(Geschlechter-)Gerechte Sprache im (Familien-)Recht?

Ehe für alle – alles gut? Nein, trotz Nachbesserung durch das Gesetz zur Umsetzung des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 18.12.2018 (BGBl. I S. 2639) werden Personen, die weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht angehören, weiter durch die Grundnorm des § 1353 Abs. 1 Satz 1 BGB diskriminiert. Ihre verschämte Erwähnung in Art. 17b Abs. 4 Satz 1 EGBGB vermag daran nichts zu ändern. Wir wissen spätestens seit der Aufklärung durch Google zum 50ten LGBTQ-Day am 4.6.2019, dass man beim amerikanischen Facebook seit Anfang 2014 zwischen 58 Geschlechtern wählen kann und der von den Nationalsozialisten verfolgte Sexualforscher Magnus Hirschfeld sogar eine Zahl von 316 (= 43.046.721) möglichen Sexualtypen errechnet hat. Es ist zu befürchten, dass diese Erkenntnisse hinsichtlich der Toiletten in deutschen Grundschulen und beim Bau des Berliner Flughafens wohl pedantisch umgesetzt werden, aber das Familienrecht weiterhin eher hetero- und homonormativ bleibt.

Geschlechtergerechte Begriffe im Familienrecht

Nachdem es bereits eine Bibel, die Behördensprache in Hannover und unzählige universitäre Leitfäden für eine geschlechtergerechte Sprache gibt, wäre es an der Zeit, das Familienrecht von seiner bisherigen sexistischen Spirale zu befreien, damit sich von ihm alle oben genannten Geschlechter angesprochen fühlen. Allerdings dürften die Begriffe des „Genderwörterbuches“ geehelichte Person statt Ehepartner, Elternmilch statt Muttermilch, Erstsprache statt Muttersprache, Tandem- bzw. Zusammenarbeit statt Partnerschaft, Familienmitglied statt Verwandter, verbeamtete Person des Standesamts statt Standesbeamter und schließlich Gegenüber statt Partner noch nicht ganz ausgereift sein. „Mein geehelichtes Gegenüber“ dürfte bei Vorstellungen eher auf eine Ehekrise hinweisen als auf eine funktionierende Partnerschaft. Auch im Baurecht müssen übrigens nicht mehr geschlechtergerechte Begriffe wie der des Mutterbodens in § 202 BauGB durch Elternteilboden ersetzt werden, auch wenn damit ein Hinweis auf eine wohl matriarchale Sozialordnung verloren geht.

Schöpfungsgerechte Sprache

Die gendergerechte Sprache ist eigentlich bereits wieder überholt. Nimmt man nämlich die auch ihr zugrundeliegende Ethik der Wertschätzung und Nichtdiskriminierung ernst, muss dies in gleicher Weise für andere Lebewesen gelten. Die Menschen werden nicht umhin kommen, auch ihr ökonomisch bestimmtes Verhältnis zu den Tieren zu ändern (§ 90a Satz 3 BGB). Die Feststellung „Tiere sind keine Sachen“ (§ 90a Satz 1 BGB) muss neben dem Denken auch die Sprache erreichen. Hier fällt die negative Konnotation vieler Tierbezeichnungen auf. Beispiele sind Affe, Esel, Hund, Kamel, Schwein, Kuh, Ratte etc. Wörter als Träger von diskriminierender Mitinformation betreffen somit nicht nur die Geschlechter. Hinzu kommen Wortverbindungen, in denen Tieren negative Eigenschaften zugeordnet und die dann als Schimpfwörter verwendet werden. Beispiele sind diebische Elster, böser Wolf und Frechdachs. Verbindungen wie blöde Gans, dumme Kuh und Drecksau, potenzieren durch die Herabsetzung des weiblichen Tieres den Sprachmissbrauch. Es verwundert, dass die Vorkämpfer für eine geschlechtergerechte Sprache nicht auch für eine tiergerechte Sprache eintreten. Bei einem diesbezüglichen Erfolg des Tierschutzes in der Sprache müsste womöglich aber auch der diskriminierende Songtext „Alle Männer sind Schweine“ geändert werden.

 

Hitzefrei für Eltern?

Liebe Leserinnen und Leser unseres FamRB-Blogs,

ich bin für Sie auf den anderen Zeitschriften-Homepages unseres Verlags stöbern gegangen und beim Arbeits-Rechtsberater fündig geworden:

Hitzefrei für Eltern? Was, wenn noch betreuungsbedürftige Kinder in Schule oder Kindergarten hitzefrei bekommen? Dürfen dann auch die Eltern zu Hause bleiben – und das ohne Gehaltseinbußen? Eine Frage, die Ihnen sicher in diesen heißen Tagen bei dem einen oder anderen Mandantengespräch oder auch privat gestellt wird. Lesen Sie hier die Antwort von Rechtsanwalt Dr. Detlef Grimm, Fachanwalt für Arbeitsrecht, in seinem ArbRB-Blogbeitrag v. 2.7.2019.

Einen schönen Sommer wünscht

Ihre FamRB-Redaktion

23. Deutscher Familiengerichtstag

Der 23. Deutsche Familiengerichtstag wird dieses Jahr vom 18. bis 21.9.2019 an ungewohnter Tagungsstätte im Phantasialand in Brühl stattfinden.

Dies soll der Ernsthaftigkeit der oft auf Zukunftsfragen konzentrierten Arbeit keinen Abbruch tun. Dies spiegelt sich bereits in dem Eröffnungsvortrag von Prof. Dr. Anne Sanders zu dem Thema „Woher – Wohin? Familien(recht) im Wandel“. An den nächsten Tagen folgen die Plenarvorträge „§ 1631b BGB in der Kinder- und Jugendpsychiatrie“ (Prof. Dr. Eva Möhler) sowie „Verwirkung im Familienrecht“ (Direktor des AG Andreas Frank). Zum Abschluss wird sich PD Dr. Martin Rettenberger mit den sehr aktuellen Problemen der „Risikoeinschätzung beim Kindesmissbrauch“ befassen, woran sich eine Plenardiskussion anschließt.

Auf die 24 Arbeitskreise wartet ein weit gefächertes Spektrum familienrechtlicher Themen, die sowohl aktuelle Fragen aus der Alltagspraxis betreffen als auch Entwicklungen in veränderten Familienstrukturen aufgreifen. Einen Schwerpunkt bildet wiederum das Unterhaltsrecht, bei dem u.a. die Bedeutung des konkreten Bedarfs, die Bewertung von Sachbezügen, der Eigenbedarf beim Ausbildungsunterhalt sowie der Betreuungsunterhalt für unverheiratete Eltern behandelt werden sollen. Auch sehr grundsätzliche Überlegungen zum Stellenwert der Düsseldorfer Tabelle und Fragen nach einer Vereinfachung des Unterhaltsrechts werden Gegenstand der Beratungen sein. Im Focus der Praxis steht immer wieder die Rolle von Kindern in familiären Konflikten. Die Themen reichen von Kindern in Patchworkfamilien, die Bedeutung von Kontinuität und Flexibilität bei Sorge und Umgang, die Zusammenarbeit beim Kinderschutz bis zu den Problemen einer Vernachlässigung von Kindern. Darüber hinaus gehören auch dieses Jahr zum Programm der Arbeitskreise wieder Fragen des Versorgungsausgleichs, des Güterrechts, des internationalen Rechts sowie verfahrensrechtliche Probleme. Weitere Informationen zu den Arbeitskreisen finden sich auf der Homepage des DFGT.

Der Deutsche Familiengerichtstag bietet ein interdisziplinäres Forum für alle mit dem Familienrecht befassten Professionen, um in den Arbeitskreisen zu diesen und weiteren Themen Empfehlungen an Rechtsprechung, Rechtsberatung und Gesetzgebung zu erarbeiten. Vollständiges Programm und Anmeldung unter www.dfgt.de, E‑Mail: info@dfgt.de oder Deutscher Familiengerichtstag e.V., c/o HS Bund, Willy-Brandt-Straße 1, 50321 Brühl; Tel.: 02232/929-9116; Fax: 02232/929-9011; Anmeldeschluss ist der 22.8.2019 (Eingang).

Religion und Familienrecht? Ein aktuelles Thema? (angeregt durch die Diskussion auf dem 14. Symposium für Europäisches Familienrecht v. 14. bis 16.3.2019 in Regensburg)

Nach 14 Länderberichten war man sich einig: Das europäische Familienrecht ist weitgehend säkularisiert. Zwar finden sich in fast allen europäischen familienrechtlichen Kodifikationen noch Spurenelement kirchlichen Rechts, diese ausfindig zu machen ist aber etwas für Professor Börne aus dem Tatort Münster.

Doch warum kann eine Ehe vor dem Standesbeamten geschlossen werden, ist aber immer noch in den meisten Ländern vom Richter zu scheiden? Warum verlangt der Gesetzgeber in den meisten Staaten einen Scheidungsgrund, wenn ein Ehegrund nicht erhoben wird, und der deutsche Gesetzgeber von den Ehegatten ein Trennungsjahr?

Das heutige Ehe- und Scheidungsrecht ist der Nukleus des Kulturkampfes der weltlichen gegen die kirchliche Macht mit ihrem sakramentalen Eheverständnis. Dieses Eheverständnis war vom Mittelalter bis in die frühe Neuzeit ein wirkliches Erfolgsmodell, sicherte es doch zunächst der Kirche mit rigider Sexualmoral und dem Verbot der Verheiratung unterschiedlicher Glaubensangehörigen und später den aufkommenden Nationalstaaten den Nachwuchs und dessen Erziehung, den legislativ entrechteten Frauen Unterhalt und dem (meist) väterlichen Vermögen eine gesicherte Erbnachfolge. Dies wurde flankiert von der Strafbarkeit des Ehebruchs, für Frauen oft weit strenger und mit dem Tode geahndet als für Männer, und dem Verbot außerehelichen Geschlechtsverkehrs.

War die Ehe im römischen Recht noch ein privater Vertrag der Ehegatten, wurde sie im Mittelalter sakramental aufgeladen und unauflösbar. Das ist europäisches Kulturgut geworden, auch wenn die religiösen Elemente des Ehe- und Familienrechts nur noch wie ein kaum wahrnehmbarer Basso Continuo schwingen. Warum sonst hätten wir uns nicht schon längst von § 1353 Abs. 1 BGB emanzipiert, wonach die Ehe auf Lebenszeit geschlossen wird. Wissen wir doch um die Unhaltbarkeit dieses Versprechens. Niemand lässt sich heute nicht scheiden, weil er die Ehe lebenslänglich versprochen hat. Wenn die Rechtsordnung dazu dient, die Bürger mit dem Staat zu versöhnen, müsste dieser doch ein Eherecht schaffen, das es dem Bürger leicht macht, eine missraten gewordene Beziehung aufzugeben. Und wenn wir schon beim Grundsätzlichen sind: Wenn es richtig ist, dass die Ehe durch übereinstimmende Willenserklärung der Heiratenden zustande kommt, die sich versprechen, in der Ehe füreinander zu sorgen, kann man dieses Versprechen doch nicht auf die Zeit nach deren Beendigung ausdehnen.

Es wäre zu diskutieren, mit welchem Recht der Staat für das privateste aller Verhältnisse, nämlich die intime Bindung zweier Menschen ein so opulentes Regelwerk für dessen Beendigung vorhält. Die legislative Entrechtung eines Ehegatten (meist der Frau) durch die Ehe ist Rechtsgeschichte. Die verbliebene gesellschaftliche Diskriminierung von kindererziehenden und haushaltführenden Ehegatten hat mit Kindern und Haushalt etwas zu tun, nicht aber mit der Ehe. Kinder werden auch außerhalb einer Ehe gezeugt, geboren und erzogen[1] und Haushalte auch von Nichtverheirateten geführt, weil das unverheiratete Zusammenleben nicht mehr verboten ist.

Insoweit ist es vielleicht konsequent, wenn die Spanier beiden Ehegatten nach dreimonatiger Ehe den ‚talaq‘ der Notarscheidung anbieten und Slovenen und Kroaten die verfestigte nichteheliche Lebensgemeinschaft nach unterschiedlichen zeitlichen und personalen Voraussetzungen den güterrechtlichen Regelungen der Ehe unterwerfen. Allen Freigeistern zur Beruhigung: Die Lebensgefährten können den Opt-Out wählen. Wir sollten also keine Angst davor haben, die Ehe zu privatisieren. Es täte den Bürgern vielleicht sogar gut.

[1] In Deutschland werden heute schon mehr als 35 % der Kinder nicht mehr in einer Ehe geboren, in Frankreich sind es 64 %.

Elterninteresse? Nur, wenn es das Recht des Kindes zulässt! (BGH v. 27.2.2018 – VI ZR 86/16)

Fragen der elterlichen Sorge und des Umgangs mit einem Kind werden zunehmend streitig ausgetragen. Nicht mehr allein das familiengerichtliche Verfahren selbst ist Schauplatz der Auseinandersetzung und der konträr vorgetragenen Meinungen. Zunehmend werden auch sonstige Behörden oder gar die Medien in die Auseinandersetzung einbezogen und zum Instrument der eigenen Meinung gemacht. Es finden sich immer wieder und häufiger Ankündigungen von Verfahrensbeteiligten, dass sie eine als ungerecht empfundene Verfahrensführung oder das Ergebnis des Verfahrens selbst an die „Presse“ bringen werden. So tauchen auch immer wieder Beiträge in Fernsehreportagen auf, die vermeintliche Missstände bei Gerichten, Jugendämter oder sonstigen Verfahrensbeteiligten darstellen. Wer regelmäßig mit Kindschaftsverfahren befasst ist, wünscht sich an dieser Stelle, dass auch die Sichtweise der „Angeprangerten“ – dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs“ folgend – ebenso akribisch in diese Beiträge einbezogen worden wäre. Dass gerade die Gerichte oder Jugendämter sich aus gutem Grund nicht in diesen Beiträgen äußern – um in der Regel auch nicht in laufende Verfahren einzugreifen – wird üblicherweise ignoriert. Die Richtigkeit der eigenen Meinung und das Fehlverhalten des anderen Elternteils werden letztlich dann auch noch unter Beweis gestellt durch Fotos oder Filmaufnahmen des Kindes, die ganz selbstverständlich damit auch der Öffentlichkeit zugänglich werden.

Die hiermit einhergehende Problematik hat der BGH in einer aktuellen Entscheidung aufgegriffen: In dem zugrunde liegenden Sachverhalt stand der minderjährige Kläger seit September 2007 unter Amtsvormundschaft des Jugendamts und lebte in einer stationären Jugendhilfeeinrichtung. Bis September 2007 hatte er bei seinen Großeltern gelebt, die auch die Vormundschaft für ihren Enkel innehatten. Als außergerichtlicher Beistand der Großeltern trat ein eingetragener Verein auf, durch den im Jahr 2009 eine Mail an den Amtsvormund versandt wurde, mit der er zu einer Kindeswohlgefährdungsanalyse aufforderte. Im Anhang der Mail fanden sich mehrere Lichtbilder des Kindes, auf denen es mit bloßem Oberkörper zu sehen war und die auch äußere Verletzungen des Kindes zeigten. Kopien dieser Mail versandte der Verein zudem aber auch an den EU-Petitionsausschuss, das Europäische Parlament, das „Secretariat of the CPT“, „Report München“, an die Heimaufsicht Landschaftsverband R, an die Poststelle eines Landgerichts sowie an die Poststelle eines Amtsgerichts. Das Landgericht war zuvor mit einem Verfahren befasst gewesen, in dem zwei Anwälte Unterlassungsansprüche gegen den Verein geltend gemacht hatten, da ohne ihre Zustimmung Schriftsätze veröffentlicht worden waren, die sie in dem Sorgerechtsverfahren als Vertreter des späteren Amtsvormunds gefertigt hatten. In dem Verfahren beim Amtsgericht hatte das Kind gegenüber dem Verein Abmahnkosten zur Erstattung beantragt, folgend aus der Einstellung eines Filmbeitrags auf einer Internetseite, in dem Bilder von ihm gezeigt wurden anlässlich eines Berichts über das Sorgerechtsverfahren.

Zur Entscheidung im Revisionsverfahren standen Unterlassungsansprüche des Kindes gegen den Verein mit Blick auf die versandten Mailkopien, nachdem das Berufungsgericht die vollumfänglich stattgebende Ausgangsentscheidung teilweise abgeändert und lediglich die Versendung der Mail an den EU-Petitionsausschuss, das Europäische Parlament sowie das „Secretariat of the CPT“ gerügt hatte. Der BGH ist weitestgehend der Rechtsauffassung des Klägers gefolgt und hat das Rechtschutzbedürfnis für das Unterlassungsbegehren allein insoweit verneint, als sich der Kläger auch gegen die Versendung der Mail an den Landschaftsverband wandte.

In der Begründung seiner Entscheidung hat der BGH darauf verwiesen, dass grundsätzlich kein Rechtschutzbedürfnis für Unterlassungsansprüche gegen Äußerungen besteht, die in einem Zivilverfahren  zur Rechtsverfolgung oder -verteidigung getätigt werden. Dies soll im Grundsatz auch für Lichtbilder gelten, die zu diesem Zweck eingereicht werden. Aber es ist dem besonderen Stellenwert des Schutzes am eigenen Bild als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bei Fotos Rechnung zu tragen, die dem Schutz der §§ 22, 23 KUG unterfallen. Daher müssen die Bilder einen besonders engen sachlichen Bezug zum Verfahren aufweisen.

Soweit sich der Verein mit seiner Mail an den Landschaftsverband als Behörde der Heimaufsicht wandte, verneinte der BGH das Rechtschutzbedürfnis des Klägers für seinen Unterlassungsanspruch, da sich aus den Fotos der Verdacht der Kindesmisshandlung in dem Heim zu entnehmen lasse. Als aufsichtsführendes Landesjugendamt müsse der Landschaftsverband diesem Verdacht nachgehen.

Nach § 22 KUG dürfen Bilder nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder veröffentlicht werden, wobei die Einwilligung als im Zweifel erteilt gilt, wenn der Betreffende eine Entlohnung dafür erhalten hat, dass er sich abbilden ließ. Von § 823 Abs. 2 BGB wird als „sonstiges Recht“, dessen Verletzung eines Schadensersatzpflicht auslösen kann, das Recht am eigenen Bild als Ausgestaltung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts i.S.d. Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. Eine Verletzung des Rechts aus § 22 KUG löst zudem einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB aus. Ist das abgebildete Kind noch minderjährig, so entscheidet grundsätzlich der Sorgerechtsinhaber, ob er einer Verbreitung oder Veröffentlichung des Fotos zustimmt. Problematisch wird es, wenn eine gemeinsame Sorgeberechtigung der Eltern besteht und ein Elternteil mit der Veröffentlichung nicht einverstanden ist. In diesem Fall bedarf es gegebenenfalls der Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil nach § 1628 BGB.

Die aktuelle Entscheidung des BGH sollte den Blick für die Problematik schärfen, dass Kinder in Sorge- oder Umgangsrechtsverfahren nicht nur „Anknüpfungspunkt“ für die Austragung von Konflikten erwachsener Beteiligter sind, die allzu häufig leider mit den Belangen des Kindes weder etwas zu tun haben noch effektiv deren Interessen verfolgen. Wenn es in einem Verfahren um das „Wohl des Kindes“ zu gehen hat, dann ist das allein der Maßstab der Verfahrensführung und der Interessenwahrnehmung. Dazu gehört selbstverständlich, dass zu allererst immer zu prüfen ist, welche konkreten Folgen ein prozessuales Handeln für das Kind persönlich hat. Wer Fotos eines Kindes öffentlich zugänglich macht – in der Regel um eigene Interessen zu untermauern – sollte jeweils für sich hinterfragen, ob er in dieser Situation auch ein Foto von sich persönlich so frei zugänglich machen würde.

Juristischer Sirtaki, die GroKo und Tabellentümelei

Der Film „Alexis Sorbas“ hat mindestens in gleichem Maße wie die Philosophen der Antike und die Finanzkrise den „Mythos Griechenland“ begründet. Da bauen die Bewohner eines vom – natürlich – blauen Meer umrahmten Dorfes mit großem Eifer eine Seilbahn auf den Hügel eines Berges, um das im Hinterland wachsende Holz zur Sanierung des maroden Bergwerks eines Amerikaners und ihrer eigenen wirtschaftlichen Lage zu nutzen. Das Werk wird vollendet, der Plan nicht. Der erste Holztransport reißt die ganze Anlage schon bei der Einweihung nieder und der Amerikaner ist pleite. Der Schock schlägt in berstende sirtakitanzende Lebensfreude um, als der Hauptprotagonist den Satz sagt: „He Boss, hast Du schon jemals gesehen, dass etwas so schön zusammenkracht?“[1].

Die Parallele dieses Films zum elektronischen Anwaltspostfach zu ziehen ist billig. Statt Trübsal über mangelnde technische Kompetenz im Facebook- und WhatsApp-Zeitalter zu blasen, dominieren die ‚Wir-haben-es-ja-immer-schon-gewusst‘-Juristen die hämischen Debatten in der Gerichtskantine.

Zurück am Schreibtisch wird in der Trennungssache X ./. Y der Unterhalt für y(6) und x(10) berechnet.[2] Die Kinder sind natürlich in Obhut der Mutter, die 2/3-schichtig 1.400 € verdient. Bereinigtes Einkommen des Vaters: 1.910 €. Umgangsrecht wie üblich, nur fährt der Vater x immer zusätzlich zu seinen Fußballturnieren am Wochenende und übernimmt auch die Beschaffung der Sportkleidung und die Kosten der Musikschule für y. Ein Blick in die Düsseldorfer Tabelle oder auf den Bildschirm: für x sind 322 € und für y 268 € zu berappen. Resteinkommen X: 1.320 €.

Nächste Akte: Scheidung (VKH) V ./. M. Heirat 2010, ein Kind, Trennung 2013, einverständlicher Scheidungsantrag 2016. Versorgungserwerb V: 0,855 EP, M: 4,3500 EP. Entscheidungsvorschlag des Gerichts zum Versorgungsausgleich: Halbteilung. Ein Blick auf Bildschirm, Taschenrechner oder – im Vertrauen darauf, dass der Richter die Daten richtig erfasst hat – aus dem Fenster und das Ergebnis wird abgenickt.

Begründung für beide Ergebnisse: Tabelle und Halbteilungsgrundsatz.

Bewertung der Ergebnisse: beide (wahrscheinlich) falsch.

Grund: Tabellen und Rechenprogramme können kein Jura.[3]

Die GroKo erwägt in ihrem Programm, die Selbstbehalts- und Bedarfssätze für Kinder ins Gesetz zu schreiben, weil die Strukturänderung der Tabelle zum Jahr 2018 so brutal aufgedeckt hat, dass wir in Deutschland ein Armutsproblem haben. Das zu kaschieren traut man sich selbst eher zu als der Jurisdiktion. Wenn nämlich der Kindesunterhalt auch nur minimal gesenkt wird, löst das einen archaischen Beschützerreflex und damit ein boulevardeskes Empörungsritual aus, dem sich die Politik offenbar nicht entziehen kann.

Um nun auf unsere beiden Fälle zurückzukommen:

  • Fall 1: Bei so knappem Erreichen der Einkommensgruppe 2 und der Übernahme von eigentlich aus dem Kindesunterhalt zu finanzierenden Bedarfen im Rahmen der von X übernommenen Betreuungszeiten (vulgo Umgangszeiten) kann auch eine Abgruppierung in Einkommensstufe 1 oder einen Zwischenwert berechtigt sein, oder man bereinigt das Einkommen des Vaters um einen Betreuungsbarbetrag für Fahrdienst und Sportbekleidungskosten (einschließlich der Currywurstverpflegung beim Bambini-Turnier). Schließlich bleibt der Mutter am Ende mehr Liquidität als dem Vater.
  • Fall 2: Ein Blick in den Versicherungsverlauf offenbarte bei M ehezeitliche Inhaftierung und Therapie und bei Y, dass ausschließlich Kindererziehungszeiten dem Versorgungserwerb zugrunde lagen. § 27 VersAusglG kann in diesen Fällen angewendet und der Mutter so geholfen werden.

Um auf die GroKo zurückzukommen: Wenn wir Angemessenheits- und Billigkeitsprüfungen den Rechnern und Tabellen überlassen und die mit deren Hilfe gefundenen Ergebnisse nicht auf ihren Gerechtigkeitsgehalt überprüfen, werden wir zu Opfern von Rechenprogrammen und Tabellen oder einer großen Koalition. Das wird auch dann nicht besser, wenn die Sätze im Gesetz stehen, sondern eher schlechter, weil noch zementierter. Es ist Sache der Anwaltschaft zu den Besonderheiten eines Falls vorzutragen, die tatsächlichen Kosten des Wohnens, die Betreuungskosten während des Umgangs und den Mehrbedarf eines musizierenden oder kickenden Kindes, aber auch berufs- oder sonstigen Mehrbedarf des barunterhaltspflichtigen Elternteils zu thematisieren. Es ist Sache der Richterschaft, solchen Vortrag zur Kenntnis zu nehmen, ihn abzuwägen und zu würdigen, anstatt ihn mit Verweis auf Tabellen, Leitlinien und Berechnungsprogramme abzubügeln und den Programmausdruck auch noch zur Urteilsbegründung zu machen.

Die Macher der Düsseldorfer Tabelle haben solche Öffnungsklauseln in die Tabelle und die Leitlinien geschrieben und damit die für Juristen nötige ‚Luft zum Atmen‘ implementiert. Die Tabelle selbst ist ja – zum Glück – kein Gesetz, sondern versteht sich als Hilfe zur Ermittlung eines angemessenen Ergebnisses. Würde sie juristisches Denken und Handeln ersetzen, brauchten Familienrechtler kein Studium, sondern eine EDV-Schulung.

Und um schließlich auf Alexis Sorbas zurückzukommen: Der bildschöne Crash der Technik hat die Rodung des Gemeindewaldes und die damit verbundene ökologische Sünde verhindert und den Sirtaki berühmt gemacht. Ich wünsche uns Familienrechtlern einen längeren Computercrash, die Zeit, die Anmerkungen zur Tabelle und die Leitlinien zum Unterhalt in Ruhe zu lesen, und dass wir dann juristischen Sirtaki tanzen, solange wir können, um lebensechte und -gerechte Ergebnisse zu erzielen.

[1] Kein Beitrag ohne Fußnote: www.youtube.com/watch?v=JQU6KApL3xI.

[2] X für Mann, Y für Frau, x für Bub, y für Mädchen.

[3] Weil der Satz so schlechtes Deutsch ist, prägt er sich besser ein.

Die Kindergeldfalle (zu BFH v. 18.5.2017 – III R 11/15)

Trennen sich Eltern, ist die finanzielle Abwicklung der Trennung stets schwierig. Das gilt auch für das Kindergeld. Dessen Regelung ist – für viele immer noch überraschend – nicht im Kindergeldgesetz, sondern fast ausschließlich im Einkommensteuergesetz (§§ 62 ff. EStG) zu finden. Danach hat derjenige, der

  • ein leibliches Kind bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres oder
  • ein bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend gemeldetes Kind bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres oder
  • ein in der Berufsausbildung befindliches Kind bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres hat,

Anspruch auf Kindergeld.

Nach § 64 Abs. 1 EStG wird für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt. Da nach dieser Regelung beide Eltern Anspruch auf Kindergeld hätten, bestimmt § 64 Abs. 2 S. 2 EStG, dass bei gemeinsamem Haushalt von Eltern und Kind die Eltern untereinander bestimmen, wer kindergeldberechtigt ist. Liegt eine solche Bestimmung nicht vor, bestimmt das Familiengericht auf Antrag den Berechtigten (§ 64 Abs. 2 S. 3 EStG). Besteht kein gemeinsamer Haushalt der Eltern mit dem Kind, steht das Kindergeld demjenigen Elternteil zu, in dessen es Haushalt aufgenommen ist.

Diese Regelungen sorgen im Fall von Trennungen stets für Probleme. Trennen sich die Eltern und verbleibt das Kind im Haushalt des Elternteils, der das Kindergeld nicht bekommt, einigen sich diese meist darauf, dass das Kindergeld an den betreuenden Elternteil ausgekehrt wird. Diese praktische und weitverbreitete Lösung führt jedoch, wenn es im weiteren Verlauf zwischen den Eltern zu Streitigkeiten kommt, oftmals zu nicht beabsichtigten Ergebnissen. Auch wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil dem Residenzelternteil das Kindergeld in vollem Umfang überwiesen und deshalb den Kindesunterhalt um die Hälfte des Kindergeldes vermindert hat, ändert dies nichts daran, dass ab Trennung die Kindergeldkasse das Kindergeld an den nichtberechtigten Elternteil gezahlt hat. Die Kindergeldkasse fordert dann vom Nichtberechtigten die Überzahlung des Kindergeldes zurück. Zwar kann der nicht berechtigte Elternteil vom anderen die Überzahlung wieder zurückverlangen, das setzt jedoch Leistungsfähigkeit des Residenzelternteils voraus. Dieser könnte z.B. mit der Entreicherungseinrede den Anspruch zu Fall bringen.

In dem vom BFH entschiedenen Fall unternahmen die Eltern nach einer 6-monatigen Trennung einen 2-monatigen Versöhnungsversuch und lebten in dieser Zeit zusammen. Der Vater, der von den Eltern während ihres ursprünglichen Zusammenlebens als Kindergeldberechtigter bezeichnet worden war, hatte während der gesamten Trennungszeit das Kindergeld stets an die Mutter überwiesen. Auch während der Zeit des Versöhnungsversuchs erhielt er das Kindergeld. Erst nachdem der Versöhnungsversuch scheiterte, beantragte die Kindesmutter die Auszahlung des Kindergeldes an sich. Der BFH entschied, dass die Bezugsberechtigtenbestimmung (welch ein Wort!) der Eltern durch deren Trennung und die Übersiedlung des Kindes ausschließlich in den Haushalt eines der beiden Elternteile erloschen und auch nicht durch den Versöhnungsversuch wieder aufgelebt sei. Die Kindergeldkasse könne also für den gesamten Trennungszeitraum einschließlich des Versöhnungsversuchs das gezahlte Kindergeld zurückfordern.

Familienrechtlich wirkt eine solche Entscheidung nicht sonderlich befriedend. Sie ist gleichwohl konsequent. Denn die Gesetzeslage lässt eine andere Lösung nicht zu.

Insgesamt wird man allerdings in einem modernen Familienrecht das Kindergeld neu zu regeln haben. Schon heute wird die Implementierung einer Unterhaltslösung im Fall beiderseitiger Betreuung eines Kindes durch die Eltern (vulgo Wechselmodell) durch die im Einkommensteuergesetz angesiedelte Vorschrift, dass nur einem Elternteil das Kindergeld zusteht, oftmals kompliziert und schwer durchschaubar. Darüber hinaus ist die Verortung des Kindergelds im Steuerrecht wenig sozial, führt sie doch bei Gutverdienern zu einer höheren staatlichen Bezuschussung ihrer Kinder als bei Niedrigverdienern. Der familienpolitische Sinn einer derartigen Regelung ist nicht erkennbar. Bedenklich ist auch, dass die gieskannenartige Auskehrung des Kindergeldes bislang keinen Beitrag zur Behebung der Kinderarmut geleistet hat. Auch dies sollte die Familienpolitiker nachdenklich stimmen und die Koalitionsverhandlungen hoffentlich befruchten.

Auf die Glatze, fertig, los! – Happy birthday, Ernst Spangenberg!

Ernst Spangenberg, unser bekannter Familienrichterkollege a.D., feiert heute seinen 80. Geburtstag. Verlag, FamRB-Redaktion und ich gratulieren ihm von Herzen.

Sein schönstes Geschenk, das ihn uns zugleich nahe bringt, hat ihm seine Ehefrau Brigitte gemacht. Nicht nur, dass er mit ihr zusammen lesenswerte Fachliteratur verfasst (zuletzt im FamRB „Aufs Maul geschaut, in den Verstand geschaut – Grundlagen der Kommunikation“, FamRB 2017, 116 und FamRB 2017, 156), Ernst Spangenberg dichtet auch gerne. Aus seinen neueren Gedichten und der Prosa der letzten Jahre hat Brigitte Spangenberg ihre Lieblingsstücke ausgewählt und eine 104 Seiten starke Sammlung zusammengestellt, die im Wiesenburg Verlag, Postfach 4410, 97412 Schweinfurt (Auf die Glatze, fertig, los!) erschienen ist. „… Palmström und Korf nicken beifällig.“, so die treffenden Worte von Widulind Clerc auf dem Cover.

Das ist für die Sommerferien mal ein etwas anderer Lesehinweis  –  obwohl, im IV. Kapitel wird auch die Justiz auf die Schippe genommen.

Ernst Spangenberg wünsche ich noch viele schaffensreiche Jahre bei bester Gesundheit und Ihnen eine amüsante Lektüre.

Ehe? Zwecklos!

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 7. Juli 2017 der Änderung von § 1353 BGB zugestimmt. Der Bundespräsident hat das „Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts“ unterzeichnet, es ist im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I 2017, 2787). Gleichgeschlechtliche Paare können nun ab 1.10.2017 eine Ehe schließen.

Was angesichts der breiten Zustimmung zur gleichgeschlechtlichen Ehe in der Bevölkerung aussieht wie ein Nachvollzug einer gesellschaftlichen Entwicklung durch den Gesetzgeber, ist familienrechtlich tatsächlich mehr. Die Ehe ist seit Einführung des BGB im Jahre 1900 der Nukleus des Familienrechts. Sie bestimmte schon lange zuvor, wer mit wem geschlechtlich verkehren durfte, entschied über Unterhalts- und Erbansprüche, löste steuerliche Privilegierung und sozialrechtliche Diskriminierung aus. Aus einer ehelichen Paarbeziehung geborene Kinder hatten immer Vater und Mutter, die beide sorgeberechtigt (auch -verpflichtet waren).

Kinder aus einer nichtehelichen Paarbeziehung hatten lange Zeit immer nur eine Mutter. Seit einigen Jahren teilweise auch einen sorgeberechtigten Vater. Ihr Anspruch auf Betreuung unterschied sich zunächst massiv, dank beharrlicher Eingriffe des Bundesverfassungsgerichts später nur noch minimal vom Betreuungsanspruch ehelich geborener Kinder. Im Zentrum des Familienrechts stand die Ehe, nicht die Familie und auch nicht das Kind.

Das alles hatte dogmatische Wurzeln. Bis weit ins 19. Jahrhundert beherrschte die Kirche mit ihrem sakramentalen Eheverständnis das Familienrecht. Erst spät bemächtigte sich der Staat der Ehe und begründete ein staatliches Eheschließungsmonopol. In Deutschland fällt dies zusammen mit der Herausbildung des Nationalstaats. Friedrich der Große brauchte „Lange Kerls“, die Nation „Bürger“ genannte Untertanen, die die beanspruchten neuen Lebensräume im Osten hätten besiedeln können. Eine Notwendigkeit der Ehe zur Erfüllung bevölkerungspolitischer Ziele besteht nicht mehr. Der Osten muss nicht mehr von Deutschen besiedelt werden und der Nationalstaat ist der europäischen Integration gewichen. 30 % aller neugeborenen Kinder werden von unverheirateten Frauen zur Welt gebracht, Tendenz steigend.

Lange Zeit war die Ehe für Frauen die unverzichtbare Basis ihrer Existenzsicherung. Die „Mitgift“ starb nicht mit den Buddenbrooks aus. Die bildungspolitische und die daraus folgende wirtschaftspolitische Emanzipation der Frauen und die Notwendigkeit ihrer stärkeren Teilhabe am Wirtschaftsprozess hat die Ehe als Existenzsicherung überflüssig gemacht. Den Rest verbliebener Notwendigkeiten erledigt der Sozialstaat.

Auch bei der Sicherung der Vermögensnachfolge im Erbrecht hat die Ehe ihre Bedeutung verloren. Seit eine DNA-Analyse weit präziser als die Ehe über die Abstammung entscheidet, kann die eheliche Abstammung nur eine erste Vermutung, nicht aber Sicherheit bieten.

Die faktische Erosion der klassischen Ehezwecke wird von zunehmender gesellschaftlicher und nun auch staatlicher Toleranz unterschiedlichen Lebens- und Ehemodellen gegenüber flankiert. Diese legislative Toleranz kennt indessen auch Grenzen. Wenn Sterbende heiraten, kann die Verschaffung der Hinterbliebenenversorgung ein bestimmender Ehezweck sein, den die Versorgungsträger meist durch Ausschlussklauseln durchkreuzen. Die karitative Heirat eines deutschen mit einer ausländischen Person verschafft dieser einen stabileren Aufenthaltsstatus, gleichwohl missbilligt das Gesetz dies und versucht derartige Scheinehen oder ihre sozialpolitischen Folgen zu bekämpfen.

Damit erklärt der Gesetzgeber letztendlich die Verantwortung übernehmende Liebe zum eigentlichen legitimen Ehezweck und -motiv. Alle anderen Motive sind obsolet oder zu missbilligen. Wenn dies so ist, und wenn der Gesetzgeber im Hinblick auf Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG Liebe von erwachsenen Personen nicht bewertet, sondern akzeptiert, gibt es keinen Grund, homosexuellen Paaren den Zugang zur Ehe zu verweigern.

Art. 6 GG enthält keine Definition der Ehe. § 1353 BGB enthielt sie auch nicht, sondern setzte die Heterosexualität als Ehemerkmal voraus. Indem der Gesetzgeber nun die Ehe definiert und Heterosexualität als Voraussetzungsmerkmal streicht, nachvollzieht er eine gesellschaftlich akzeptierte Umdeutung des Eheverständnisses. In nunmehr 15 Staaten der Europäischen Union können gleichgeschlechtliche Paare eine Ehe schließen. Deutschland war der vierzehnte, Malta hat wenige Tage später nachgezogen.

Wenn alle traditionellen Ehezwecke durch gesellschaftliche, wissenschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen obsolet geworden sind, ist es konsequent, die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen. Der einzige Zweck der Ehe, der rechtlich noch zu schützen wäre, ist die Sicherung und Förderung des Zusammenlebens zweier sich Liebenden. Warum? Weil sie es wollen, weil es ihrem Lebensentwurf entspricht und weil es keinen besseren Staat gäbe als einen, der frei gewählte Lebensentwürfe seiner Bürger nicht nur toleriert, sondern fördert.

22. Deutscher Familiengerichtstag beendet

Am 1. Juli endete der 22. Deutsche Familiengerichtstag. Es war eine besondere Tagung zu einem ungewohnten Sommertermin, der mit dem 40. Jahrestag des 1977 in Kraft getretenen 1. Eherechtsreformgesetzes zusammenfiel. Am 30. Juni passierte auch das Gesetz über die „Ehe für Alle“ den Bundestag – ein Ereignis, welches zum Wochenbeginn noch niemand so erwartet hatte. Die musikalisch durch Hits aus vier Jahrzehnten aufgelockerte Eröffnungsveranstaltung mit vier kurzen Beiträgen von Prof. Siegfried Willutzki, Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Schwab, Prof. Dr. Katharina Hilbig-Lugani und Rechtsanwältin Eva Becker zu Vergangenheit und Zukunft des Familienrechts und den abschließenden Statements von vier Kindern zu ihrem ganz eigenen Familienbild war ein gelungener Auftakt zu einer durchgehend in guter Stimmung verlaufenden Tagung.

Zwei weitere hochkarätige Vorträge von Prof. Dr. Michael Coester über „Konflikte von Erziehungsleitbildern“ und von Prof. Dr. Mathias Rohe zur „Paralleljustiz im Familienrecht“ schlossen die beiden folgenden, arbeitsintensiven Tage ab. Den Schlusspunkt der Tagung bildete der fulminante Vortrag des Leiters der Kölner Rechtsmedizin, Prof. Dr. Markus Rothschild, der die Teilnehmer am Samstagvormittag auf sehr lebhafte, unterhaltsame Weise über „Die Familie im Blick der Rechtsmedizin“ informierte.

Wie gewohnt hatten sich zuvor 24 Arbeitskreise intensiv mit den unterschiedlichsten Themen des Familienrechts befasst und Lösungsvorschläge erarbeitet. Diese Arbeitsergebnisse sind bereits auf der Homepage des DFGT veröffentlicht. Diese Thesen bilden die Grundlage für die Empfehlungen des Vorstandes für Rechtsprechung, Verwaltung und Gesetzgebung, die dieser demnächst erarbeiten wird. Alle Vorträge und Arbeitsergebnisse werden zudem im Tagungsband, den Brühler Schriften zum Familienrecht, veröffentlicht. Dieser wird voraussichtlich im 1. Quartal 2018 erscheinen.

Der 23. Deutsche Familiengerichtstag wird 2019 wieder in Brühl stattfinden. Sobald der genaue Termin feststeht, wird dieser unverzüglich auf der Homepage des DFGT bekannt gegeben. Termin und Programm des 23. DFGT werden auch rechtzeitig im FamRB veröffentlicht.