Ob Norwegen, Katar oder die Schweiz: Immer mehr Staaten bieten sich als Vermittler in internationalen Konflikten an. Sie übernehmen dabei eine Rolle, die oft als „Mediation“ bezeichnet wird. Doch wie ein aktueller Artikel bei Euronews zeigt, ist der Begriff nicht immer ganz zutreffend. Zwar übernehmen diese Länder oft eine moderierende Rolle zwischen den Konfliktparteien – doch nicht jede Initiative folgt dem klassischen Mediationsmodell mit klarer Neutralität und strukturiertem Verfahren.
Vielmehr handelt es sich häufig um diplomatische Vermittlungsbemühungen, bei denen Interessen, Einfluss und geopolitische Erwägungen eine Rolle spielen. Dennoch: Auch wenn nicht jede dieser Initiativen eine „waschechte“ Mediation im engeren Sinne darstellt, tragen sie dazu bei, Gesprächskanäle zu öffnen und Eskalationen zu vermeiden – und verdienen daher Aufmerksamkeit.
Einige Fälle veranschaulichen die Vielfalt der Ansätze:
- Die Vereinigten Staaten in Camp David (1978): Mediation mit einem Scheckbuch Als die USA zwischen Ägypten und Israel vermittelten, stellten sie nicht nur einen Tisch und Stühle auf. Sie legten 3 Milliarden Dollar pro Jahr für Israel und 2 Milliarden Dollar für Ägypten auf den Tisch. Das ist das Modell der Supermächte: massive Mittel einsetzen, um den Frieden attraktiver zu machen als den Krieg. Nur Länder mit riesigen Volkswirtschaften können sich diesen Ansatz leisten.
- Norwegen in Oslo (1993): Diskrete Schlichtung Die Norweger haben es anders gemacht. Anstelle großer Mediengipfel ermöglichten sie geheime Treffen zwischen Israelis und Palästinensern in Forschungszentren. Der Prozess begann fast zufällig, durch akademische Kontakte. Dieses Modell funktioniert für mittelgroße Länder, die ihren Mangel an militärischer Macht durch diplomatische Kreativität und Diskretion kompensieren.
- Katar in mehreren Konflikten: Nischen-Vermittlung Katar hat die Mediation zu seinem Markenzeichen gemacht. Mit Gasgeld und einer strategischen geografischen Lage vermittelt es in Konflikten vom Sudan bis zum Libanon. Sein Vorteil ist, dass es mit allen reden kann, auch mit Gruppen, die andere Länder meiden, wie etwa die Taliban. Es ist das Modell des kleinen reichen Staates, der seinen Platz in der Welt findet, indem er Probleme löst, die andere nicht anfassen können oder wollen.
- Brasilien in Lateinamerika: Regionale Mediation Brasilien hat sich als Südamerikas natürlicher Vermittler positioniert. Seine Größe, demokratische Stabilität und historischen Beziehungen verleihen ihm regionale Glaubwürdigkeit. Obwohl seine Rolle in Prozessen wie den FARC-Verhandlungen indirekt war, zeigt sie, wie regionale Mächte ihre geografische und kulturelle Nähe nutzen können, um Dialoge zu erleichtern.
- Die EU auf dem Balkan: kollektive Mediation Die EU ist kein Land, aber sie agiert als Vermittler, indem sie etwas anbietet, was kein einzelnes Land geben kann: die Mitgliedschaft im europäischen Club. Ihre Arbeit zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo zeigt, wie ein Block die Aussicht auf wirtschaftliche und politische Integration als Anreiz für den Frieden nutzen kann.
- Der Vatikan: moralische Mediation Der Papst hat keine Armee und kein Öl, aber er hat etwas Einzigartiges: globale moralische Autorität. Seine Vermittlung im Beagle-Kanal-Konflikt zwischen Argentinien und Chile im Jahr 1984 funktionierte, weil beide katholischen Länder die päpstliche Autorität respektierten. Dieses Modell funktioniert nur, wenn die Parteien bestimmte Werte oder Überzeugungen teilen.
- Türkei: Opportunistische Mediation Die Türkei hat sich ihre geografische Lage und ihr historisches Erbe zunutze gemacht, um in Konflikten von Syrien bis zur Ukraine zu vermitteln. Ihr Erfolg bei der Erleichterung von Vereinbarungen über den Getreidekorridor zwischen Russland und der Ukraine zeigt, wie Länder mit regionalen Ambitionen bestimmte Zeitpunkte nutzen können, um sich als unverzichtbare Vermittler zu positionieren.
- Das Carter Center: Private Mediation Obwohl es sich nicht um eine Regierung handelt, zeigt das Carter Center, wie private Organisationen unter Nutzung des persönlichen Ansehens und des technischen Fachwissens ihrer Gründer vermitteln können. Die Arbeit des Carter Centers in Afrika zeigt, dass nichtstaatliche Akteure manchmal dort tätig werden können, wo Regierungen aufgrund politischer Zwänge nicht in der Lage sind.
Quelle: https://de.euronews.com v. 27.7.2025
Bild: shutterstock.com / AVN Photo Lab
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