Kein Verlust sorgerechtlicher Kompetenzen allein aufgrund religiöser Zugehörigkeit (KG v. 5.9.2022 – 16 UF 64/22)

Der Umsetzung medizinischer Maßnahmen für ein Kind können, aus der Religionszugehörigkeit eines oder beider Elternteile folgend, Hindernisse entgegenstehen, etwa die Verweigerung auch medizinisch indizierter Bluttransfusionen. Gehört ein Elternteil jedoch der jeweils verweigernden Religionsgemeinschaft nicht an, so kann sich die Frage ergeben, ob das Kindeswohl die Übertragung der elterlichen Sorge – zumindest in Teilbereichen – auf diesen Elternteil erfordert, um im Notfall ein unverzügliches Handeln zu gewährleisten. Mit einem entsprechenden Sachverhalt hat sich das KG befasst.

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt beantragte der Vater des 2009 geborenen Kindes die Übertragung der alleinigen Entscheidungsbefugnis zur Vornahme einer Bluttransfusion bzw. zu Operationen, für die eine Bluttransfusion erforderlich sein könnte unter Verweis auf die Zugehörigkeit der Mutter zu den Zeugen Jehovas und deren Ablehnung entsprechender Behandlungen. Gegen die Entscheidung des Ausgangsgerichts, durch die dem Vater antragsgemäß die Entscheidungsbefugnis übertragen wurde, legte die Mutter Beschwerde ein. Der Senat hat die Ausgangsentscheidung abgeändert und den Antrag des Vaters zurückgewiesen.

Zur Begründung hat er ausgeführt, dass der Antrag nicht auf § 1628 Satz 1 BGB gestützt werden könne, da es sich bei der beantragten Entscheidung nicht um eine einzelne Angelegenheit oder bestimmte Angelegenheit der elterlichen Sorge handele. Auch die Übertragung dieses Teilbereichs der elterlichen Sorge nach § 1671 BGB sei nicht gerechtfertigt, da es ansonsten der Mutter verwehrt werde, bei schwerwiegenden Erkrankungen des Kindes, in eigener Verantwortung, unter Berücksichtigung des Kindeswillens und im gegenseitigen Einvernehmen mit dem Vater, zum Wohl des Kindes die beste medizinische Behandlung auszuwählen. Allein aus ihrer derzeit ablehnenden Haltung könne nicht geschlossen werden, dass sie sich, sollte ein Rückgriff auf von ihr akzeptierte alternative Behandlungsmethoden nicht möglich oder nicht hinreichend erfolgversprechend sein, auf Kosten der Gesundheit oder das Leben ihres Kindes gleichwohl gegen eine Transfusion entschieden werde. Im Notfall würden sich die behandelnden Ärzte zudem am mutmaßlichen Willen des Patienten bzw. seiner Eltern orientieren. Sei dieser Wille nicht zweifelsfrei zu ermitteln, so werde vermutet, dass eine erforderliche Transfusion im wohlverstandenen Interesse des Patienten liege. Selbst soweit im Notfall nur die Mutter als allein vertretungsberechtigte Person vorhanden wäre und die Transfusion verweigere, bedürfe es vorab einer gerichtlichen Entscheidung gem. § 1666 BGB, da eine missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge im Raum stehe. Verbleibe keine Zeit für die gerichtliche Entscheidung, so liege ein Notfall vor, in dem der Arzt verpflichtet sei, das Leben und die Gesundheit des Kindes durch medizinisch notwendige Maßnahmen zu schützen.

In seiner Entscheidung richtet das KG den Blick auf die für die Praxis bedeutsame Differenzierung zwischen den Anwendungsbereichen des § 1628 BGB sowie des § 1671 BGB. Gerade soweit lediglich nur Teilbereiche der elterlichen Sorge im Streit sind, werden häufig die jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht ausreichend beachtet.

§ 1628 BGB Norm findet ausschließlich im Zusammenhang mit konkret situativen Entscheidungen Anwendung, d.h., wenn die Eltern zu einer spezifischen Einzelangelegenheit, die für das Kind von wesentlicher Bedeutung ist, kein Einvernehmen erzielen können. Derart „punktuell-sachbezogene Konflikte“ können sich etwa auf den Besuch einer bestimmten Schule oder die Durchführung eines konkreten medizinischen Eingriffs richten. Das Gericht überträgt sodann die Entscheidungskompetenz zu der konkreten Angelegenheit jenem Elternteil, dessen Vorschlag dem Kindeswohl am besten entspricht, ohne dass im Übrigen jedoch in das Recht der elterlichen Sorge eingegriffen wird, d.h., das Gericht ist nicht zu einer eigenen Sachentscheidung befugt.

Davon abzugrenzen ist die auf § 1671 BGB gestützte Übertragung eines Teilbereichs der elterlichen Sorge, d.h. etwa die Entscheidungsbefugnis zu schulischen Angelegenheiten in ihrer Gesamtheit oder der gesamten medizinischen Versorgung des Kindes. Hier intendiert die gerichtliche Entscheidung zwingend einen Eingriff in das Recht der elterlichen Sorge, d.h., auf der Grundlage der nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB durchzuführenden doppelten Kindeswohlprüfung weist das Gericht in seiner Entscheidung den beantragten Teilbereich der Sorge einem Elternteil zur Ausübung zu, so dass dieser Elternteil künftig in diesem Teilbereich zu allen Einzelfragen allein entscheidungsbefugt ist.

Ein auf § 1671 BGB gestützter Antrag enthält daher immer als „Minus“ auch einen Antrag nach § 1628 BGB, so dass auch eine Umdeutung möglich ist.

Keine Auskunft bei kindeswohlabträglichen Motiven (OLG Bamberg v. 14.3.2021 – 2 UF 29/22)

Ein Elternteil, der nicht unmittelbar die Obhut über ein Kind ausübt, kann in seinen Möglichkeiten der Informationserlangung zur Entwicklung des Kindes eingeschränkt sein, etwa folgend aus einer großen räumlichen Distanz, die einer engen Umgangstaktung entgegensteht, aber auch aus einer tatsächlichen Kontakteinschränkung bis hin zum Umgangsausschluss. Gleichwohl soll dieser Elternteil grundsätzlich die Möglichkeit haben, sich durch Auskünfte des Obhutselternteils über die Entwicklung des Kindes zu informieren und somit zumindest indirekt am Leben des Kindes teilzuhaben. Zwingende Voraussetzung dieses Auskunftsanspruchs nach § 1686 BGB bzw. § 1686a BGB ist jedoch, dass der Anspruch dem Kindeswohl nicht widerspricht. Mit einem – vor allem für die unmittelbar betroffenen Kinder – sehr tragischen Sachverhalt hat sich das OLG Bamberg in einer aktuellen Entscheidung befasst.

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt war der Antragsteller rechtskräftig zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern – auch zu Lasten seiner damals noch minderjährigen, mittlerweile volljährigen dritten Tochter – sowie wegen der Verbreitung, des Erwerbs und Besitzes kinderpornographischer Schriften verurteilt worden. Ihm war u.a. die strafbewehrte Weisung erteilt worden, zu seinen Töchtern – von denen zwei noch minderjährig waren (geb. 2004 und 2007) – sowie seiner geschiedenen Ehefrau keinen Kontakt aufzunehmen. Ein von ihm geltend gemachter Auskunftsanspruch, gerichtet auf die Vorlage aktueller Bilder sowie der Zeugnisse der letzten fünf Jahre seiner Töchter wurde zurückgewiesen. Die von ihm eingelegte Beschwerde blieb erfolglos.

Es ist nach dem Senat bereits zweifelhaft, ob ein berechtigtes Interesse an einer Auskunftserteilung gegeben ist, da das Auskunftsbegehren in den Hintergrund getreten scheint und der Antragsteller mit seinem Begehren vielmehr die Aufhebung bestehender Kontaktverbote und die Rückkehr zur Familie geltend macht. Das Vorliegen eines berechtigten Interesses zum Erhalt der beantragten Auskünfte konnte letztlich dahinstehen. Zur Begründung der Ablehnung eines Auskunftsanspruchs hat der Senat insb. ausgeführt, dass im Rahmen der durchzuführenden Kindeswohlprüfung der Kindeswille besondere Bedeutung habe. Dies gelte unter dem Aspekt der Selbstbestimmung vor allem bei Jugendlichen. Im konkreten Fall hätten sich beide Töchter gegen die Erteilung von Auskünften ausgesprochen. Beide wünschten nicht, dass der Antragsteller Fotos oder sonstige persönliche Informationen von ihnen erhalte, da sie selbst von dessen Taten, d.h. der Fertigung einer kinderpornographischen Bilddatei, betroffen gewesen seien. Auch könnte der Antragsteller anhand der Angaben in den Schulzeugnissen den Schulort erfahren und dort möglicherweise ein Zusammentreffen herbeiführen. Dieser Wille der Töchter sei anhand der familiären Vorgeschichte verständlich und nachvollziehbar. Um das Auskunftsbegehren zu verneinen bedürfe es keiner Kindeswohlgefährdung. Es sei daher letztlich unerheblich, warum und ggf. unter welchem Einfluss der Antragsteller die abgeurteilten Straftaten begangen habe.

Der Auskunftsanspruch, wie er bereits gem. § 1686 BGB für jeden rechtlichen Elternteil existierte, wurde im Jahr 2013 mit § 1686a BGB auch auf die leiblichen, nicht rechtlichen Väter erweitert. Für beide Anspruchsgrundlagen gilt, dass sie dem Antragsteller die Möglichkeit eröffnen, sich über die Kindesentwicklung in angemessener Form in Kenntnis zu setzen, wobei der die Auskunft Begehrende an den eingeforderten Informationen ein berechtigtes Interesse haben muss. Während für § 1686 BGB unerheblich ist, ob sich der Antragsteller längere Zeit nicht um das Kind gekümmert hat, ist für § 1686a BGB ein gezeigtes ernsthaftes Interesse des Vaters an dem Kind zwingende Voraussetzung des Anspruchs.

Das Kindeswohl steht im Mittelpunkt der tatbestandlichen Prüfung beider Normen. Die erteilte Auskunft darf dem Kindeswohl nicht widersprechen, d.h., es darf keine akute Gefahr dahin gehend bestehen, dass die erteilten Informationen missbräuchlich verwendet werden, so dass die Auskunft auch nur verweigert werden kann, wenn keine milderen Mittel zum Schutz des Kindes zur Verfügung stehen. Mit zunehmendem Alter eines Kindes bedarf es besonderer Berücksichtigung, ob zu höchstpersönlichen Angelegenheiten Auskunft begehrt wird, deren Offenlegung etwa bei einem fast volljährigen Jugendlichen nicht mehr in Betracht kommt bzw. das Kind dann auch selbst entscheiden kann, ob es zu ärztlichen Untersuchungen oder seinem politischen Engagement überhaupt zu Auskünften bereit ist.

Unter Berücksichtigung des Kindeswohls als zentraler Tatbestandsvoraussetzung eines Auskunftsanspruchs lässt die Entscheidung des OLG Bamberg keinerlei kritische Anmerkung zu. Ob dies auch mit Blick auf das Unrechtsbewusstsein bzw. die emphatischen Fähigkeiten des Antragstellers im konkret entschiedenen Sachverhalt so bewertet werden kann, erscheint mehr als fraglich.

Vorsicht bei der Namensänderung (OLG Bamberg v. 13.12.2021 – 7 UF 238/21)

Entsprechend der steigenden Anzahl der Inpflegenahmen von Kindern und den auch längeren Verbleibenszeiten in den Pflegefamilien, werden diese auch immer mehr zur eigentlichen sozialen Familie der Kinder, so dass sich nachvollziehbar der Wunsch eines Pflegekindes zu einer Namensgleichheit mit seiner sozialen Familie ergeben kann. Die im Kontext einer erstrebten Namensänderung zu beachtenden verfahrensrechtlichen Besonderheiten zeigt die aktuelle Entscheidung des OLG Bamberg v. 13.12.2021 – 7 UF 238/21, FamRB 2022, 98 auf.

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt erstrebte das seit neun Jahren in einer Pflegefamilie lebende Kind die Änderung seines Nachnamens. Zu seiner sorgeberechtigten Mutter unterhielt es auf eigenen Wunsch bereits seit 2017 keinen Kontakt mehr. Gegen die Entscheidung des Ausgangsgerichts, mit der der Mutter das Recht zur Beantragung einer Namensänderung sowie der damit zusammenhängenden Erklärungen entzogen und eine Ergänzungspflegschaft angeordnet wurde, legte die Mutter Beschwerde ein.

Der Senat hat die Beschwerde zurückgewiesen und darauf verwiesen, dass eine Namensänderung dann erforderlich ist, wenn andernfalls schwerwiegende Nachteile für das Kind zu befürchten sind und die unterbliebenen Änderung zumindest einen so erheblichen Nachteil für das Kind darstellt, dass ein verständiger, sich sorgender Elternteil auf die Erhaltung des Namensbandes nicht bestehen würde. Zu prüfen ist dabei, ob auch eine verwaltungsgerichtliche Namenänderung nicht sicher ausgeschlossen werden kann, wobei nach § 3 Abs. 1 NamÄndG ein wichtiger Grund für die Änderung des Familiennamens eines Pflegekindes in den Namen der Pflegefamilie bestehen kann, wenn die Änderung für das Wohl des Kindes erforderlich ist und überwiegende Interessen an der Beibehaltung des bisherigen Namens nicht entgegenstehen.

Das OLG Bamberg greift in seiner Entscheidung und bei der Bewertung des beim Familiengericht eingereichten Antrags auf Genehmigung eines vom Ergänzungspfleger beabsichtigten Verfahrens auf Namensänderung eine grundlegende Entscheidung des BGH zu dieser Sachverhaltskonstellation auf. In einer Entscheidung vom 8.1.2020 hat der BGH klargestellt, dass im Zuge einer beantragten Genehmigung eines beabsichtigten Namensänderungsantrags es der besonderen Berücksichtigung der Zuständigkeitsverteilung zwischen Familiengericht und Verwaltungsbehörde bzw. Verwaltungsgericht bedarf (BGH v. 8.1.2020 –  XII ZB 478/17, FamRB 2020, 183). Das Familiengericht darf allein über die Genehmigung des Änderungsantrags entscheiden. Die Entscheidung zur Namensänderung als solche obliegt allein den Verwaltungsbehörden bzw. dem Verwaltungsgericht. Hierbei haben die Verwaltungsbehörden unter Abwägung aller privaten und öffentlichen Belange darüber zu befinden, ob ein wichtiger Grund für die Namensänderung vorliegt. Davon ist auszugehen, wenn die Namensänderung dem Wohl des Kindes förderlich ist und keine überwiegenden Interessen an der Beibehaltung des Namens bestehen. Ein etwaiger Widerspruch der leiblichen Eltern ist nach der Rechtsprechung des BVerwG (BVerwG v. v. 24.4.1987 – 7 C 120/86, FamRZ 1987, 807) jedenfalls dann unerheblich wenn sie tatsächlich keine Elternverantwortung wahrnehmen. Eine im familiengerichtlichen Verfahren notwendige Gewichtung der für und gegen die Namensänderung sprechenden Umstände ist im Zweifel der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. dem Verwaltungsgericht zu überlassen. Im familiengerichtlichen Verfahren ist daher inzident zu prüfen, ob in einem etwaigen verwaltungsrechtlichen Verfahren auf der Grundlage des § 3 NamÄndG eine Namensänderung genehmigt würde.

Keine Abänderung kindschaftsrechtlicher Entscheidungen und gebilligter Vergleiche um jeden Preis (OLG Frankfurt v. 30.12.2021 – 6 UF 237/21)

Die Überzeugung Verfahrensbeteiligter davon, dass eine familiengerichtliche Entscheidung dem Kindeswohl entsprechen, aber gerade nicht ihre persönliche Einschätzung zwingender Maßstab dieser Entscheidung sein muss, kann sich gelegentlich als sehr schwierig erweisen. Allzu häufig gerät bei der Einleitung kindschaftsrechtlicher Verfahren der allein maßgebliche Blick auf die Interessen und Belange des Kindes in den Hintergrund. In einem aktuellen Verfahren hat sich das OLG Frankfurt anlässlich eines eingeleiteten Abänderungsverfahrens mit dieser Problematik auseinandergesetzt.

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt erstrebte ein langjähriger Bekannter der Kindesmutter, der seit der Geburt deren nun 11-jährigen Kindes bis zum endgültigen Zerwürfnis mit der Mutter – im April 2020 – regelmäßigen Kontakt mit dem Kind unterhielt und sich in der Vaterrolle sah, eine Umgangsregelung. Ein erster Umgangsantrag im Jahr 2020 blieb erfolglos. Im November 2011 begehrte er erneut eine Umgangsregelung, wobei wiederum eine Verfahrenseinleitung durch das Familiengericht abgelehnt wurde. Die dagegen von ihm eingelegte Beschwerde blieb erfolglos.

Zur Begründung hat das OLG Frankfurt im Wesentlichen darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer mit seiner Anregung in beiden Instanzen keine Tatsachen vorgetragen hatte, die aus Gründen des Kindeswohls eine Änderung der früheren ablehnenden gerichtlichen Entscheidung als möglich hätten erscheinen lassen. Darüber hinaus seien auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine veränderte Sachlage ersichtlich, aus denen für den Senat weitere Ermittlungen im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes angezeigt seien. Der Beschwerdeführer räume selbst ein, dass sich an der Sachlage nichts geändert habe. Er erstrebe lediglich eine nochmalige Überprüfung der früheren erst- und zweitinstanzlichen Entscheidungen.

Das OLG Frankfurt hat dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass angesichts seiner nach wie vor bestehenden massiven Kritik am Erziehungsverhalten der Kindesmutter nicht davon ausgegangen werden könne, dass sich sein Verhältnis zu ihr verbessert habe und er ihren Erziehungsvorrang respektiere. Während die Mutter nach wie vor sorgeberechtigt sei und mit dem Jugendamt zusammenarbeite, halte der Beschwerdeführer nur seine Vorwürfe aufrecht und reflektiere seine Sichtweise in keiner Weise.

Während im Rahmen des § 1684 BGB der Gesetzgeber im Verhältnis zwischen dem Kind und seinen Eltern davon ausgeht, dass der Umgang dem Kindeswohl dient, gilt nach § 1685 BGB für den Umgangsbegehrenden, dass die Kindeswohldienlichkeit des Umgangskontakts zunächst festgestellt werden muss.

Ebenso ist die Kindeswohldienlichkeit aber auch wesentlicher Maßstab der Abänderung einer bestehenden Sorge- oder Umgangsregelung. Gerichtliche Entscheidungen zum Sorge- und Umgangsrecht sowie gerichtlich gebilligte Vergleiche können grundsätzlich nach § 1696 BGB einer Änderung zugeführt werden, wenn dies aus triftigen, das Kindeswohl nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Bereits aus dem Wortlaut der Norm folgt dabei, dass nicht jede Änderung Anlass für ein Abänderungsverfahren sein kann; erst recht genügt die bloße Berufung auf eine angeblich falsche Ausgangsentscheidung nicht. Kinder sollen vor fortlaufenden Verfahren geschützt und für sie eine stabile, dauerhafte Lebens- und Sorgesituation gewährleistet werden. Ein geltend gemachter Abänderungsgrund muss so gewichtig sein, dass er etwaige mit der erstrebten Änderung verbundene Nachteile deutlich überwiegt, und zwar unter Einschluss des Kontinuitätsgrundsatzes.

Diesen strengen Anforderungen wird, wie das OLG Frankfurt in seiner Entscheidung zutreffend hervorgehoben hat, sicherlich ein Antragsbegehren nicht gerecht, das deutlich die eigenzentrierten Vorstellungen des Antragstellers erkennen lässt, der zudem nicht einmal den Erziehungsvorrang des anderen Elternteils zu akzeptieren bereit ist.

Familienrechtliche Reformpläne im Koalitionsvertrag

Anbei die für den Familienrechtler relevantesten Passagen aus dem mehr als 170-seitigen Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP:

 

Familienrecht (S. 101/102)

Wir werden das Familienrecht modernisieren. Hierzu werden wir das „kleine Sorgerecht“ für soziale Eltern ausweiten und zu einem eigenen Rechtsinstitut weiterentwickeln, das im Einvernehmen mit den rechtlichen Eltern auf bis zu zwei weitere Erwachsene übertragen werden kann. Wir werden das Institut der Verantwortungsgemeinschaft einführen und damit jenseits von Liebesbeziehungen oder der Ehe zwei oder mehr volljährigen Personen ermöglichen, rechtlich füreinander Verantwortung zu übernehmen. Wir wollen Vereinbarungen zu rechtlicher Elternschaft, elterlicher Sorge, Umgangsrecht und Unterhalt schon vor der Empfängnis ermöglichen.

Wenn ein Kind in die Ehe zweier Frauen geboren wird, sind automatisch beide rechtliche Mütter des Kindes, sofern nichts anderes vereinbart ist. Die Ehe soll nicht ausschlaggebendes Kriterium bei der Adoption minderjähriger Kinder sein.

Auch außerhalb der Ehe soll die Elternschaftsanerkennung unabhängig vom Geschlecht der anerkennenden Person oder von einem Scheidungsverfahren möglich sein. Wir werden ein statusunabhängiges Feststellungsverfahren einführen, in dem ein Kind seine Abstammung gerichtlich klären lassen kann ohne zugleich die rechtliche Elternschaft anfechten zu müssen. Das Samenspenderregister wollen wir auch für bisherige Fälle, private Samenspenden und Embryonenspenden öffnen.

Wir werden die partnerschaftliche Betreuung der Kinder nach der Trennung fördern, indem wir die umgangs- und betreuungsbedingten Mehrbelastungen im Sozial- und Steuerrecht besser berücksichtigen. Wir wollen allen Familien eine am Kindeswohl orientierte partnerschaftliche Betreuung minderjähriger Kinder auch nach Trennung und Scheidung der Eltern ermöglichen und die dafür erforderlichen Bedingungen schaffen. Wir wollen im Unterhaltsrecht die Betreuungsanteile vor und nach der Scheidung besser berücksichtigen, ohne das Existenzminimum des Kindes zu gefährden.

Wir wollen gemeinsam mit den Ländern die Erziehungs-, sowie Trennungs- und Konfliktberatung verbessern und dabei insbesondere das Wechselmodell in den Mittelpunkt stellen. Wir werden den Kindern ein eigenes Recht auf Umgang mit den Großeltern und Geschwistern geben. Das Namensrecht liberalisieren wir, z.B. durch Einführung echter Doppelnamen.

Wir werden in familiengerichtlichen Verfahren den Kinderschutz und das Prinzip der Mündlichkeit der Verhandlungen stärken. Die Hürden für die Nichtzulassungsbeschwerde werden wir senken sowie einen Fortbildungsanspruch für Familienrichterinnen und Familienrichter gesetzlich verankern. Wenn häusliche Gewalt festgestellt wird, ist dies in einem Umgangsverfahren zwingend zu berücksichtigen.

Wir ermöglichen es unverheirateten Vätern in den Fällen, in denen die Eltern einen gemeinsamen Wohnsitz haben, durch einseitige Erklärung das gemeinsame Sorgerecht zu erlangen. Widerspricht die Mutter, so muss das Familiengericht über die gemeinsame Sorge entscheiden. Das Kindeswohl ist dabei besonders zu berücksichtigen. Wir werden die Modernisierung im Kindschafts- und Unterhaltsrecht mit Studien begleiten.

 

Zudem:

Wir wollen die Kinderrechte ausdrücklich im Grundgesetz verankern und orientieren uns dabei maßgeblich an den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention. Dafür werden wir einen Gesetzesentwurf vorlegen und zugleich das Monitoring zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention ausbauen. (S. 98)

Wir wollen mit der Kindergrundsicherung bessere Chancen für Kinder und Jugendliche schaffen. … In einem Neustart der Familienförderung wollen wir bisherige finanzielle Unterstützungen – wie Kindergeld, Leistungen aus SGB II/XII für Kinder, Teile des Bildungs- und Teilhabepakets, sowie den Kinderzuschlag – in einer einfachen, automatisiert berechnet und ausgezahlten Förderleistung bündeln. Diese Leistung soll ohne bürokratische Hürden direkt bei den Kindern ankommen und ihr neu zu definierendes soziokulturelles Existenzminimum sichern. Die Kindergrundsicherung soll aus zwei Komponenten bestehen: Einem einkommensunabhängigen Garantiebetrag, der für alle Kinder und Jugendlichen gleich hoch ist, und einem vom Elterneinkommen abhängigen, gestaffelten Zusatzbetrag. Volljährige Anspruchsberechtigte erhalten die Leistung direkt. (S. 100)

Das BAföG wollen wir reformieren und dabei elternunabhängiger machen. Der elternunabhängige Garantiebetrag im Rahmen der Kindergrundsicherung soll künftig direkt an volljährige Anspruchsberechtigte in Ausbildung und Studium ausgezahlt werden. Wir richten das BAföG neu aus und legen dabei einen besonderen Fokus auf eine deutliche Erhöhung
der Freibeträge. Außerdem werden wir u. a. Altersgrenzen stark anheben, Studienfachwechsel
erleichtern, die Förderhöchstdauer verlängern, Bedarfssätze auch vor dem Hintergrund steigender
Wohnkosten anheben, einen Notfallmechanismus ergänzen und Teilzeitförderungen prüfen. (S. 97)

Wir werden das Elterngeld vereinfachen, digitalisieren und die gemeinschaftliche elterliche Verantwortung stärken. Wir werden eine zweiwöchige vergütete Freistellung für die Partnerin oder den Partner nach der Geburt eines Kindes einführen. Diese Möglichkeit soll es auch für Alleinerziehende geben. Den Mutterschutz und die Freistellung für den Partner bzw. die Partnerin soll es bei Fehl- bzw. Totgeburt künftig nach der 20. Schwangerschaftswoche geben. Die Partnermonate beim Basis-Elterngeld werden wir um einen Monat erweitern, entsprechend auch
für Alleinerziehende. Wir werden einen Elterngeldanspruch für Pflegeeltern einführen und den
Anspruch für Selbstständige modernisieren. Für die Eltern, deren Kinder vor der 37. Schwangerschaftswoche geboren werden, erweitern wir den Anspruch auf Elterngeld. Wir werden den Basis- und Höchstbetrag beim Elterngeld dynamisieren. Wir verlängern den elternzeitbedingten Kündigungsschutz um drei Monate nach Rückkehr in den
Beruf, um den Wiedereinstieg abzusichern. (S. 100/101)

Wir werden die Kinderkrankentage pro Kind und Elternteil auf 15 Tage und für Alleinerziehende auf 30 Tage erhöhen. (S. 101)

 

 

Zu dem auf den Internetseiten der SPD veröffentlichten vollständigen Koalitionsvertrag kommen Sie hier.

Wenn Eltern für ihre Kinder nicht nur peinlich sind, sondern gar Traumata auslösen können (Pfälz. OLG v. 30.8.2021 – 2 UFH 2/21)

Jeder, der im Familienrecht tätig ist, hat diese Momente schon erlebt, wenn der Begriff des „Fremdschämens“ für das Benehmen eines Mandanten ganz neue Dimensionen erhält. Als Anwalt oder Anwältin ist man aber in der Lage, sich von einem solchen Verhalten zu distanzieren und ggf. das Mandat zu beenden. In dieser vorteilhaften Situation sind Kinder nicht. Sie müssen nicht nur das unsägliche Benehmen ihrer Eltern aushalten, sondern prägende Situationen (hier: die Einschulung) ertragen, die Gleichaltrige positiv in ihrem weiteren Leben begleiten werden, ihnen jedoch ein Leben lang als beschämend und peinlich in Erinnerung bleiben werden.

In einem Beschluss vom 30.8.2021 hat sich das Pfälzische OLG mit einem entsprechenden Verhalten der Eltern zweier Kinder im Alter von fünf und sechs Jahren auseinandersetzen müssen (Pfälz. OLG v. 30.8.2021 – 2 UHF 2/21). Im Juli 2021 war der Mutter die alleinige Sorge für die Kinder übertragen und dem Vater ein vom Kinderschutzbund zu begleitender wöchentlicher Umgang von jeweils zwei Stunden zuerkannt worden, wobei gegen diese Umgangsregelung seitens des Vaters ein Rechtsmittel, über das bislang noch nicht entschieden ist, eingelegt wurde. Zwischen den Eltern besteht ein außergewöhnlich tiefgreifender Konflikt, der zusätzlich durch den Vorwurf des Vaters befeuert wird, die Mutter habe die Kinder sexuell missbraucht.

Im Wege eines Eilverfahrens begehrte der Vater die Teilnahme an der Einschulungsfeier eines der Kinder, nachdem ihm die Mutter eine solche Teilnahme unter Androhung eines Polizeieinsatzes verboten hatte.

Der Senat hat den Antrag zurückgewiesen, da eine Teilnahme des Vaters an der Einschulungsfreier nicht kindeswohldienlich sei, folgend aus dem Risiko des Austauschs von Feindseligkeiten im Fall des Aufeinandertreffens der Eltern. Eine „Eskalation auf offener Bühne“ mit schlimmstenfalls traumatischen Folgen für das Kind müsse verhindert werden. Der Vater räume selbst ein, dass er in den letzten 18 Monaten keinen Kontakt zu den Kindern hatte und es daher eine Umgangsanbahnung bedürfe. Damit könne aber ein Wiedersehen bei der Einschulungsfeier zu einer Überforderung des Kindes führen.

Durch den Umgang sollen emotionale Bindungen aufrechterhalten und vertieft werden. Für die seelische Entwicklung des Kindes ist es von essentieller Bedeutung, dass es nicht nur den betreuenden Elternteil als Bindungspartner hat, sondern die Beziehung auch zu dem anderen Elternteil so gut als möglich erhalten bleibt. Gerade einmalige Feste, wie die Einschulung, Konfirmation oder Kommunion sind für das Kind besondere Anlässe, die es zudem in besonders starkem Maß mit der Tatsache konfrontieren, dass der frühere Familienverband unwiederbringlich zerbrochen ist. Welchem Leidensdruck Kinder ausgesetzt werden, die bei solchen Anlässen auf die Anwesenheit eines Elternteils verzichten müssen, wird offensichtlich von Eltern nicht realisiert, deren einerseits unkontrolliertes Benehmen Anlass für eine zu befürchtende Eskalation ist bzw. die andererseits schon „vorbeugend“ mit einem Polizeieinsatz drohen. Eltern, die mit ihrem Verhalten gänzlich außer Kontrolle geraten sind, jeglichen Blick für die Belange ihrer Kinder verloren haben und deren Weltbild sich nur noch um ihre eigenen Befindlichkeiten und vermeintlichen Ansprüche dreht, lassen die professionellen Verfahrensbeteiligten zunehmend ratlos zurück in dem Bewusstsein, dass wir vielleicht an der einen oder anderen Stelle noch eine weitere Eskalation vermeiden helfen, jedoch nicht mehr den Kindern bereits längst zugefügten und sie ein Leben lang begleitenden Schaden verhindern oder gar beheben können.

Vorsicht bei erklärter Mitwirkungsbereitschaft des Jugendamts zur Umsetzung einer Umgangsregelung (BGH v. 9.6.2021 – XII ZB 513/20)

Nach § 1684 Abs. 4 S. 3 und 4 BGB kann das Familiengericht in Ausgestaltung einer Umgangsregelung anordnen, dass der Umgang nur in Anwesenheit eines mitwirkungsbereiten Dritten erfolgt, wobei Dritter in diesem Sinn neben dem Träger der Jugendhilfe auch ein Verein sein kann, dabei ist jeweils eine Einzelperson zu benennen, die diese Aufgabe letztlich wahrnimmt. Da sich die Verfahrensbeteiligten in der Praxis häufig nicht auf einen Dritten in diesem Sinn verständigen können bzw. ein solcher tatsächlich nicht zur Verfügung steht, ist die Wahl des Jugendamts oder eines sonstigen Trägers der Jugendhilfe praktisch die Regel.

In einem aktuellen Beschluss hat der BGH nun entschieden, dass gegenüber einem solchen Dritten, auch wenn er im Vorfeld seine Mitwirkungsbereitschaft erklärt hatte, diese nachfolgend jedoch widerruft, ein Ordnungsmittel nicht verhängt werden kann, da die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nur gegen den tatsächlich Verpflichteten einer Umgangsregelung erfolgen kann. Allein aus dem Umstand folgend, dass das Jugendamt seine Räumlichkeiten und Mitarbeiter zur Durchführung des Umgangs zur Verfügung zu stellen bereit ist, nimmt es nicht am vollstreckbaren Inhalt eines Umgangsbeschlusses teil. Da die Mitwirkungsbereitschaft i.S.d. § 1684 Abs. 4 S. 3 und 4 BGB auf der Freiwilligkeit des Dritten beruht, kann das Jugendamt im Zuge einer Umgangsregelung nicht zur Mitwirkung verpflichtet werden, sondern ist jederzeit zu einem Widerruf seines erklärten Einverständnisses berechtigt. Auch soweit ein umgangsberechtigter Elternteil aus § 18 Abs. 3 S. 3 und 4 SGB VIII folgend ein einklagbares Recht auf Unterstützung bei der Umgangsausübung besitzt, muss dieses letztlich verwaltungsgerichtlich erst durchgesetzt werden.

Die Entscheidung des BGH vom 9.6.2021 verdeutlicht erneut, dass die Familiengerichte gegenüber den Jugendämtern bzw. sonstigen freien Trägern der Jugendhilfe keine Anordnungskompetenz besitzen, da diesen die Steuerungshoheit nach § 36a SGB VIII zugewiesen ist. Die ablehnende Entscheidung des Jugendamts zur Mitwirkung i.S.d. § 1684 Abs. 3 S. 3 BGB muss daher ggf. gesondert im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mittels einer allgemeinen Leistungsklage überprüft werden. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Eignung i.S.d. § 18 Abs. 3 S. 4 SGB VIII unterliegt dabei der vollen gerichtlichen Nachprüfung, wobei von Bedeutung sein kann, ob das Jugendamt in seiner Stellungnahme selbst davon ausgegangen ist, dass ein unbegleiteter Kontakt dem Kindeswohl nicht förderlich ist.

Muss daher zunächst das verwaltungsgerichtliche Verfahren durchgeführt werden, so ist das Familiengericht zu einer Aussetzung des ggf. dort noch anhängigen Verfahrens verpflichtet, um den Beteiligte die Möglichkeit zu geben, zunächst die verwaltungsgerichtliche Klärung herbeizuführen. Für die Interimszeit hat das Familiengericht gem. § 156 Abs. 3 S. 1 FamFG den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu prüfen, so dass – orientiert an Ausmaß und Schwere einer etwaigen Kindeswohlgefährdung – auch ein unbegleiteter Umgang in Rede stehen kann, der wiederum doch das Jugendamt anregen kann, den Umgang zu begleiten, und sei es auch nur bis zur Klärung des Sachverhalts im verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

In diesem Kontext stellt sich die Frage, ob ein „Großes Familiengericht“ mit seiner Kompetenz zur Entscheidung über alle Rechtsstreitigkeiten aus Ehe und Familie, wie es dem Gesetzgeber bei Schaffung des FamFG vor Augen stand, nicht auch Sachverhaltskonstellationen der vorab dargestellten Art umfassen sollte – vor allem mit Blick auf die besondere Eilbedürftigkeit kindschaftsrechtlicher Verfahren und der bestehenden besonderen fachlichen und sachlichen Nähe der Familiengerichte zu diesen Verfahren.

Verbesserung des Kinderschutzes durch Änderung des Familienverfahrensrechts? (BT-Drucks. 360/20)

Am 24.6.2020 hat das Land Baden-Württemberg einen Gesetzesantrag im Bundesrat eingereicht (Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Kinderschutzes im Familienverfahrensrecht). Grundlage des Gesetzesantrags ist der Abschlussbericht der von der Landesregierung Baden-Württemberg eingesetzten Kommission Kinderschutz im Zusammenhang mit dem „Staufener Missbrauchsfall“.

Der Entwurf zielt auf eine Verbesserung des Kinderschutzes, indem vor allem die §§ 160 bis 166 FamFG Modifizierungen zugeführt werden sollen. Im Wesentlichen sind folgende Änderungen vorgesehen:

  • Die nach § 158 Abs. 2 FamFG „in der Regel“ zu veranlassende Bestellung eines Verfahrensbeistands soll bei den dort genannten Fallkonstellationen nun immer erfolgen.
  • In § 159 Abs. 2 FamFG soll die Anhörung eines unter 14-jährigen Kindes nicht nur zur Ermittlung seiner Neigungen und Bindungen erfolgen, sondern auch, wenn Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB geführt werden, wobei sich das Gericht zudem einen persönlichen Eindruck von dem Kind und ggf. auch seiner üblichen Umgebung zu verschaffen hat, wenn dies als sachdienlich erachtet wird.
  • Nach einem neu einzuführenden § 160a FamFG soll das Gericht, soweit es nach den Umständen veranlasst ist, auch dritte Personen persönlich anhören.
  • In Modifizierung zu § 162 Abs. 1 FamFG, soll das Gericht in Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB mit dem Jugendamt die Umsetzung und Umsetzbarkeit geplanter Maßnahmen erörtern, wobei die Beteiligung des Jugendamts an diesen Verfahren auch die ausreichende und umfassende Information über entscheidungserhebliche Tatsachen umfassen soll.
  • Nach der für § 163 Abs. 3 FamFG vorgesehenen Modifizierung soll das Gericht auch die beratende und unterstützende Beiziehung eines Sachverständigen anordnen können und
  • nach der für § 166 Abs. 2 FamFG geplanten Änderung soll das Gericht in angemessenen Zeitabständen überprüfen, ob eine getroffene Anordnung umgesetzt wurde und die Maßnahme wirksam ist.

So sehr jede Maßnahme, die der Verbesserung des Kinderschutzes dient, ausdrücklich zu begrüßen ist, hinterlassen die in dem vorab dargestellten Gesetzesantrag vorgesehenen Änderungen nicht zwingend den Eindruck, dass die in der Realität bestehenden Problemfelder tatsächlich erkannt wurden.

Die Bestellung eines Verfahrensbeistands für ein Kind in einem Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB ist dem Grunde nach eine Selbstverständlichkeit, da in diesen Verfahren typischerweise ein elterliches Fehlverhalten zur Prüfung steht und damit ein zwangsläufiger Loyalitätskonflikt des Kindes. Es versteht sich nicht nur von selbst, dass es hierdurch zu einem Widerstreit des Interesses des Kindes zu dem seiner Eltern kommt, sondern auch, dass nur durch die Bestellung eines Verfahrensbeistands die Interessen des Kindes gewahrt werden können.

Nach § 159 Abs. 2 FamFG ist das unter 14-jährige Kind persönlich anzuhören, wenn seine Neigungen, Bindungen oder der Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung sind. Sowohl das BVerfG als auch der BGH – etwa in der Entscheidung vom 27.11.2019 (BGH v. 27.11.2019 – XII ZB 511/18, FamRB 2020, 59) – haben in ständiger Rechtsprechung betont, dass Neigungen, Bindungen und der Kindeswille gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls sind, deren Ermittlung die Anhörung eines auch unter 14-jährigen Kindes erfordert. Wenn diese Vorgaben bereits für jedes streitige Sorgerechtsverfahren gelten, so muss dies erst Recht in einem Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB gelten, in dem in intensivster Form das Kindeswohl auf dem Prüfstand steht. Dass darüber hinaus die Anhörung eines Kindes zudem Ausdruck der Gewährung rechtlichen Gehörs ist, muss eigentlich nicht gesondert betont werden. Bei konsequenter Anwendung bereits bestehender gesetzlicher Vorgaben – selbstredend vor dem Hintergrund der Kenntnis einer flankierend existenten höchstrichterlichen Rechtsprechung – bedarf es daher keiner Modifikation des § 159 Abs. 2 FamFG.

Auch die Zielsetzung der geplanten Korrektur des § 166 Abs. 2 FamFG erschließt sich nicht wirklich. Bereits jetzt sieht das Gesetz als verfahrensrechtliches Pendant zu § 1696 Abs. 2 BGB eine gerichtliche Prüfung kindesschutzrechtlicher Maßnahmen in angemessenen Zeitabständen vor. Es bedarf daher auch in diesem Kontext keiner gesetzlichen Modifikation, sondern allein einer konsequenten Umsetzung bereits bestehender Regelungen.

Gerade aus den Erkenntnissen zum „Staufener Missbrauchsfall“ muss die nicht von der Hand zu weisende Reformnotwendigkeit allerdings schon zu einem deutlich früheren Zeitpunkt ansetzen. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass

  • in dem dem Staufener Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalt gegen den einschlägig vorbestraften und erst im Februar 2014 aus der Haft entlassenen Lebensgefährten der Mutter bereits im Frühjahr 2016 erneut wegen Kinderpornographie ermittelt und festgestellt wurde, dass er sich häufig in der Wohnung seiner Partnerin aufhielt, in der auch deren siebenjähriger Sohn lebte. Obgleich die Strafvollstreckungskammer seinen Antrag auf Wohnung bei der Lebensgefährtin im August 2016 zurückwies, wurde erst im Februar 2017 eine Wohnsitzüberprüfung durch die Polizei vorgenommen und auch erst einen Monat später das Jugendamt hierüber in Kenntnis gesetzt.
  • noch im Beschwerdeverfahren, d.h. im Sommer 2017 das Jugendamt keine Kenntnis über das gegen den Lebensgefährten bereits im Jahr 2016 geführte Ermittlungsverfahren besaß, aufgrund dessen auch Anklage gegen ihn erhoben worden war. Obgleich die Akten dem Oberlandesgericht bereits vor dem Anhörungstermin vorlagen, war dem Beschluss der Beschwerdeinstanz nicht zu entnehmen, dass diese Strafakten Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren und in irgendeiner Form in die Senatsentscheidung eingeflossen waren.

Der zwingende Reformbedarf setzt daher nicht erst im familiengerichtlichen Verfahren ein durch Korrektur von Vorschriften, die lediglich konsequent im Sinn einer bestehenden Rechtsprechung umgesetzt werden müssten. Bereits zu einem deutlich früheren Zeitpunkt bedarf es der verbesserten Zusammenarbeit der einzelnen Akteure, die dem Schutz von Kindern verpflichtet sind. Wünschenswert wäre eine bessere Vernetzung und Zusammenarbeit sowohl auf der Ebene zwischen Polizei und Jugendamt aber auch im Verhältnis zwischen Polizei und Jugendamt einerseits und dem Familiengericht andererseits. Aber auch länderübergreifend wäre eine verstärkte Kooperation wünschenswert. Zwar existieren in einzelnen Bundesländern besondere Verwaltungsvorschriften zur Überwachung rückfallgefährdeter Sexualstraftäter, doch wird in der Praxis Kritik an der Tatsache geübt, dass im Verhältnis der Bundesländer keine einheitliche Konzeption existiert.

Insoweit bringt vielleicht der am 9.10.2020 vom Bundesrat auf den Weg gebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Datenübermittlung bei Kindeswohlgefährdungen (BR-Drucks. 476/20) schon etwas, dessen Ziel es ist, mögliche Ursachen für Übermittlungsdefizite zwischen Familiengerichten, Staatsanwaltschaften und Jugendämtern zu beseitigen.

Harte Zeiten für Umgangsblockierer (Saarländisches OLG v. 11.12.2019 – 6 WF 156/19)

Die zwangsweise Durchsetzung von Verfügungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit war bis zum Inkrafttreten des FamFG zum 1.9.2009 nicht nur mit erheblichen gesetzlichen Lücken behaftet, sondern bewegte sich auch in einem zeitintensiven Verfahren. Mit der Umstellung von Zwangsmitteln auf Ordnungsmittel zur Durchsetzung von Umgangs- und Herausgabeentscheidungen hat der Gesetzgeber die zur Verfügung stehenden Vollstreckungsmaßnahmen allerdings verschärft. Zu einer Beschleunigung des Vollstreckungsverfahrens hat zudem die Tatsache geführt, dass die Hinweispflicht auf die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen einen Umgangstitel in das Ausgangsverfahren verlagert ist und damit ein nach früherer Gesetzeslage noch notwendiger zeitlich verzögernder weiterer Verfahrensschritt entfallen ist.

Wird gegen eine gerichtliche Entscheidung oder einen gerichtlich gebilligten Vergleich schuldhaft verstoßen, so kann dies durch die Festsetzung eines Ordnungsgelds oder Ordnungshaft sanktioniert werden. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs kommt als ultima ratio nur dann in Betracht, wenn die Festsetzung sonstiger Ordnungsmittel erfolglos blieb, deren Festsetzung keinen Erfolg verspricht oder die Vollstreckung besonders eilbedürftig ist.

Ebenso wie nach früherer Gesetzeslage waren die Gerichte bislang gleichwohl bei der Anordnung von Ordnungshaft eher zurückhaltend, so dass blockierende Elternteile durchaus die eigene eingeschränkte finanzielle Situation geradezu als „Vorteil“ erachteten, d.h. sie davon ausgingen, diese der Festsetzung eines Ordnungsgelds entgegen halten zu können und zudem darauf vertrauen zu dürfen, dass mit Blick auf Betreuungsbelange des Kindes, auch keine Ordnungshaft verhängt werde.

Zahlreiche Ordnungsmittelverfahren endeten daher bisher eher ergebnislos. Es zeichnet sich zwischenzeitlich allerdings eine gegenläufige Tendenz in der obergerichtlichen Rechtsprechung ab. Ebenso wie die Oberlandesgerichte in Thüringen und Schleswig-Holstein (vgl. zu dieser Thematik eingehend Cirullies, FamRB 2020, 241), hat auch das Saarländische Oberlandesgericht Ende 2019 die gegen einen blockierenden Elternteil festgesetzte Ordnungshaft dem Grunde nach bestätigt. Diese Praxis gewinnt in Corona-Zeiten besondere Aktualität, da viele betreuende Elternteile die Pandemie-Einschränkungen nutzen, um auch den Umgang des anderen Elternteils einzuschränken, wenn nicht gar vollständig auszuschließen. Dass dies nicht rechtens ist, ist mittlerweile h.M. (zuletzt OLG Braunschweig v. 20.5.2020 – 1 UF 51/20 – kein genereller Umgangsausschluss wegen COVID-19-Infektionsgefahr).

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatten die Eltern für den achtjährigen Sohn durch gerichtlich gebilligten Vergleich eine Umgangsregelung getroffen, die seitens des Vaters – in dessen Haushalt der Sohn lebte – in der weiteren Folge unstreitig nicht umgesetzt wurde. Gegen eine gegen den Vater verhängte einmonatige Ordnungshaft legte er sofortige Beschwerde ein, der seitens des Senats nur teilweise abgeholfen wurde.

Zu der väterlichen Einschätzung, dass der gerichtlich gebilligte Vergleich dem Kindeswohl widerspreche, verwies der Senat darauf, dass dieser Einwand nicht im Vollstreckungsverfahren der Überprüfung zugänglich sei, sondern allein im Erkenntnisverfahren. Halte der Vater daher an dieser Einschätzung fest, so bedürfe es eines von ihm einzuleitenden Abänderungsverfahrens.

Ein Elternteil, der sich bei mangelnder Umsetzung einer Umgangsregelung auf den entgegenstehenden Willen des Kindes berufe, müsse im Einzelfall darlegen, wie er auf das Kind eingewirkt habe, um es zum Umgang zu bewegen. Unbeschadet der rechtlichen Unerheblichkeit einer solchen Weigerung bei einem gerade erst achtjährigen Kind, sei auch beachtlich, dass nach Verhängung des Ordnungsmittels der Umgang offensichtlich problemlos habe umgesetzt werden können.

Die Verhängung der Ordnungshaft sei im konkreten Fall beanstandungsfrei, da die – erneute – Festsetzung eines Ordnungsgelds keinen Erfolg versprochen habe, da der Vater Leistungen nach dem SGB II beziehe und vermögenslos sei. Eine andere Sicht rechtfertige sich auch nicht, soweit die Ordnungshaft mit Belastungen für das Kind verbunden sein könne, da eine solche Sichtweise das Elternrecht des umgangsberechtigten Elternteils unverhältnismäßig zurücksetze, zumal wenn der Aufenthalt des Kindes während der Ordnungshaft im Haushalt des anderen Elternteils gesichert sei und es keiner Fremdplatzierung bedürfe. Lediglich der zeitliche Umfang der erstinstanzlich festgesetzten Ordnungshaft von einem Monat begegne Bedenken. In die Gesamtabwägung seien Schwere und Ausmaß der Verletzungshandlung, deren Folgen für den Umgangsberechtigten, der zeitliche Umfang des Verstoßes, der Grad des Verschuldens des Verpflichteten, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und – vor allem – spezialpräventive Aspekte einzubeziehen. Unter Abwägung dieser Aspekte halte der Senat eine Ordnungshaft von fünf Tagen für ausreichend, um das Fehlverhalten zu ahnden, nachdem seit den Herbstferien 2019 der Umgang beanstandungsfrei verlaufe.

Die Verhängung der Ordnungshaft zu Lasten des betreuenden Elternteils mag auf den ersten Blick dem Kindeswohl entgegenstehen. Allerdings darf umgekehrt auch nicht verkannt werden, welche Belastungen wiederholte Vollstreckungsversuche bzw. die gänzliche Isolierung von dem anderen Elternteil für das Kind bedeuten, das mit seiner vordergründigen Kontaktablehnung in der Regel nur die Meinung des Obhutselternteils wiedergibt, auf dessen Wohlwollen es letztlich angewiesen ist.

Keine Gebühren verschenken: UG-Vergleich im SO-Verfahren verdoppelt auch den Verfahrenswert (OLG Nürnberg v. 16.1.2020 – 11 WF 1243/19)

Das AG Neustadt/Eich hat den Wert eines Verfahrens um das Aufenthaltsbestimmungsrecht nach § 45 Abs. 3 FamFG vom Regelwert 3.000 € auf 4.500 € erhöht, weil es zwei Termine gab, eine Zwischenvereinbarung geschlossen und ein SV-Gutachten eingeholt wurde.

Nach Einholung des Gutachtens trafen die Eltern eine Vereinbarung, die das Beibehalten des gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrechts und zugleich den Umgang im Umfang eines 9:5-Modells regelte. Das OLG Nürnberg erhöhte den Gegenstandswert des SO-Verfahrens wegen der getroffenen Umgangsregelung um weitere 3.000 € auf 7.500 €. (Die Zwischenvereinbarung wäre, weil eine eA vermeidend, 1.500 € wert gewesen, was aber in den 3.000 € unterging.)

Der Leitsatz des Gerichts lautet: „Wird in einem Verfahren zur elterlichen Sorge auch eine vom Gericht gebilligte Umgangsregelung getroffen, so ist also ein Verfahrenswert aus der Summe der Verfahrensgegenstände Umgang und elterliche Sorge festzusetzen, weil die Billigung eine Sachprüfung, mithin ein Verfahren, voraussetzt und einer Entscheidung zum Umgang gleichsteht (im Anschluss an BGH FamRZ 2019, 1616 Rz. 20).“

Dabei macht das OLG keinen dogmatischen Unterschied, ob es sich um eine übliche Umgangsregelung handele oder ob deren Umfang einem Wechselmodell entspräche, weil es sich bei jeder Umgangsregelung um eine Frage der tatsächlichen Ausübung der elterlichen Sorge handele. Jede Umgangsregelung greife in die Ausübung des Sorgerechts ein, indem das Aufenthaltsbestimmungsrecht und gegebenenfalls das Umgangsbestimmungsrecht des oder der Sorgeberechtigten eingeschränkt werden, ohne aber elterliche Kompetenzen zu entziehen.

Aus den Gründen: „Gemäß § 45 Abs. 1 FamGKG beträgt in den dort genannten Kindschaftssachen der Verfahrenswert 3.000 €. Eine Korrektur gemäß § 45 Abs. 3 FamGKG kommt in Betracht, wenn besondere Umstände, die Festsetzung des Regelwertes als unbillig erscheinen lassen (vgl. hierzu Bundestags-Drucksache 16/6308 S. 306). Solche besonderen Umstände sind insbesondere anzunehmen, wenn das Verfahren besonders umfangreich und schwierig gewesen ist, an eine Reduzierung ist zu denken, wenn die Beteiligten nur über ein geringes Einkommen verfügen und das Verfahren sich einfach gestaltet hat. Der vermehrte Aufwand durch eine Einigung der Beteiligten wird bereits durch die Einigungsgebühr abgegolten. Sie kann deshalb nicht auch noch zur Rechtfertigung eines erhöhten Verfahrenswertes herangezogen werden. Wird in einem Sorgerechtsverfahren auch das Umgangsrecht für längere Zeit geregelt, handelt es sich um mehrere Kindschaftssachen, deren Werte gesondert nach § 45 FamGKG zu ermitteln und dann nach § 33 Abs. 1 Satz 1 FamGKG zu addieren sind.“

(OLG Nürnberg v. 16.1.2020 – 11 WF 1243/19, FamRB 2020, 147)