Die 2. Kammer des 1. Senats des BVerfG hatte kürzlich für den Bereich des Grundrechts der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG über eine Konstellation zu entscheiden, die auch im Rahmen der Medienfreiheiten aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und Art 10 EMRK nicht selten zu Kontroversen führt (BVerfG 1 BvR 1738/16, GRUR 2019, 757 – Märchenbilder). Eine Künstlerin hatte mit Einwilligung der damals noch minderjährigen Betroffenen und ihrer gesetzlichen Vertreter ein Porträt der Betroffenen angefertigt und es später, ohne erneute Einwilligung, neben anderen Porträts in einer Ausstellung gezeigt, die den Themen Missbrauch, Gewalt, Verlassenheit und Sehnsucht gewidmet war. Die im Wege der Unterlassungsklage angerufenen Zivilgerichte sahen es wohl mit Recht als einen Eingriff in die durch Art. 1 GG geschützte Würde der Betroffenen an, dass durch die Zurschaustellung des Porträts in der den genannten Themen gewidmeten Ausstellung der Eindruck erweckt wurde, sie sei persönlich Opfer eines Missbrauchs oder einer anderen Gewalttat geworden. Entsprechend dem Antrag der Betroffenen untersagten sie es der Künstlerin, das Porträt künftig in jeglicher Form Dritten gegenüber öffentlich zu machen oder zu verbreiten. Die Künstlerin wird durch dieses Verbot mithin daran gehindert, das von ihr geschaffene Werk in einem anderen, unverfänglichen Kontext zur Schau zu stellen. Durch dieses umfassende Verbot ist die auch für das Recht am eigenen Bild relevante Frage nach dem zulässigen Umfang des Veröffentlichungsverbots aufgerufen. Denn die Dinge liegen im Konfliktfeld zwischen der Menschenwürde des Einzelnen und der Kunstfreiheit nicht anders als im Rahmen des Konflikts zwischen dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht eines Verletzten und insbesondere seinem Recht am eigenen Bild einerseits und den genannten Medienfreiheiten andererseits. Hier wie dort geht es um die bedeutsame Frage, ob Verletzte und Gerichte der einer konkreten Situation zuzuordnenden Verletzung ihrer Rechte durch den Künstler oder etwa einen Zeitschriftenverlag mit einem sogenannten Gesamtverbot begegnen können, mithin einem vorbehalt- und ausnahmslosen Verbot der künftigen Verbreitung des in Rede stehenden Bildes. Nach der zutreffenden Rechtsprechung des BGH ist diese Frage zu verneinen. Insbesondere das OLG Hamburg erlässt demgegenüber ein Gesamtverbot und rechtfertigt es mit der Erwägung, es unterliege im Hinblick auf die Grundrechte des Verletzers aus Art. 5 Abs. 1 oder auch Abs. 3 einer immanenten Schranke und greife nicht, wenn der Veröffentlichung im Hinblick auf die konkrete Situation keine höherwertigen Belange des Abgebildeten entgegenstehen. Mit dieser Auffassung mutet das OLG Hamburg den Medien mithin das Risiko zu, mit einer neuerlichen Vereöffentlichung des Bildes in einem anderen Kontext gegen ein gerichtliches Verbot zu verstoßen. Dieser Kontroverse dürfte der „Märchenbilder“- Beschluss des BVerfG nun ein Ende setzen. Das Gericht sieht in dem gerichtlichen Verbot mit Recht insoweit einen verfassungswidrigen Eingriff in die Grundrechtsposition der Künstlerin, als es sich nicht auf die Zurschaustellung des Bildes in der in Rede stehenden konkreten Situation beschränkt. Wie in allen anderen Bereichen auch ist damit der gegen eine Bildnisveröffentlichung gerichtete Unterlassungsanspruch auf die konkrete Verletzungsform zu beschränken. Ein Verletzter, der in einem gerichtlichen Verfahren künftig noch ein Gesamtverbot beantragt, wird damit keinen Erfolg mehr haben können und obendrein die durch den Verbotsexzess entstehenden Verfahrenskosten zu tragen haben.
Mit der hier insbesondere angesprochenen Frage des Umfangs äußerungsrechtlicher Unterlassungsgebote befasst sich die 6. Auflage unseres “Presserecht“ in Rz. 30.55 ff.