Sonderausgabenabzug von Versorgungsleistungen – Erbfall nach Höfe-Ordnung

Der Vater (V) der Klägerin (Kl.) war Inhaber eines in die Höferolle eingetragenen landwirtschaftlichen Betriebs. V setzte die Kl. durch Testament als alleinige Erbin des Hofes ein. Hinsichtlich des übrigen Vermögens erfolgten keine Bestimmungen. Nach dem Tod des V wurden seine Erben M zu ½ und die Kl. sowie ihre 3 Geschwister zu je 1/8. Der Hof ging im Wege der Sondererbfolge (§§ 14 ff. HO-RhPf) allein auf die Kl. über. Fünf Monate nach dem Tod des V übertrug M der Kl. unentgeltlich ein ursprünglich zum Hof gehörendes Grundstück, da sie zuvor zu Lebzeiten des V von diesem unentgeltlich erhalten hatte. Gleichzeitig schlossen die Erbinnen einen Vertrag über die Abfindung von Pflichtteilsansprüchen und legten diese unter Zugrundelegung des Ertragswerts des Hofes betragsmäßig fest. Weiterhin verpflichtete sich die Kl., ihrer Mutter ab Juli 2012 einen wertgesicherten Betrag monatlich als dauernde Last zu zahlen, sie bei Krankheit etc. im zumutbaren Rahmen (bis Pflegestufe 1) zu pflegen und ihr ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht an einer bestimmten Wohnung einzuräumen.

Die Kl. machte die in den Jahren 2012 bis 2014 an M gezahlten Barleistungen als Sonderausgaben geltend, da sich aus § 23 Abs. 2 HO-RhPf eine gesetzliche Pflicht zur Erbringung von Versorgungsleistungen bereits mit dem Erbfall ergebe und lediglich der Höhe nach nachträglich konkretisiert worden sei. Dies lehnte das FA ab, weil die Versorgungsleistungen nicht gleichzeitig mit der Regelung der Hofübergabe im Testament des V angeordnet worden seien. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Der BFH hat der Revision der Kl. stattgegeben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das FG zurückverwiesen.

Versorgungsleistungen als Sonderausgaben: Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG sind Versorgungsleistungen unter den dort genannten Voraussetzungen als Sonderausgaben abzugsfähig. Bei der Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen behält sich der Vermögensübergeber in Gestalt der Versorgungsleistungen Erträge seines Vermögens vor, die nunmehr vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen. Sind die zugesagten Leistungen nicht als vorbehaltene Nettoerträge des Vermögens darstellbar, sind sie als Unterhaltsleistungen nicht abziehbar.

Die steuerliche Anerkennung dieser regelmäßig zwischen nahen Angehörigen abgeschlossenen Verträge erfordert, dass der Umfang des übertragenen Vermögens, die Höhe der Versorgungsleistungen sowie Art und Weise ihrer Zahlung klar und eindeutig vereinbart werden, und zwar zu Beginn des Rechtsverhältnisses oder bei dessen Änderung für die Zukunft. Die Versorgungsleistungen müssen also grundsätzlich im Übergabevertrag selbst vereinbart werden.

Keine testamentarische Anordnung der Versorgungsleistungen im Streitfall: § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG ist aber auch dann anwendbar, wenn die Versorgungsleistungen nicht vertraglich vereinbart werden, sondern dem Vermögensübernehmer in dem Testament, das den Übergang des ertragbringenden Vermögens anordnet, auferlegt werden. Dann erhält der Versorgungsempfänger statt seines gesetzlichen Erbteils zur Erhaltung des Familienvermögens lediglich Versorgungsleistungen aus dem an sich ihm zustehenden Vermögen. Bei den Zahlungen darf es sich aber nicht um eine Verrentung des Erbteils handeln.

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall aber nicht erfüllt, weil das Testament des V der Kl. keine Versorgungsleistungen auferlegt. Diese hat die Kl. erst aufgrund einer nachträglichen Vereinbarung mit M gezahlt, die aber wiederum nicht die erforderliche Vermögensübergabe auf die Kl. enthielt.

Pflicht zu Versorgungsleistungen nach § 23 HO-RhPf erfüllt den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Nr. 1a: Mangels anderer Bestimmung hat der überlebende Ehegatte nach Übergang des Hofes auf den Hoferben gem. § 23 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 HO-RhPf Anspruch auf eine angemessene Versorgung („Wohnung, Unterhalt“) auf dem Hofe, deren Höhe die soziale Unabhängigkeit des Altenteilers gewährleisten soll, aber die Leistungsfähigkeit des Hofes nicht überschreiten darf. Damit begründet diese Norm einen Anspruch des überlebenden Ehegatten gegen den Hofübernehmer auf Versorgungsleistungen aus dem Hof und damit den in § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG genannten „besonderen Verpflichtungsgrund“.

Der bei vertraglichen Vereinbarungen erforderliche Rechtsbindungswille der Parteien wird hier durch eine gesetzliche und damit von vornherein bindende und unausweichliche Verpflichtung zur Erbringung entspr. Versorgungsleistungen ersetzt. V hat in seinem Testament die Anwendung dieser gesetzlichen Verpflichtung nicht gem. § 22 HO-Rhpf. ausgeschlossen.

Der o.g. gesetzliche Anspruch beinhaltet keinen Unterhaltsanspruch, auch wenn im Klammerzusatz des § 23 Abs. 2 Satz 1 HO-RhPf der Begriff „Unterhalt“ erwähnt wird; zugleich wird dort aber mehrfach der Begriff „Altenteil“ bzw. „Altenteiler“ verwendet, so dass es sich um einen klassischen Altenteils- und Versorgungsanspruch handelt, weil dem überlebenden Ehegatten kraft Gesetzes Erträge des auf den Nachfolger übergegangenen Hofes vorbehalten werden. Dies folgt auch aus der ausdrücklichen Begrenzung der Ansprüche auf die „Leistungsfähigkeit des Hofes“.

Die Höhe der Altenteilsleistungen wird durch § 23 Abs. 2 und 3 HO-RhPf geregelt („Angemessenheit“, „der örtliche Brauch“, „Gewährleistung der sozialen Unabhängigkeit des Altenteilers“, „Leistungsfähigkeit des Hofes“). Diese Regelung ist hinreichend bestimmt, so dass sie auch der Besteuerung zugrunde gelegt werden kann. Ähnliche unbestimmte Rechtsbegriffe finden sich z.B. in § 23 Abs. 4 Satz1 HO-RhPf, in § 1610 Abs. 1, § 1603 BGB oder § 323 ZPO. Die Altenteilsleistungen können daher nicht in beliebiger Höhe vereinbart werden. Vielmehr setzt der Abzug der Leistungen als Sonderausgaben voraus, dass diese den Vorgaben des § 23 Abs. 3 HO-RhPf entsprechen. Ist dies nicht der Fall, müssen davon abweichend vereinbarte höhere Leistungen für die steuerliche Anerkennung bereits im Übergabevertrag oder im Testament geregelt werden.

Bei Anwendung der HO-RhPf ist für die Erlangung des Sonderausgabenabzugs ein Verzicht auf Pflichtteilsansprüche nicht erforderlich. Vielmehr hat auch der überlebende Ehegatte gegen den Hoferben den erbteilersetzenden Geldanspruch nach § 21 HO-RhPf, der seiner Art nach ein besonderer Pflichtteilsanspruch ist. Der in § 23 HO-RhPf geregelte Altenteilsanspruch wird ausdrücklich als „Weiterer Anspruch des überlebenden Ehegatten“ bezeichnet, tritt also zu dem pflichtteilsähnlichen Geldanspruch, der sich am Ertragswert des Hofes orientiert, hinzu. Vorhandenes ursprüngliches oder geerbtes Vermögen des überlebenden Ehegatten wirken sich insoweit auf die Höhe der Altenteilsleistungen aus, als „die soziale Unabhängigkeit des Altenteilers“ im Einzelfall bereits hierdurch ganz oder teilweise gewährleistet sein kann, so dass Altenteilsleistungen entspr. zu mindern sind.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die nach dem Tod des V getroffene Vereinbarung lediglich der für den jeweiligen Einzelfall erforderlichen Konkretisierung der bereits in § 23 Abs. 3 HO-RhPf enthaltenen gesetzlichen Regelung über die Höhe des Versorgungsanspruchs dienen sollte. Sie nimmt ausdrücklich Bezug auf den übergegangenen Hof, indem dessen Ertragswert ermittelt wird. Die Hoferbfolge ist zudem vertraglich erwähnt. Es wurden Leistungen als typische Altenteilsleistungen (Wohnung, Barzahlung, Pflegeleistungen) vereinbart. Der zwischen dem Erbfall und der Vereinbarung liegende Zeitraum von fünf Monaten ist hier unschädlich, da zwischenzeitlich Wertgutachten eingeholt werden mussten. Das FG wird im zweiten Rechtszug ausdrücklich feststellen müssen, ob die vereinbarten Leistungen den Vorgaben des § 23 Abs. 3 HO-RhPf entsprechen und ob diese aus den Nettoerträgen des übergebenen Vermögens erbracht werden können. Ferner ist zu prüfen, ob die Leistungen in vollem Umfang den gesetzlichen Altenteilsanspruch der M konkretisieren oder ob sie anteilig auch auf der zeitgleich vorgenommenen Übertragung des Grundstücks beruhen und daher insoweit nicht abziehbar wären.

Das Urteil ist für alle Fälle bedeutsam, in denen bei Hoferbfolge die Höfe-Ordnung des jeweiligen Bundeslandes gesetzliche Altenteilsansprüche regelt. Auch nachträgliche Vereinbarungen, die diese Ansprüche konkretisieren, führen zu abzugsfähigen Versorgungsleistungen, soweit diese den Vorgaben der Höfe-Ordnung entsprechen.

Gehört zum Nachlass ein landwirtschaftlicher Hof, dessen Erbnachfolge durch eine Höfe-Ordnung geregelt wird, müssen sich Vereinbarungen des Hoferben mit den anderen Erben über die Höhe der Abfindungen und evtl. Versorgungsleistungen nach den gesetzlichen Vorgaben richten. Diese Vereinbarung muss nicht rückwirkend ab dem Erbfall gelten, da den Erben ein zeitlicher Spielraum für deren Abschluss zusteht. Dies kann auch in einem gewissen zeitlichen Abstand zum Erbfall erfolgen. Höhere Leistungen müssen entweder bereits im Übergabevertrag oder testamentarisch geregelt sein.

BFH v. 16.6.2021 – X R 4/20, ErbStB 2022, 128

 

Keine Abzinsung einer aufschiebend bedingten Last

Der BFH hat der Revision der Kl. stattgegeben und entschieden, dass eine Abzinsung der aufschiebend bedingten Last für die Zeit zwischen dem Rechtsgeschäft und dem Bedingungseintritt nicht stattfindet.

Die Klägerin (Kl.) ist Alleinerbin nach ihrem im Januar 2016 verstorbenen Ehemann M. Dieser hatte am 23.12.2004 seinen Kommanditanteil an der A-KG seiner Tochter T geschenkt unter Vorbehalt des Nießbrauchs hieran. Nach seinem Tod hatte die Tochter an die im Dezember 1937 geborene Kl. (Mutter der T) zulasten des Kommanditanteils einen monatlichen Betrag i.H.v. 4.000 € zu zahlen. M übernahm die Schenkungsteuer. Das FA setzte deshalb die Schenkungsteuer ggü. M am 31.3.2010 fest. Hierbei wurde die der Kl. ggü. bestehende Rentenzahlungsverpflichtung der T gem. § 6 Abs. 2 BewG nicht angesetzt. Nach dem Tod des M beantragte die Kl., die Steuerfestsetzung vom 31.3.2010 zu ändern und die von der Beschenkten an sie zu entrichtende Rentenlast nunmehr steuermindernd bei der Steuerfestsetzung ggü. M zu berücksichtigen (Jahreswert 48.000 € x Vervielfältiger von 8,034 = 385.632 €).

Dem folgte das FA jedoch nur i.H.v. 213.100 €, da nach seiner Auffassung der auf den Todestag des Schenkers im Januar 2016 zu berechnende Kapitalwert (unstreitig 385.632 €) auf den Zeitpunkt der gemischten Schenkung (23.12.2004) abzuzinsen sei.

Die Klage blieb erfolglos, da nach Ansicht des FG der Wert der Rentenlast auf den Tag des Bedingungseintritts (Tod des M) zu ermitteln und nach § 12 Abs. 3 BewG abzuzinsen sei.

Wirkung einer aufschiebenden Bedingung: Bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs einer Schenkung werden gem. § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 6 Abs. 2 BewG Lasten, deren Entstehung vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt, zunächst nicht berücksichtigt. Tritt die Bedingung ein, ist nach § 6 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 BewG die Festsetzung der nicht laufend veranlagten Steuern, also auch der Schenkungsteuer, auf Antrag nach dem tatsächlichen Wert des Erwerbs zu berichtigen.

Der Begriff „Bedingung“ in § 6 Abs. 1 BewG ist zivilrechtlich zu verstehen und bedeutet, dass bei einer rechtsgeschäftlich vereinbarten aufschiebenden Bedingung die Wirkung dieses Rechtsgeschäfts von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis abhängt, das Rechtsgeschäft also gem. § 158 Abs. 1 BGB erst mit dem Eintritt der Bedingung wirksam wird. Solange die Bedingung nicht eingetreten ist, liegt die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts im Ungewissen bzw. schwebt.

Maßgebender Bewertungszeitpunkt bei aufschiebend bedingter Last: Die abzugsfähigen Verbindlichkeiten sind mit ihrem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert abzuziehen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG). Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BewG ist der Kapitalwert von lebenslänglichen Nutzungen und Leistungen mit dem Vielfachen des Jahreswerts anzusetzen. Die Vervielfältiger sind nach der Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes zu ermitteln (§ 14 Abs. 1 Satz 2 BewG). Maßgebender Zeitpunkt für die Berechnung des Kapitalwerts einer aufschiebend bedingten Belastung ist der Zeitpunkt des Bedingungseintritts. Zugrunde zu legen ist daher der bei Bedingungseintritt geltende Vervielfältiger gem. § 14 Abs. 1 BewG.

Keine Abzinsung während des Schwebezustands: Die bedingte Last ist nicht nach § 12 Abs. 3 BewG für den Zeitraum des Schwebezustands zwischen dem Rechtsgeschäft – hier der Schenkung des M im Jahre 2004 – und dem Bedingungseintritt – hier dem Tod des M im Jahre 2016 – abzuzinsen. Die Abzinsung erfolgt nach § 12 Abs. 3 Satz 1 BewG nur bei einer unverzinslichen Schuld mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr und wenn diese zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig wird. Die Schuld oder Forderung ist dann mit dem Betrag anzusetzen, der vom Nennwert nach Abzug von Zwischenzinsen (5,5 %) unter Berücksichtigung von Zinseszinsen verbleibt. Die Regelung des § 12 Abs. 3 BewG beruht darauf, dass bei identischem Nominalbetrag eine auf Jahre gestundete Forderung oder Schuld einen niedrigeren gegenwärtigen Wert hat als die sofort fällige Forderung. Durch die Abzinsung einer Schuld soll berücksichtigt werden, dass eine Verpflichtung nicht zeitnah, sondern erst in fernerer Zukunft zu erfüllen ist und damit der zu ihrer Erfüllung erforderliche Aufwand zeitversetzt anfällt. § 12 Abs. 3 BewG ermöglicht aber keine Abzinsung bei einer Schuld, die unter einer aufschiebenden Bedingung steht. Diese führt auch im Bewertungsrecht zu einem Schwebezustand der zukünftigen Forderung bzw. Schuld. §§ 4 ff. BewG bestimmen für den bedingten Erwerb entspr. der BGB-Regelung ausdrücklich, dass der Schwebezustand bewertungsrechtlich unberücksichtigt bleibt.

Eine Abzinsung nach § 12 Abs. 3 BewG scheitert schon daran, dass die Fälligkeit der Rentenverpflichtung nicht zu einem feststehenden Zeitpunkt eintritt, denn der Zeitpunkt des Todes des M, von dem die Fälligkeit abhängt, ist ungewiss. Außerdem fehlt es während des Schwebezustands an einer abzuzinsenden Forderung, denn die Forderung ist erstmals mit Eintritt der Bedingung zu berücksichtigen; sie ist gleichzeitig aber auch fällig und nicht mehr gestundet. Damit sind weder im Zeitpunkt der gemischten Schenkung (mangels bestimmten Fälligkeitszeitpunkts einer noch nicht existenten Verpflichtung) noch im Zeitpunkt des Bedingungseintritts (mangels mehr als einjähriger Laufzeit einer zinslos gestundeten Forderung) die Voraussetzungen einer Abzinsung nach § 12 Abs. 3 BewG erfüllt.

Das Urteil bestätigt die m.E. gem. § 6 Abs. 2 BewG eindeutige Rechtslage, wonach aufschiebend bedingte Lasten zunächst weder bei der Erbschaft- noch bei der Schenkungsteuer berücksichtigt werden. Erst wenn die vereinbarte Bedingung eintritt, ist bei aufschiebend bedingten Lasten die entspr. Steuerfestsetzung auf Antrag zu ändern.

Zu beachten ist, dass die Berücksichtigung aufschiebend bedingter Lasten nur auf Grund eines Änderungsantrags zu einer Änderung der Schenkung- oder Erbschaftsteuerfestsetzung zugunsten des Antragstellers führt.

Der BFH gibt ausdrücklich die Rechtslage des § 12 Abs. 3 BewG wieder, nach der im Falle der Abzinsung von einem Zinssatz von 5,5 % auszugehen ist. Dem steht nicht der Beschluss des BVerfG entgegen, wonach lediglich die 6%-Verzinsung von Steuerforderungen und –erstattungen verfassungswidrig ist. Die Zugrundelegung von 5,5 % in § 12 Abs. 3 BewG und Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen sind von dieser Entscheidung nicht betroffen.

BFH v. 15.7.2021 – II R 26/19, ErbStB 2022, 4

 

Begünstigtes Betriebsvermögen: Junges Verwaltungsvermögen bei Aktivtausch

Im Verfahren vor dem BFH war die Begünstigung der Kommanditbeteiligung an einer KG, zu deren Betriebsvermögen (BV) innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Erbfall festverzinsliche Wertpapiere gehörten, streitig. In diesem Zeitraum erfolgten Umschichtungen, indem Erlöse aus fälligen Geldanlagen erneut in solche Wertpapiere investiert und aus flüssigen Mitteln zusätzliche Erwerbe vorgenommen wurden. Das Betriebs-FA vermerkte im Feststellungsbescheid für den nach § 13b ErbStG begünstigten KG-Anteil nachrichtlich den anteiligen Wert am nicht begünstigten jungen Verwaltungsvermögens i.H.v. … €. Das FA erließ auf dieser Basis den ErbSt-Bescheid gegen die Klägerin (Kl.). Mit erfolgloser Klage hatte sie geltend gemacht, es sei lediglich ein Aktivtausch von Vermögen erfolgt.

Der BFH hat die Revision der Kl. als unbegründet zurückgewiesen: Die Begünstigung für BV ist um den Anteil für junges Verwaltungsvermögen zu kürzen.

Steuerbefreiung für begünstigtes BV: Nach § 13a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 ErbStG a.F., der trotz vom BVerfG festgestellter Unvereinbarkeit mit Art. 3 GG bis zur Neuregelung anwendbar ist, bleibt der Erwerb eines Anteils an einer KG als Gesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 des EStG zu 85 % außer Ansatz (Verschonungsabschlag). Gemäß § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG a.F. entfällt die Begünstigung, wenn das BV zu mehr als 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht.

Auch wenn das Verwaltungsvermögen nicht mehr als 50 % beträgt, das BV also grds. begünstigt ist, ist solches Verwaltungsvermögen, welches dem Betrieb im Besteuerungszeitpunkt weniger als zwei Jahre zuzurechnen war, als sog. „junges Verwaltungsvermögen“ gem. § 13b Abs. 2 Satz 3 ErbStG a.F von der Begünstigung ausgeschlossen. Ob junges Verwaltungsvermögen vorliegt, ist für jedes einzelne Wirtschaftsgut (WG) zu entscheiden. Es erfolgt keine Saldierung oder gattungsbezogene Betrachtung verschiedener WG. Auf die Herkunft des Vermögensgegenstandes oder der zu seiner Finanzierung verwendeten Mittel kommt es nicht an.

Die Verwaltung bezieht in R E 13b.27 Satz 2 ErbStR 2019 die Vorschrift auf das einzelne WG, so dass zum jungen Verwaltungsvermögen nicht nur innerhalb des Zwei-Jahres-Zeitraums eingelegtes Verwaltungsvermögen gehört, sondern auch solches, das innerhalb dieses Zeitraums aus betrieblichen Mitteln angeschafft oder hergestellt wurde, auch wenn dies durch Umschichtungen von einem bereits länger zum BV gehörenden WG in ein anderes WG geschieht. Im Schrifttum wird teilweise die Umschichtung wegen fehlender Missbrauchsgefahr für begünstigungsunschädlich erachtet.

Maßgebend ist das einzelne WG: Mit den Worten „solches Verwaltungsvermögen i.S.d. Satzes 2 Nr. 1 bis 5“ in § 13b Abs. 2 Satz 3 ErbStG a.F. ist jeder einzelne Vermögensgegenstand gemeint (vgl. § 240 Abs. 1 i.V.m. § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB). „Verwaltungsvermögen“ kann zwar einen Gattungsbegriff darstellen, steht aber in der Vorschrift nicht isoliert. Der Hinweis „solches“ und die in Bezug genommene Aufzählung in § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 5 ErbStG a.F. verdeutlichen, dass die einzelnen WG des jungen Verwaltungsvermögens gemeint sind. Außerdem kann sich die dort vorgesehene Zurechnung für jedes einzelne WG unterschiedlich darstellen, so dass sie denknotwendig auf das einzelne WG zu beziehen ist.

Keine Reduktion auf Missbrauchsfälle: Eine Reduzierung der Vorschrift durch teleologische Reduktion auf eine konkrete missbräuchliche Gestaltung im Einzelfall, z.B. bei Verknüpfung der Anschaffung oder Herstellung mit einer Privateinlage, ist nicht möglich. Da der Tatbestand der Norm kein Missbrauchselement enthält, ist im Streitfall nicht zu prüfen, ob ein Missbrauchsfall vorliegt oder nicht. Umschichtungen, auch innerhalb des Verwaltungsvermögens können betriebswirtschaftlich sinnvoll und angezeigt sein und trotzdem grundsätzlich zu jungem Verwaltungsvermögen führen.

Die Vorschrift ist nicht auf Fälle der Einlage von Verwaltungsvermögen aus dem Privatvermögen innerhalb der Zwei-Jahres-Frist beschränkt, da die „Einlage“ gerade nicht gesetzliches Tatbestandsmerkmal geworden ist wie z.B. § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 ErbStG a.F. zeigt. Zum anderen könnte der Zweck der Vorschrift, Missbräuche durch kurzfristige Einlagen aus dem Privatvermögen zu verhindern, so nicht erreicht werden. Eine derartige Eingrenzung wäre ohne weiteres durch Einlage eines nicht zum Verwaltungsvermögen gehörenden WG und Erwerb von Verwaltungsvermögen aus der so erlangten Liquidität zu umgehen. Im Streitjahr wäre dies sogar noch durch Einlage von Finanzmitteln möglich gewesen, denn Geldforderungen, die nicht Wertpapiere oder Wertpapieren vergleichbar sind, wie etwa Sparanlagen und Festgeldkonten sowie Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sowie Bargeld, rechneten seinerzeit noch nicht zum jungen Verwaltungsvermögen.

Hiernach hatte die KG in Gestalt der Zugänge im Wertpapierdepot innerhalb der Zwei-Jahres-Frist junges Verwaltungsvermögen erworben. Der Erwerb der Kl. ist insoweit nicht nach §§ 13a, 13b ErbStG a.F. steuerfrei.

Der BFH schließt sich bei der Frage des „jungen Verwaltungsvermögens“ der Auffassung der Verwaltung an, wonach es auf die Dauer der Zugehörigkeit jedes einzelnen WG zum BV ankommt. Werden also mehr als zwei Jahre zum BV gehörenden WG des Verwaltungsvermögens veräußert und der Erlös in gleichartige WG reinvestiert, sind die so angeschafften WG als junges Verwaltungsvermögen nicht begünstigt.

Beachten Sie: Kurz vor einer Schenkung oder einem erwarteten Erbfall erfolgte Umschichtungen von älterem Verwaltungsvermögen (an Dritte überlassene Grundstücke, Kapitalanlagen etc.) in anderes Verwaltungsvermögen mögen betriebswirtschaftlich sinnvoll sein. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass hierdurch die für älteres Verwaltungsvermögen geltende Begünstigung bei der Erbschaftsteuer entfällt, auch wenn der Anteil des Verwaltungsvermögens nicht mehr als 50 % beträgt.

BFH v. 22.1.2020 ‑ II R 8/18, ErbStB 2020, 282

 

Haftungsbeschränkung: Arztpraxisverkauf durch nicht approbierten Erben

Zum Sachverhalt: Da der Kläger (Kl.) die geerbte Pathologie-Praxis mangels eigener Approbation nicht fortführen durfte, veräußerte er sie und erzielte hieraus einen einkommensteuerpflichtigen Gewinn. Über den Nachlass wurde das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet. Da der Kl. die auf den Veräußerungsgewinn entfallende festgesetzte ESt nicht zahlte, betrieb das FA die Zwangsvollstreckung durch Erlass von Pfändungs- und Einziehungsverfügungen und Eintragung einer Sicherungshypothek. Daraufhin beantragte der Kl. die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gem. § 258 AO sowie festzustellen, dass die Zwangsvollstreckung in sein Eigenvermögen unzulässig sei.

Dies lehnte das FA ab, da aus dem Nachlassinsolvenzverfahren keine Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf den Nachlass folge. Hiergegen trägt der Kl. vor, die Praxisveräußerung sei ihm nicht zuzurechnen: Er habe keine Handlungsoption gehabt, da er wegen mangelnder Berufsqualifikation die Praxis habe verkaufen oder schließen müssen. Folglich seien die auf den Veräußerungsgewinn entfallenden, ihm zwangsweise entstandenen Steuerschulden auf den Nachlass beschränkt.

Das FG Münster hat die Klage als unbegründet abgewiesen, da der Kl. der Zwangsvollstreckung in das Eigenvermögen nicht die Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf den Nachlass nach § 45 Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. § 1975 BGB entgegensetzen kann.

Gemäß dem § 45 Abs. 2 Satz 1 AO ist für die Frage, ob eine Steuerschuld von der Haftungsbeschränkung umfasst ist, das zivilrechtliche Haftungsregime maßgebend, und zwar unabhängig davon, dass steuerrechtlich allein der Erbe die Einkünfte erzielt hat. Gemäß § 1967 BGB haftet zunächst der Erbe unbeschränkt, aber ggf. beschränkbar, z.B. gem. § 1975 BGB u.a. durch die Nachlassinsolvenzeröffnung. Diese Haftungsbeschränkung erfasst die vom Erblasser herrührenden Schulden und die sog. Erbfallschulden, die den Erben als solchen treffen, z.B. Pflichtteils-, Vermächtnis- und Auflagenverbindlichkeiten. Diese entstehen mit dem Erbfall und beruhen nicht auf einem Verhalten des Erben, sondern sind trotz ihrer Entstehung nach dem Erbfall zuvor abschließend durch den Erblasser angelegt worden. Folglich sind vom BFH insb. die vom Nachlassverwalter begründeten Verbindlichkeiten einschl. der von ihm begründeten Steuerschulden ebenso wie die Beerdigungskosten und die Erbschaftsteuer als Erbfallschulden qualifiziert worden. Ebenso wurde die ESt-Schuld aus der Veräußerung eines Motorschiffes nicht als Eigenschuld des Erben eingeordnet, wenn die Veräußerung bereits zu Lebzeiten des Erblassers eingeleitet und die Abwicklung aufgrund seerechtlicher Besonderheiten weder durch den Erben noch einen Nachlassverwalter zu beeinflussen war.

Für Eigenschulden haftet der Erbe dagegen mit seinem gesamten Vermögen, da der Rechtsverkehr davon ausgehen muss, dass für vom Erben durch eigenes Verhalten begründete Verbindlichkeiten das gesamte Vermögen und nicht nur ein Nachlass als Vollstreckungsobjekt zur Verfügung steht. Auch wenn sich Gläubiger von Nachlasserbenschulden, die durch die Nachlassverwaltung entstehen, ihre Ansprüche direkt gegen den Nachlass geltend machen können bzw. bei Nachlassinsolvenz diese vorab zu befriedigen sind, um eine aufwendige Pfändung dieses Freistellungs- oder Ersatzanspruches zu vermeiden, ändert dies nichts am Bestehen des Anspruches gegen den Erben selbst und seine Haftung mit seinem Eigenvermögen.

Die Praxisveräußerung mit der Folge des Veräußerungsgewinns nach § 16 EStG beruht auf eigenem Verhalten des Kl., da er mit ihr am Rechtsverkehr teilgenommen hat, der davon ausgehen konnte, dass das Eigenvermögen des Kl. als Haftungsmasse zur Verfügung steht. Dies gilt gem. § 45 Abs. 2 Satz 1 AO auch im Steuerrecht. Folglich liegt eine Eigenschuld des Kl. vor, auf die die Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf den Nachlass keine Anwendung findet.

Nach dieser Entscheidung führt die Veräußerung, Aufgabe oder allmähliche Abwicklung einer freiberuflichen Praxis durch den nicht qualifizierten Erben immer zu einer Eigenschuld hinsichtlich der darauf beruhenden Einkommensteuer, für die er mit seinem eigenen Vermögen haftet.

Der Kl. hatte auch weitere Handlungsoptionen: Zwar musste er die Praxis aus berufsrechtlichen Gründen aufgeben, da eine Verpachtung berufsrechtlich und damit auch steuerlich nicht möglich ist. Dies konnte aber durch Betriebsaufgabe oder -veräußerung oder allmähliche Abwicklung erfolgen, so dass er mehrere Handlungsoptionen hatte, in welchem Umfang und in welcher Form er die Praxis nutzt, indem er ihren Wert (anteilig) realisiert, u.U. sogar ohne Aufdeckung der stillen Reserven. Die Möglichkeit der Ausschlagung ist entgegen der Ansicht des FA keine Handlungsoption. Das Unterbleiben der Ausschlagung ist keine hinreichende Haftungsgrundlage, die zur Begründung von Eigenschulden führt, da sonst die Haftungsbeschränkungen der §§ 1975 ff. BGB weitgehend leerlaufen würden.

Zwar musste der Kl. die Praxis aus berufsrechtlichen Gründen aufgeben, so dass die Steuerschuld zwingend entstanden ist. Auch wenn damit die Entstehung einer Steuerschuld durch den beruflich qualifizierten Erblasser angelegt war, erkennt das FG angesichts der aktiven Veräußerungshandlung eine systematische Gleichstellung der verschiedenen Entstehungstatbestände nicht an, da ansonsten für alle Formen der Steuerentstehung eine Haftungsbeschränkung anzunehmen wäre. Unerheblich ist der Einwand des Kl., er werde dafür bestraft, Arbeitsplätze erhalten und eine wirtschaftlich sinnvolle Lösung gewählt zu haben, da das erbrechtliche Haftungsregime nicht auf wirtschaftspolitischen Überlegungen beruht.

Das FG lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu, da der BFH bisher nur über eine Erbfallschuld, nicht aber über Eigenschulden des Erben befunden hat. Zudem ist in der Rspr. nicht geklärt, ob bei berufsrechtlich bedingter zwangsweiser Betriebsaufgabe oder -veräußerung die hierdurch entstehende Steuerschuld zur Beschränkung der Nachlasshaftung führt.

Bei der Beratung muss auf diese unbeschränkte Haftung hingewiesen werden. In vergleichbaren Fällen sollte dennoch die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass geltend gemacht werden unter Hinweis auf die Revisionszulassung. Es bleibt abzuwarten, ob der Kl. Revision einlegen wird. Das Urteil erscheint fraglich, da der Erbe keine Möglichkeit hat, die Einkommensteuer zu vermeiden, wenn er aus berufsrechtlichen Gründen die Praxis verkaufen muss und auch nicht verpachten kann.

FG Münster v. 24.9.2019 – 12 K 2262/16 (Rev. VII R 42/19), ErbStB 2020, 9

 

Erbauseinandersetzung bei zivilrechtlicher Nachlassspaltung

Der BFH hat entschieden, dass wenn bei einer zivilrechtlichen Nachlassspaltung unter Einbeziehung aller personengleichen Erbengemeinschaften alle Nachlassgegenstände in einem einheitlichen Vorgang unter allen Beteiligten vollständig verteilt werden, auch für die ertragsteuerliche Beurteilung, ob insgesamt eine neutrale Realteilung oder ob teilweise Anschaffungs- und Veräußerungsvorgänge anzunehmen sind, auf diesen einheitlichen Vorgang und auf den gesamten Nachlass abzustellen ist. Damit hat der BFH der Revision des FA stattgegeben, die Sache aber zur erneuten Entscheidung an da FA zurückverwiesen. das FG hat noch festzustellen, wie sich die Miterben im Zuge der Auflösung der beiden Erbengemeinschaften auseinandergesetzt haben.

Zum Sachverhalt: Der Kläger ist zusammen mit seiner Mutter und seinen drei Schwestern (A, B und C) Erbe nach seinem im Mai 1990 verstorbenen Vater V. Zum Nachlass gehörten drei Grundstücke (X, Y und Z) und ein auf dem Gebiet der ehemaligen DDR Mehrfamilienhausgrundstück (Grundstück W). Erben des V sind laut Erbschein die Mutter des Klägers zu 1/2 und der Kläger und seine drei Schwestern zu je 1/8. Hinsichtlich des Grundstücks W wurde der Erblasser von der Mutter des Klägers zu 1/4 und von dem Kläger und seinen drei Schwestern zu je 3/16 beerbt. Die Mutter des Klägers hatte an den vier Grundstücken das Nießbrauchsrecht. Sie nahm für die Modernisierung des Gebäudes auf dem Grundstück W vier Darlehen und machte die Modernisierungskosten bei ihren Vermietungseinkünften als Werbungskosten geltend. Mit Vertrag vom 6. 10. 2008 setzte sich die Erbengemeinschaft auseinander. Der Kläger erhielt u.a. das Grundstück W zu Alleineigentum. Im Gegenzug übernahm er zwei der vier Darlehensverträge seiner Mutter sofort und verpflichtete sich, seine Mutter von den Darlehenszahlungen der beiden anderen Darlehensverträge freizustellen und zur Übernahme dieser Verträge zu einem späteren Zeitpunkt. Der Kläger erhielt außerdem das lastenfreie Grundstück X als Alleineigentümer gegen eine Abfindungszahlung von 20.000 € an seine Schwester C. Die Kosten der Auseinandersetzungsvereinbarung und ihrer Durchführung trug der Kläger. Er machte im Streitjahr 2012 die AfA für das bebaute Grundstück W als Werbungskosten geltend, was das FA ablehnte, da die zivilrechtlich eingetretene Nachlassspaltung ertragsteuerlich unerheblich sei. Das FG gab der dagegen erhobenen Klage überwiegend statt und gewährte die AfA zum größten Teil.

Keine Anschaffung bei Erbauseinandersetzung durch Realteilung: Nach § 7 Abs. 4 EStG bemisst sich die AfA nach den Anschaffungskosten i.S.d. § 255 Abs. 1 HGB, also den Aufwendungen zum Erwerb und Inbetriebsetzung eines Vermögensgegenstandes zuzüglich den Nebenkosten und nachträglichen Anschaffungskosten. Bei der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft können Aufwendungen eines Miterben Anschaffungskosten sein, z.B. wenn er die Erbanteile anderer Miterben erwirbt. Verteilen die Miterben dagegen das Gemeinschaftsvermögen zur Beendigung der Gemeinschaft unter sich, liegt in der Erfüllung des erbrechtlichen Auseinandersetzungsanspruchs kein Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäft. Bei einer derartigen Realteilung des Nachlasses hat der übernehmende Miterbe entsprechend § 11d Abs. 1 Satz 1 EStDV die von der Erbengemeinschaft anzusetzenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten fortzusetzen. Unerheblich ist die Zusammensetzung des entsprechend seiner Erbquote zugeteilten Nachlassvermögens. Die wertmäßige Angleichung kann auch durch Übernahme der Verbindlichkeiten der Erbengemeinschaft durch einen Erben erfolgen. Auch soweit dabei sein rechnerischer Anteil an den Verbindlichkeiten überschritten wird, führt dies noch nicht zu Anschaffungskosten. Anschaffungskosten liegen nur vor, wenn der Wert des Erlangten den Wert seines Erbanteils übersteigt und der so begünstigte Erbe deshalb an einen oder mehrere Miterben Ausgleichszahlungen leisten muss.

Die Feststellung, ob es sich bei der Erbauseinandersetzung insgesamt um eine steuerneutrale Realteilung oder teilweise um Anschaffungs- und Veräußerungsvorgänge handelt und in Bezug auf welche Nachlassgegenstände dies der Fall ist, ist vom FG zu treffen. Im Streitfall kann die Entscheidung des FG keinen Bestand haben. Zwar ist im Streitfall zivilrechtlich eine Nachlassspaltung eingetreten, da sich hinsichtlich des Grundstücks W die Erbfolge noch das ZGB-DDR maßgebend ist, so dass insoweit eine andere Erbfolge ergibt als für die anderen drei in den „alten“ Bundesländern belegen Grundstücke. Neben der Erbengemeinschaft, zu welcher die drei Grundstücke X, Y und Z gehörten, bestand damit eine personengleiche weitere Erbengemeinschaft, die das Gesamteigentum an dem Grundstück W innehatte.

Die Nachlassspaltung ist jedoch nicht ohne Weiteres auch der ertragsteuerlichen Beurteilung der Erbauseinandersetzung zugrunde zu legen. Eine solche Bindung an das Zivilrecht besteht nicht, da die Miterben diese Nachlassspaltung bei ihrer Auseinandersetzung nicht beachten müssen.

Das Urteil hat Bedeutung für die Fälle, in denen sich der Nachlass aus Vermögensteilen zusammensetzt, für die zivilrechtlich jeweils unterschiedlich Erbfolgen gelten, weil sie z.B. in verschiedenen Ländern belegen sind. Werden beide Vermögensteile einheitlich ohne Beachtung der zivilrechtlichen Spaltung unter den Miterben verteilt, ohne dass ein Miterbe Ausgleichszahlungen zu leisten hat, liegt insgesamt eine steuerneutrale Aufteilung vor, so dass keine Anschaffungs- oder Veräußerungsvorgänge gegeben sind. Folgen die Miterben dagegen der zivilrechtlichen Spaltung der Nachlassmasse, ist jede gesondert darauf zu untersuchen, ob die Auseinandersetzung mit oder ohne Ausgleichszahlung erfolgt.

BFH v. 10.10.2018 – IX R 1/17

Antrag auf Vollverschonung: Wirkungen eines Vorläufigkeitsvermerks im Schenkungsteuerbescheid

Das FG Münster hat mit seinem Urteil vom 13.9.2018 (3 K 1285/18) entschieden, dass ein im Hinblick auf die zu erwartende Neuregelung des ErbStG erlassener Vorläufigkeitsvermerk im Schenkungsteuerbescheid nicht die Möglichkeit einer nachträglichen Wahlrechtsausübung auf Vollverschonung nach § 13a Abs. 8 ErbStG a.F. umfasst.

Zum Sachverhalt: Der Kläger (Kl.) erhielt von seinem Vater V zum 10.10.2012 unentgeltlich Gesellschaftsanteile an mehreren KGs. Die Quote des Verwaltungsvermögens liegt jeweils unterhalb der zulässigen Grenzen, so dass ein Verschonungsabschlag von 100 % möglich war. In der „Anlage Steuerentlastung für Unternehmensvermögen (§§ 13a, 13b ErbStG)“ wurde die Frage zu einer vollständigen Steuerbefreiung nach § 13a Abs. 8 ErbStG a.F. weder mit „ja“ beantwortet noch ein Antrag auf vollständige Steuerbefreiung beigefügt, so dass im Schenkungsteuerbescheid nur jeweils ein Verschonungsabschlag von 85 % angesetzt wurde. Der Bescheid enthielt einen Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO hinsichtlich der Frage der Verfassungsmäßigkeit des ErbStG. Nach Feststellung der Bedarfswerte der Gesellschafsanteile änderte das FA den Bescheid gem. § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO und formulierte den Vorläufigkeitsvermerk wie folgt:
„Die Festsetzung der Schenkungsteuer ist gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nummer 2 AO im Hinblick auf die durch das Urteil des BVerfG vom 17.12.2014 – 1 BvL 21/12 angeordnete Verpflichtung zur gesetzlichen Neuregelung in vollem Umfang vorläufig. Sollte aufgrund der gesetzlichen Neuregelung dieser Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern sein, wird die Aufhebung oder Änderung von Amts wegen vorgenommen.“
Mit Einspruch beantragte der Kl. den vollen Verschonungsabschlag, da durch den Vorläufigkeitsvermerk dieser Antrag noch gestellt werden könne. Dem gab das FA nur teilweise i.R.d. Fehlerkompensation gem. § 177 AO statt und wies den Einspruch i.Ü. zurück.

Grundsätze zum Verschonungsabschlag: Gemäß §§ 13a Abs. 1, § 13b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 ErbStG (2012) wird u.a. für Mitunternehmeranteile ein Verschonungsabschlag von 85 % gewährt. Nach § 13a Abs. 8 ErbStG a.F. (jetzt ähnlich § 13a Abs. 10 ErbStG) kann der Erwerber unwiderruflich eine Vollverschonung, also die 100 %-ige Freistellung des erworbenen Mitunternehmeranteils wählen, wenn das erworbene Betriebsvermögen u.a. max. zu 10 % aus sog. Verwaltungsvermögen besteht. Das Gesetz regelt nicht, bis wann der Antrag auf Vollverschonung zu stellen ist und ob die Steuerfestsetzung bei einem Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bzw. 3 AO geändert werden kann. Auch in der Gesetzesbegründung heißt es lediglich, dass die Erklärung bis zur (formellen) Bestandskraft der Steuerfestsetzung abzugeben ist.

Unterschiedliche Auffassungen: Die Finanzverwaltung führt in den ErbStR 2012 aus, der Erwerber müsse den Antrag grds. bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft des Steuerbescheides stellen kann (vgl. R E 13a.13 Abs. 2 Satz 2), ohne zu sagen, wann ein Bescheid materiell bestandskräftig wird. Die OFD Karlsruhe (OFD Karlsruhe v. 7.8.2014 – S381.2a/50 – St 341, S033.8/48 – St 311) eröffnet dem Erwerber bei einem Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO die Möglichkeit, auch noch nach Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung die Vollverschonung zu beantragen, während der FinMin. NW (FinMin. NW v. 24.7.2015 und 25.8.2015 – S 3812a – 105 – V A 6) aus einem solchen Vorläufigkeitsvermerk keine Änderungsbefugnis nach § 165 Abs. 2 AO ableitet. Auch in der Literatur werden hierzu unterschiedliche Auffassungen vertreten.

Voraussetzungen für Änderung nach § 165 Abs. 2 AO sind nicht erfüllt: Gemäß § 165 Abs. 2 Satz 1 AO kann das FA die Festsetzung i.R.d. Umfangs der Vorläufigkeit aufheben oder ändern. Nach Beseitigung der Ungewissheit ist der Vorläufigkeitsvermerk aufzuheben, § 165 Abs. 2 Satz 2 AO. Änderungen nach § 165 Abs. 2 AO sind nach Art und Umfang nur in dem durch die Vorläufigkeit wirksam gesteckten Rahmen zulässig, der ggf. durch Auslegung zu ermitteln ist. Ist ungewiss, ob eine Norm verfassungsgemäß ist, bewirkt der hierauf abhebende Vorläufigkeitsvermerk, dass alle sachlich zusammenhängenden („kohärenten“), zu dem Regelungskomplex gehörenden Rechtsfolgen offengehalten werden sollen. Hier ergibt sich aus dem Vorläufigkeitsvermerk hinreichend klar, dass der Bescheid nur für den Fall offengehalten werden sollte, dass sich die geltende Rechtslage aufgrund einer Entscheidung des BVerfG ändert. Die Vorläufigkeitserklärung ist nicht dahin zu verstehen, dass das ErbStG als verfassungswidrig angesehen wird. Nur bei Gesetzesänderung aufgrund einer BVerfG-Entscheidung ist die Steuerfestsetzung entspr. von Amts wegen zu ändern.
Demnach war die Bestandskraft nicht auch für einen Antrag auf Vollverschonung durchbrochen, da dieser Antrag gerade nicht auf der gesetzlichen Neuregelung, sondern auf dem geltenden Recht basierte. Die (unzutreffende) Auffassung der OFD Karlsruhe hätte zur Folge, dass sämtliche Steuerfestsetzungen mit diesem Vorläufigkeitsvermerk insgesamt – also auch hinsichtlich etwaiger Rechtsfehler in anderen Bereichen des ErbStG offengehalten würden. Hierfür ist kein sachlicher Grund ersichtlich.

Keine anderen Änderungsnormen: Eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist nicht möglich, da die Feststellung von Wertansätzen, hier das Nichtüberschreiten der 10 %-Grenze, kein steuerlich rückwirkendes Ereignis ist, zumal der der Feststellung zugrunde liegende tatsächliche Lebensvorgang bereits bei dieser Feststellung eingetreten war. Eine Änderung der Antrags- oder Wahlrechtsausübung ist nur dann möglich, wenn die dadurch zu erzielende Steueränderung den durch die partielle Durchbrechung der Bestandskraft gesetzten Rahmen nicht verlässt. § 351 Abs. 1 AO begrenzt die Anfechtbarkeit und damit auch die durch den Einspruch bewirkte Änderbarkeit eines Änderungsbescheids auf den Umfang der Änderung und stellt damit klar, dass es i.Ü. bei der zuvor eingetretenen Bestandskraft bleibt.

Die Revision wurde nicht zugelassen, aber Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Das FG Münster hat übrigens mit zwei weiteren Entscheidungen in vergleichbaren Fällen die Klagen ebenfalls mit jeweils gleicher Begründung als unbegründet abgewiesen (FG Münster v. 13.9.2018 – 3 K 1727/17, NZB, Az. d. BFH: II B 101/18 und FG Münster v. 13.9.2018 – 3 K 3699/16 Erb, NZB, Az. d. BFH: II B 99/18). Es ist wohl nicht zu erwarten, dass der BFH den NZB stattgibt, da die Entscheidung der allgemeinen Rspr. zum Zeitpunkt der Ausübung von Wahlrechten entspricht.

Konsequenzen: Die Möglichkeit der Änderung eines endgültigen, bestandskräftigen Bescheids auf Grund eines Vorläufigkeitsvermerks hängt von dessen Umfang ab. Bezieht sich die Vorläufigkeit nur auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes, hat dies keine Auswirkungen auf den Grundsatz, dass Wahlrechte und Anträge bis zur Bestandskraft des Bescheids zu stellen sind, wenn nach Beseitigung der Ungewissheit durch entspr. Gesetzesänderung sich die Rechtslage hinsichtlich der Wahl- und Optionsrechte nicht geändert hat.
Der Steuerpflichtige hat wegen der Unwiderruflichkeit ein Interesse, den Antrag auf (volle) Optionsverschonung nach § 13a Abs. 8 ErbStG erst zu stellen, wenn die Verwaltungsvermögensquote endgültig durch einen Feststellungsbescheid festgestellt wird, was eine gewisse Zeit dauern kann. Beträgt nämlich die Vermögensverwaltungsquote bei mehren Wirtschaftseinheiten zum Teil mehr als 20 %, entfällt bei einem Antrag auf die Optionsverschonung auch insgesamt die Regelverschonung. Die Steuerfestsetzung darf daher materiell-rechtlich nicht bestandskräftig werden. Es muss also Einspruch eingelegt und das Ruhen des Verfahrens beantragt werden, bis über die Verwaltungsvermögensquote endgültig entschieden ist. Erst dann kann endgültig entschieden werden, ob der volle Abschlag beantragt wird, da dann die Steuerfestsetzung in vollem Umfang noch nicht bestandskräftig ist und ausgeübte Optionsrechte geändert werden können.

FG Münster v. 13.9.2018 – 3 K 1285/18, NZB eingelegt, Az. d. BFH: II B 102/18, ErbStB 2019, 35 m. Komm. Uhl-Ludäscher