Hört sich kompliziert an, ist aber einfacher: Dynamische Antragstellung zwecks Aussetzung der VA-Rentenkürzung wegen Unterhalt

Problemstellung: M zahlt Nachscheidungsunterhalt an F, kommt in Rente und könnte sich den Unterhalt nun nicht mehr leisten, weil seine Rente durch den Versorgungsausgleich gekürzt ist – aus dem F ihrerseits noch keinen Nutzen zieht, weil sie jünger und noch nicht Rentnerin ist. In der Ex-Familie entsteht eine Liquiditätslücke. Die Lösung bieten §§ 33, 34 VersAusglG: In (maximal) der Höhe des (geschuldeten) Unterhaltes wird die Rentenkürzung ausgesetzt.  

Es bleibt ein Praktiker-Problem, das der BGH mit Beschl. v. 26.2.2020 – XII ZB 531/19 gelöst hat: Der Sachverhalt ist dynamisch, bei jeder Rentenerhöhung müsste neu gerechnet werden. Die Lösung dafür fand das OLG Frankfurt a.M. als Vorinstanz und titulierte dynamisch: „In Höhe eines sich aus der Multiplikation von 15.6253 Entgeltpunkten der allgemeinen Rentenversicherung und von 1,006 Entgeltpunkten der knappschaftlichen Rentenversicherung mit einem Zugangsfaktor von 1,0, einem Rentenartfaktor von 1,0 für die Entgeltpunkte der allgemeinen Rentenversicherung und von 1,3333 für die knappschaftlichen Entgeltpunkte und dem jeweilige(n aktuellen Rentenwert ergebenden monatlichen Rentenbetrags, höchstens jedoch in Höhe eines monatlichen Rentenbetrags von 1.463 €“ wurde die Rentenkürzung ausgesetzt (OLG Frankfurt v. 17.10.2019 – 4 UF 52/19, FamRB 2020, 95). Ok, sagte der BGH nun, das ist hinreichend bestimmbar. Die genannten Entgeltpunkte können durch Multiplikation mit dem aktuellen, jeweils im Bundesgesetzblatt veröffentlichten aktuellen Rentenwert in einen jeweils aktuellen Rentenkürzungsbetrag umgerechnet werden. Rechnen muss ja dann auch nicht mehr der Jurist, sondern der Rententräger.

 

Unterhalt in der Krise oder die Krise im Unterhalt

„Das Corona-Virus ist in aller Munde“ – sehr doppeldeutig beginnt das Merkblatt einer Arztpraxis zu den Verhaltensregeln anlässlich der Covid-19-Pandemie. Zum Glück gilt dies nur im übertragenen Sinn, betrifft aber längst nicht mehr nur medizinische Aspekte. Inzwischen hat ein mit bloßem Auge unsichtbares Virus alle Bereiche des öffentlichen Lebens fest im Griff und spart auch das Familienrecht nicht aus. Sehr plastisch führt uns die Schließung von Schulen und Kitas vor Augen, welch hohen Stellenwert gesicherte Betreuungsarrangements für Kinder im Alltag haben. Daran schließen sich sehr praktische Fragen an: Lässt sich ein getrennt lebender Elternteil in die Kinderbetreuung einbinden, ist ein Wechselmodell noch praktikabel oder welche Folgen hat die verordnete Einschränkung sozialer Kontakte auf einen vereinbarten Umgang? Sehr schnell spürbar wurden für viele Betroffene auch die wirtschaftlichen Folgen der Krise, die sich zugleich unmittelbar auf die Unterhaltspflichten auswirken. Längst erreichen die Jugendämter zahlreiche Anfragen – von Unterhaltspflichtigen, die den Unterhalt nicht mehr aufbringen können, ebenso wie von Alleinerziehenden, die dringend auf Unterstützung angewiesen sind.

Laufende Unterhaltspflichten werden regelmäßig aufgrund einer Prognose festgelegt, die an das in der Vergangenheit bezogene Einkommen anknüpft. Dahinter steht die unausgesprochene Erwartung, dass sich diese Verhältnisse im Wesentlichen unverändert fortsetzen. Nun stehen wir plötzlich vor der Situation, dass diese jahrzehntelang nicht unrealistische Erfahrung für große Gruppen der Bevölkerung nicht mehr zutrifft. Welches Einkommen kann ein Gastwirt erzielen, der seinen Betrieb zunächst noch für einige Stunden offen halten durfte und dem infolge der nächsten Schließungsverfügung von einem Tag auf den anderen auch die letzten Einnahmen wegbrechen. In vielen anderen Branchen – Dienstleistungen, Luftfahrt, Touristik, Kulturbetriebe bis hin zu sozialen Diensten und Einrichtungen – sieht es nicht besser aus. Eine große Zahl von Arbeitnehmern ist bereits in Kurzarbeit, anderen droht die Arbeitslosigkeit. Das Einkommen sinkt dadurch auf 60 % bzw. 67 % des früheren Nettoverdienstes, während viele Kosten wie Miete, Versicherungen und Kreditbelastungen unverändert weiterlaufen. Dieses Szenario ist längst real – für wen, in welcher Weise und zu welchem Zeitpunkt es sich wieder ändern wird, ist noch lange nicht abzusehen. Zwar bringt die Bundesregierung große Hilfspakete auf den Weg, um die Folgen für die unmittelbar Betroffenen abzumildern. Erleichterungen beim Bezug von Wohngeld, Kurzarbeitergeld, Kinderzuschlag sowie ALG II, Zuschüsse an Selbständige und ein erweiterter Kündigungsschutz von Wohnraum können die wirtschaftlichen Belastungen zwar abmildern, aber nicht alle Einkommenseinbußen kompensieren. In all diesen Fällen erweist sich urplötzlich eine den Unterhaltspflichten zugrunde liegende Einkommensprognose als unzutreffend. Sollen die bisherigen Unterhaltspflichten nicht zu einem weiteren Schuldenberg anwachsen, sind bestehende Titel an die veränderten Verhältnisse anzupassen.

Anders als bei vertraglich begründeten Zahlungspflichten ist die Leistungsfähigkeit des Pflichtigen eine notwendige Voraussetzung für den gesetzlichen Unterhaltsanspruch. Vermindert sich das verfügbare Einkommen, sinkt die Unterhaltspflicht oder entfällt vollständig. Den Maßstab dafür bilden nicht mehr unterhaltsrechtliche Formeln und Pauschalen, sondern die realen wirtschaftlichen Verhältnisse des einzelnen Betroffenen. Denn dieser hat sich mit seiner Lebensführung abhängig von der bestehenden Unterhaltspflicht eingerichtet. In einer breite Bevölkerungskreise unvorbereitet treffenden und vielfach als existenzbedrohend erlebten Krise sind keine kurzfristigen Änderungen im persönlichen Lebensumfeld zu erwarten. Vielmehr sind die vorgefundenen Verhältnisse als gegeben hinzunehmen und allen unterhaltsrechtlichen Beurteilungen zugrunde zu legen.

Aus der früheren Rechtsprechung (Brandenburgisches OLG v. 12.1.1995 – 9 UF 90/94, FamRZ 1995, 1220; OLG Dresden v. 25.11.1997 – 10 WF 455/97, FamRZ 1998, 767) genährte Überlegungen, vorübergehende Einkommensrückgänge könnten in den ersten Monate einer Kurzarbeit überbrückt werden, sind ebenso realitätsfremd wie die Annahme, bei selbständiger Tätigkeit ließen sich mehrmonatige Umsatzeinbußen einige Monate später noch aufholen. Im Unterhalt gilt das Liquiditätsprinzip – d.h. die Zahlung muss aus dem laufenden Einkommen möglich sein. Ist dies nicht der Fall, sind auch kurzfristige Veränderungen zu beachten und können zu einem – möglicherweise auch nur vorübergehenden – Wegfall des Anspruchs führen.

Auch wenn alle hoffen, dass die Krise nicht allzu lange andauern möge, weiß noch niemand, wie sich Auftragslage und Arbeitsmarkt nach einer Rückkehr zum gesellschaftlichen Normalzustand entwickeln werden. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir derzeit eine weltweite Krisensituation durchleben, für die es keine Erfahrungswerte gibt und deren langfristigen Folgen sich nicht prognostizieren lassen. Daher folgt aus der Einkommenskrise des Einzelnen die notwendige Reaktion beim Unterhalt.

Aber auch für diese Anpassung gibt es keine unterhaltsrechtlich verlässlichen Erfahrungswerte. So werden derzeit eine ganze Reihe von Unterstützungsmaßnahmen installiert, die teils den betrieblichen Sektor, teils auch die private Lebenssituation betreffen und zudem Familien mit Kindern in besonderer Weise begünstigen sollen. Deren Wirkungen und Dauer lassen sich aktuell noch nicht überblicken, wie sich auch noch nicht absehen lässt, wann sich die Verhältnisse wieder stabilisieren werden. Bei diesem unsicheren Terrain ist es nicht zielführend, sich auf kleinteilige Unterhaltsberechnungen nach den bekannten unterhaltsrechtlichen Schemata einzulassen. Gefragt sind vielmehr Verständnis für die tatsächliche Lebenssituation der jeweils anderen Seite sowie die Bereitschaft, sich kreativ mit flexiblen Lösungen auseinanderzusetzen. Dabei lassen sich in einem – mit dem gebotenen Abstand geführte – persönlichen Gespräch schneller pragmatische, maßgeschneiderte Lösungen erreichen, als in einer ganzen Reihe gerichtlicher Abänderungsverfahren.

Corona und Umgangskontakte

In Coronazeiten sind paradoxe Situationen und Reaktionen häufig. Wir haben in Deutschland glücklicherweise keine praktische Erfahrung mit Ausgangssperren oder -beschränkungen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die jetzt verfügten Maßnahmen neben erheblichen verfassungsrechtlichen Diskussionen auch familienrechtliche Irritationen auslösen.

Sind noch Betreuungszeiten (Umgangskontakte) von dem Elternteil zulässig, der nicht Residenzelternteil ist?

Die Frage ist uneingeschränkt zu bejahen. Solange keine konkrete Gefahr für das Kind besteht, hat das Kind das Recht auf Betreuung durch beide Elternteile und die Eltern haben die Pflicht, das Kind auch nach der Trennung gemeinsam (nicht unbedingt zeitgleich) zu betreuen. Der in Art. 6 GG begründete grundrechtliche Schutz der Familie betrifft nicht nur die zusammenlebende, sondern auch die getrennte Familie. In deren innerstes Gefüge darf und kann der Staat nur dann eingreifen, wenn das Wohl des Kindes konkret gefährdet ist. Dies dient dem Schutz des Kindes.

Eine konkrete Gefährdung liegt aber nicht vor, wenn allgemein ‚Corona‘ umgeht. Der Infektionsgrad der bundesrepublikanischen Bevölkerung beträgt knapp 0,03%.[1] Die ergriffenen Maßnahmen der Landes- und Bundesregierung zur Vermeidung der Ausbreitung des Virus indizieren keinerlei konkrete Gefahr für das jeweilige Kind, sondern dienen der allgemeinen Gefahrenabwehr.

Eine Weigerung des Residenzelternteils auf Zulassung der Betreuung des gemeinsamen Kindes durch den anderen Elternteil, die auf die allgemeine Gefahr einer Ansteckung gestützt würde, verletzt dessen elterliches Grundrecht und die des Kindes. Im Übrigen ist ja auch nicht garantiert, dass eine Ansteckung des Kindes nicht auch beim und durch den Residenzelternteil erfolgt. Dies gilt auch dann, wenn der Elternteil, der nicht Residenzelternteil ist, zum Zweck der Realisierung seiner Betreuungsanteile mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreist.

Anders kann zu entscheiden sein, wenn die Voraussetzungen einer Quarantäne des Elternteils nach § 30 IfSG vorliegen. Dies wäre dann der Fall, wenn der Betreuungszeiten geltend machende Elternteil innerhalb der Inkubationszeit von 14 Tagen aus einem vom Robert-Koch-Institut als Risikogebiet[2] eingestuftem Gebiet eingereist ist oder sich dort aufgehalten hat. In diesem Fall kann eine konkrete Gefährdung des Kindes angenommen werden und eine Beschränkung von Betreuungszeiten durch den anderen Elternteil angezeigt sein.

Sind Umgangskontakte von Großeltern mit den Kindern zulässig?

Umgangskontakte von Kindern mit ‚Dritten‘, also von Bezugspersonen, die nicht die Eltern sind, sind leichter zu beschränken als die der Eltern. Nach der gesetzlichen Konzeption des § 1685 Abs. 1 BGB sind sie im Interesse des Kindeswohls zuzulassen. Ihre Beschränkung setzt damit keine Kindeswohlgefährdung voraus. Die Einstufung von Großeltern-Enkelkontakten durch das RKI als risikoreich würde daher m.E. eine Beschränkung und Aussetzung solcher Kontakte rechtfertigen. Dazu finden sich allerdings bislang keine Hinweise. Die angeblichen Warnungen werden vielmehr von kompetenter Seite als fehlerhaft bewertet.[3] Soweit erkennbar ist bislang von medizinisch kompetenter Seite ein generationsübergreifendes Kontaktgebot nie gefordert worden. Allenfalls dem Schutz der Großeltern vor einer Infektion könnte ein solches Distanzverbot dienen, nicht aber dem Schutz der Kindern. Bislang sind keine Bevölkerungsgruppen ausgemacht worden, die schneller oder leichter angesteckt werden, wohl aber solche, bei denen das Virus gravierendere Erkrankungsverläufe aufzeigt. Ein Distanzgebot kann daher m.E. von den Kinder betreuenden Elternteilen nicht ohne weiteres den Großeltern gegenüber ausgesprochen werden. Diese sind als mündige Erwachsene selbst für ihren Schutz zuständig.

Anders könnten Pflegeheim, in denen Großeltern leben, den Kontakt der Heimbewohner innerhalb des Heimes mit anderen Personen ausschließen oder begrenzen, wenn dadurch die Ansteckungsgefahr anderer Heimbewohner steigen würde. Diese Befugnis beschränkt sich aber auf den unmittelbaren Heimbereich. Weder kann ein Pflegeheim seinen Bewohnern den ‚Ausgang‘ noch aushäusige Kontakte zu den Enkeln verbieten.

Einsicht in Corona-Testergebnisse

Ist ein Elternteil auf den Corona-Virus getestet worden und verlangt der andere Elternteil Information über das Testergebnis, wird eine solche in der Regel gegeben werden. Erfolgt die Information nicht, löst dieses Verhalten des anderen Elternteils zwar wahrscheinlich Kopfschütteln, nicht aber einen konkreten Verdacht auf eine bestehende Corona-Infektion aus.

Weiß ein Elternteil allerdings um seine Infizierung und übernimmt gleichwohl, ohne den anderen Elternteil davon in Kenntnis zu setzen, die Betreuung des Kindes, kann dies als Kindeswohlgefährdung angesehen werden, schließlich käme bei einer Übertragung der Infektion auf das Kind auch eine Straftat in Betracht.[4]

Sind Auslands- und Urlaubsreisen mit Kindern zulässig?

Die Frage ist eher akademischer Natur, da inzwischen weltweite Reisebeschränkungen bestehen, die touristische Reisen komplett unmöglich machen. Da aber zu erwarten ist, dass die derzeitigen Beschränkungen nicht ewig bestehen bleiben, ist eine Beschränkung von Reisekontakten minderjähriger Kinder mit einem Elternteil nur dann möglich, wenn

  • eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für das betreffende Land oder Gebiet besteht, oder
  • das Zielgebiet als Infektionsrisikogebiet durch das Robert-Koch-Institut eingestuft wird,
  • die konkrete Gefahr besteht, dass dem anderen Elternteil das Kind entzogen werden soll und der die Reise begleitende Elternteil nicht mit dem Kind nach Deutschland zurückkehren wird,
  • die Aufrechterhaltung einer für das Kind notwendigen medizinischen Behandlung am beabsichtigten Aufenthaltsort des Kindes nicht gewährleistet ist.

Andere die Betreuung und Kontakte des Kindes mit einem Elternteil oder Bezugspersonen betreffende Beschränkungen sind nur unter dem allgemeinen Aspekt einer konkreten Gefährdung des Kindeswohls denkbar. ‚Ungute‘ Gefühle, allgemeine Ängste und Befürchtungen reichen nicht aus.

Will also ein iranischer Vater mit Arbeitsplatz und Vita in Deutschland mit seiner 5-jährigen Tochter einen 14-tägigen Urlaub in Marokko verleben, stellt die Vermutung, er werde den Aufenthalt in Marokko nutzen, um mit seiner Tochter in den Iran zu fliegen (der als Corona-Risikogebiet geführt wird), um die Tochter dort der Familie zu präsentieren und eventuell nicht mehr zurückzukehren, sicher nicht aus, eine Umgangsbeschränkung zu rechtfertigen.

Schlussbemerkung

Der derzeitige kollektive Erregungszustand wird hoffentlich bald nüchterner Gelassenheit weichen. Es ist zu hoffen, dass die individuellen Freiheitsrechte der Bürger nicht leichtfertig einem sich zwischen Presse und Exekutive des Bundes und der Länder aufschaukelndem Bekämpfungsradikalismus geopfert werden. Dies zu verhindern ist gerade die Anwaltschaft berufen. Wir sind nicht Sprachrohr oder sogar Verstärker irrationaler Hysteriker, sondern haben die Aufgabe, das Kindeswohl sinnvoll zu verteidigen.

Individuelle Gesundheit ist zwar ein hohes Gut und ein wichtiges Menschenrecht. Sie ist aber nicht alles. Für die grundrechtlich garantierten Freiheitsrechte, das Versammlungs-, das Demonstrations-, das Recht auf Bewegungsfreiheit im Bundesgebiet, sind unzählige Deutsche und später Millionen Russen, Amerikaner, Engländer, Franzosen, Polen, Kanadier, Australier und Angehörige vieler anderer Nationen gestorben. Es wäre fatal, wenn auch die Juristen das Gespür für die Balance des Schutzes der kollektiven und individuellen Bürgerrechte in Konkurrenz zum Schutz individueller Gesundheit verlören. Einmal gebrochene Deiche sind schwer zu reparieren.

[1] https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html

[2] https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete.html

[3] https://www.evangelisch.de/inhalte/167483/20-03-2020/corona-krise-kinderaerzte-praesident-warnt-vor-haeuslicher-gewalt

[4] Vgl. die gleiche Fragestellung bei HIV-Infektionen.

Ferndiagnose BVerfG zu § 17 VersAusglG

Die mündliche Verhandlung über die Verfassungsgemäßheit von § 17 VersAusglG beim BverfG hat am 10.3.2020 stattgefunden.[1] Die Frage bleibt, wie das Gericht entscheiden wird. Der Worte sind aber vielleicht noch nicht genug gewechselt, weil einige Argumente der Anhänger der derzeitigen Lösung auch durch Wiederholung nicht besser werden.

Fangen wir also beim Argument des BGH an, die sog. Transferverluste, also die bei der externen Teilung eintretenden Rentenverluste der ausgleichsberechtigten Person, widersprächen nicht dem Halbteilungsgrundsatz. Bei hohem Niveau des Rechnungszinses träten sie zwar tatsächlich auf, falle aber das Zinsniveau, könne die externe Teilung sogar vorteilhaft sein.[2] Dieses Argument wurde auch in der mündlichen Verhandlung vor dem BverfG wiederholt. Richtiger wird es deswegen nicht. Der im Jahr 2010 geschiedenen und in die externe Teilung gezwungenen Frau, die beim Wechsel in die gesetzliche Rentenversicherung oder die Versorgungsausgleichskasse 40 % oder teilweise auch 60 % der ihr zustehenden Versorgung verloren hat, nutzt es nichts, dass sei bei einer Scheidung im Jahr 2020 einen Gewinn von ca. 25 % bei externer Teilung eingefahren hätte. Der Verfassungsrang beanspruchende Halbteilungsgrundsatz gilt für die jeweilige Ehescheidung und nicht für den 20-jährigen Durchschnitt aller Scheidungen. Das Grundgesetz fordert keine Durchschnitts-, sondern Einzelfallgerechtigkeit.

Die Auseinandersetzung mit der Rettungsargumentation der Arbeitsgemeinschaft betrieblicher Altersversorgungen ist da schon komplizierter. Sie befürchtet, dass durch Aufnahme der ausgleichsberechtigten Personen in das System der betrieblichen Altersversorgung zusätzliche belastende Verwaltungskosten für die betriebliche Altersversorgung entstünden, die deren Rentabilität beeinträchtigen werde. Dieses Argument ist nicht von der Hand zu weisen, überzeugt aber gleichwohl nicht. Aus vielerlei Erfahrung wissen wir, dass die Verwaltungskosten betrieblicher Versorgungsträger selten 10 € pro Monat übersteigen. Im klassischen Scheidungsalter einer 50-jährigen Frau entstünden dem Versorgungsträger damit Verwaltungskosten von ca. 3.200 € bis zum Versterben der Berechtigten.[3] Derzeit können Versorgungen bis zu einem Kapitalwert von 82.800 € extern geteilt werden. Die Verwaltungskosten entsprächen gerade einmal ca. 3,8 % des Ausgleichswerts. Wenn also die Verwaltungskosten der springende Punkt wären, läge nichts näher, als die ausgleichsberechtigte Person entscheiden zu lassen, ob zu Lasten der auszugleichenden Versorgung – und damit auch ihrer Versorgung – die entstehenden Verwaltungskosten berücksichtigt werden können oder ob stattdessen externe Teilung gewünscht wird. Ich bin sicher, dass die Betroffenen statt eines großen, manchmal 50 % übersteigenden Verlusts einen 3,8 %igen gewählt hätten.

Es bleibt auch nach der Verhandlung völlig unklar, warum nur Betriebe und Unterstützungskassen vor einem hohen Verwaltungsaufwand zu schützen sind, während die Versicherten der anderen Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung mit den Verwaltungskosten belastet werden.

Auch wenn sich Bundesregierung und betriebliche Altersversorgungen in der Anhörung bemühten, die Wertgrenze der Beitragsbemessungsgrenze (derzeit 82.800 €) für die Externalisierung einer betrieblichen Versorgung zu erklären, bleibt die Grenzziehung willkürlich. Die Bundesregierung argumentierte, diese Wertgrenze sei der Versorgungsträgern bekannt, weswegen man daran angeknüpft hätte. Ich kenne noch eine ganze Reihe anderer den Versorgungsträgern bekannter Wertgrenzen. Deren unbekannteste war die „monatliche Bezugsgröße“ des § 18 Abs. 1 SGB IV. Mit dieser hatten die Versorgungsträger bis zum 1.9.2009 überhaupt nichts zu tun. Trotzdem hat der Gesetzgeber den Betrieben diese Bezugsgröße in § 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG ohne Zaudern zugemutet. Die jetzt etablierte Wertgrenze in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze privilegiert Managergattinnen und -gatten im Versorgungsausgleich. Wie man das rechtfertigen will, ist nicht nachvollziehbar.

Die betrieblichen Altersversorgungen verteidigten die Grenze mit dem Argument, dies sei die Grenze, bis zu der man durch Pflichtbeiträge einen Rentenanspruch in der gesetzlichen Rentenversicherung pro Jahr erwerben könne. Das erinnert an die TV-Werbung eines Matratzenherstellers, der der Mitteilung eines Matratzenliegers, seine qualitätsstrotzende Matratze habe ein „Vermögen gekostet“, entgegensetzt, die in Deutschland meistgekaufte Matratze koste nur 199 €. Das eine hat mit dem anderen nicht das geringste zu tun. Durch das VersAusglG ist die Grenze, bis zu der eine Versorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet werden kann aufgehoben worden. Warum soll diese Grenze dann herangezogen werden, um die interne Teilung zu begründen? Der Verfasser plant derzeit, aus dem Versorgungsausgleich eine Versorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung für eine ausgleichsberechtigte Frau aus einem Ausgleichswert von 1,7 Millionen Euro zu begründen. Die DRV nimmt auch Ausgleichswerte in dieser Höhe auf.

Die Berichte über die mündliche Verhandlung vor dem BVerfG stimmen zuversichtlich. Vielleicht hat der Gesetzgeber (heimlich) auf die heilende Kraft des Bundesverfassungsgerichts vertraut, es werde den Schönheitsfleck des VersAusglG, § 17, schon korrigieren. Schade nur, dass viele ausgleichsberechtigte Personen, deren Versorgungen durch die externe Teilung atomisiert wurden, von der Entscheidung nichts mehr haben werden. Zu hoffen bleibt, dass die ausgleichspflichtigen Personen zukünftig nicht die Hälfte ihrer ehezeitlich erworbenen betrieblichen Versorgung im Versorgungsausgleich verlieren und davon nur ein Bruchteil bei der ausgleichsberechtigten Person ankommt. Auch das ist nämlich eine Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes.

Es bleibt also spannend.

[1] Der Verfasser war selbst bei der Verhandlung nicht zugegen, sondern fernab im Urlaub. Er war Mitautor der Stellungnahme des DAV zum Verfahren vor dem BVerfG und ist Autor eines Beitrags in der Festschrift Brudermüller mit dem Titel „Ist § 17 VersAusglG verfassungswidrig?“, FS Brudermüller, S. 277. Die Ausführungen basieren auf Pressemeldungen und insbesondere dem Bericht von Werner Schwamb für hefam, dem hierfür ausdrücklich gedankt sei.

[2] BGH v. 9.3.2016 – XII ZB 540/14, FamRZ 2016, 781 = FamRB 2016, 175.

[3] Barwert der Verwaltungskosten mit 2 % abgezinst.

Vollmacht oder Sorgerechtsregelung? (OLG Brandenburg v. 2.10.2019 – 9 UF 174/19)

Die Frage der elterlichen Sorge birgt in kindschaftsrechtlichen Verfahren ein hohes Konfliktpotential. Beide Elternteile nehmen selbstverständlich jeweils für sich in Anspruch, ausschließlich im Interesse des Kindes zu handeln. Nicht selten folgt jedoch aus den ausgetauschten Argumenten, dass vorrangig höchstpersönliche Interessen der Eltern im Vordergrund stehen. Stellvertretend für eine emotional noch längst nicht abgeschlossene Trennung wird auf der Ebene der elterlichen Sorge ein „Schlagabtausch“ durchgeführt, in dem man dem früheren Partner tatsächliche oder vermeintliche persönliche Defizite vorhält, in der Annahme, dass ihn diese Defizite selbstverständlich zur Ausübung der elterlichen Sorge disqualifizierten. Zunehmend ist in den Verfahren zu beobachten, dass Elternteile, die erkannt haben, dass sie dem Sorgerechtsantrag des jeweils anderen rechtlich nicht erfolgreich begegnen können, auf die Erteilung einer Vollmacht zurückgreifen, um so den Antrag zu Fall zu bringen und zumindest formal in der Position des Sorgemitinhabers zu verbleiben.

Mit einer solchen Fallgestaltung hat sich im Herbst 2019 das OLG Brandenburg auseinandergesetzt. Die Eltern stritten über den Fortbestand der gemeinsamen Sorge für ihren 2012 geborenen Sohn, der im Haushalt des Vaters lebt. Auf dessen Antrag wurden ihm erstinstanzlich die Teilbereiche der Gesundheitssorge, der Vermögenssorge sowie die Vertretung in Rechts- und Behördenangelegenheiten übertragen. Gegen diesen Beschluss legte die Mutter Rechtsmittel ein, wobei das OLG die Beschwerde zurückwies. Neben grundlegenden Hinweisen zur mangelnden Kommunikationsfähigkeit und -willigkeit der Eltern, in deren Ausprägung es sogar anwaltlicher Korrespondenz zur Unterzeichnung des Schulzeugnisses bzw. der Vorlage eines Stundenplans bedurfte, nahm der Senat auch Stellung zu der Frage, ob möglicherweise die seitens der Mutter in Rede gebrachte Erteilung einer Vollmacht als milderes Mittel der Konfliktvermeidung gesehen werden könne.

Diese Frage hat der Senat verneint unter Verweis bereits darauf, dass von der Mutter gerade keine Vollmacht zu den streitgegenständlichen Teilbereichen der elterlichen Sorge vorgelegt wurde. Gleichzeitig verwies der Senat darauf, dass eine solche Vollmacht auch jederzeit frei widerruflich sei, während eine gerichtliche Sorgerechtsregelung in ihrer Abänderbarkeit den engen Voraussetzungen des § 1696 BGB unterliege. Hieraus leite sich die Befürchtung ab, dass sich der Elternteil, der die Möglichkeit einer Vollmachtserteilung in den Raum stelle und im Übrigen dem Antrag auf Sorgerechtsübertragung entgegentrete, sich hierdurch rechtliche Vorteile erhoffe, die aber weiteres Konfliktpotenzial bergen könnten. Zudem stelle eine elterliche Sorge, die nur formal aufrecht erhalten bleibe, lediglich eine „leere Hülle“ des Sorgerechts dar.

Mit seiner Entscheidung greift das OLG Brandenburg eine in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur kontrovers diskutierte Frage auf. Während etwa die Oberlandesgerichte Düsseldorf (OLG Düsseldorf v. 7.12.2017 – II-1 UF 151/17, MDR 2018, 154), Nürnberg (OLG Nürnberg v. 4.7.2011 – 7 UF 346/11, MDR 2011, 1237) oder Saarbrücken (Saarl. OLG v. 5.11.2018 – 6 UF 82/18, FamRZ 2019, 985) auch im Fall einer erteilten Sorgeermächtigung die dadurch nicht entbehrlich werdende Kooperationsfähigkeit und -willigkeit beider Elternteile hervorheben, um von einer Aufrechterhaltung der gemeinsamen Sorge ausgehen zu können, vertritt das OLG Frankfurt die Auffassung, dass zumindest in jenen Fällen, in denen der ermächtigende Elternteil sich von seiner Erklärung nicht (kurzfristig) lösen möchte und keine unterschiedlichen Entscheidungen in kindbezogenen Belangen zu treffen sind bzw. verlangt werden, die Auflösung der gemeinsamen Sorge unverhältnismäßig erscheint (OLG Frankfurt v. 27.2.2019 – 8 UF 61/18, FamRZ 2019, 1144 = FamRB 2019, 263). Abschließende Klärung wird die Entscheidung des BGH zu der unter dem Az. XII ZB 112/19 anhängigen Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des OLG Frankfurt bringen.

 

Grundrente und Versorgungsausgleich

Mit der Grundrente wird ein richtiger Schritt von einem leistungsbasierten zu einem sozialorientierten Rentensystem gemacht. Familienrechtler sollten sich schon jetzt mental auf Arbeit vorbereiten. Die Einführung der Grundrente schafft für hunderttausende Geschiedene Abänderungspotential im Versorgungsausgleich.

Peter Struck soll einmal gesagt haben, kein Gesetz komme so aus den Beratungen des Bundestags heraus, wie es hineingegangen sei (Gesetz zur Einführung der Grundrente). Das wird wohl stimmen, schließlich hatte der Mann Erfahrung. Deswegen sind die nachfolgenden Ausführungen mit Vorsicht zu genießen, weil sie derzeit nicht quantifizierbar sind. Ob 1,3 oder 4 Millionen Rentnerinnen und Rentner von der Reform profitieren, ob der Rentenzuschlag 400 €, etwas mehr oder weniger beträgt, kann man jetzt noch nicht sagen. Da das Projekt „Grundrente“ aber wichtig und längst überfällig ist, ist eins sicher: Auf die Familienrechtler kommt Arbeit zu.

Geht man davon aus, dass etwa jede dritte Ehe der von der Grundrente profitierenden Personen geschieden wurde, wird auch jeder dritte Versorgungsausgleich nach Inkrafttreten des Grundrentengesetzes abzuändern sein. Denn wenn eine Minirente auch nur geringfügig angehoben wird, ist der eine Abänderung rechtfertigende Wert von 5 % und 1 % der zum Ehezeitende geltenden allgemeinen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV schnell erreicht (§ 225 Abs. 2 FamFG).

Gut, dass die Grundrente den Minirentnern antragslos von der gesetzlichen Rentenversicherung gewährt werden soll. Dumm, dass die im Versorgungsausgleich ausgleichspflichtigen geschiedenen Gatten sich selbst darum kümmern müssen zu prüfen, ob sie die Abänderung des bei der Scheidung durchgeführten Versorgungsausgleichs beantragen sollen oder nicht. Dabei passieren oft vermeidbare Fehler. Deshalb an dieser Stelle folgende Tipps:

  • Versorgungsausgleiche nach den Versorgungsausgleichsgesetz:

Wurde der Versorgungsausgleich bereits unter Geltung des VersAusglG durchgeführt, ist die Einleitung eines Abänderungsverfahrens meist unproblematisch, weil die Abänderung immer nur das Anrecht betrifft, dessen Abänderung beantragt wird. Allerdings kann man durch einen Abänderungsantrag wegen der Neubewertung von Kindererziehungszeiten oder Einführung der Grundrente die Aufmerksamkeit des durch diese Veränderungen begünstigten Gatten auf Abänderungspotential zu seinen Gunsten beim Anderen lenken. Wer also seinen Anteil an der Grundrente des Geschiedenen fordert, sollte zuvor prüfen, ob bei ihm alles richtig ausgeglichen wurde und sich seither nichts zu seinen Gunsten verändert hat. Der frühpensionierte Beamte wundert sich da manchmal, weil eine Frühpensionierung den Ehezeitanteil erhöht. Der Gegenantrag auf Abänderung verhagelt dann oft das Ergebnis.

  • Versorgungsausgleich nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Recht:

Wurde der Versorgungsausgleich nach altem Versorgungsausgleichsrecht durchgeführt, berechtigt ebenfalls die nachehezeitliche Erhöhung des Ehezeitanteils einer Versorgung zur Stellung eines Abänderungsantrags. Dessen Ergebnis ist aber deutlich tiefgreifender: Alle in der Altentscheidung erfassten Versorgungsanrechte werden dann nach neuem Recht geteilt. Bevor ein solcher Antrag gestellt wird, muss deshalb – Grundrente oder Kindererziehungszeiten hin oder her – das Gesamtergebnis des Abänderungsverfahrens genau geprüft werden.

Das geschieht am besten, indem für den die Abänderung begehrenden geschiedenen Gatten zunächst einmal neue ehezeitbezogene Auskünfte der Versorgungsträger eingeholt werden. Die öffentlich-rechtlichen Versorgungsträger erledigen das in der Regel zügig und kostenfrei. Anhand dieser Auskünfte können die Auswirkungen der Umstellung auf das neue Recht für die Versorgungen des potentiellen Antragstellers verlässlich geprüft werden.

Taucht in der Altentscheidung die Barwertverordnung (BarwertVO) im Text auf, ist Vorsicht geboten. Mit der BarwertVO wurden im alten Versorgungsausgleichsrecht private und betriebliche Versorgungen ‚dynamisiert‘ und dadurch der Halbteilungsgrundsatz massiv zum Nachteil des ausgleichsberechtigten Gatten verletzt. Wessen Versorgung damals mit der BarwertVO pulverisiert wurde, sollte heute nicht leichtfertig einen Abänderungsantrag stellen, nur weil Kindererziehungszeiten oder die Grundrente dem geschiedenen Gatten ein paar Euro mehr aufs Rentenkonto bringen. Das zu späte Erwachen beim Durchrechnen der Auswirkungen der Umstellung des damals durchgeführten Versorgungsausgleichs aufs neue Recht könnte – nicht nur im Karneval – zu Katerstimmung führen.

Wer heute grundrentenverdächtige Mandanten im Scheidungsverfahren betreut, sollte vielleicht die prozessuale Bremse ziehen, um nicht kurz nach Abschluss des Scheidungsverfahrens gleich wieder ein Abänderungsverfahren führen zu müssen. Bei Rentnern muss man sich das indessen versagen, weil der Bezug einer Rente oft zum berüchtigten Kapitalverzehr und damit zu Nachteilen der ausgleichsberechtigten Person führen kann.

High noon in Karlsruhe zu § 17 VersAusglG (zu BVerfG – 1 BvL 5/18; vorangehend: Vorlagebeschluss des OLG Hamm – 10 UF 178/17)

Am 10.3.2020 findet die mündliche Verhandlung vor dem BVerfG über die Verfassungsgemäßheit von § 17 VersAusglG statt. Allen zur Erinnerung: Nach dieser Norm können betriebliche Versorgungen bis zu einem Ausgleichswert von 82.800 € (im Jahr 2020) extern ausgeglichen werden. Aus der betrieblichen Versorgung stünde einem 50-jährigen Mann daraus eine Rente von ca. 650 € monatlich zu. Bei Einzahlung des Ausgleichsbetrages in die Versorgungsausgleichskasse blieben knapp 300 € Garantierente und (Optimisten sterben nicht aus) ca. 375 € über (im Unisextarif der VersAusglK), wenn Gewinne erzielt werden. Ein Verlust von ca. 40 % der Versorgungsvolumens kann man nicht mehr als ‚Petitesse‘ begreifen, zumal die ausgleichspflichtige Person die Hälfte ihrer Versorgung, also 650 € verliert.

Heute könnte man den Verlust begrenzen und als Zielversorgung des Ausgleichs die gesetzliche Rentenversicherung wählen. Die brächte zwar zum Stichtag ebenfalls nur eine Rente von ca. 360 € monatlich, unterstellt man aber realistisch eine Dynamik der gesetzlichen Rentenversicherung von 2 % (derzeit ist die Dynamik weit größer), errechnet sich für den 50-järigen Ausgleichsberechtigten eine Rentenerwartung von 506 € im Alter von 67 und das, obwohl zusätzlich Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung abgesichert wären.

Der BGH hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2016 das Dilemma der Halbteilungsverfehlung durch die vom Gesetzgeber zugelassene Teilung werthaltiger betrieblicher Versorgungen in § 17 VersAusglG erkannt. Gleichwohl hat er die Ergebnisse gebilligt, weil bei gegenläufiger Entwicklung der Zinssätze ein umgekehrter Effekt eintreten könne (BGH v. 22.6.2016 – XII ZB 664/14 Rz. 21, FamRZ 2016, 1654 = FamRB 2016, 380). Die damalige Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist kritisiert worden, weil der Halbteilungsgrundsatz für jede einzelne Ehe zu wahren ist und der im Jahr 2009 geschiedene Ehegatte nicht weniger über die Verfehlung der Halbteilung in seinem Fall empört sein wird, weil der zehn Jahre später geschiedene Ehegatte durch die externe Teilung profitieren kann.

Es ist daher begrüßenswert, dass das OLG Hamm eine verfassungsgerichtliche Entscheidung herbeiführt (Vorlagebeschluss des OLG Hamm v. 17.10.2018 – 10 UF 178/17, FamRZ 2019, 688). Ebenso begrüßenswert ist es, dass das BVerfG die mündliche Verhandlung langfristig und öffentlich angekündigt (Pressemitteilung des BVerfG v. 17.1.2020). Nun muss das BVerfG bei Zulässigkeit eines Vorlagebeschlusses immer mündlich verhandeln (§ 82 Abs. 3 BVerfGG), Vorfreude auf verfassungsgerichtlich durchgesetzten Gerechtigkeitsgewinn ist daher allein gestützt auf die Anberaumung eines mündlichen Verhandlungstermins nicht angezeigt. Die Hürde der Zulässigkeit hat allerdings der Vorlagebeschluss des OLG Hamm erfreulicherweise schon einmal übersprungen. Das lässt hoffen, sollen doch einige die Unzulässigkeit des Antrags gerügt haben.

Die Anwaltschaft sollte nun erst recht in Verfahren, in denen Anrechte aus der betrieblichen Altersversorgung extern geteilt werden sollen und eine Einzahlung des Ausgleichswerts in die gesetzliche Rentenversicherung nicht möglich ist (weil die ausgleichsberechtigte Person schon Altersrentner ist, § 187 SGB VI), Handlungsalternativen genau abwägen, ob das Versorgungsverfahren bis zur Entscheidung des BVerfG ausgesetzt oder der externe Ausgleich akzeptiert wird.

  • Wird vom ausgleichsberechtigten Gatten noch keine Versorgung bezogen, ist die gesetzliche Rentenversicherung immer die richtige Zielversorgung, solange der Rechnungszins der Quellversorgung <=3 % beträgt. Diese erbringt in diesen Fällen eine höhere Altersversorgung als die zu teilende Betriebsrente, wenn man die der Betriebsrente meist fehlende Anwartschaftsdynamik berücksichtigt.
  • Bezieht die ausgleichsberechtigte Person eine Invaliditätsversorgung aus der gesetzlichen Rentenversicherung, ist die externe Teilung in die gesetzliche Rentenversicherung die richtige Option, weil die Invaliditätsversorgung um die aus den aus dem Ausgleichswert gebildeten Entgeltpunkte angehoben würde und aus der Versorgungsausgleichskasse und fast immer auch bei interner Teilung des Anrechts aus der betrieblichen Versorgung keine Invaliditätsrente gezahlt wird.
  • Bezieht der ausgleichsberechtigte Gatte bereits eine bindend bewilligte Vollrente wegen Alters, betrüge der Versorgungsverlust bei Ausgleich des Betrages in die Versorgungsausgleichskasse ca. 30 % gegenüber der internen Teilung des Anrechts. Es ist daher abzuwägen, ob das Zuwarten und Hoffen auf eine positive Entscheidung des BVerfG den Nachteil des Rentenverlusts aufwiegt. Eine Versorgungsbegründung in der gesetzlichen Rentenversicherung durch externe Teilung eines betrieblichen Anrechts ist in diesen Fällen nicht mehr möglich (§ 187 Abs. 4 SGB VI).

Neues zum Wechselmodell (BGH v. 27.11.2019 – XII ZB 512/18)

In seiner Grundsatzentscheidung vom 1.2.2017 hatte der BGH erstmals zu der Frage der familiengerichtlichen Anordnung eines paritätischen Wechselmodells – auch gegen den erklärten Willen eines Elternteils – Stellung genommen (BGH v. 1.2.2017 – XII ZB 601/15, FamRB 2017, 136). Rund zwei Jahre nach dieser Entscheidung zeigt sich, dass damit keineswegs das paritätische Wechselmodell ohne Wenn und Aber, allein dem Antrag eines Elternteils folgend, durch gerichtliche Entscheidung umzusetzen ist. Die zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen haben verdeutlicht, dass die Gerichte sehr sorgfältig prüfen, ob die erstrebte Regelung tatsächlich die am Kindeswohl orientiert beste und alternativlose Ausgestaltung der Umgangskontakte darstellt. Auch das Thesenpapier der vom BMJV eingesetzten Arbeitsgruppe zur Reform des Sorge- und Umgangsrechts zeigt in seinen Ergebnissen ein sehr objektives Bild (https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/Artikel/102919_Thesen_AG_SorgeUndUmgangsrecht.pdf?__blob=publicationFile&v=2), das schon durch die Wortwahl (z.B. Betreuung statt Umgang) dafür wirbt, den Eltern zu verdeutlichen, dass sie auch nach einer Trennung weiterhin gemeinsam in der Verantwortung für ihre Kinder stehen und die Ausgestaltung dieser Verantwortungsübernahme sich an der veränderten Lebenswirklichkeit der Familien zu orientieren hat.

Dass gleichwohl Elternteile unverändert den Bereich des Sorge- und Umgangsrechts als „Spielfeld“ für nicht verarbeitete Trennungsprobleme sehen, zeigt eine aktuelle Entscheidung des BGH vom 27.11.2019. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt war der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die drei gemeinsamen Kinder gerichtlich zugewiesen worden. Der Umgang der Kinder mit ihrem Vater wurde aufgrund außergerichtlicher Abstimmung praktiziert. Der Vater erstrebte nun das Aufenthaltsbestimmungsrecht und hilfsweise eine Umgangsregelung im Sinn eines paritätischen Wechselmodells. Mit Blick auf seinen Hilfsantrag wurde von Amts wegen ein Umgangsverfahren eingeleitet und der Sorgerechtsantrag in einem gesonderten Verfahren geführt. Erst- und zweitinstanzlich wurde sein Begehren auf Anordnung eines exakt paritätischen Wechselmodells zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgte er dieses Ziel weiter, wobei diese allerdings auch ohne Erfolg blieb.

Der BGH hat in der Begründung seiner Entscheidung darauf verwiesen, dass zwischen einem Sorge- und einem Umgangsrechtsverfahren strikt zu trennen ist, da es sich um jeweils eigenständige Verfahrensgegenstände handelt. Da in dem zur Entscheidung stehenden Verfahren erstmals eine gerichtliche Umgangsregelung erstrebt wurde, beurteilte diese sich am Maßstab der §§ 1684, 1697a BGB. Davon zu unterscheiden ist die frühere familiengerichtliche Zuweisung des Aufenthaltsbestimmungsrechts an die Mutter, wobei es jedoch im konkreten Verfahren nicht um die Abänderung dieser Sorgerechtsregelung geht, so dass die strengen Abänderungsvoraussetzungen des § 1696 Abs. 1 BGB zur Anwendung kämen.

In Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung betont der BGH, dass die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells auf Seiten des Kindes eine auf sicherer Bindung beruhende tragfähige Beziehung zu beiden Elternteilen voraussetzt, wobei auch der vom Kind geäußerte Wille, dem mit steigendem Alter zunehmendes Gewicht zukommt, wesentlich ist. Stehen dem Willen des Kindes allerdings gewichtige Gründe des Kindeswohls entgegen, so überlagern sie diesen. Derartige gewichtige Gründe sah der BGH im Verhalten des Vaters, der seine Umgangszeiten wiederholt ausgedehnt und die Kinder nicht zu der verabredeten Zeit zurückgebracht hatte. Auch seine Reaktionen und Aktionen anlässlich der Übergabe belegten seine Schwierigkeit, sich von den Kindern zu lösen und sie der Mutter zu übergeben. Nach den Feststellungen des BGH vermochte es der Vater weniger als die Mutter, den Kindern zu ihrer Entwicklung Freiräume zu gewähren und eigene Bedürfnisse zurückzustellen. Statt sie in der Übergabesituation zu unterstützten, filme er die Schwierigkeiten insbesondere eines Kindes, sich vom Vater zu lösen.

Mit seiner aktuellen Entscheidung wiederholt der BGH nicht nur seine grundlegenden Erwägungen zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen überhaupt gegen den Willen eines Elternteils das paritätische Wechselmodell familiengerichtlich angeordnet werden kann. Er zeigt in seiner Entscheidung ebenso auf, dass eine bestehende sorgerechtliche Regelung zum gewöhnlichen Aufenthalt eines Kindes durch eine (nachfolgende) Umgangsregelung überlagert werden kann, die in etwa zeitgleiche Betreuungsanteile beider Eltern schafft.

 

Weihnachtsgeld für ZVK-Rentner

Noch gerade rechtzeitig vor Weihnachten hat das LG Karlsruhe (LG Karlsruhe v. 22.11.2019 – 6 S 2/19) die letzten Zweifel beseitigt: Rentnerinnen und Rentner der Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes, deren Ehe nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Scheidungsrecht geschieden worden sind, können eine kräftige Rentennachzahlung beanspruchen.

Die Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes haben nämlich die Renten von nach altem Versorgungsausgleichsrecht ausgleichspflichtigen Rentnern überdimensioniert gekürzt. Diese sind in den Alt-Entscheidungen mithilfe der Barwertverordnung dynamisiert und damit erheblich abgewertet worden. Dies hat die Zusatzversorgungskassen jedoch nicht davon abgehalten, die Kürzungen der Versorgungen der Rentner auf der Basis des nicht dynamisierten Nominalwerts vorzunehmen.

Diese Praxis hat der BGH bereits in seinem Urteil vom 10.1.2018 kritisiert und die entsprechende Satzungsbestimmung der Zusatzversorgungskasse (Rheinische Zusatzversorgungskasse) als unwirksam erklärt (BGH v. 10.1.2018 – IV ZR 262/16, FamRZ 2018, 497 = FamRB 2018, 138). Dieses Urteil gilt für alle Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes, weil diese identische Satzungsbestimmungen hatten.

Bereits nach diesen Entscheidungen stünde den ZVK-Rentnern eine Nachzahlung der unberechtigten Kürzungsbeträge über einen nicht verjährten Zeitraum von max. 3 Jahren und 11 Monaten zu. Da die Kürzungen in der Regel um etwa 50 % übersetzt waren, kommt im Einzelfall bei 47 Monaten ein erklecklicher Betrag zustande.

Die VBL hat entsprechende Zahlungsansprüche von Rentnern nur auf deren Antrag und nur ab Februar 2018 reguliert Sie hat die Auffassung vertreten hat, ihre Satzung sei erst ab diesem Zeitpunkt bezüglich dieser Vorschrift unwirksam. Diese etwas merkwürdige Interpretation der Unwirksamkeitsnorm hat bereits das AG Karlsruhe zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung hat nun das LG Karlsruhe mit einem ausführlich und umfassend begründeten Urteil zurückgewiesen. Die ausständigen Renten sind ab Geltendmachung des Zahlungsanspruchs durch den Rentner darüber hinaus zu verzinsen.

Die Berechnung der Rückstände ist nicht ganz einfach. Ein sehr einfach zu handhabendes Berechnungstool finden Sie auf der Homepage des FamRB!

Kein Entzug der elterlichen Sorge auf Vorrat (Schleswig-Holsteinisches OLG v. 16.4.2019 – 10 UF 13/19)

Kindeswohlgefährdungen nehmen in der öffentlichen Diskussion immer stärkere Bedeutung ein. Dies steht nicht nur vor dem Hintergrund einer steigenden Anzahl solcher Gefährdungen, sondern auch einer deutlich verstärkten Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Gefahren, denen Kinder ausgesetzt sind. Gerade die Jugendämter stehen unter einem erheblichen Druck. Den steigenden Fallzahlen können sie in der Regel nicht mit einem gleichermaßen gestiegenen Personalbestand begegnen. Auch wird die Bewertung von Gefährdungssituationen immer stärker durch verfassungsrechtliche Grundfragen überlagert, d.h. Jugendamtsmitarbeiter, die in der Regel über eine sozialpädagogische Ausbildung verfügen, sollen immer häufiger spezifische juristische Fragen – typischerweise auch unter besonderem Zeitdruck – adäquat bewerten können. Die eingeleiteten familiengerichtlichen Verfahren werden in der Ausgangsinstanz in erheblichem Maß durch den persönlichen Eindruck der Eltern bestimmt, den diese nicht nur in der mündlichen Verhandlung, sondern auch in ihren bisherigen Kontakten mit dem Jugendamt hinterlassen haben. Die gerichtliche Entscheidung bezüglich der zum Schutz der Kinder erforderlichen Maßnahmen und den gleichzeitig zu wahrenden Elternrechten ist nicht selten eine Gratwanderung.

Mit den sich daraus ergebenden Problemen zum Umfang kindesschutzrechtlicher Maßnahmen hat sich das OLG Schleswig in einer aktuellen Entscheidung befasst. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatte das Jugendamt wegen einer unzureichenden Versorgungssituation die im Haushalt der alleinsorgeberechtigten Mutter lebenden Kinder in Obhut genommen. In dem eingeleiteten familiengerichtlichen Verfahren hatte das Jugendamt auf die mangelnde Förderung der Kinder durch die Mutter verwiesen und ebenso darauf, dass mit ihr, folgend aus ihrer Unzuverlässigkeit, eine konstruktive Zusammenarbeit nicht möglich sei. Das Ausgangsgericht hat der Mutter – nach eingeholtem Sachverständigengutachten zur Frage der Erziehungsfähigkeit beider Elternteile und der Prüfung, ob einer Kindeswohlgefährdung auch mit ambulanten Hilfen begegnet werden kann – die elterliche Sorge vollumfänglich entzogen. Gegen diese Entscheidung legt die Mutter Beschwerde ein.

Der Senat ändert die Ausgangsentscheidung insoweit ab, als der Mutter nur Teilbereiche der elterlichen Sorge entzogen werden. Zur Begründung verweist der Senat auf den zu wahrenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wonach ein vollständiger Sorgerechtsentzug nicht zulässig ist, wenn zur Gefährdungsabwendung die Entziehung einzelner Sorgerechtsbereiche genügt. Zu den einzelnen Teilbereichen der elterlichen Sorge führt der Senat sodann jeweils aus, inwieweit es im konkreten Fall tatsächlich eines Eingriffs in die elterliche Sorge bedarf, etwa hinsichtlich der Sicherung der Gesundheitsfürsorge oder der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen. Gleichzeitig verweist er darauf, dass es auch Teilbereiche der elterlichen Sorge im konkreten Fall gibt, bezüglich derer weder Unstimmigkeiten bestehen noch es einen Klärungsbedarf gibt. In diesem Fall würde der Entzug der elterlichen Sorge in diesen Bereichen einen unverhältnismäßigen und unzulässigen Vorratsbeschluss darstellen. Zudem verweist der Senat auf das Recht der Umgangsbestimmung, bei dem eine gerichtliche Umgangsentscheidung als milderes Mittel vorrangig ist und der Entzug des Bestimmungsrechts daher erst dann in Betracht kommt, wenn es trotz der familiengerichtlichen Regelung zu einer kindeswohlgefährdenden Situation käme. Ebenso stellt der Senat klar, dass die Pflegeperson, in deren Obhut sich künftig die Kinder aufhalten werden, gesetzlich berechtigt ist, Angelegenheit des täglichen Lebens eigenständig wahrzunehmen, so dass es auch hierzu keiner gerichtlichen Regelung bedarf.

Das Schleswig-Holsteinische OLG hat in seiner Entscheidung uneingeschränkt eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung umgesetzt. Das aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG folgende Elternrecht auf Pflege und Erziehung der Kinder ist ein natürliches Recht der Eltern, das sie grundsätzlich frei von staatlichen Einflüssen und Eingriffen nach eigenen Vorstellungen gestalten können. Leitende Richtschnur ist allerdings das Kindeswohl. Insoweit obliegt dem Staat ein Wächteramt, das einfachrechtlich in § 1666 BGB ausgestaltet wird. Zum Schutz eines Kindes sind danach familiengerichtliche Maßnahmen einzuleiten, wenn eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, d.h. eine gegenwärtige Gefahr, so dass bei weiterer Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes entweder bereits eingetreten oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Zur Annahme dieser hinreichenden Wahrscheinlichkeit bedarf es konkreter Verdachtsmomente bzw. muss der für das Kind drohende Schaden erheblich sein. Im Rahmen der sodann durchzuführenden Verhältnismäßigkeitsprüfung bedarf es der Feststellung, dass die familiengerichtlich einzuleitenden Maßnahmen zur Gefahrenabwehr geeignet und erforderlich sind, d.h. es dürfen insbesondere keine niederschwelligeren Maßnahmen im konkreten Fall ausreichend sein. Zudem muss der gerichtliche Eingriff unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände zumutbar sein, so dass neben der Schwere des Eingriffs auch dessen Folgen abzuwägen sind.