Im September 2020 hatte das Bundesjustizministerium einen Forschungsauftrag erteilt, um sich Klarheit darüber zu verschaffen, warum die Eingangszahlen bei den Zivilgerichten so stark zurückgegangen sind. Mittlerweile hat das Forscherkonsortium rund um Prof. Dr. Caroline Meller-Hannich, Prof. Dr. Armin Höland und Monika Nöhre, Präsidentin des Kammergerichts a.D., ihren Abschlussbericht vorgelegt.
Die Entwicklung der Klageeingänge bei Amts- und Landgerichten und die der erledigten Verfahren verlaufen nahezu parallel und sind seit Jahren rückläufig. Im Untersuchungszeitraum zwischen 2005 und 2019 gingen die erstinstanzlichen Verfahren bei Zivilgerichten um mehr als 600.000 Verfahren zurück, das entspricht einem Rückgang um 32,5 %. Dabei sind die Amtsgerichte sowohl in absoluten Zahlen (-522.746) als auch anteilig (-36,1 %) stärker vom Rückgang betroffen als die Landgerichte.
Insgesamt lässt sich nach Ansicht der Forscher in der rechtswissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der zu untersuchenden Problematik nicht ein einzelner Erklärungsansatz finden, der für sich genommen vollständig den Rückgang der Klageeingangszahlen erklären würde – dies beansprucht auch nahezu keiner der Erklärungsansätze für sich. Dieses Phänomen dürfte nur durch eine Kombination mehrerer Faktoren erklärbar sein. Es besteht bereits weniger Bedarf für staatliche Konfliktlösung aufgrund einer geänderten konfliktabgeneigten Mentalität in der Bevölkerung und in den Unternehmen. Schon frühzeitig wird zur Konfliktvermeidung angesetzt. Viele Unternehmen versuchen, Prozesse zu vermeiden und setzen auf internes Beschwerdemanagement.
Im Gefolge ihrer „wachsenden Popularität“ zu Beginn der 2000er Jahre begannen auch Rechtsschutzversicherer, die Mediation als konsensuale Form der Streitbeilegung in ihr Leistungsangebot aufzunehmen. „Wir haben eine Zeitlang gedacht, dass Mediation ein Zukunftsmodell sei. Aber diese Erwartung hat sich nicht erfüllt“, zitiert die Studie einen Versicherungsvertreter. An die Stelle hoher Erwartungen vor zwei Jahrzehnten ist Ernüchterung getreten. Die Expertengespräche mit Vertreterinnen und Vertretern von Rechtsschutzversicherungen münden in übereinstimmenden Befunden. Danach ist das Angebot der Mediation zwar im Leistungsangebot der Rechtsschutzversicherer enthalten, werde jedoch kaum nachgefragt. Mediation sei wenig bekannt. Das Angebot müsse häufig im Kontaktgespräch erst erläutert werden. Mediation wird nicht gekauft, sondern verkauft, heißt es in dem Abschlussbericht.
Der Abschlussbericht ist unter auf der Website des BMJ abrufbar (Kurzlink https://ottosc.hm/nvZru)
Den Erkenntnissen der Untersuchung mit Blick auf die außergerichtliche Streitbeilegung widmet sich das Forscherteam in der August-Ausgabe der ZKM.
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