass der Gläubiger des Zugewinnausgleichsanspruchs die Leistung bei einer zeitlich hinausgeschobenen Fälligkeit unmittelbar bei Eintritt der Fälligkeit verlangt.

Die Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs ist gem. § 207 Abs. 1 Satz 1 BGB von Anfang an gehemmt, solange die Ehe besteht, d.h. bis zum Tod des Ehepartners (vgl. § 1482 BGB). Dementsprechend beginnt die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB gem. § 187 Abs. 1 BGB an dem auf den Todestag folgenden Tag, und endete drei Jahre später nach § 188 Abs. 2 BGB.

Der durch das FG Münster behandelte Sachverhalt zeigt, dass der gesetzliche Zugewinnausgleichsanspruch bei Beendigung der ehelichen Zugewinngemeinschaft zu Lebzeiten ein interessantes Gestaltungsmodell für die steuerliche Beratungspraxis ist. Grund dafür ist neben der steuerfreien Zuwendung des Ausgleichsanspruchs an den Ehepartner die in Abhängigkeit vom Einzelfall zusätzlich bestehende Möglichkeit diesen Anspruch als Belastung des Nachlasses zum erbschaftsteuerlichen Abzug zu bringen.

Die Entscheidung des FG verdeutlicht die Notwendigkeit in der Gestaltung darauf zu achten, dass sich die Verbindlichkeit aus Sicht des Erblassers tatsächlich auch als eine wirtschaftliche Belastung für dessen Nachlass darstellen muss. Es dürfte nicht überraschen, wenn die Finanzverwaltung i.R. eines Jahressteuergesetzes dafür sorgen sollte, diese Gestaltungsmöglichkeit zukünftig auszuschließen.

FG Münster v. 24.2.2021 – 3 K 1298/21 Erb (rkr.), ErbStB 2022, 167

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