Druckfrisch …

… liegt der neue Kommentar zum reformierten Erbschaftsteuerrecht, herausgegeben von Dr. Christian von Oertzen (Flick Gocke Schaumburg) und Prof. Dr. Matthias Loose (BFH), auf meinem Schreibtisch, was Anlass dieses kleinen Beitrags ist.

Neben der Kommentierung des neuen ErbStG sind die einschlägigen Vorschriften des BewG und die Doppelbesteuerungsabkommen zur Erbschaftsteuer gleichfalls kommentiert. Das gefällt, weil dadurch ein rasches Nachschlagen ermöglicht wird.

Die einzelnen Kommentierungen folgen im Aufbau einem bestimmten Schema: Vorangestellt sind Grundaussagen der Vorschrift, daran schließen die jeweiligen Kommentierungen in der Reihenfolge der Gesetzesgliederung, also nach Absätzen etc., an. Diese Systematik in einem Werk von über 1.500 Seiten durchzuhalten, ist eine Herausforderung, der man sich hier erfolgreich gestellt hat. Dem Systematik liebenden Leser wird dies sehr wohltuend auffallen.

Hervorzuheben ist m.E. auch, dass Einzel- und Detailfragen in ihrer Essenz dargestellt sind. Will sagen, keine ausufernden Sachverhalts- und Rechtsprechungsschilderungen verstellen dem Leser den Blick auf das Wichtige. In der oft von Zeitdruck geprägten Praxis ein Vorteil. Dennoch sind die Kommentierungen, wo dies erforderlich ist, von Tiefgang und dogmatischer Herleitung geprägt. Natürlich ermöglichen die ausgewählten Rechtsprechungs- und Literaturnachweise ein wissenschaftliches Arbeiten.

Zum besseren Verständnis problematischer Fälle sind Beispiele aufgenommen worden, die eingängig die jeweilige Problematik verdeutlichen und Lösungen eröffnen. Hier und da kann man in Gestaltungs- und Praxishinweise fündig werden.

Dem Vorwort ist zu entnehmen, dass der Schwerpunkt des Kommentars u.a. auf dem Unternehmens-Erbschaftsteuerrecht liegt. Dies überrascht nicht, da sich die Reform auf die Neuregelung der Steuerbegünstigung von Betriebsvermögen beschränkt hat und hier die größten Schwierigkeiten in der Praxis in Verständnis und Handhabung liegen. Hierzu gehört auch die Darstellung internationaler Bezüge, wo diese Relevanz erlangen. Das ist zu begrüßen, nicht nur hinsichtlich des naheliegenden Unternehmenssteuerrechts, sondern tut auch Not im „privat“-erbschaftsteuerlichen Bereich, der gleichermaßen immer häufiger Auslandsbezug aufweist.

Zu erwähnen ist noch, dass Einsatz und Gestaltung mittels Stiftungen als weiterer Schwerpunkt des Werks benannt ist.

Erstes Fazit: Die werbliche Aussage: „Mit besonderer Klarheit“ trifft es auf den Punkt – erfreulich. Das Werk kommt mit Rechtsstand 1.1.2017 zur rechten Zeit. Dass die Ländererlasse der Finanzverwaltung, die allseits gespannt erwartet werden, hier noch nicht berücksichtigt werden konnten, liegt auf der Hand. Hier ist sicher mit einer baldigen Aktualisierung zu rechnen. Derweil lohnt es wirklich, sich mit den Neuregelungen und dem Werk vertraut zu machen.

Die Autoren:

Herausgegeben von RA/FAStR Dr. Christian von Oertzen, RiBFH Prof. Dr. Matthias Loose. Bearbeitet von RA/StB Dr. Johannes Baßler, VorsRiFG Klaus Deimel, RA/FAStR Prof. Dr. Manzur Esskandari, RiBFH Dr. Horst-Dieter Fumi, Dipl.-Finw. (FH)/StAR Mathias Grootens, RA/StB Dr. Jochen Kotzenberg, LL.M, RiBFH Prof. Dr. Matthias Loose, Dipl.-Finw./RR Wilfried Mannek, RA/FAStR Dr. Christian von Oertzen, RA/FAErbR/StB Dr. Manfred Reich, RAin/StBin Dr. Tanja Schienke-Ohletz, RA/FAStR/StB/Dipl.-Finw. Nico Schley, RA/StB/Dipl.-Finw. Dr. Jörg Stalleiken, RA/StB Dr. Thomas Stein.

Stellungnahme des IDW zur Erbschaftsteuerreform

Mit Schreiben vom 18.8.2016 hat das Institut der Wirtschaftsprüfer e. V. einige Punkte der anstehenden Reform, die auch der Anrufung des Vermittlungsausschusses zugrunde liegen, aufgegriffen und Anregungen für künftige Regelungen gegeben (http://www.idw.de/idw/portal/d660784). In aller Kürze handelt es sich dabei um:

  • § 13a Abs. 10 ErbStG-E: 10 %-Grenze für Verwaltungsvermögen

Bei der Optionsverschonung soll die 10 %-Grenze für Verwaltungsvermögen entfallen. Diese berge das Risiko steuerlich unerwünschter Gestaltungen und sei sachlich nicht mehr gerechtfertigt, da zukünftig das Verwaltungsvermögen voll besteuert werden soll.

  • § 13b Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 ErbStG-E: Begünstigung der Anteile an gewerblich geprägten Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften

Wie im Gesetzesbeschluss vorgesehen (BT-Drucks. 344/16 v. 24.6.2016) sollte die Begünstigungsmöglichkeit beibehalten werden. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Ergänzung des § 13b Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 ErbStG-E zwecks Vermeidung der Einbringung privater Vermögensanlagen hält der IDW für sachgerecht. Danach sollen Wirtschaftsgüter, deren Aufwendungen einem Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 und Nr. 7 EStG unterliegen, zum Verwaltungsvermögen gehören.

  • § 13b Abs. 3 ErbStG-E: Altersvorsorgevermögen

Das vom Verwaltungsvermögen auszunehmende Altersvorsorgevermögen sollte auf den real nach handelsrechtlichen Grundsätzen bewerteten, vorhandenen Bestand gedeckelt werden.

  • § 13b Abs. 4 Nr. 5, Abs. 2 Satz 2 und Abs. 7 ErbStG-E: „Cash-GmbH“

Der IDW sieht in den Regelungen zum Finanzmitteltest inkl. der Unschädlichkeitsgrenze und der Vorab-Prüfung der 90 %-Grenze keine Gefahr einer Wiederbelebung der „Cash-GmbH“; im Gegenteil würden die Regelungen durch die Absenkung der bisherigen Unschädlichkeitsgrenze von 20 % auf 15 % noch verschärft. Das Berechnungsbeispiel des Bundesrates führe zu einem unrichtigen Ergebnis, weil die Vorab-Prüfung der 90 %-Grenze nicht beachtet wurde.

  • § 203 Abs. 2 Satz 3 BewG-E: Ertragswertverfahren

Der IDW nimmt ausführlich zur Erforderlichkeit der Senkung des Kapitalisierungszinssatzes Stellung und zeigt auch Alternativen auf, um die nach den derzeitigen Vorgaben des Ertragswertverfahrens erfolgende Überbewertung des Betriebsvermögens zu korrigieren.

  • Rückwirkung des neuen ErbStG

Eine Rückwirkung des neuen ErbStG auf Erwerbe ab dem 1.7.2016, wie noch im Bundestagsbeschluss vorgesehen, begegne verfassungsrechtlichen Bedenken. Aufgrund der zeitlichen Verzögerungen um mehrere Monate und der bisher noch nicht absehbaren Gesetzesregelungen greife der Vertrauensschutzgedanke. Sinnvoll könne auch eine Optionsregelung sein, wie sie im ErbStRG vom 24.12.2008 in Art. 3 normiert wurde.

Zum derzeitigen Stand der Erbschaftsteuerreform, den Problemen einer Rückwirkung sowie den Kritikpunkten des Bundesrates siehe ausführlich das Schwerpunktheft „Stand der Erbschaftsteuerreform“ des Erbschaft-Steuerberaters (ErbStB Heft 8/2016): Hier geht zur Inhaltsübersicht oder zum Probe-Abo.

Erbschaftsteuerreform im Bundestag beschlossen

Am 24. Juni 2016 fand im Bundestag die Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Erbschaft- und Schenkungsteuer an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts statt: Mit großer Mehrheit wurde der jüngste Entwurf auf die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses in geänderter Fassung (BT-Drucks. 18/8911 abrufbar unter der Rubrik „Materialien“ bzw. unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/089/1808911.pdf) beschlossen.
Geplant ist eine Abstimmung im Bundesrat am 8. Juli 2016. Wie das Handelsblatt in seiner Ausgabe vom 24. Juni 2106 berichtet (Seite 16), werden die Länderfinanzminister am 30. Juni 2016 über das weitere Vorgehen beraten, denn nicht nur die Oppositionsparteien, sondern auch unter den Landesfinanzministerien gibt es Kritiker des jetzt beschlossenen Kompromisses der Regierungskoalition. Sollte sich ein Vermittlungsverfahren anschließen, blieben die Reform in Ihrer Ausgestaltung und auch der Zeitpunkt des Inkrafttretens weiter ungewiss.

ErbStAnpG vor der Sommerpause?

Am Donnerstag (16. Juni 2016) fand das 2. Treffen von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel statt. Ein definitives Ergebnis liegt nicht vor. Nach Presseberichten soll an diesem Wochenende eine weitere, möglichst abschließende Verständigung erfolgen (FAZ v. 16.6.2016). Könnte zeitnah eine Einigung erzielt werden, wäre eine Behandlung der Erbschaftsteuerreform im Bundesrat in seiner Sitzung am 8. Juli 2016 möglich.

Nach Berichten des „Handelsblatts“ (Ausgabe vom 16.6.1016, S. 6 und 17.6.2016, S. 11) geht es im Wesentlichen um

  • die Ausgestaltung der Investitionsklausel,
  • die Behandlung von Betriebstätten außerhalb der EU,
  • die Höhe des Prozentsatzes im Rahmen der Finanzmittel zwecks Abgrenzung des schädlichen Verwaltungsvermögens vom begünstigten Vermögen,
  • die Einbeziehung und Prüfung des Privatvermögens und
  • die Anzahl der Mitarbeiter im Rahmen der Lohnsummenprüfung (Kleinunternehmen).

In der Zwischenzeit war Zeit über weitere Gestaltungen der Erbschaftsteuer nachzudenken. Die GRÜNEN verfolgen ein eigenes Konzept: Thomas Gambke, Mittelstandsbeauftragter der Grünen im Bundestag, hat zusammen mit Dieter Janecek, dem wirtschaftspolitischen Sprecher der Fraktion, das Konzept „verfassungsfeste Grund- und Erbschaftsteuer als umsetzbare Vermögensbesteuerung“ entwickelt.

In dem Papier über die Erbschaftsteuer vom 5.10.2015 „Erbschaftsteuer: Zeit für mehr Mut“ von Dieter Janecek und Thomas Gambke, heißt es, Ziel sei „eine einheitliche und breite Bemessungsgrundlage für alle Vermögensarten (eine sogenannte ‚synthetische‘ Erbschaftssteuer), keine der wirtschaftlichen Dynamik widersprechende Lohnsummenregelung, niedrige, aber aus Gerechtigkeitsgründen gestaffelte Steuersätze (aus dem Saarland kam der Vorschlag 5, 10, 15 Prozent – je nach Höhe des Erbes), niedrigere Freibeträge und keine unterschiedlichen Sätze nach Verwandtschaftsgrad. Das würde komplizierte Verschonungsregeln nicht erfordern. Durch den gegenüber den heutigen Regelungen deutlich niedrigeren Höchststeuersatz und über längere und verbindliche Stundungsregeln würden die Liquidität der Unternehmen und Arbeitsplätze sicher geschützt werden.“
(Quelle: http://www.dieterjanecek.de/de/article/196.erbschaftssteuer-f%C3%BCr-eine-gerechte-und-verfassungskonforme-reform.html?sstr=Erbschaftsteuer)
Derzeit sind wohl ein einheitlicher Steuersatz in der Größenordnung von 15 Prozent bei Beibehaltung der bisherigen Freibeträge und zum Schutz von Betriebsvermögen eine verbindliche Stundungsoption von 15 Jahren ohne Zinsen Gegenstand des Konzepts.

Die Haltung der GRÜNEN ist auch deshalb von Interesse, weil die von den GRÜNEN mitregierten Länder die bisherigen bzw. zu erwartenden Reformregelungen der großen Koalition letztlich im Bundesrat scheitern lassen könnten.

Da war doch was: Erbschaftsteuerreform „2016“ – Oder nicht?

Die genaue Ausgestaltung der Erbschaftsteuerreform 2016 steht nach wie vor nicht fest. Nach Presseberichten war im Februar 2016 zunächst eine Einigung der Koalitionspartner erreicht worden, nachdem der „Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ der Bundesregierung vom 8. Juli 2015 (Hier geht es zu den Details des RegE) im Rahmen der Verhandlungen der stellvertretenden Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen nochmals modifiziert wurde. Die CSU-Fraktion zog ihre Zustimmung zum neuen Entwurf allerdings zurück und fordert weitere Nachbesserungen zugunsten der Unternehmenserben (Reuters v. 24. Februar 2016).

Ein Einlenken insbesondere der SPD-Fraktion ist nicht zu erwarten. SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider lehnt dies ab. „Die Forderungen aus Bayern sind nicht akzeptabel. Die bayrische Staatsregierung macht sich zum Sachwalter maßloser Lobbyanliegen. …“ (http://www.spdfraktion.de/presse/statements/bayrische-staatsregierung-macht-sachwalter-massloser-lobbyanliegen).

Wegen der Verzögerungen des Gesetzesvorhabens wird allseits überlegt, was die Folge einer nicht fristgerechten Verabschiedung des Gesetzes sein wird. Eine interessante Frage: Hier geht es zu dem Beitrag von RA/FASt Gunter Mühlhaus und RAin Stefanie Guerra (die Autoren sind bei der Ernst & Young Law GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft an den Standorten Stuttgart und Essen tätig).

Nach Presseberichten (FAZ v. 31. März 2016, S. 17 [jja./mas.]; Handelsblatt v. 1. April 2016, S. 10 [Donata Riedel]) hat der Sprecher des BVerfG Michael Allmendinger auf Anfrage hierzu im Wesentlichen ausgeführt, dass die bisherigen Regelungen zunächst weitergelten. Dies ergebe sich aus dem Tenor des Urteils.

Hintergrund: Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 30. Juni 2016 eine Neuregelung zu schaffen, die die vom BVerfG in seiner Entscheidung vom 17. Dezember 2014 (BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12) festgestellten Verfassungsverstöße beseitigen soll.