Im Kanton Waadt ist ein Pilotprojekt in einem Gerichtsbezirk angelaufen: Eltern sollen sich friedlich trennen, damit die Scheidungskinder weniger Schaden an Psyche und Gesundheit nehmen. Kinder sollen schon vor dem ersten Gerichtstermin angehört werden. Und die Eltern bekommen eine Mediation.
Vor dem Hintergrund steigender Scheidungszahlen ist zum Schutz der kleinsten Betroffenen im Kanton Waadt in der Schweiz ein Pilotprojekt angelaufen. Die Waadtländer Justiz, Gerichte und Sozialdienste haben gemeinsam ein Konzept entwickelt, künftig möglichst frühzeitig Einfluss nehmen, bevor der Konflikt eskaliert. Eltern, die sich trennen, müssen künftig zuerst an einem Informationstermin teilnehmen – und zwar getrennt, wenn nötig. Dort werden sie an ihre elterlichen Pflichten erinnert. Sie werden ermahnt, die Kinder aus ihren Streitereien rauszuhalten, sie nicht als Spione oder Botengänger einzusetzen.
Auch die Kommunikation mit dem Gericht wird angepasst: Scheidungsbegehren sollen künftig keinen Platz mehr lassen für Anschuldigungen und Angriffe, das vergifte nur die Stimmung. Daher erfragen Formulare künftig nur noch die nötigsten Informationen: Familienstruktur, Einkommen, Bedürfnisse.
Zwei weitere Schritte sollten künftig schon vor dem ersten Gerichtstermin erfolgen: Erstens werden die Kinder angehört und zweitens schwere Vorwürfe wie beispielsweise eine Drogensucht behördlich abgeklärt. Nach der ersten Anhörung vor Gericht sollen die Trennungswilligen künftig an einer Mediation teilnehmen. Fünf Sitzungen werden bezahlt. Ziel sei ein von den Eltern selbst ausgehandelter Kompromiss. Das sei nachhaltiger als ein richterlicher Entscheid.
Der Kanton Waadt ist nicht der erste Kanton, der mehr Einvernahme bei Scheidungen will: Schweizer Vorreiter in diesem Bereich ist Basel-Stadt, wo es „angeordnete Beratungen“ gibt. Das Wallis hat vor zwei Jahren ein ähnliches System eingeführt und in mehreren Kantonen laufen derzeit entsprechende Projekte. Zur Mediation zwingen können die Kantone Eltern nicht; aber sie können diese stärker drängen.
Das Projekt im Kanton Waadt ist vorerst auf einen Gerichtsbezirk beschränkt. Ist die Bilanz in zwei Jahren positiv, wird ausgeweitet. Gemessen wird der Erfolg anhand der Dauer der Gerichtsverfahren und der Zahl der Rechtsmittel. Man verspricht sich aber auch eine Verbesserung des psychischen Befindens der von Trennung betroffenen Kinder.
Im Jahr 2021 wurden in Deutschland durch richterlichen Beschluss rund 142.800 Ehen geschieden. Etwas mehr als die Hälfte (51,5 %) der 2021 geschiedenen Ehepaare hatte minderjährige Kinder. Von diesen hatten wiederum 49,5 % ein Kind, 39,5 % zwei und 11,0 % drei oder mehr Kinder. Insgesamt waren allein im Jahr 2021 etwa 121.800 Minderjährige von der Scheidung ihrer Eltern betroffen.
Quelle: www.srf.ch v. 19.12.2022
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