Am 24. Juni 2016 fand im Bundestag die Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Erbschaft- und Schenkungsteuer an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts statt: Mit großer Mehrheit wurde der jüngste Entwurf auf die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses in geänderter Fassung (BT-Drucks. 18/8911 abrufbar unter der Rubrik „Materialien“ bzw. unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/089/1808911.pdf) beschlossen.
Geplant ist eine Abstimmung im Bundesrat am 8. Juli 2016. Wie das Handelsblatt in seiner Ausgabe vom 24. Juni 2106 berichtet (Seite 16), werden die Länderfinanzminister am 30. Juni 2016 über das weitere Vorgehen beraten, denn nicht nur die Oppositionsparteien, sondern auch unter den Landesfinanzministerien gibt es Kritiker des jetzt beschlossenen Kompromisses der Regierungskoalition. Sollte sich ein Vermittlungsverfahren anschließen, blieben die Reform in Ihrer Ausgestaltung und auch der Zeitpunkt des Inkrafttretens weiter ungewiss.
ErbStAnpG vor der Sommerpause?
Am Donnerstag (16. Juni 2016) fand das 2. Treffen von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel statt. Ein definitives Ergebnis liegt nicht vor. Nach Presseberichten soll an diesem Wochenende eine weitere, möglichst abschließende Verständigung erfolgen (FAZ v. 16.6.2016). Könnte zeitnah eine Einigung erzielt werden, wäre eine Behandlung der Erbschaftsteuerreform im Bundesrat in seiner Sitzung am 8. Juli 2016 möglich.
Nach Berichten des „Handelsblatts“ (Ausgabe vom 16.6.1016, S. 6 und 17.6.2016, S. 11) geht es im Wesentlichen um
- die Ausgestaltung der Investitionsklausel,
- die Behandlung von Betriebstätten außerhalb der EU,
- die Höhe des Prozentsatzes im Rahmen der Finanzmittel zwecks Abgrenzung des schädlichen Verwaltungsvermögens vom begünstigten Vermögen,
- die Einbeziehung und Prüfung des Privatvermögens und
- die Anzahl der Mitarbeiter im Rahmen der Lohnsummenprüfung (Kleinunternehmen).
In der Zwischenzeit war Zeit über weitere Gestaltungen der Erbschaftsteuer nachzudenken. Die GRÜNEN verfolgen ein eigenes Konzept: Thomas Gambke, Mittelstandsbeauftragter der Grünen im Bundestag, hat zusammen mit Dieter Janecek, dem wirtschaftspolitischen Sprecher der Fraktion, das Konzept „verfassungsfeste Grund- und Erbschaftsteuer als umsetzbare Vermögensbesteuerung“ entwickelt.
In dem Papier über die Erbschaftsteuer vom 5.10.2015 „Erbschaftsteuer: Zeit für mehr Mut“ von Dieter Janecek und Thomas Gambke, heißt es, Ziel sei „eine einheitliche und breite Bemessungsgrundlage für alle Vermögensarten (eine sogenannte ‚synthetische‘ Erbschaftssteuer), keine der wirtschaftlichen Dynamik widersprechende Lohnsummenregelung, niedrige, aber aus Gerechtigkeitsgründen gestaffelte Steuersätze (aus dem Saarland kam der Vorschlag 5, 10, 15 Prozent – je nach Höhe des Erbes), niedrigere Freibeträge und keine unterschiedlichen Sätze nach Verwandtschaftsgrad. Das würde komplizierte Verschonungsregeln nicht erfordern. Durch den gegenüber den heutigen Regelungen deutlich niedrigeren Höchststeuersatz und über längere und verbindliche Stundungsregeln würden die Liquidität der Unternehmen und Arbeitsplätze sicher geschützt werden.“
(Quelle: http://www.dieterjanecek.de/de/article/196.erbschaftssteuer-f%C3%BCr-eine-gerechte-und-verfassungskonforme-reform.html?sstr=Erbschaftsteuer)
Derzeit sind wohl ein einheitlicher Steuersatz in der Größenordnung von 15 Prozent bei Beibehaltung der bisherigen Freibeträge und zum Schutz von Betriebsvermögen eine verbindliche Stundungsoption von 15 Jahren ohne Zinsen Gegenstand des Konzepts.
Die Haltung der GRÜNEN ist auch deshalb von Interesse, weil die von den GRÜNEN mitregierten Länder die bisherigen bzw. zu erwartenden Reformregelungen der großen Koalition letztlich im Bundesrat scheitern lassen könnten.
Brexit – Auswirkungen auf die Vermögensnachfolge
Am 23.6.2016 wird Großbritannien in einem Referendum über seinen Verbleib in der Europäischen Union abstimmen. Entscheiden sich die Briten für den Austritt aus der Europäischen Union (Brexit), ergeben sich mannigfaltige Konsequenzen. Davon betroffen sind nicht nur Politik und Wirtschaft, sondern bspw. auch das Recht – und zwar nicht nur in Großbritannien selbst, sondern auch in Deutschland. Der Brexit stellt damit auch einen Risikofaktor im Rahmen der Nachfolgeplanung dar.
Vor diesem Hintergrund ist zu überlegen, welche Implikationen sich aus einem Austritt Großbritanniens aus der EU im deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht ergeben können. Auswirkungen sind bspw. in Bezug auf die Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht in Deutschland, die Anwendung der Betriebsvermögensbegünstigungen oder andere Steuerbefreiungen denkbar.
In dem Beitrag „Der Brexit in der Nachfolgeplanung – Erbschaft- und schenkungsteuerliche Implikationen eines Austritts Großbritanniens aus der EU“, ErbStB 2016, 177 (Heft 6/2016) werden diese Fragen thematisiert und vertieft.
Abzug von Einkommensteuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten i. S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG bei Steuerhinterziehung des Erblassers
Mit Urteil vom 4.7.2012 – II R 15/11, BStBl. II 2012, 790 = ErbStB 2012, 291 m. Komm. Kirschstein, hatte der BFH seine Auffassung zum Abzug von Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten überdacht. Danach sind auch Steuerschulden des Todesjahres als Nachlassverbindlichkeiten abziehbar, obwohl die Steuerlast erst nach Ablauf des Kalenderjahres und damit erst nach dem Tod des Erblassers entstanden ist. Dies ließ darauf schließen, dass der Senat weitestgehend auf eine wirtschaftliche Belastung des Erblassers verzichtet, konnte die Steuerschuld des Todesjahres aus erkennbaren Gründen ihm gegenüber nicht festgesetzt werden.
Noch nicht entschieden war, wie zu verfahren ist, wenn sich nach dem Ableben des Erblassers ergibt, dass dieser Steuern hinterzogen hatte, die anschließend gegen den Erben festgesetzt werden. Konnte man auf der Grundlage der vorgenannten Entscheidung darauf hoffen, auch solche Steuerschulden seien den Nachlass mindernd zu berücksichtigen, hat sich diese Erwartung aufgrund der aktuellen Entscheidung des BFH vom 28.10.2015 – II R 46/13, ZEV 2016, 213 = ErbStB 2016, 99 m. Komm. Heinrichshofen, nicht erfüllt.
Der Senat fordert für den Abzug der Steuerschuld des Erblassers bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer, dass der Abzug eine wirtschaftliche Belastung des Vermögens des Erblassers im Zeitpunkt dessen Todes voraussetzt. Hieran fehle es, wenn am Todestag mit der Festsetzung der Steuerschuld nicht zu rechnen sei, da dem Fiskus die hinterzogenen Einkünfte unbekannt seien. Somit ist Voraussetzung für den Abzug nicht allein die rechtliche Belastung des Vermögens des Erblassers, sondern auch die wirtschaftliche, die in Fällen unentdeckter Einkünfte fehlen soll. Der BFH räumt somit dem Stichtagsprinzip des § 11 ErbStG Vorrang vor dem Bereicherungsprinzip ein. Denn letzteres hätte den Abzug gefordert, da die Erben die Entrichtung der Steuerschuld nach Entdeckung der Steuerhinterziehung schulden. Hierauf sollte sich dich die Praxis einrichten.
Die Bedenken gegen die Entscheidung sind offensichtlich: Auch der Wert des Nachlasses – etwa zum Zwecke der Ermittlung von Pflichtteilsansprüchen – wird unter Berücksichtigung rechtlich bestehender Verbindlichkeiten ermittelt. Diese belasten den Nachlass und damit den Erwerb der Erben. Diesen ist nun schwer klarzumachen, dass die Erkenntnismöglichkeiten des Fiskus darüber entscheiden, ob eine nachträglich festgesetzte Steuerschuld abgezogen werden kann oder nicht. Hinzu kommt, dass auf der Grundlage der zunehmenden bilateralen Abkommen zur Sicherung des Steueraufkommens ohnehin zu fragen ist, ob nicht in allen Fällen später entdeckter Steuerhinterziehungen der Erblasser damit rechnen musste, in absehbarer Zeit „aufzufliegen“, sodass auch aus seiner Sicht der Nachlass wirtschaftlich belastet war.
Schöner Schein – Oder der erbschaftsteuerliche Wert von Gegenleistungen
Nach § 7 Abs. 3 ErbStG werden Gegenleistungen, die nicht in Geld veranschlagt werden können, bei der Feststellung, ob eine Bereicherung vorliegt, nicht berücksichtigt.
Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Eine freigebige Zuwendung liegt vor, wenn die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. Dies ist der Fall, wenn die Zuwendung weder in rechtlichem Zusammenhang mit einer Gegenleistung noch zur Erfüllung einer Verbindlichkeit. Die Bereicherung muss objektiv unentgeltlich sein.
§ 7 Abs. 3 ErbStG zielt ausschließlich auf das objektive Merkmal der Unentgeltlichkeit der Zuwendung. Bei der Feststellung dieser Frage sind Gegenleistungen, die nicht in Geld veranschlagt werden können nicht zu berücksichtigen. Auch dann also, wenn sich der Bedachte zur Erbringung einer Gegenleistung verpflichtet, die eben nicht in Geld veranschlagt werden kann, liegt eine reine Schenkung und nicht etwa eine gemischte Schenkung vor; die Gegenleistung, deren Wert nicht in Geld veranschlagt werden kann, führt nicht zu einer, die Bereicherung des Bedachten mindernden, gemischten Schenkung.
Eine Leistung kann insbesondere dann nicht „in Geld veranschlagt“ werden, wenn sie aus Sicht des ErbStG noch gar nicht entstanden ist. Bedeutung hat dies vor allem im Zusammenhang mit familienrechtlichen Ansprüchen (Eheschließung, elterliche Zustimmung zur Eheschließung, Einwilligung in die Ehescheidung, Scheidungsbereitschaft).
Beispiel:
F schloss mit ihrem Ehemann M einen Ehe- und Erbvertrag. Danach verpflichtete sich M zum Ausgleich des bisher erwirtschafteten Zugewinns der F einen Geldbetrag von 310.000 DM zu zahlen sowie ein Grundstück und Miteigentumsanteile an weiteren Grundstücken zu übertragen. Der Güterstand der Zugewinngemeinschaft wurde nicht beendet, sondern dahingehend modifiziert, dass im Falle der Scheidung kein weiterer Ausgleich erfolgen und bei Beendigung des Güterstandes durch Tod eines Ehegatten bestimmte Vermögensteile unberücksichtigt bleiben sollten.
Lösung:
Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). F wurde durch die Zuwendungen aufgrund des Ehe- und Erbvertrages dem Vermögen des M objektiv bereichert. Die Zuwendungen des M führten zu einer Vermögensmehrung bei F. Die Bereicherung erfolgte auch endgültig, da F die Zuwendungen unabhängig von einem erst künftig möglicherweise entstehenden (Zugewinnausgleichs-)Anspruch behalten durfte. Auch stand F am jeweils maßgeblichen Stichtag kein Anspruch auf Zugewinnausgleich gegen ihren M zu. Die Zugewinnausgleichsforderung konnte nämlich erst mit der Beendigung des gesetzlichen Güterstandes entstehen (§ 1378 Abs. 3 BGB). F und M haben durch den Ehe- und Erbvertrag den gesetzlichen Güterstand gerade nicht beendet, sondern – wenn auch stark modifiziert und eingeschränkt – weiter fortgeführt.
Für die Praxis gilt daher:
Sollten Ausgleichszahlungen, welche die Freibeträge überschreiten und nicht in der steuerfreien Übertragung des Familienwohnheims gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG bestehen, allenfalls aufschiebend bedingt für den Scheidungsfall versprochen und ausgeführt werden. Dies gilt besonders bei Verträgen von Verlobten, die noch nicht über die Freibeträge für Ehegatten verfügen können.
Da war doch was: Erbschaftsteuerreform „2016“ – Oder nicht?
Die genaue Ausgestaltung der Erbschaftsteuerreform 2016 steht nach wie vor nicht fest. Nach Presseberichten war im Februar 2016 zunächst eine Einigung der Koalitionspartner erreicht worden, nachdem der „Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ der Bundesregierung vom 8. Juli 2015 (Hier geht es zu den Details des RegE) im Rahmen der Verhandlungen der stellvertretenden Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen nochmals modifiziert wurde. Die CSU-Fraktion zog ihre Zustimmung zum neuen Entwurf allerdings zurück und fordert weitere Nachbesserungen zugunsten der Unternehmenserben (Reuters v. 24. Februar 2016).
Ein Einlenken insbesondere der SPD-Fraktion ist nicht zu erwarten. SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider lehnt dies ab. „Die Forderungen aus Bayern sind nicht akzeptabel. Die bayrische Staatsregierung macht sich zum Sachwalter maßloser Lobbyanliegen. …“ (http://www.spdfraktion.de/presse/statements/bayrische-staatsregierung-macht-sachwalter-massloser-lobbyanliegen).
Wegen der Verzögerungen des Gesetzesvorhabens wird allseits überlegt, was die Folge einer nicht fristgerechten Verabschiedung des Gesetzes sein wird. Eine interessante Frage: Hier geht es zu dem Beitrag von RA/FASt Gunter Mühlhaus und RAin Stefanie Guerra (die Autoren sind bei der Ernst & Young Law GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft an den Standorten Stuttgart und Essen tätig).
Nach Presseberichten (FAZ v. 31. März 2016, S. 17 [jja./mas.]; Handelsblatt v. 1. April 2016, S. 10 [Donata Riedel]) hat der Sprecher des BVerfG Michael Allmendinger auf Anfrage hierzu im Wesentlichen ausgeführt, dass die bisherigen Regelungen zunächst weitergelten. Dies ergebe sich aus dem Tenor des Urteils.
Hintergrund: Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 30. Juni 2016 eine Neuregelung zu schaffen, die die vom BVerfG in seiner Entscheidung vom 17. Dezember 2014 (BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12) festgestellten Verfassungsverstöße beseitigen soll.
Freibetrag bei beschränkter Steuerpflicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG
Mit Urteil vom 17.10.2013 – C-118/12 – Rs. Welte, (ErbStB 2014, 32) hat der EuGH entschieden, dass die Grundfreiheit des freien Kapitalverkehrs die Gewährung des Freibetrags nach dem persönlichen Näheverhältnis auch bei ausschließlich in Drittstaaten ansässigen Beteiligten fordert. Die Finanzverwaltung hat auf diese Rechtsprechung mit der Verfügung der OFD NRW v. 29.07.2014 (ErbStB 2014, 251) reagiert und sieht eine Kürzung des persönlichen Freibetrags um den Teil vor, der anteilig auf das von der beschränkten Steuerpflicht nicht erfasste Vermögen entfällt.
Das FG Düsseldorf hat basierend auf dem EuGH-Urteil und der OFD-Verfügung nunmehr entschieden (FG Düsseldorf v. 18.12.2015 – 4 K 3636/14 Erb, ErbStB 2016, 101), dass einem Schweizer Erben, der Inlandsvermögen von einem Schweizer Erblasser erhält, der ungekürzte persönliche Freibetrag nach § 16 Abs. 1 ErbStG zu gewähren ist.
Meines Erachtens müsste der Gesetzgeber auf diese Rechtsentwicklung mit einer Gesetzesänderung reagieren. Denkbar wäre auch für reine Drittstaatenfälle eine dem § 2 Abs. 3 ErbStG für EU/EWR-Bürger ähnliche Regelung. Der Gesetzgeber könnte auch den derzeit geltenden Freibetrag von 2.000 EUR deutlich anheben. Im Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuergesetzes an die Rechtsprechung des BVerfG ist jedenfalls keine entsprechende Formulierung enthalten.
Neues Sachwertverfahren zur Grundbesitzbewertung ab dem 1.1.2016
Mit den durch das StÄndG 2015 vom 2.11.2015 (BGBl. I 2015, 1834) vorgenommenen Änderungen wird das Sachwertverfahren nach §§ 189 ff. BewG an die Sachwertrichtlinie (SW-RL) vom 5.9.2012 (BAnz AT 18.10.2012 B1) angepasst. Die §§ 190, 195 Abs. 2 Satz 4 und 5 sowie die Anlagen 22, 24 und 25 in der neuen Fassung sind gem. § 205 Abs. 10 BewG auf Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2015 anzuwenden.
Anwendbarkeit der Sachwertfaktoren der Gutachterausschüsse
Durch die Neufassung wird sichergestellt, dass die von den Gutachterausschüssen für Grundstückswerte auf der Grundlage der SW-RL abgeleiteten Sachwertfaktoren unter Berücksichtigung der Modellkonformität als Wertzahlen i.S.d. § 191 Abs. 1 BewG angewendet werden können.
Sachwertfaktoren der Gutachterausschüsse, die auf Basis der SW-RL ermittelt und im Grundstücksmarktbericht veröffentlicht werden, konnten bisher nach Auffassung der OFD NRW nicht als Wertzahl nach § 191 Abs. 1 BewG der Grundbesitzbewertung zugrunde gelegt werden, da sie nicht modellkonform sind (vgl. dazu i.E. die Kurz-Info 001/2013 der OFD NRW v. 12.7.2013). Die SW-RL verwendet die Normalherstellungskosten 2010 (NHK 2010), während das Sachwertverfahren nach §§ 189 ff. BewG a.F. auf Basis der Normalherstellungskosten 2000 (NHK 2000) errechnete Regelherstellungskosten heranzieht.
Mit der gesetzlichen Änderung ist zusätzlich eine Vereinfachung in der Rechtsanwendung verbunden, weil die Vielzahl der Tabellenwerte der Regelherstellungswerte auf wenige Kostenkennwerte reduziert wird. Der verfassungsrechtlichen Maßgabe der Bewertung mit dem gemeinen Wert wird durch die Kopplung der Werte mit dem Baupreisindex des Statistischen Bundesamts Rechnung getragen.
Ländererlasse zur gesetzlichen Neuregelung
Bei der konkreten Durchführung des neu gefassten Sachwertverfahrens waren zahlreiche Einzelfragen offengeblieben (vgl. Grootens, ErbStB 2016, 22). Diese wurden seitens der Finanzverwaltung durch gleich lautende Ländererlasse vom 8.1.2016 (BStBl. I 2016, 173) geklärt. Im aktuellen Beitrag „Anwendungserlasse zum neuen Sachwertverfahren zur Grundbesitzbewertung ab dem 1.1.2016“ (ErbStB 2016, 111 [Grootens]) werden die konkreten Auswirkungen der Erlassregelungen kritisch analysiert. Gleichzeitig wird aufgezeigt, inwieweit sich die Neuregelungen auf das Ertragswertverfahren auswirken.
Mindestrestnutzungsdauer und Mindestrestwert im Vergleich
Durch die gesetzliche Neufassung des Sachwertverfahrens wurde der Mindestansatz des Gebäuderegelherstellungswerts von 40 % auf 30 % gesenkt. In vielen Fällen wurde aufgrund des hohen Restwerts von 40 % eine deutliche Überbewertung festgestellt, was wiederum zu einer gestiegenen Zahl von Nachweisen eines niedrigeren gemeinen Wertes gem. § 198 BewG im Wege eines Sachverständigengutachtens geführt hat.
Auf den ersten Blick wurde somit eine Gleichschaltung der Restwertregelung von Sachwertverfahren und Ertragswertverfahren durchgeführt, da in beiden Verfahren nunmehr die gleichen Prozentsätze gelten. Während sich der Prozentsatz im Sachwertverfahren auf die lineare Alterswertminderung und somit auf den Gesamtwert bezieht, ist im Ertragswertverfahren jedoch die Gesamtnutzungsdauer Bemessungsgrundlage für den 30 %igen Mindestansatz. Da die Gesamtnutzungsdauer und die sich daraus ergebende Restnutzungsdauer für die Wahl des Vervielfältigers lt. Anlage 21 zum BewG maßgeblich sind, ist hinsichtlich der Alterswertminderung aufgrund der Kapitalisierung bei der Ermittlung des Rentenbarwertfaktors lt. Anlage 21 zum BewG kein linearer Verlauf gegeben. Im Beitrag wird die konkrete mathematische Auswirkung für die Gebäudearten in Tabellenform aufgearbeitet. Im Einzelfall ergeben sich hier Mindestwerte von 74 % des Gesamtwerts.
Anpassung der Regelherstellungskosten lt. Anlage 24 an die NHK 2010
Die NHK 2010 (Anlage 1 zur SW-RL) und die Beschreibung der Gebäudestandards (Anlage 2 zur SW-RL) wurden in die Anlage 24 integriert. Bisher ungeklärt war, wie der Ausstattungsbogen in Anlage 24 III zum BewG n.F. in der Praxis angewendet werden soll. Neben den fünf Standardstufen (einfachst/einfach/Basis/gehoben/aufwändig) ist bei Ein- und Zweifamilienhäusern, Wohnungseigentum und vergleichbarem Teileigentum in Mehrfamilienhäusern sowie bei gemischt genutzten Grundstücken ein Wägungsanteil ausgegeben, nach der die einzelnen Ausstattungsstandards im Verhältnis zueinander unterschiedlich gewichtet werden.
Nach dem Ländererlass vom 8.1.2016 ist die bisherige Praxis der gleichmäßigen Gewichtung der Ausstattungsmerkmale zur Ermittlung eines Regelherstellungskostensatzes durch die Berücksichtigung der Wägungsanteile zu ergänzen. Ist ein Bauteil nicht vorhanden, bleiben die Regelherstellungskosten dieses Bauteils unberücksichtigt. Wie in diesen Fällen bei den Wohngebäuden (Gebäudearten 1.01. bis 5.1. der Anlage 24 zum BewG) und bei Nichtwohngebäuden (Gebäudearten 5.2. bis 13.3., 14.2. bis 14.4. und 15.1. bis 18.2. der Anlage 24 zum BewG) zu verfahren ist, wird im Beitrag anhand von Beispielsfällen erläutert. In beiden Fällen führt die Berechnung zu einem niedrigeren Regelherstellungskostenansatz.
Klärung durch Finanzverwaltung zu begrüßen
Die Ländererlasse klären wichtige Details zur Anwendung der gesetzlichen Neuregelung und der Anlagen. Die Umsetzung durch die Finanzverwaltung zeigt jedoch auf, dass die Angleichung mit einer Steigerung der Komplexität der Wertermittlung einhergeht. Durch die tagtägliche Anwendung in der Praxis werden sicherlich weitere Zweifelsfragen auftreten. Dennoch ist aber ein wichtiger Schritt zur höheren Genauigkeit und damit auch zur Akzeptanz des Sachwertverfahrens getan.
Auch für das Ertragswertverfahren haben sich durch das StÄndG und die dazu ergangenen Anwendungserlasse Änderungen ergeben. Zudem zeigt die Gegenüberstellung, dass die vermeintliche prozentuale Gleichstellung der Mindestwertregelung beim Ertrags- und Sachwertverfahren stattdessen zu einer Vergrößerung des Abstands zwischen den tatsächlich anzusetzenden Mindestwerten der beiden Verfahren führt.