Kein Ordnungsmittel ohne ausdrückliches Handlungsgebot (BGH v. 21.2.2024 – XII ZB 401/23)

In Rechtsprechung und Literatur wurde bislang die Frage, ob Ordnungsmittel auch dann gegen einen Umgangsberechtigten angeordnet werden können, wenn seine Umgangszeiten zwar positiv gerichtlich geregelt sind,  er allerdings auch außerhalb dieser geregelten Zeiten Kontakt zu dem Kind aufnimmt.

Vertreten wurde hierzu etwa die Auffassung, dass die positive Umgangsregelung gleichzeitig als Verbot zu verstehen sein soll, sich außerhalb dieser Zeiten jeglichen Kontakts zu enthalten (z.B. KG v. 13.2.2015 – 13 WF 203/14, FamRZ 2015, 940 = FamRB 2015, 130 [Clausius]). Eine weitere Meinung knüpfte primär an Art und Umfang des hergestellten Kontakts an, so dass Kontakte von lediglich kurzer Dauer nur von untergeordneter Bedeutung seien, die kein Ordnungsmittel rechtfertigten (OLG Frankfurt v. 31.10.2016 – 2 WF 302/16, FamRZ 2017, 744).

In einer Grundsatzentscheidung vom 21.2.2024 hat der BGH (XII ZB 401/23, FamRB 2024, 231 [Clausius]) diese Frage nun abschließend geklärt und sich der weitergehend vertretenen Auffassung angeschlossen, dass eine Umgangsregelung, die eine bestimmte Umgangszeit positiv zuweist, nicht gleichzeitig ein hinreichend bestimmtes und damit ordnungsmittelfähiges Kontaktverbot für die übrige Zeit darstellt.

Seine Entscheidung hat der BGH mit dem Hinweis begründet, dass eine vollstreckungsfähige Umgangsregelung eine nach Art, Ort und Zeit erschöpfende, hinreichend bestimmte und konkrete Regelung des Umgangsrechts sowie nach § 89 Abs. 2 FamFG einen hierauf bezogenen Hinweis auf die möglichen Folgen der Zuwiderhandlung erfordert.

Der Begriff des Umgangs ist nach Darlegung des BGH umfassend zu verstehen, d.h. das Gesetz differenziert in § 1684 BGB nicht zwischen verschiedenen Umgangsformen, so dass auch nur flüchtige, fernmündliche, schriftliche oder nonverbale Kontakt erfasst werden. Legt eine Regelung daher Umgangszeiten ohne nähere qualitative Eingrenzung fest, so ist diese nicht hinreichend bestimmt, um dem berechtigten Elternteil in der für die Vollstreckung gebotenen Deutlichkeit vor Augen zu führen, welches Verhalten von ihm außerhalb der zugewiesenen Umgangszeiten erwartet wird. Eine solche Regelung kann nicht ohne weiteres als ein an den Berechtigten gerichtetes Verbot verstanden werden, sich jeglicher Kontaktaufnahme, sei es in Form von Briefen, Telefonaten oder auch eines nur nonverbalen Kontakts bei zufälligen Begegnungen außerhalb der Umgangszeiten zu enthalten.

Will ein Elternteil Kontakte außerhalb der geregelten Zeiten ausschließen, so wird er nach der Entscheidung des BGH auf die Möglichkeit verwiesen, eine konkrete Verhaltensgebote oder -verbote enthaltende Umgangsregelung nach § 1684 Abs. 3 BGB, einen spezifischen Umgangsausschluss nach § 1684 Abs. 4 BGGB oder ein Kontaktverbot nach § 1666 Abs. 3 Nr. 4 BGB zu erwirken. Dabei muss sich das Unterlassungsgebot, sich außerhalb der zum Umgang zugewiesenen Zeiten der Kontaktaufnahme zu enthalten, stets ausdrücklich und eindeutig aus der Umgangsregelung ergeben und von dem nach § 89 Abs. 2 FamFG zu erteilenden Hinweis umfasst sein, um Grundlage zur Anordnung eines Ordnungsmittels zu sein.

Die Entscheidung des BGH und die sich hieraus für die Praxis ergebende Klarstellung ist ausdrücklich zu begrüßen. Stehen Umgangsregelungen nunmehr in einem gerichtlichen Verfahren zur Entscheidung und möchte ein Elternteil sicherstellen, dass außerhalb der positiv zugewiesenen Zeiten gerade keine weiteren Kontakte stattfinden, so wird er sich in seiner Antragserwiderung aber nun nicht nur zu den konkret seitens des anderen Elternteils gewünschten Umgangszeiten erklären müssen, sondern konkret auch zu den Gründen, die einem Kontakt außerhalb dieser Zeiten entgegenstehen und hier unter besonderer Beachtung, der jeweiligen gesetzlichen Eingriffsschwellen, d.h. dass im Fall des § 1684 Abs. 4 S. 1 BGB die Einschränkung zum Wohl des Kindes erforderlich ist bzw. andernfalls das Kindeswohl gefährdet wäre (§ 1684 Abs. 4 S. 2 BGB).

Buchtipp: Spangenberg, RICHTERGESTALTEN – VON SALOMO BIS SANCHO PANSA

Ernst Spangenberg hat nach einer kurzen schöpferischen Pause ein weiteres Werk aus seinem reichen Erfahrungsschatz als früherer Richter sowie bis heute Schriftsteller und Künstler geschaffen. Dabei handelt es sich keineswegs nur um eine rechtsgeschichtliche Biographie über bedeutende Richtergestalten, sondern auch um eine erwünschte Fortsetzung von „Ein kleines Rechtsproblem bleibt ungelöst“, das der Rezensent hier vor wenigen Jahren besprochen hat:

Buchtipp: Spangenberg, Ein kleines Rechtsproblem bleibt ungelöst

So beginnt das neue Buch, dessen Titelbild „Das Hohe Gericht selbdritt“ auch vom Autor stammt, denn auch mit der Frage an sich selbst „Was habe ich nicht alles während meiner 40 Dienstjahre entschieden: ob eine Frau die Scheidung ihrer Ehe verlangen kann, wenn ihr Mann sie „du alte Mooskuh“ genannt hat, ob ein frei laufender Hund oder ein betrunkener Radfahrer eine größere Gefahr für den Straßenverkehr bilden, …“  Aber was folgt nach mehreren Tausend Entscheidungen nun, fragt der Autor in diesem ersten Kapitel weiter, um uns einen Traum zu präsentieren, der uns tatsächlich an das oben zitierte frühere Werk erinnert. Drei Häftlingen ist es darin gelungen, den Richter auszutricksen, der nicht mehr weiß, wie er den Prozess zu Ende bringen soll. Aus diesem Gefühl der Ohnmacht heraus wendet sich das Buch in einem „Wegweiser“ aus elf Teilen der Frage zu, was einen „guten Richter“ ausmacht. Einfallsreiche Falllösungen werden unterhaltsam präsentiert, ehe es dann in einem zweiten Kapitel tatsächlich weit zurückgeht in die Rechtsgeschichte, wie es der Untertitel des Buchs ja schon verrät. Es werden die verschiedensten Richtergestalten der Literaturgeschichte von der Bibel bis in die neueste Zeit beschrieben und die Originalfundstellen zum vertiefenden Weiterlesen auch jeweils mitgeteilt. Im Anschluss an eine Forderung von Kafka geht es dann im dritten Kapitel „Richter aus alter Zeit“ anhand berühmter Prozesse u. a. gegen Sokrates und Jesus sowie der Hexensachen beim Reichskammergericht nicht mehr nur um die vielfach in ihrer Entscheidungsfreiheit stark eingeschränkten und überforderten Entscheidungsträger, sondern auch um die kritische Würdigung anzuwendenden Rechts von minderer Qualität seit jeher, ohne dass man auf das systematische Unrecht speziell der NS-Zeit extra hinweisen muss, dessen Aufarbeitung nicht Gegenstand dieses Buchs sein konnte.  Ein großer Zeitsprung führt deshalb im 4. Kapitel direkt vom Mittelalter in die Jahre kurz vor Aufnahme der eigenen Richtertätigkeit des Autors mit selbst beobachteten Prozessen in Madrid und bereits als Referendar in Gießen. Soweit sich in der Beschreibung des in Spanien beobachteten Prozesses die verstörende Verwendung des verpönten Begriffs „Zigeuner“ findet, ist das historisch zu sehen und entspringt einem damaligen Zitat des vorurteilsbehaftet tätigen Staatsanwalts gegen die auch in der späten Francozeit weiterhin ausgegrenzten Menschen. Der Gießener Fall ist eine menschliche Tragödie, mit der sich auch die „Richter der Gegenwart“ schwertun.

So münden die Betrachtungen im 5. Kapitel in die immer fortwährende Frage nach der Gerechtigkeit und zurückkommend auf das geschehene Unrecht an Jesus die Feststellung: „Gerechtigkeit auf der Erde dürfen wir von Gott nicht erhoffen. Aber vielleicht im Jenseits?“ Damit wendet sich der Autor abschließend noch den großen Weltreligionen zu. Sie ahnen es, eine Antwort wird es nicht geben, aber doch eine „Schlussfolgerung“, die aber hier nicht verraten wird.

Interesse geweckt? Dann finden Sie das 99 Seiten umfassende kurzweilig zu lesende, im Justus von Liebig Verlag, Gagernstraße 9, 64283 Darmstadt, erschienene Buch mit der ISBN 978-3-87390-509-2, unter www.liebig-verlag.de.

Buchtipp: Zöller, ZPO, 35. Auflage

Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln, mit Datenbankzugang (Freischaltcode im Buch), geb. 3.142 S., 179 €, ISBN 978-3-504-47027-2.

Die 35. Auflage des Standardwerks für die zivilprozessuale Praxis erschien im Dezember 2023. Wie sich aus dem Vorwort der Verfasser ergibt, sind alle Rechtsänderungen kommentiert, die bis zum Redaktionsschluss im Oktober 2023 verabschiedet wurden. Das Werk ist in der Mitte einer – wie die Autoren des Kommentars anmerken – von reger Gesetzgebungsaktivität geprägten Legislaturperiode erschienen. Nicht nur die Umsetzung europarechtlicher Vorgaben sind hier zu nennen, sondern auch die Bestrebungen, den Zivilprozess zu modernisieren und an die Herausforderungen u.a. der Massenklagen und der Digitalisierung anzupassen.

Zusammen mit dem gedruckten Werk wird eine kostenlose Online-Version des gesamten Kommentars einschließlich der verlinkten Rechtsprechung zur Verfügung gestellt. Die Autoren haben sich vorgenommen, die Online-Fassung laufend zu aktualisieren, was sich bei – notwendigerweise stichpunktartiger – Durchsicht bestätigt. Gesetze in Planung, die zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses aber noch nicht verabschiedet waren, werden, sobald sie beschlossen sind, zeitnah kommentiert – etwa das Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetz (VRUG), das im Oktober 2023 verkündet wurde. Das darin enthaltene Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz (VDuG), mit dem (Abhilfe-)Klagen von Verbraucherschutzverbänden gegen Unternehmer eingeführt wurden und in das die Musterfeststellungsklage gem. §§ 606 ff. ZPO a.F. integriert wurde, ist im Oktober 2023 in Kraft getreten. In der Printausgabe findet sich bereits der Hinweis auf eine zeitnahe Kommentierung in der Online-Version, die mittlerweile durch Christoph Althammer und Gregor Vollkommer erfolgt ist. Einen Überblick zum VRUG/VDuG in der Printausgabe gibt Vollkommer in den Vorbemerkungen zu §§ 606–614 ZPO a.F.

Auf die abzusehenden Änderungen bei § 128a ZPO zum Einsatz von Videokonferenztechnik bei mündlichen Verhandlungen, kommentiert von Reinhard Greger, wird in der Printausgabe ebenfalls hingewiesen. Dort ist auch die aktuelle Rechtsprechung aus 2022 und 2023 eingearbeitet, etwa der durchaus aufsehenerregende Beschluss des BFH v. 30.6.2023, wonach für die Beteiligten während der Bild- und Tonübertragung nach § 91a Abs. 1 FGO, der § 128a Abs. 1 ZPO entspricht, feststellbar sein muss, ob die beteiligten Richter in der Lage sind, der Verhandlung in ihren wesentlichen Abschnitten zu folgen (s. BFH v. 30.6.2023 – V B 13/22, FamRB 2024, 438). Daher müssen alle zur Entscheidung berufenen Richter während der Videokonferenz sichtbar sein. Daran fehlt es nach Auffassung des BFH jedenfalls dann, wenn für den überwiegenden Zeitraum der Verhandlung nur der Vorsitzende Richter zu sehen ist. Die seit dem Redaktionsschluss veröffentlichten Entscheidungen, in denen die Anforderungen an eine Videokonferenz weiter ausgeschärft wurden, finden sich in der Online-Fassung, so die Beschlüsse des BFH v. 18.8.2023 – IX B 104/22, FamRB 2023, 439 und des BVerfG v. 15.1.2024 – 1 BvR 1615/23, FamRB 2024, 90. Der BFH sieht in seiner Entscheidung vom August 2023 das rechtliche Gehör dann verletzt, wenn ein im Gerichtssaal anwesender Beteiligter den zugeschalteten Beteiligten nur sehen kann, wenn er sich selbst um 180 Grad dreht. Nach dem Kammerbeschluss des BVerfG vom Januar 2024 kann unter Umständen der Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt sein, wenn lediglich eine Kamera ohne entsprechende Zoom-Funktion zum Einsatz kommt und daher nicht die Möglichkeit besteht, die mentale Anwesenheit und Unvoreingenommenheit der Richterbank zu überprüfen. Die Aktualisierungen sind visuell hervorgehoben und mit Datum der jeweiligen Online-Ergänzung versehen, im Fall des Beschlusses des BVerfG vom 15.1.2024 erfolgte sie bereits am 7.2.2024 (!).

Diese laufende Aktualisierung in der kostenlos bereitgestellten Online-Ausgabe ist ein großer Vorzug der Neuausgabe des Zöller, in der man auf einen Blick sieht, was hinzugekommen ist, und mit der man damit immer am Puls der Zeit ist. Die Online-Ausgabe weist aber nicht nur dadurch, sondern auch durch die konsequente Verlinkung auf die zitierten Normen und Entscheidungen, auf Querverweise im Kommentar selbst, auf Bundestagsdrucksachen oder online-Quellen, wie z.B. den Leitfaden für Videokonferenzen in grenzüberschreitenden Gerichtsverfahren, https://www.consilium.europa.eu/media/30588/qc3012963dec.pdf, einen echten Mehrwert gegenüber der Printversion auf. Ein kleiner Kritikpunkt dabei ist, dass man sich den Weg zum Online-Kommentar auf der Website des Verlags (Login, Zugang zum lizenzierten Text) noch etwas komfortabler gestaltet vorstellen könnte.

Besonders wichtig für den Praktiker sind die Entwicklungen im elektronischen Rechtsverkehr. Die Kommentierung zu § 130a ZPO hat sich vom Umfang her in der 35. Aufl. gegenüber der Vorauflage verdoppelt. Auch die Kommentierung zu § 130d ZPO hat deutlich zugenommen, nachdem die Nutzungspflicht für Rechtsanwälte zum 1.1.2022 wirksam wurde (zwei Randnummern in der 34. Aufl. mit zwei Absätzen gegenüber acht Randnummern in der 35. Aufl. mit mehr als eineinhalb Seiten). Zahlreiche Fundstellen aus 2022 und 2023 zu den von der Norm erfassten Erklärungen, den erfassten Einreichern sowie der Ersatzeinreichung bei technischer Störung sind in die Printausgabe eingearbeitet. In der Online-Ausgabe finden sich zudem zwei Aktualisierungen vom 4.12.2023 und 1.3.2024 zu Entscheidungen des BGH v. 10.10.2023 – XI ZB 1/23, FamRZ 2024, 132 und BGH v. 17.1.2024 – XII ZB 88/23, FamRB 2024, 151 (Schwamb), wodurch die Aktualität erneut besonders unter Beweis gestellt wird.

Für das Familienrecht stellt die Kommentierung des FamFG und der ZPO in einem Band einen großen Vorteil des Kommentars dar. In der Neuauflage hat sich der Schwerpunkt insoweit etwas verändert, als sich die Kommentierung des FamFG nunmehr auf den Allgemeinen Teil und die Ehe- und Familienstreitsachen konzentriert. Nicht mehr kommentiert sind die Vorschriften mit den Regelungen zu den Kindschafts‑, Abstammungs- und Adoptionssachen sowie zu den Ehewohnungs- und Haushaltssachen, Gewaltschutz- und Versorgungsausgleichssachen (§§ 151–230 FamFG). Die Fokussierung erscheint in einem Kommentar, der hauptsächlich den Zivilprozess zum Gegenstand hat, nachvollziehbar.

Die praktisch bedeutsamen Regelungen zu den Verfahren in Unterhaltssachen (§§ 231–260 FamFG) werden von Christian Feskorn weiterhin in gewohnter Qualität und mit allen aktuellen Entwicklungen kommentiert, ebenso das Verfahren in Güterrechtssachen (§§ 261–265 FamFG), das Verfahren in sonstigen Familiensachen und Lebenspartnerschaftssachen (§§ 266–270 FamFG). Selbstverständlich wird auch in der Kommentierung zum FamFG auf absehbare Gesetzesvorhaben hingewiesen, beispielsweise auf mögliche Auswirkungen des geplanten Gesetzes zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten in § 13 FamFG. Aktuelle Rechtsprechung ist etwa durch eine Online-Aktualisierung vom 25.1.2024 (zu BGH v. 15.11.2023 – IV ZB 6/23, FamRZ 2024, 453) eingearbeitet.

In der Gesamtschau erweist sich die elektronische Bereitstellung des Kommentars als außerordentlich hilfreich: Dies betrifft einerseits die leicht zu nutzende Verlinkung der zusätzlichen Materialien und Quellen, andererseits die zeitnah erfolgenden Aktualisierungen aller relevanten Informationen. Dass man bei der Vielfalt konkreter technischer Arbeitsumgebungen (Laptop, Desktop, ein oder mehrere Bildschirme) bei der Gestaltung der Nutzerschnittstelle Kompromisse finden muss und hier weiteres Optimierungspotential zu sehen ist, überrascht dagegen nicht. Das überaus positive Bild wird dadurch nicht getrübt, da der Mehrwert gerade der laufenden Aktualisierungen weit überwiegend ist.

PräsLG Dr. Bettina Mielke in FamRB 5/2024

Online-Dossier: Die große Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts

Am 1.1.2023 ist das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts in Kraft getreten. Es bleibt „kein Stein auf dem anderen“, alles ist neu strukturiert, die Paragrafen sind „gewandert“. Neben der grundlegenden Modernisierung des Rechts der Vormundschaft über Minderjährige, der Pflegschaft sowie der Betreuung Volljähriger kommt ein Notvertretungsrecht für Ehegatten in medizinischen Angelegenheiten und die Vorsorgevollmacht erhält mit § 1820 BGB n.F. einen eigenen Paragrafen.

Wir bieten Ihnen – in diesem Online-Dossier für Sie zusammengestellt – in unseren Werken und Datenbanken alle benötigten Arbeitsmittel – von der hilfreichen Synopse bis hin zur profunden Kommentierung, um sich im neuen Recht schnell zurechtzufinden.

FamRB-Aufsätze zum Familienrecht

  • Sarres, Aktuelle Aspekte zur Vorsorgevollmacht, FamRB 2023, 38
  • Kemper, Die große Reform: Das Notvertretungsrecht für Ehegatten kommt, FamRB 2021, 260
  • Bartels, Die große Reform: Primat der Wünsche des Betreuten – die neuen Vorschriften des Betreuungsrechts, FamRB 2021, 204
  • Bartels, Die große Reform: Vormundschafts- und Pflegschaftsrecht, FamRB 2021, 113

FamRZ-Aufsatzserie zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts

  • Böhm, Die Suspendierung von Vorsorgevollmachten nach dem neuen § 1820 Abs. 4 BGB, FamRZ 2022, 1253
  • Krämer, Die neue Funktion der Betreuungsbehörden nach der Reform des Betreuungsrechts, FamRZ 2022, 927
  • Dodegge, Vom Wohl des Betroffenen zu dessen Wünschen und Willen – neue Maßstäbe für die Betreuertätigkeit, FamRZ 2022, 844
  • Reh, Die Auswahl und Typisierung des Betreuers im Lichte des zum 1.1.2023 in Kraft tretenden Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts, FamRZ 2022, 673
  • Wagner, Neufassung der Art. 7, 15, 17b II und 24 EGBGB durch das Gesetz zur Reform des Betreuungs- und Vormundschaftsrechts, FamRZ 2022, 405
  • Gottwald, Die neue Prozessfähigkeit bei rechtlicher Betreuung, FamRZ 2022, 331
  • Schneider, Bestimmungsbefugnisse des Betreuers im Lichte der Reform des Betreuungsrechts (insbesondere Aufenthalts- und Umgangsbestimmung, FamRZ 2022, 1
  • Croon-Gestefeld, Das gesetzliche Notvertretungsrecht von Ehegatten und seine kollisionsrechtliche Anknüpfung, FamRZ 2021, 1939
  • Kurze, Reform ist gut – Kontrolle ist besser?, FamRZ 2021, 1934
  • Socha, Die Auskunftspflicht des Betreuers gegenüber Angehörigen nach dem neuen § 1822 BGB, FamRZ 2021, 1861
  • Hoffmann, Der zusätzliche Pfleger nach § 1776 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts, FamRZ 2021, 1773
  • Veit, Die Rechtsstellung der Pflegeperson nach dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz sowie dem Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts, FamRZ 2021, 1501
  • Müller-Engels, Vorsorgevollmacht und Kontrollbetreuung in der Reform – was kommt, was bleibt?, FamRZ 2021, 645
  • Christl, Akzeptanz und Qualität ehrenamtlicher Betreuung in der Reform, FamRZ 2021, 81
  • Socha, Sicherheit statt Sollbruchstelle – der „vorläufige Vormund“ in der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts, FamRZ 2021, 87
  • Wedel/Kraemer/Hyla, Die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrecht aus Sicht der Landesjustizverwaltung Nordrhein-Westfalen, FamRZ 2021, 77
  • Dutta, Handlungsbefugnisse von Ehegatten in Angelegenheiten der Gesundheitssorge – ein weiterer Versuch für einen neuen § 1358 BGB, FamRZ 2020, 1881
  • Schneider, Die Neuregelung des Betreuungsrechts, FamRZ 2020, 1796
  • Dürbeck, Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts v. 25.9.2020, FamRZ 2020, 1789
  • Münch, Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts: Vermögensverwaltung, FamRZ 2020, 1513

Beiträge aus der Zeitschrift Rpfleger zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts

  • Felix, Die Genehmigungstatbestände im neuen Betreuungsrecht (Teil 1), Rpfleger 2022, 541
  • Luther, Jahresgebühren in Betreuungssachen, Rpfleger 2022, 289
  • Harm, Gerichtsgebühren beim sog. Behindertentestament, Rpfleger 2022, 229
  • Hofer, Streit um die Gerichtsgebühren beim sog. Behindertentestament kontra Fürsorge und Aufsicht des Betreuungsgerichts, Rpfleger 2021, 677
  • Harm, Die Reform des Betreuungsrechts – Teil 1: Neues Verfahren zur Wohnungsaufgabe, Rpfleger 2021, 613
  • Harm, Die Entwicklung im Vormundschafts-, Pflegschafts- und Betreuungsrecht seit 2019 bis Mai 2021 (ohne Vergütungsrecht), Rpfleger 2021, 556
  • Christl , Umsetzung der Reformziele im Vorgriff auf die Betreuungsrechtsreform zum 1.1.2023, Rpfleger 2021, 549
  • Gojowczyk, Zur funktionellen Zuständigkeit für die Abgabe des Betreuungsverfahrens an ein anderes Gericht (§§ 4, 273 FamFG), Rpfleger 2021, 463
  • Felix, Das Gesetz zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung, Rpfleger 2019, 624

 


 

Aus Erman, BGB Kommentar

online first

Infolge der durch die Reform erfolgten Neustrukturierung sind die Vorschriften im gesamten Abschnitt 3 umnummeriert worden. In seiner Neukommentierung der §§ 1773 bis 1888 BGB erläutert Prof. Dr. Kai Schulte-Bunert eingehend die neuen Regeln zur Vormundschaft. Prof. Dr. Andreas Roth kommentiert die Vorschriften zur Pflegschaft sowie das neue Betreuungsrecht und geht detailliert auf die zahlreichen Änderungen ein.

Titel 1 – Vormundschaft (§§ 1773-1808)

Titel 2 – Pflegschaft für Minderjährige (§§ 1809-1813)

Titel 3 – Rechtliche Betreuung (§§ 1814-1881)

Titel 4 – Sonstige Pflegschaft (§§ 1882-1888)

 

BGB

 


 

Aus Prütting/Helms, FamFG, online:

Insgesamt wurden durch das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrecht 43 FamFG-Vorschriften geändert. Bei einigen Vorschriften wurden lediglich die dort erwähnten und durch die Reform geänderten BGB-Vorschriften angepasst. In der Auflistung finden Sie die Normen, die sich vor allem inhaltlich durch die Reform (und dessen „Reparaturgesetz“) geändert haben:

 

FamFG

 


 

 

Wichtige Standardwerke, informative Webinare und weitere Informationen zum Betreuungsrecht aus den Verlagen Dr. Otto Schmidt, Gieseking und C.F. Müller finden Sie auf unserer Landingpage im Überblick. Hier informieren!

 

Christliche Patientenverfügung führt im Ernstfall bei COVID-19-Erkrankung zum Abschalten

Das von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland herausgegebene Formular der Christlichen Patientenvorsorge enthält hinsichtlich der medizinischen Behandlung den Passus:

„Auf künstliche Beatmung soll verzichtet werden, aber Medikamente zur Linderung der Atemnot sollen verabreicht werden. Die Möglichkeit einer Bewusstseinseindämpfung oder einer ungewollten Verkürzung meiner Lebenszeit durch diese Medikamente nehme ich in Kauf.“

Diese im aktuellen Formular enthaltene Bestimmung wurde leider an die durch die COVID-19-Pandemie hervorgerufene Situation nicht angepasst. Wer hier ein Kreuz gemacht hat, untersagt die bei einer COVID-19-Erkrankung übliche Therapie. Hier besteht dringender Handlungsbedarf: Entweder diesbezügliche Anweisung („Kreuz an dieser Stelle“) streichen oder Ergänzung in Bezug auf COVID-19-Erkrankung (vgl. Corona, Patientenverfügung und Triage) oder (noch besser) Muster der Justiz verwenden.

Corona, Patientenverfügung und Triage

Steigende Inzidenzzahlen und offenbar ansteckendere Mutationen des Covid-19-Virus haben zur Beunruhigung zahlreicher Menschen geführt, die eine Patientenverfügung verfasst haben. Sie befürchten, bei einer Erkrankung an dem Virus nicht ausreichend medizinisch versorgt zu werden. Insbesondere wenn nicht genügend Beatmungsgeräte zur Verfügung stehen, würden möglicherweise erkrankte Personen mit einer Patientenverfügung nicht weiter behandelt.

Ob insoweit ein Risiko besteht, muss im Einzelfall anhand der konkreten Patientenverfügung geprüft werden. Enthält die Patientenverfügung die Ablehnung einer künstlichen Beatmung, muss der Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigte zunächst prüfen, ob die Verfügung in der möglicherweise nicht bedachten Pandemie-Situation noch dem wirklichen Willen des Betroffenen entspricht. Nochmals: Dies gilt vor allem für ältere Verfügungen, in denen das Problem noch nicht bekannt war. Regelmäßig wird man ferner davon ausgehen müssen, dass der Betroffene lediglich in den Fällen, in denen keine Hoffnung auf Genesung besteht, eine (Weiter-)Behandlung untersagt. Bei den Mustern der Justiz (BMJV und BayStMJ) besteht diesbezüglich kein Problem, da, sofern keine diesbezügliche eigene Ergänzung erfolgt ist, invasive und nicht invasive Formen der Beatmungstherapie nicht ausdrücklich untersagt werden. Besteht bei einer Covid-19-Erkrankung nach ärztlicher Einschätzung auch bei einer Intensivtherapie keine Aussicht auf Genesung, ist der in der Patientenverfügung niedergelegte Wille des Erkrankten auf Verzicht auf eine Weiterbehandlung zu respektieren.

20 Jahre FamRB!

Mit der Januarausgabe 2021 ist der FamRB in seinen 20. Jahrgang gestartet. Das Konzept war damals neu: kurze und knackige Urteilsbesprechungen und ihre Einordnung in den Gesamtzusammenhang des Familienrechts, gepaart mit Aufsätzen für Praktiker, ohne dass wissenschaftlicher Tiefgang und Innovationskraft darunter leiden sollten. Das damals Neue hat sich bewährt. Jetzt haben sich alle an dieses Format gewöhnt und einige haben es kopiert.

Der damalige Konzeptwandel war möglich, weil die bis dahin notwendige Dokumentation von Urteilen und Beschlüssen aus dem Familienrecht durch das aufkommende Internet obsolet wurde. Jeder kommt heute an alle Entscheidungen der Gerichte. Bei dieser Ausgangslage konnte auf ellenlange Entscheidungsdokumentation verzichtet werden. Die Einordnung einer Entscheidung in die familienrechtliche Entwicklung und die Darstellung ihrer praktischen Bedeutung wurde möglich und wichtiger.

Beraterzeitschriften betreiben keine elitäre Wissensvermittlung. Sie sind für die Lektüre auf dem Gerichtsflur, in U- und S-Bahn und zum Durchblättern am Mittag geschaffen. Sie haben der Fachanwaltschaft „Waffengleichheit“ mit der Richterschaft verschafft. Sie sind schnell und konkret.

Der Verlag hat dem FamRB zwei Geschwister zur Seite gestellt, den monatlichen Newsletter und den FamRB-Blog, in dem aktuelle Fragen oder Entscheidungen aufgegriffen, vorgestellt und kommentiert werden. Einen Diskurs der Familienrechtler haben sie nicht zu begründen vermocht, obwohl dieser Gang in die Szene der Social Media eigentlich recht zeitgemäß erscheint. Es wäre also an der Zeit, dass Sie sich in die familienrechtliche Diskussion einmischen. Nutzen Sie unsere Kommentarfunktion, chatten Sie mit uns – entwickeln Sie ein zeitgemäßes, mit der Lebenswirklichkeit der Menschen harmonierendes Familienrecht mit!

Fachzeitschriften operieren immer noch wie antiquierter Frontalunterricht. Dabei bin ich sicher, dass sich alle Autorinnen und Autoren lebhaftere Resonanz der Leser auf ihre Beiträge wünschen. Email, Telefon und Internet machen das möglich. Nur wenn es gelingt, über Fachzeitschriften die Fachdiskussion zu beleben, werden wir auch in weiteren 20 Jahren noch Printmedien haben, bei denen die Lektüre des Inhaltsverzeichnisses der jeweiligen Ausgabe die Neugier weckt, auch mal etwas zu lesen, was man nicht konkret sucht und im Alltagsgeschäft unmittelbar verwerten kann. Online-Medien füllen mit ihrer Information eine Wissenslücke, derer man sich bewusst ist. Print-Medien bilden, weil Sie dem Leser Wissenslücken erst bewusstmachen, die sie im besten Fall auch gleich füllen. Deshalb werden sie auch noch in 20 Jahren ihre Berechtigung und Leser haben. Es bleibt die Aufgabe, wie wir die „alten“ mit den „neuen“ Medien noch besser verzahnen. Aber dazu haben wir ja die nächsten 20 Jahre Zeit. Den Geburtstagsglückwunsch wird dann aber ein anderer Autor schreiben dürfen.

Buchtipp: Spangenberg, Ein kleines Rechtsproblem bleibt ungelöst

Ernst Spangenberg lässt uns mal wieder in seine Gedankenwelt blicken. „Ein kleines Rechtsproblem bleibt ungelöst.“ Die Frage hat sich sicher jedem Juristen in seinem Leben schon mal gestellt, wenn er zu sich ehrlich ist. Ernst Spangenberg wäre nicht Ernst Spangenberg, wenn er das nicht erstens zugäbe, zweitens darüber nachdächte, drittens darüber schriebe und male (wie auf dem Titelbild des Buches zu sehen) sowie viertens doch eine ihm eigene Lösung gefunden hätte.

Daraus hat er ein wunderbares neues Büchlein gezaubert, das sich jedoch nicht auf die Titelfrage beschränkt, sondern unterhaltsam und doch ernsthaft noch weitere schöne Begebenheiten aus der Wunderwelt des Rechts serviert, ja, auch des Familienrechts. Dabei werden uns bekannte Begriffe wie „Unterhaltsbemessung“ oder „Eheliche Lebensverhältnisse“ fein säuberlich und mit einem Schuss Humor in ihre Einzelteile zerlegt, wenn auch der Rezensent, der selbst in den juristischen Gazetten immer gegen die „Wandelbaren ehelichen Lebensverhältnisse“ nach Scheitern einer Ehe angeschrieben hat (u.a. in FamRB 2011, 120), mit der Hoffnung des Autors auf Wiederkehr eben dieses Begriffs hadert. Wer es weniger aktuell und doch spannend liebt, findet auch Besprechungen zu Fällen, die bis ins Jahr 1876 zurückreichen und, wie es auch auf dem Buchrücken steht, uns zweimal auf den Friedhof führen, uns an Kirchen- und Kuhglocken ergötzen lassen oder auch beim Kauf von Weihnachtsbäumen Empfehlungen geben. Als Höhepunkt verspricht uns der Autor – und hält das natürlich auch – eine Einführung in die Brötchenrechtsprechung sowie die „überfällige Darstellung des Schnarchbackenrechts.“ Schon jetzt verstehen wir Spangenbergs Schlusswort im Vorwort: „Dass wir Juristen uns durch einige Besonderheiten/Absonderlichkeiten auszeichnen, dürfte schon jetzt deutlich geworden sein.“

Passend dazu ist auch das Einführungszitat von Ernst Spangenberg, das zugleich einer Tagebuchnotiz von seinem letzten Arbeitstag als Familienrichter am 30. August 2002 entspringt: „Juristerei ist die Kunst, Hintertürchen zu entdecken, und sich …“, nein, mehr wird davon an dieser Stelle nicht verraten.

Wessen Interesse jetzt noch nicht geweckt ist, diese Kurzprosa auf 147 Seiten zu lesen, die im Justus von Liebig Verlag, Gagernstraße 9, 64283 Darmstadt, ISBN 978-3-87390-443-9, www.liebig-verlag.de erschienen ist, dem ist leider nicht zu helfen.

Familienpflege bei IKEA (zu VerfGH des Saarlandes v. 28.4.2020 – Lv 7/20)

Einige Wochen haben die emotionalisierenden omnipräsenten Bilder italienischer Beerdigungs-LKWs und der kollabierenden New-Yorker Intensivstationen den Hurra-Epidemiologismus der Bevölkerung genährt und Innenstädte und Grundrechte sediert. Jetzt beginnt die juristische Auf- und Abarbeitung. Zunächst noch gehemmt, weil einstweilige Eilentscheidungen zwar alle die Grundrechtsbegrenzung konstatieren, bislang haben aber die befassten Richterinnen und Richter im Eilverfahren Verantwortung für die Domestizierung der Exekutive gescheut.

Die Entscheidung des Saarländischen Verfassungsgerichtshofs vom heutigen Tag, die die weitgehenden Ausgangsbeschränkungen des Saarlandes außer Vollzug setzt, macht da eine erfreuliche Ausnahme. Die Richterinnen und Richter monieren – nun ganz juristisch – dass

  • es keinen statistischen Nachweis der Eignung einer Ausgangssperre zur Senkung der Neuinfektionen und
  • keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen Todesrate der Erkrankten und der Ausgangssperre gibt,
  • angesichts der stark ausgebauten Intensivbettenkapazität in Krankenhäusern kein Zusammenbruch des Gesundheitswesens droht und
  • absolute Infektions- und Erkrankungszahlen keinerlei Aussagekraft haben, solange sie nicht in Relation zur Bevölkerungszahl und zur Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens und zu Infektionszeiträumen gesetzt werden.

Der Verfassungsgerichtshof stellt dagegen, dass der Verlust und die Beschränkung des individuellen Freiheitsrechts, des Rechts zur Pflege familiärer Kontakte auch mit den Familienangehörigen, mit denen man nicht unter einem Dach wohnt, endgültig ist. Verlorene Freiheit ist nicht nachzuholen.

Und die Entscheidung bemüht die Logik. Juristen wissen, dass alles Unlogische auch ungerecht ist. Zum Sport durften die Saarländer nämlich die Wohnung verlassen, nicht aber, um sich auf einer Bank zu sonnen.

Die Kontaktbeschränkungen gelten auch für die grundrechtlich besonders geschützte Wohnung. Es kann also eine Ordnungswidrigkeit sein, wenn sich Enkel, Großeltern oder Geschwister – in gebotenem Abstand versteht sich – in der Enkel-, Großeltern- oder Geschwisterwohnung treffen. Sie können aber sanktionsfrei zu Aldi ausweichen. Während dort die Großeltern Milch und Kukident aussuchen, können sie mit den herumtollenden Enkeln kommunizieren ohne Bußgelder zu riskieren. Logisch ist das nicht.

Auch scheint das Virus ein ausgesprochen feines Zeitgefühl zu haben. Wer als deutscher Staatsbürger aus dem Ausland nach mehr als 72 Stunden zurückkehrt, muss in 14-tägige Quarantäne. Bei einem Aufenthalt bis 72 Stunden springt das Virus nicht über. Es fremdelt offenbar mit Fremden, bis diese Stallgeruch annehmen und nach Gouda oder belgischen Fritten riechen.

Glückliches Nordrhein-Westfalen! Hier können Familien bei IKEA und anderen Großmöbelhäusern Distanz-Kontakt pflegen. Woanders geht’s nur im Blumenladen, Baumarkt oder beim Obsthändler. Für Familienrechtler ist das fürwahr eine seltsame Perspektive.