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Buchtipp: Zöller, ZPO, 35. Auflage

Redaktion  Redaktion

Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln, mit Datenbankzugang (Freischaltcode im Buch), geb. 3.142 S., 179 €, ISBN 978-3-504-47027-2.

Die 35. Auflage des Standardwerks für die zivilprozessuale Praxis erschien im Dezember 2023. Wie sich aus dem Vorwort der Verfasser ergibt, sind alle Rechtsänderungen kommentiert, die bis zum Redaktionsschluss im Oktober 2023 verabschiedet wurden. Das Werk ist in der Mitte einer – wie die Autoren des Kommentars anmerken – von reger Gesetzgebungsaktivität geprägten Legislaturperiode erschienen. Nicht nur die Umsetzung europarechtlicher Vorgaben sind hier zu nennen, sondern auch die Bestrebungen, den Zivilprozess zu modernisieren und an die Herausforderungen u.a. der Massenklagen und der Digitalisierung anzupassen.

Zusammen mit dem gedruckten Werk wird eine kostenlose Online-Version des gesamten Kommentars einschließlich der verlinkten Rechtsprechung zur Verfügung gestellt. Die Autoren haben sich vorgenommen, die Online-Fassung laufend zu aktualisieren, was sich bei – notwendigerweise stichpunktartiger – Durchsicht bestätigt. Gesetze in Planung, die zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses aber noch nicht verabschiedet waren, werden, sobald sie beschlossen sind, zeitnah kommentiert – etwa das Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetz (VRUG), das im Oktober 2023 verkündet wurde. Das darin enthaltene Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz (VDuG), mit dem (Abhilfe-)Klagen von Verbraucherschutzverbänden gegen Unternehmer eingeführt wurden und in das die Musterfeststellungsklage gem. §§ 606 ff. ZPO a.F. integriert wurde, ist im Oktober 2023 in Kraft getreten. In der Printausgabe findet sich bereits der Hinweis auf eine zeitnahe Kommentierung in der Online-Version, die mittlerweile durch Christoph Althammer und Gregor Vollkommer erfolgt ist. Einen Überblick zum VRUG/VDuG in der Printausgabe gibt Vollkommer in den Vorbemerkungen zu §§ 606–614 ZPO a.F.

Auf die abzusehenden Änderungen bei § 128a ZPO zum Einsatz von Videokonferenztechnik bei mündlichen Verhandlungen, kommentiert von Reinhard Greger, wird in der Printausgabe ebenfalls hingewiesen. Dort ist auch die aktuelle Rechtsprechung aus 2022 und 2023 eingearbeitet, etwa der durchaus aufsehenerregende Beschluss des BFH v. 30.6.2023, wonach für die Beteiligten während der Bild- und Tonübertragung nach § 91a Abs. 1 FGO, der § 128a Abs. 1 ZPO entspricht, feststellbar sein muss, ob die beteiligten Richter in der Lage sind, der Verhandlung in ihren wesentlichen Abschnitten zu folgen (s. BFH v. 30.6.2023 – V B 13/22, FamRB 2024, 438). Daher müssen alle zur Entscheidung berufenen Richter während der Videokonferenz sichtbar sein. Daran fehlt es nach Auffassung des BFH jedenfalls dann, wenn für den überwiegenden Zeitraum der Verhandlung nur der Vorsitzende Richter zu sehen ist. Die seit dem Redaktionsschluss veröffentlichten Entscheidungen, in denen die Anforderungen an eine Videokonferenz weiter ausgeschärft wurden, finden sich in der Online-Fassung, so die Beschlüsse des BFH v. 18.8.2023 – IX B 104/22, FamRB 2023, 439 und des BVerfG v. 15.1.2024 – 1 BvR 1615/23, FamRB 2024, 90. Der BFH sieht in seiner Entscheidung vom August 2023 das rechtliche Gehör dann verletzt, wenn ein im Gerichtssaal anwesender Beteiligter den zugeschalteten Beteiligten nur sehen kann, wenn er sich selbst um 180 Grad dreht. Nach dem Kammerbeschluss des BVerfG vom Januar 2024 kann unter Umständen der Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt sein, wenn lediglich eine Kamera ohne entsprechende Zoom-Funktion zum Einsatz kommt und daher nicht die Möglichkeit besteht, die mentale Anwesenheit und Unvoreingenommenheit der Richterbank zu überprüfen. Die Aktualisierungen sind visuell hervorgehoben und mit Datum der jeweiligen Online-Ergänzung versehen, im Fall des Beschlusses des BVerfG vom 15.1.2024 erfolgte sie bereits am 7.2.2024 (!).

Diese laufende Aktualisierung in der kostenlos bereitgestellten Online-Ausgabe ist ein großer Vorzug der Neuausgabe des Zöller, in der man auf einen Blick sieht, was hinzugekommen ist, und mit der man damit immer am Puls der Zeit ist. Die Online-Ausgabe weist aber nicht nur dadurch, sondern auch durch die konsequente Verlinkung auf die zitierten Normen und Entscheidungen, auf Querverweise im Kommentar selbst, auf Bundestagsdrucksachen oder online-Quellen, wie z.B. den Leitfaden für Videokonferenzen in grenzüberschreitenden Gerichtsverfahren, https://www.consilium.europa.eu/media/30588/qc3012963dec.pdf, einen echten Mehrwert gegenüber der Printversion auf. Ein kleiner Kritikpunkt dabei ist, dass man sich den Weg zum Online-Kommentar auf der Website des Verlags (Login, Zugang zum lizenzierten Text) noch etwas komfortabler gestaltet vorstellen könnte.

Besonders wichtig für den Praktiker sind die Entwicklungen im elektronischen Rechtsverkehr. Die Kommentierung zu § 130a ZPO hat sich vom Umfang her in der 35. Aufl. gegenüber der Vorauflage verdoppelt. Auch die Kommentierung zu § 130d ZPO hat deutlich zugenommen, nachdem die Nutzungspflicht für Rechtsanwälte zum 1.1.2022 wirksam wurde (zwei Randnummern in der 34. Aufl. mit zwei Absätzen gegenüber acht Randnummern in der 35. Aufl. mit mehr als eineinhalb Seiten). Zahlreiche Fundstellen aus 2022 und 2023 zu den von der Norm erfassten Erklärungen, den erfassten Einreichern sowie der Ersatzeinreichung bei technischer Störung sind in die Printausgabe eingearbeitet. In der Online-Ausgabe finden sich zudem zwei Aktualisierungen vom 4.12.2023 und 1.3.2024 zu Entscheidungen des BGH v. 10.10.2023 – XI ZB 1/23, FamRZ 2024, 132 und BGH v. 17.1.2024 – XII ZB 88/23, FamRB 2024, 151 (Schwamb), wodurch die Aktualität erneut besonders unter Beweis gestellt wird.

Für das Familienrecht stellt die Kommentierung des FamFG und der ZPO in einem Band einen großen Vorteil des Kommentars dar. In der Neuauflage hat sich der Schwerpunkt insoweit etwas verändert, als sich die Kommentierung des FamFG nunmehr auf den Allgemeinen Teil und die Ehe- und Familienstreitsachen konzentriert. Nicht mehr kommentiert sind die Vorschriften mit den Regelungen zu den Kindschafts‑, Abstammungs- und Adoptionssachen sowie zu den Ehewohnungs- und Haushaltssachen, Gewaltschutz- und Versorgungsausgleichssachen (§§ 151–230 FamFG). Die Fokussierung erscheint in einem Kommentar, der hauptsächlich den Zivilprozess zum Gegenstand hat, nachvollziehbar.

Die praktisch bedeutsamen Regelungen zu den Verfahren in Unterhaltssachen (§§ 231–260 FamFG) werden von Christian Feskorn weiterhin in gewohnter Qualität und mit allen aktuellen Entwicklungen kommentiert, ebenso das Verfahren in Güterrechtssachen (§§ 261–265 FamFG), das Verfahren in sonstigen Familiensachen und Lebenspartnerschaftssachen (§§ 266–270 FamFG). Selbstverständlich wird auch in der Kommentierung zum FamFG auf absehbare Gesetzesvorhaben hingewiesen, beispielsweise auf mögliche Auswirkungen des geplanten Gesetzes zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten in § 13 FamFG. Aktuelle Rechtsprechung ist etwa durch eine Online-Aktualisierung vom 25.1.2024 (zu BGH v. 15.11.2023 – IV ZB 6/23, FamRZ 2024, 453) eingearbeitet.

In der Gesamtschau erweist sich die elektronische Bereitstellung des Kommentars als außerordentlich hilfreich: Dies betrifft einerseits die leicht zu nutzende Verlinkung der zusätzlichen Materialien und Quellen, andererseits die zeitnah erfolgenden Aktualisierungen aller relevanten Informationen. Dass man bei der Vielfalt konkreter technischer Arbeitsumgebungen (Laptop, Desktop, ein oder mehrere Bildschirme) bei der Gestaltung der Nutzerschnittstelle Kompromisse finden muss und hier weiteres Optimierungspotential zu sehen ist, überrascht dagegen nicht. Das überaus positive Bild wird dadurch nicht getrübt, da der Mehrwert gerade der laufenden Aktualisierungen weit überwiegend ist.

PräsLG Dr. Bettina Mielke in FamRB 5/2024

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