Gemeinsame elterliche Sorge um jeden Preis? (OLG Frankfurt v. 27.2.2019 – 8 UF 61/19, n.rkr.)

Um die elterliche Sorge wird in familiengerichtlichen Verfahren in zunehmender Häufigkeit und Intensität gestritten. Oft haben Elternteile dabei nicht einmal genaue Vorstellungen darüber, was von ihrem Begehren zur Aufrechterhaltung der gemeinsamen Sorge bzw. der Abweisung eines solchen Antrags tatsächlich umfasst wird. Einschätzungen, die nicht selten auf vermeintlich guten Ratschlägen im Freundes- und Familienkreis beruhen, vermischen typischerweise nicht nur Fragen der elterlichen Sorge und des Umgangsrechts, sondern sind in vielen Fällen einfach nur rechtlich falsch. Nicht immer können diese Fehlvorstellungen in einem anwaltlichen Beratungsgespräch geklärt und den Elternteilen verdeutlicht werden, dass auch unter Beibehaltung einer gemeinsamen Sorge, die einer Mitwirkung des jeweils anderen Elternteils vorbehaltenen notwendigen Entscheidungsbereiche sich bis zum Eintritt der Volljährigkeit eines Kindes auf eine an einer Hand abzählbare Häufigkeit reduzieren werden, unbeschadet ohnehin der Möglichkeit einer familiengerichtlichen Entscheidung nach § 1628 BGB, sollte partout kein Einvernehmen zu erzielen sein. Im gerichtlichen Verfahren wird ebenso zunehmend dem Sorgerechtsantrag eine mögliche Vollmachtserteilung entgegengehalten, auf die die Gerichte häufig mit einem „Vergleichszwang“ reagieren.

Das OLG Frankfurt hat sich aktuell mit der Frage einer Vollmachtserteilung befasst:

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatten die Eltern die gemeinsame Sorge durch Jugendamtsurkunde begründet. Der Mutter war in einem 2013 geführten Verfahren bereits das Aufenthaltsbestimmungsrecht zur alleinigen Ausübung übertragen worden. Zwischen den Eltern, die nie einen gemeinsamen Haushalt unterhielten, bestand ein tiefgreifender Kommunikationskonflikt, der auch dazu führte, dass das Kind von der Existenz seines Vaters keine Kenntnis hatte. In einem weiteren Sorgerechtsverfahren wurde zugunsten der Mutter in einer gerichtlich protokollierten Vereinbarung seitens des Vaters eine „unwiderrufliche“ Vollmacht erteilt und von ihm 2017 eine weitere, nun öffentlich beglaubigte, Vollmacht erstellt. Mit dem Vortrag, die bestehende Vollmacht werde von Behörden und Vertragspartnern nicht vorbehaltlos akzeptiert, erstrebte die Mutter die alleinige Sorge, wobei das Ausgangsgericht ihrem Antrag stattgab.

Das OLG Frankfurt hat den Beschluss abgeändert und den Antrag der Mutter zurückgewiesen. Ihr Antrag beschränke sich darauf, ihr eine erleichterte Handhabung der Vertretung des Kindes im Rechtsverkehr zu ermöglichen. Das allein rechtfertige keinen Eingriff in das nach Art. 6 GG geschützte Sorgerecht des Vaters. Die erteilten Vollmachten seien als milderes Mittel im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu beachten. Für den Senat sei maßgeblich, ob ein Widerruf der Vollmacht ernstlich im Raum stehe. In der gerichtlich protokollierten Vollmacht sei es den Eltern erkennbar darum gegangen, den Sorgerechtskonflikt dauerhaft zu lösen. Durch die Erneuerung der Vollmacht habe der Vater deutlich gemacht, dass er an der Vollmachtserteilung festhalten wolle.

Ob in einem Sorgerechtsverfahren eine Vollmachtserteilung Relevanz entfalten kann, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich bewertet, wobei auch danach zu unterscheiden ist, ob das Verhältnis der Eltern zueinander betroffen wird oder es letztlich um die rechtliche Ausgestaltung zwischen den Eltern einerseits und Dritten andererseits geht. Dieser Fall betrifft insbesondere Verfahren nach § 1666 BGB, in denen üblicherweise das Jugendamt Sorgerechtsvollmachten der Eltern oder eines Elternteils akzeptiert, da selbst im Fall des Widerrufs einer solchen Vollmacht dem Jugendamt weitere Mittel zur Verfügung stehen, um einen kurzfristigen Schutz des Kindes bis zu einer dann notwendigen familiengerichtlichen Entscheidung sicherzustellen.

Differenzierter zu bewerten ist die mögliche Vollmachtserteilung im Verhältnis von Elternteilen zueinander, d.h. ob einem Antrag auf Übertragung der alleinigen Sorge mit einer solchen Vollmachtserteilung erfolgreich begegnet werden kann. Hier muss grundlegend berücksichtigt werden, dass es für die Aufrechterhaltung der gemeinsamen Sorge unabdingbare Voraussetzung ist, dass es zwischen den Eltern eine objektive Kooperationsfähigkeit und subjektive Kooperationsbereitschaft gibt, da nur auf dieser Grundlage die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl dienen kann. Eine dem Kindeswohl entsprechende gemeinsame Ausübung der elterlichen Verantwortung erfordert ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und damit eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern. Eine Vollmacht kann daher bereits dem Grunde nach nur rechtliche Relevanz entfalten, wenn sie auf einer ausdrücklichen elterlichen Vereinbarung beruht.

Wurde bereits vor einem Sorgerechtsantrag dem betreuenden Elternteil eine umfassende Ermächtigung erteilt, so ist für eine Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge kein Raum, wenn es bis zur Verfahrenseinleitung zu keinen wesentlichen Auseinandersetzungen zwischen den Eltern bezüglich der Sorgerechtsausübung kam.

Gegen die Entscheidung des OLG Frankfurt wurde Rechtsbeschwerde zum BGH eingelegt (Az. XII ZB 112/19). Die zu erwartende Entscheidung wird zu dieser in der Praxis kontrovers diskutierten Frage Klärung geben.

 

 

23. Deutscher Familiengerichtstag

Der 23. Deutsche Familiengerichtstag wird dieses Jahr vom 18. bis 21.9.2019 an ungewohnter Tagungsstätte im Phantasialand in Brühl stattfinden.

Dies soll der Ernsthaftigkeit der oft auf Zukunftsfragen konzentrierten Arbeit keinen Abbruch tun. Dies spiegelt sich bereits in dem Eröffnungsvortrag von Prof. Dr. Anne Sanders zu dem Thema „Woher – Wohin? Familien(recht) im Wandel“. An den nächsten Tagen folgen die Plenarvorträge „§ 1631b BGB in der Kinder- und Jugendpsychiatrie“ (Prof. Dr. Eva Möhler) sowie „Verwirkung im Familienrecht“ (Direktor des AG Andreas Frank). Zum Abschluss wird sich PD Dr. Martin Rettenberger mit den sehr aktuellen Problemen der „Risikoeinschätzung beim Kindesmissbrauch“ befassen, woran sich eine Plenardiskussion anschließt.

Auf die 24 Arbeitskreise wartet ein weit gefächertes Spektrum familienrechtlicher Themen, die sowohl aktuelle Fragen aus der Alltagspraxis betreffen als auch Entwicklungen in veränderten Familienstrukturen aufgreifen. Einen Schwerpunkt bildet wiederum das Unterhaltsrecht, bei dem u.a. die Bedeutung des konkreten Bedarfs, die Bewertung von Sachbezügen, der Eigenbedarf beim Ausbildungsunterhalt sowie der Betreuungsunterhalt für unverheiratete Eltern behandelt werden sollen. Auch sehr grundsätzliche Überlegungen zum Stellenwert der Düsseldorfer Tabelle und Fragen nach einer Vereinfachung des Unterhaltsrechts werden Gegenstand der Beratungen sein. Im Focus der Praxis steht immer wieder die Rolle von Kindern in familiären Konflikten. Die Themen reichen von Kindern in Patchworkfamilien, die Bedeutung von Kontinuität und Flexibilität bei Sorge und Umgang, die Zusammenarbeit beim Kinderschutz bis zu den Problemen einer Vernachlässigung von Kindern. Darüber hinaus gehören auch dieses Jahr zum Programm der Arbeitskreise wieder Fragen des Versorgungsausgleichs, des Güterrechts, des internationalen Rechts sowie verfahrensrechtliche Probleme. Weitere Informationen zu den Arbeitskreisen finden sich auf der Homepage des DFGT.

Der Deutsche Familiengerichtstag bietet ein interdisziplinäres Forum für alle mit dem Familienrecht befassten Professionen, um in den Arbeitskreisen zu diesen und weiteren Themen Empfehlungen an Rechtsprechung, Rechtsberatung und Gesetzgebung zu erarbeiten. Vollständiges Programm und Anmeldung unter www.dfgt.de, E‑Mail: info@dfgt.de oder Deutscher Familiengerichtstag e.V., c/o HS Bund, Willy-Brandt-Straße 1, 50321 Brühl; Tel.: 02232/929-9116; Fax: 02232/929-9011; Anmeldeschluss ist der 22.8.2019 (Eingang).

Elternunterhalt im Doppelpack (zu BGH v. 20.3.2019 – XII ZB 365/18, FamRB 2019, 212)

Wenn die Eltern beider zusammenlebenden Ehegatten unterhaltsbedürftig werden, stellt sich die Frage, ob die zeitlich zuerst entstehende Unterhaltspflicht gegenüber einem Elternteil aus dem Familienunterhalt zu begleichen, also vorab vom unterhaltspflichtigen Einkommen abzuziehen ist oder aber ob die Grundsätze der Berechnung des Elternunterhalts aus den Entscheidungen BGH v. 28.7.2010 – XII ZR 140/07, FamRZ 2010, 1535 = FamRB 2010, 295 und BGH v. 5.2.2014 – XII ZB 25/13, FamRZ 2014, 538 = FamRB 2014, 123 für die einzelnen unterhaltspflichtigen Kinder isoliert anzuwenden sind.

Der BGH entscheidet konsequent, dass die in der zitierten Entscheidung aufgestellten Berechnungsgrundsätze auch dann Anwendung finden, wenn beide Ehegatten ihren Eltern gegenüber unterhaltspflichtig sind.

Es ist nicht sehr überraschend, dass der BGH das Berechnungsschema zur Ermittlung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit gegenüber den Eltern nicht wechselt, wenn beide Ehegatten ihren jeweiligen Eltern gegenüber unterhaltspflichtig sind. Das Berechnungsmodell des BGH geht davon aus, dass der Familie ein individueller Selbstbehalt zu verbleiben hat, um ihren Lebensstandard zu sichern. Jenseits dessen bedarf es keiner zusätzlichen Einkommensreservation (vgl. schon Hauß, Elternunterhalt: Grundlagen und Strategien, 5. Aufl., Rz. 441).

Da die Berechnung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit von auf Elternunterhalt in Anspruch genommenen Kindern in der Praxis aufwendig ist, bedient man sich in der Praxis sinnvollerweise einer „Rechenhilfe“. Eine solche steht in einer einfachen Variante unter www.famrb.de/Materialien zur Verfügung und wurde nunmehr auch insoweit ergänzt, dass bei verheirateten Kindern die Leistungsfähigkeit beider Ehegatten angezeigt wird.

 

 

 

Der Verfahrensbeistand – ein Verfahrensbeteiligter zum Schutz des Kindes (OLG Brandenburg v. 30.1.2019 – 13 UF 1/19)

Bereits im Jahr 1998 hatte der Gesetzgeber die Möglichkeit der Bestellung eines Verfahrenspflegers eingeführt, um auf diesem Weg dem Kind in einem gerichtlichen Verfahren der elterlichen Sorge oder des Umgangsrechts einen eigenen Interessenvertreter zur Seite zu stellen, in dem Bewusstsein, dass oftmals die Interessen der Eltern und jene des Kindes in diesen Verfahren divergieren können, aber auch, um dem Kind die gebotene Beteiligung am Verfahren zu gewährleisten, wie sie von Art. 12 Abs. 3 der UN- Kinderrechtskonvention gefordert wird. Die Tätigkeit der Verfahrenspfleger hatte sich in den folgenden Jahren positiv entwickelt und wurde von den Beteiligten als adäquates Mittel der Förderung kindeswohlspezifischer Belange erkannt. Im Zuge der Einführung des FamFG wurde daher die Bestellung eines „Anwalts des Kindes“ nicht nur beibehalten, sondern auch einer konkreteren gesetzlichen Regelung in § 158 FamFG – nun unter dem Begriff des Verfahrensbeistands – zugeführt. Rund 10 Jahre nach Inkrafttreten des FamFG zeigt sich jedoch, dass die grundsätzlich zu veranlassende Bestellung eines Verfahrensbeistands, selbst in einem der gesetzlich ausdrücklich normierten Regelbeispiele, längst noch nicht von allen Gerichten verinnerlicht ist. Das OLG Brandenburg hat sich in einer aktuellen Entscheidung mit dieser Thematik befasst und dies zum Anlass genommen, das Ausgangsgericht auf die entsprechenden Obliegenheiten zu verweisen.

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatten die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern sich Ende 2016 getrennt und die Betreuung ihrer 2013 geborenen Tochter seitdem in der Form eines Wechselmodells praktiziert. Anlässlich der geplanten Einschulung des Kindes konnte kein Einvernehmen über die künftig zu besuchende Schule erzielt werden, so dass die Eltern wechselseitig im Wege eines Eilverfahrens die Übertragung des Schulwahlrechts erstrebten, wobei im Fall der Übertragung auf die Mutter die Fortführung des Wechselmodells nicht mehr gewährleistet gewesen wäre, folgend aus einer praktisch dann zu veranlassenden täglichen Fahrtzeit von 4 Stunden von der Schule zur Mutter.

Das Ausgangsgericht hatte ohne Anhörung des Kindes und ohne Bestellung eines Verfahrensbeistands das Recht der Schulwahl der Mutter übertragen. Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde des Vaters hat der Senat die Entscheidung aufgehoben und zurückverwiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat er dargelegt, dass auch in einem Eilverfahren grundsätzlich die Bestellung eines Verfahrensbeistands zu prüfen sei, was insbesondere dann gelte, wenn ein zuvor geregeltes Wechselmodell durch gerichtliche Entscheidung beendet und das Kind in die Obhut nur noch eines Elternteils gegeben werden solle. Werde im konkreten Fall das Schulwahlrecht auf die Mutter übertragen, so sei dadurch die Aufrechterhaltung des Wechselmodells nachhaltig gefährdet. Die Situation des Kindes sei derzeit aber durch ein bereits dauerhaft gelebtes Wechselmodell geprägt mit erheblichen Anhaltspunkten für eine gleichstarke Bindung des Kindes zu beiden Eltern. Die Aufhebung des Wechselmodells durch die zu treffende Eilentscheidung berge damit die Gefahr vermeidbarer Rupturen in dem Beziehungsgefüge des Kinde, das wiederherzustellen sei, wenn in der Hauptsache eine wechselmodellverträgliche Schulwahl dem Vater zugeordnet werde.

Ob in einer Kindschaftssache i.S.d. § 151 FamFG ein Verfahrensbeistand zu bestellen ist, beurteilt sich am Kindeswohl und damit an der Frage, ob es der Bestellung  zur Wahrung der Kindesinteressen bedarf. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn zu befürchten ist, dass die Elterninteressen zu denen des Kindes in Konflikt geraten können. Es genügt allein diese Möglichkeit, so dass es weder eines bereits bestehenden Interessengegensatzes bedarf noch dessen sicherer Vorhersehbarkeit. Erfordert damit die Wahrnehmung des Kindesinteresses die Bestellung eines Verfahrensbeistands, so reduziert sich entsprechend das tatrichterliche Ermessen.

Eine weitergehende Orientierungshilfe bieten die in § 158 Abs. 2 FamFG aufgelisteten Beispiele, bei deren Vorliegen dann auch in der Regel die Bestellung des Verfahrensbeistands erforderlich ist. Neben dem grundlegenden Interessengegensatz zwischen Eltern und Kind ist daher insbesondere in Verfahren nach § 1666 BGB, in Fällen der möglichen räumlichen Trennung des Kindes von seiner Obhutsperson, der Herausgabe des Kindes bzw. dessen Verbleibens und letztlich in Fällen der wesentlichen Umgangsbeschränkung die Bestellung eines Verfahrensbeistands zu veranlassen und zwar so früh wie möglich. Liegt eines dieser Regelbeispiele vor und möchte das Gericht gleichwohl von der Bestellung eines Verfahrensbeistands Abstand nehmen, so muss dies in der Endentscheidung ausdrücklich begründet werden. Hierbei obliegt es dem Gericht, sich nicht nur mit dem möglicherweise in Betracht kommenden Regelbeispiel auseinanderzusetzen, sondern auch dezidiert die Gründe darzulegen, aus denen folgend gleichwohl von der Bestellung Abstand genommen wurde.

Gerade auch mit Blick auf den für Kindschaftssachen geltenden Grundsatz des Vorrang- und Beschleunigungsgebots liegt es im Interesse der Verfahrensbeteiligten selbst zu prüfen, ob im jeweiligen Einzelfall die Bestellung eines Verfahrensbeistands angezeigt ist, um so zu verhindern, dass spätestens in der Beschwerdeinstanz eine Zurückverweisung erfolgt, da die mangelnde Bestellung einen wesentlichen Verfahrensverstoß darstellt. Ebenso sollte von den Gerichten auf eine fachliche Eignung des bestellten Verfahrensbeistands geachtet werden, um einem späteren Ablehnungsantrag entgegen zu wirken. Ggf. kann es angezeigt sein, den Beteiligten bereits frühzeitig – mit entsprechend kurzer Frist zur Stellungnahme – mitzuteilen, wer zum Verfahrensbeistand bestellt werden soll.

Kein Zwang zur Beratung (KG v. 30.1.2019 – 13 UF 161/18)

Kindschaftsrechtliche Verfahren werden häufig nicht nur durch fehlerhafte rechtliche Vorstellungen von Eltern bestimmt, sondern auch durch eine mangelnde Kommunikation bzw. Kommunikationsfähigkeit zwischen ihnen. Nicht selten werden diese Probleme in einem gerichtlichen Verfahren offengelegt und Eltern zeigen sich bereit – vor allem im Interesse des Kindes -, diese Defizite unter fachlicher Hilfe anzugehen, so dass ggf. die Verfahren mit der erklärten Bereitschaft der Eltern zur Inanspruchnahme angebotener Beratungsmöglichkeiten beendet werden können. Gleichwohl bleibt aber ein bestimmter Anteil von Verfahren, in denen die Eltern sukzessive in eine Hochkonflikthaftigkeit geraten sind, die jeder vergleichsweisen Regelung entgegensteht. Mit der Frage, ob in einer solchen Konstellation dann auch durch gerichtliche Entscheidung die Inanspruchnahme einer Beratung verpflichtend auferlegt werden kann, hat sich aktuell das KG befasst.

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatten die Eltern ursprünglich bezüglich ihrer gemeinsamen Tochter ein Wechselmodell praktiziert. Aufgrund zunehmender dysfunktionaler Elternkommunikation und einer misstrauischen Grundhaltung beider Elternteile wurde dieses Betreuungsmodell beendet und dem Vater auf seinen Antrag das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Tochter übertragen. Bezüglich der Umgangskontakte der Mutter in den Ferien und an den Feiertagen konnte zwischen den Eltern keine Regelung gefunden werden. Das angerufene Familiengericht hat in seinem Beschluss nicht nur eine Umgangsregelung getroffen, sondern auch angeordnet, dass beide Elternteile jeweils an einem Kurs „Kind im Blick“, einem ähnlichen Kurs oder einer Beratung teilnehmen, darauf gerichtet, sie zu lehren, den Kontakt zum anderen Elternteil im Sinne des Kindes zu gestalten, und über die Teilnahme dem Gericht einen schriftlichen Nachweis vorlegen.

Auf die Beschwerde des Vaters gegen die Anordnung zur Inanspruchnahme der Beratung hat das KG die Anordnung ersatzlos aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass für die angeordnete Verpflichtung zu einer Kursteilnahme keine gesetzliche Grundlage bestehe. Werde durch gerichtliche Entscheidung eine Anordnung getroffen, die der Umsetzung der Loyalitätsverpflichtung gem. § 1684 Abs. 2 BGB dienen soll, so könne diese Anordnung allein auf § 1684 Abs. 3 Satz 2 BGB gestützt werden. Eine solche Anordnung, die zwingend in das Persönlichkeitsrecht der Eltern eingreife, sei nicht mit Zwangsmitteln durchsetzbar. Auch wenn das bei einer bloßen Beratungsauflage nicht in Rede stehe, dürften die Eltern aber nicht zu einer Therapie verpflichtet werden, selbst wenn dies der Schlüssel zu einer nachhaltigen, im Interesse des Kindes erforderlichen Verhaltensänderung sei. Im konkreten Fall habe nicht nur der Vater durchgängig zum Ausdruck gebracht, dass er eine solche Beratung ablehne, sondern auch das Jugendamt den Besuch des Kurses nicht für ein geeignetes Setting erachtet, um den eskalierten Elternkonflikt zu bearbeiten.

Nach § 18 Abs. 3 Satz 3 BGB haben sowohl Eltern als auch andere Umgangsberechtigte bzw. Personen, in deren Obhut sich eine Kind befindet, einen ausdrücklichen Anspruch auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts. Diese Beratung kann bei einem Träger der Jugendhilfe, d.h. insbesondere bei einem Jugendamt oder einem sonstigen freien Träger in Anspruch genommen werden. Folgend daraus, dass diese Beratung und Unterstützung ausdrücklich als Anspruch auf eine staatliche Leistung ausgestaltet ist, wird in der Rechtsprechung gleichermaßen abgeleitet, dass im Umkehrschluss ein Elternteil dann aber gerade auch nicht gegen seinen Willen zu der Inanspruchnahme einer solchen Beratung verpflichtet werden kann, zumal die Ausgestaltung der Loyalitätsverpflichtung in § 1684 Abs. 2 BGB als Unterlassungspflicht formuliert ist und nicht als Handlungspflicht. Darüber hinausgehend hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung durchgängig klargestellt, dass einem Elternteil zwar aufgegeben werden kann, eine Therapie für ein Kind aufzunehmen bzw. eine bereits begonnene Therapie fortzuführen. Davon abzugrenzen ist allerdings die Therapieverpflichtung des Elternteils selbst. Eine solche ist mangels rechtlicher Grundlage nicht zulässig.

Das KG hat in seiner Entscheidung eine bestehende einheitliche obergerichtliche Rechtsprechung zur Inanspruchnahme von Beratungen fortgeführt, allerdings zutreffend ebenso nachhaltig an die Eltern appelliert, sich zu vergegenwärtigen, dass die Inanspruchnahme der Beratung letztlich vor allem im Interesse des Kindes liegt, d.h. gerade hochkonflikthafte elterliche Beziehungen massiven Einfluss auf die spätere Lebensführung des Kindes haben und zu erheblichen psychischen Belastungen führen können. Dieser Appell des KG kann nur unterstützt werden, da leider Eltern noch zu selten in ihren Auseinandersetzungen erkennen können, dass ihr vermeintlich am Kindeswohl orientiertes Verhalten in der Regel tatsächlich mit dem Kindeswohl nicht in Einklang zu bringen ist.

Beweislastumkehr bei Verletzung der ehevertraglichen Pflicht zur Erstellung und Fortführung eines Vermögensverzeichnisses

Eheverträge, in denen nur bestimmte Vermögensgegenstände (z.B. Betriebsvermögen/Grundstücke) aus der Zugewinngemeinschaft ausgenommen werden, sind häufig. Allerdings bereiten diese Verträge in der Praxis insbesondere für den Ausgleichsberechtigten Schwierigkeiten. So behauptet der Ausgleichsverpflichtete häufig, der von ihm erzielte Zugewinn sei nur deshalb so niedrig, weil er berechtigterweise Aufwendungen (Investitionen/Instandhaltungskosten) auf die Vermögensgegenstände gemacht habe, die aus dem Zugewinn ausgenommen sind. Besonders problematisch ist daran, dass dem ausgleichsberechtigten Ehegatten bzgl. dieser Investitionen nur dann ein Auskunftsanspruch zusteht, wenn er konkrete Anhaltspunkte für den Verdacht vorträgt, dass hier illoyale Vermögensverschiebungen stattgefunden haben (BGH v. 15.8.2012 – XII ZR 80/11, FamRZ 2012, 1785). Solche Anhaltspunkte hat der ausgleichsberechtigte Ehegatte aber mangels entsprechenden Auskunftsanspruchs häufig nicht.  

Zumindest im Rahmen derjenigen Eheverträge, die eine Verpflichtung der Ehegatten vorsehen, ein Vermögensverzeichnis bzgl. derjenigen Vermögensgegenstände, die aus dem Zugewinnausgleich ausgenommen sind, zu erstellen und fortzuführen, bietet sich aber für den Ausgleichsberechtigten möglicherweise ein Ausweg, der dem Ausgleichsverpflichteten regelmäßig äußerst weh tun dürfte. So kann zwar – jedenfalls nach Auffassung des OLG Hamm (OLG Hamm v. 2.8.2018 – V-1 AR 24/17, nicht veröffentlicht) – nach dem Scheitern der Ehe die Vorlage eines solchen Verzeichnisses nicht mehr rückwirkend verlangt werden, die Verletzung der Verpflichtung zur Erstellung und Fortführung eines Vermögensverzeichnisses bzgl. der aus dem Zugewinn ausgenommenen Vermögensgegenstände dürfte aber immerhin zu einer Beweislastumkehr bzgl. der Verwendung der während der Ehe insgesamt erzielten Einnahmen führen. Der ausgleichsberechtigte Ehegatte muss also in solchen Fällen „nur noch“ die während der Ehe insgesamt erzielten Nettoeinnahmen des anderen Ehegatten abzgl. der Lebenshaltungskosten darlegen. Ist der erzielte Zugewinn niedriger als der Differenzbetrag, ist so lange von einer illoyalen Vermögensverfügung auszugehen, wie der ausgleichsberechtigte Ehegatte nicht darlegt und beweist, dass er die „verschwundenen“ Gelder berechtigterweise auf die Vermögensgegenstände aufgewandt hat, die aus dem Zugewinn ausgenommen wurden.  

Fazit: Zumindest in Fällen von Eheverträgen, die eine Verpflichtung zur Erstellung und Fortführung eines Vermögensverzeichnisses bzgl. derjenigen Gegenstände, die aus dem Zugewinnausgleich ausgenommen sind, vorsehen, sollte derjenige Rechtsberater, der den ausgleichsberechtigten Ehegatten vertritt, nicht vorschnell aufgeben, wenn der Mandant keine konkreten Anhaltspunkte für illoyale Vermögensverschiebungen darlegen kann, die über das bloße „Verschwinden“ von Geldern hinausgehen. Zwar besteht auch in diesen Fällen keine umfassende Auskunftsverpflichtung des ausgleichsverpflichteten Ehegatten, immerhin dürfte sich aus der Verletzung dieser Verpflichtung aber eine Beweislastumkehr zugunsten des ausgleichsberechtigten Ehegatten ergeben. Bei der Gestaltung von Eheverträgen bzw. der Prüfung notarieller Entwürfe sollte der voraussichtlich ausgleichsberechtigte Ehegatte darauf achten, dass die Verpflichtung zur Erstellung und Fortführung eines Vermögensverzeichnisses bzgl. derjenigen Gegenstände, die aus dem Zugewinnausgleich ausgenommen werden, in den Vertrag Eingang findet. Der voraussichtlich ausgleichsverpflichtete Ehegatte sollte hingegen möglichst dafür sorgen, dass die Verpflichtung gestrichen wird. Ist dies nicht durchsetzbar, ist er zumindest eindringlich und nachweisbar auf die mögliche Beweislastumkehr hinzuweisen, die sich aus einer Vernachlässigung dieser Verpflichtung ergeben kann.

Auf Tuchfühlung mit „Emma“ beim 10. Seniorenrechtstag in Berlin

Am 9. und 10. Mai feiert der Seniorenrechtstag ein kleines Jubiläum – die Kooperationsveranstaltung der ARGE Sozialrecht und der DeutschenAnwaltAkademie findet in diesem Jahr bereits zum 10. Mal statt. Als besonderes Highlight bekommt die Veranstaltung zum Einstieg Besuch aus der Zukunft: Am Donnerstagabend ist u. a. die Gentrorobotik Thema. In diesem Zuge wird der Roboter „Emma“ vorgestellt – in Kleingruppen kann sogar auf Tuchfühlung gegangen werden.

Ein abwechslungsreiches Vortragsprogramm bietet auch der Freitag. Neben Referierenden aus dem rechtlichen Bereich wird es auch ein Grußwort von Monika Paulat geben, der Präsidentin des Deutschen Sozialgerichtstages. Außerdem freuen wir uns über einen spannenden Vortrag zum Thema „Der alte Mensch und das Strafrecht“, den Kriminaloberkommissarin des LKA Berlin Annett Mau halten wird.

Weitere Informationen finden Sie hier.

Religion und Familienrecht? Ein aktuelles Thema? (angeregt durch die Diskussion auf dem 14. Symposium für Europäisches Familienrecht v. 14. bis 16.3.2019 in Regensburg)

Nach 14 Länderberichten war man sich einig: Das europäische Familienrecht ist weitgehend säkularisiert. Zwar finden sich in fast allen europäischen familienrechtlichen Kodifikationen noch Spurenelement kirchlichen Rechts, diese ausfindig zu machen ist aber etwas für Professor Börne aus dem Tatort Münster.

Doch warum kann eine Ehe vor dem Standesbeamten geschlossen werden, ist aber immer noch in den meisten Ländern vom Richter zu scheiden? Warum verlangt der Gesetzgeber in den meisten Staaten einen Scheidungsgrund, wenn ein Ehegrund nicht erhoben wird, und der deutsche Gesetzgeber von den Ehegatten ein Trennungsjahr?

Das heutige Ehe- und Scheidungsrecht ist der Nukleus des Kulturkampfes der weltlichen gegen die kirchliche Macht mit ihrem sakramentalen Eheverständnis. Dieses Eheverständnis war vom Mittelalter bis in die frühe Neuzeit ein wirkliches Erfolgsmodell, sicherte es doch zunächst der Kirche mit rigider Sexualmoral und dem Verbot der Verheiratung unterschiedlicher Glaubensangehörigen und später den aufkommenden Nationalstaaten den Nachwuchs und dessen Erziehung, den legislativ entrechteten Frauen Unterhalt und dem (meist) väterlichen Vermögen eine gesicherte Erbnachfolge. Dies wurde flankiert von der Strafbarkeit des Ehebruchs, für Frauen oft weit strenger und mit dem Tode geahndet als für Männer, und dem Verbot außerehelichen Geschlechtsverkehrs.

War die Ehe im römischen Recht noch ein privater Vertrag der Ehegatten, wurde sie im Mittelalter sakramental aufgeladen und unauflösbar. Das ist europäisches Kulturgut geworden, auch wenn die religiösen Elemente des Ehe- und Familienrechts nur noch wie ein kaum wahrnehmbarer Basso Continuo schwingen. Warum sonst hätten wir uns nicht schon längst von § 1353 Abs. 1 BGB emanzipiert, wonach die Ehe auf Lebenszeit geschlossen wird. Wissen wir doch um die Unhaltbarkeit dieses Versprechens. Niemand lässt sich heute nicht scheiden, weil er die Ehe lebenslänglich versprochen hat. Wenn die Rechtsordnung dazu dient, die Bürger mit dem Staat zu versöhnen, müsste dieser doch ein Eherecht schaffen, das es dem Bürger leicht macht, eine missraten gewordene Beziehung aufzugeben. Und wenn wir schon beim Grundsätzlichen sind: Wenn es richtig ist, dass die Ehe durch übereinstimmende Willenserklärung der Heiratenden zustande kommt, die sich versprechen, in der Ehe füreinander zu sorgen, kann man dieses Versprechen doch nicht auf die Zeit nach deren Beendigung ausdehnen.

Es wäre zu diskutieren, mit welchem Recht der Staat für das privateste aller Verhältnisse, nämlich die intime Bindung zweier Menschen ein so opulentes Regelwerk für dessen Beendigung vorhält. Die legislative Entrechtung eines Ehegatten (meist der Frau) durch die Ehe ist Rechtsgeschichte. Die verbliebene gesellschaftliche Diskriminierung von kindererziehenden und haushaltführenden Ehegatten hat mit Kindern und Haushalt etwas zu tun, nicht aber mit der Ehe. Kinder werden auch außerhalb einer Ehe gezeugt, geboren und erzogen[1] und Haushalte auch von Nichtverheirateten geführt, weil das unverheiratete Zusammenleben nicht mehr verboten ist.

Insoweit ist es vielleicht konsequent, wenn die Spanier beiden Ehegatten nach dreimonatiger Ehe den ‚talaq‘ der Notarscheidung anbieten und Slovenen und Kroaten die verfestigte nichteheliche Lebensgemeinschaft nach unterschiedlichen zeitlichen und personalen Voraussetzungen den güterrechtlichen Regelungen der Ehe unterwerfen. Allen Freigeistern zur Beruhigung: Die Lebensgefährten können den Opt-Out wählen. Wir sollten also keine Angst davor haben, die Ehe zu privatisieren. Es täte den Bürgern vielleicht sogar gut.

[1] In Deutschland werden heute schon mehr als 35 % der Kinder nicht mehr in einer Ehe geboren, in Frankreich sind es 64 %.

Das große Schweigen – Gibt es eine Krise berufsständischer Versorgungssysteme?

Der Wert einer Versorgung wird maßgeblich durch deren Höhe und Dynamik bestimmt. Deshalb ist gut beraten, wer im Versorgungsausgleich sich nicht nur nach der Versorgungshöhe erkundigt, sondern auch deren Entwicklung in Anwartschafts- und Leistungsphase betrachtet. Nur dadurch gewinnt man ein realistisches Bild vom Wert einer Versorgung. Ihr Kapitalwert gibt darüber nur unzureichend Auskunft.

In dem bis zum 31.8.2009 geltenden Versorgungsausgleichsrecht galt der Grundsatz, die öffentlich-rechtlichen Grundversorgungen, gesetzliche Rentenversicherung, Beamtenversorgung und die berufsständischen Versorgungen seien äquidynamisch und daher miteinander ohne Umrechnung saldier- und bilanzierbar. Dieser Narrativ hält sich beharrlich auch im neuen Versorgungsausgleichsrecht und wird von den Trägern der berufsständischen Versorgungssysteme und dem faktenlosen Vorverständnis der Berufsträger genährt. Wer wollte den ersten Stein werfen und eine Krise der berufsständischen Versorgungssysteme ausrufen? Stattdessen wird von den Versicherten dieser Versorgungssysteme eitler Dünkel gepflegt, die berufsständischen seien ‚besser‘ als die gesetzlichen Versorgungssysteme.

Wer darangeht, die Fakten dieses Vorverständnisses zu prüfen, reibt sich verwundert die Augen. Einzelne Stichproben ergeben ein desaströses Bild: Die Renten- und Anwartschaftsdynamik der berufsständischen Versorgungssysteme scheint flächendeckend weit hinter der Dynamik der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung zurückzubleiben.

Das ist nicht verwunderlich, versichern diese Systeme doch gut ausgebildete Gutverdiener, die eine deutlich höhere Lebenserwartung als im Bevölkerungsdurchschnitt haben. Außerdem handelt es sich bei diesen Versorgungssystemen um stark kapitalgedeckte Versorgungen, deren Rendite und damit Leistungsfähigkeit unter der bisher lang anhaltenden Kapitalmarktschwäche, deren Ende nicht absehbar ist, leidet.

Um nun für Vergleiche im Versorgungsausgleich eine belastbare Grundlage zu schaffen, habe ich 90 öffentlich-rechtliche Versorgungsträger angeschrieben und gebeten, mir für eine Publikation die Dynamisierungswerte der letzten zehn Jahre zur Verfügung zu stellen. Man könnte erwarten, dass öffentlich-rechtliche Versorgungen ein solches Anliegen erfüllen, sind sie doch zur Publikation verpflichtet. Weit gefehlt. Fünf Versorgungen haben geantwortet und Daten zur Verfügung gestellt. 85 halten von Transparenz offenbar nicht viel. Einige bekennen sich offen und schriftlich zu dieser geheimnistuerischen Intransparenz.

Die Konsequenz dieses Publizitätsboykotts ist lästig. Ich muss nun hunderte Geschäftsberichte durchsehen, um die Daten zu ermitteln. Ich kann aber vorab schon eines feststellen: es gibt eine Krise der berufsständischen Versorgungen. Der bisher von mir ermittelte Spitzenreiter dynamisiert Anwartschaften und Leistungen in den letzten 10 Jahren mit ca. 0,74 % pro Jahr. Die Deutsche Rentenversicherung schafft immerhin 1,94 % und vermeidet damit wenigstens einen Kaufkraftverlust.

Sicher ist richtig, dass etliche ‚Berufsständische‘ durch Magerjahre ihre Gesundung einleiten (Heilfasten). Das kann aber weder die derzeitigen noch die zukünftigen Versorgungsbezieher beruhigen, weil eine Schwäche der Anwartschaftsdynamik über einen langen Zeitraum zu einer Schwäche der späteren Versorgungen führt und beim besten Willen nicht erkennbar ist, wie sich diese schleichende Devaluisierung ins Positive verkehren soll.

Diese Schwäche der ‚Berufsständischen‘ ist kein Skandal. Skandalös ist, dass die Situation nicht offen kommuniziert wird und dass deshalb im Versorgungsausgleich munter eine Saldierung berufsständischer Versorgungen gegen gesetzliche Versorgungen unternommen wird, weil der Berufsträger von der Qualität und Leistungsfähigkeit seiner Versorgung so überzeugt ist, dass er deren Strukturprobleme ignoriert. Diese kann man beheben, wenn man darüber spricht und Änderungen einleitet. Auch politisch könnte geholfen werden. Wenn man aber die eigene Leistungsschwäche als despektierlich empfindet und verschweigt, wird man eine Änderung nicht herbeiführen.

Für den Versorgungsausgleich kann nur vor saldierenden Vergleichen auf Renten- oder Kapitalbasis von berufsständischen und gesetzlichen Versorgungen gewarnt werden. Es wäre zu begrüßen, wenn die Träger der berufsständischen Versorgungen aktiv dazu beitrügen, derartige ihre Versicherten benachteiligende Vergleiche dadurch zu verhindern, dass sie ihre Leistungen offen publizieren. Bei der gesetzlichen Rente erkennt man die Dynamisierung auf den ersten Blick an dem omnipräsenten aktuellen Rentenwert. Schön wäre es, die Berufsständischen würden auf ihren Internetseiten ebenso offen nachziehen.

Auch Auswandern will gelernt sein (OLG Brandenburg v. 6.11.2018 – 13 UF 174/17)

Eine zunehmende gesellschaftliche Mobilität hinterlässt auch in familiengerichtlichen Verfahren ihre Spuren. Nach der Trennung von Eltern kommt es immer häufiger dazu, dass ein Elternteil – sei es aus privaten oder beruflichen Gründen – seinen Wohnort verlegen muss. Insbesondere wenn aus der Ehe oder Beziehung hervorgegangene Kinder im Haushalt dieses Elternteils leben, hat eine örtliche Veränderung nicht nur Auswirkungen auf die Frage, wie künftig Umgangskontakte mit dem jeweils anderen Elternteil sichergestellt werden können. Im schlechtesten Fall kann ein solcher Ortswechsel zum völligen Abbruch persönlicher Kontakte führen. Familiengerichtliche Verfahren, in denen es um die Auswanderung eines Elternteils geht, bedürfen daher einer besonders intensiven Bewertung der Belange aller Beteiligten.

Das OLG Brandenburg hat sich in seinem Beschluss vom 6.11.2018 sowohl mit der Problematik des beabsichtigten Umzugs eines Elternteils samt Kind ins Ausland als auch der in diesen Fällen notwendigen Entscheidung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht auseinandergesetzt: Bezüglich des gemeinsamen 2005 geborenen Kindes erstrebten die geschiedenen Eltern wechselseitig die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, wobei der Vater eine Auswanderung nach Andorra beabsichtigte und die Tochter auf ihren Wunsch dorthin mitnehmen wollte.

Der Senat hat die erstinstanzliche Entscheidung, durch die der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen wurde, bestätigt. In seiner Entscheidung ging das OLG davon aus, dass eine Fortführung der gemeinsamen Sorge nicht möglich war. Im Rahmen der sodann zu treffenden Entscheidung über den künftigen Aufenthalt des Kindes hat der Senat die Kindeswohlkriterien abgewogen und unter Heranziehung des Kontinuitätsgrundsatzes sich für einen Verbleib des Kindes in seinem bisherigen Umfeld ausgesprochen, da dort die Beziehungen zu den zwischenzeitlich volljährigen Geschwistern ebenso gewährleistet waren, wie die Aufrechterhaltung der engeren Bindung zur Mutter. Eine seitens des Vaters vorgetragene Alkoholabhängigkeit der Mutter konnte im Rahmen einer sachverständigen Bewertung nicht bestätigt werden. Entscheidungsrelevant war zudem jedoch für den Senat die Tatsache, dass bei dem Vater ökonomische Mindeststandards nicht gewährleistet waren, d.h. er weder seinen Unterhaltspflichten nachgekommen noch zur Zahlung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss in der Lage war. Trotz Hinweises des Senats hatte er sich nicht zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen erklärt. Einen angekündigten Arbeitsvertrag hatte er nicht vorgelegt. Zudem war sein Sachvortrag widersprüchlich, soweit er einerseits vortrug, Eigentümer einer Immobilie in Andorra zu sein, gleichzeitig jedoch einen dort bestehenden Mietvertrag behauptete.

Die Entscheidung des OLG Brandenburg stimmt mit den in der Rechtsprechung des BGH entwickelten Kriterien zur Kindeswohlprüfung im Fall der beabsichtigten Auswanderung eines Elternteils überein. In seiner Grundsatzentscheidung vom 28.04.2010 hat der BGH betont, dass zentraler Maßstab der gerichtlichen Entscheidung das Kindeswohl ist (BGH v. 28.4.2010 – XII ZB 81/09, FamRZ 2010, 1060 = FamRBint 2010, 51). Zwar hat das Gericht auch die sich gegenüberstehenden jeweiligen Elternrechte in seine Entscheidung einzubeziehen, doch richtet sich letztlich die zutreffende Entscheidung allein daran aus, wie sich eine Auswanderung letztlich auf das Kindeswohl auswirkt. Es bedarf einer sorgfältigen Prüfung zu den persönlichen Umständen des Kindes, in die etwa seine Resilienz mit Blick auf die notwendigen Anpassungsprozesse im Fall einer Auswanderung ebenso einzubeziehen sind, wie die Tatsache, dass das Kind durch die Auswanderung möglicherweise einen Elternteil nicht mehr so häufig sieht oder gar für den Fall, dass das Gericht eine Auswanderung des Kindes untersagt, es seine bisherige Hauptbezugsperson verliert. Bei der Bewertung des Kindeswohls hat selbstredend auch der Kindeswille in die Abwägung einzufließen. Zentrales Prüfungskriterium ist in diesem Kontext aber die Frage, ob der Kindeswille im konkreten Fall auch mit dem Kindeswohl vereinbar ist.