Kaffeerunden-Splitter – Versorgungsausgleichsgewinne mit Teilrente realisieren

Am 1. und 3. Mittwoch im Monat findet seit zwei Jahren in der Zeit von 14:00 bis 15:00 Uhr die „Kaffeerunde Versorgungsausgleich“ statt, eine virtuelle Diskussion zwischen Anwalt- und Richterschaft, Versicherungsmathematiker:innen, Rentenberater:innen und Versorgungsausgleichsspezialist:innen einiger Versicherungskonzerne statt. Die Veranstaltung wird von FAFamR Jörn Hauß und VorsRiOLG a.D. Werner Schwamb moderiert. Die Teilnahme steht jeder interessierten Person frei und ist kostenlos. Jede:jeder kann sich mit Fragen und Anregungen an die Kaffeerunde wenden und in den Verteiler aufgenommen werden. Wie in jeder Kaffeerunde können Fragen zum Versorgungsausgleich auch während der Runde gestellt werden, sinnvoller ist es jedoch, sie zuvor an Jörn Hauß per Mail zu richten: Hauss@Anwaelte-DU.de.

Der FamRB wird praktisch wichtige „Ergebnisse“ der Diskussion aus der Kaffeerunde von Zeit zu Zeit auch in seinem Blog vorstellen.

Die externe Teilung von Anrechten der betrieblichen und privaten Altersvorsorge oder die Abfindung schuldrechtlicher Ausgleichsansprüche führt oftmals zu erheblichen Versorgungsgewinnen, wenn der Ausgleichswert mit einem Rechnungszins unter 3 % berechnet wurde und die Versorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung (DRV) begründet werden kann. Derzeit betragen die Versorgungsgewinne ca. 70 % für eine 50-jährige ausgleichsberechtigte Person.

Scheitert die Versorgungsbegründung daran, dass die ausgleichsberechtigte Person bereits eine Vollrente wegen Alters bezieht und sie die Regelaltersgrenze bereits überschritten hat (§ 187 SGB VI) kann jedoch zu ihren Gunsten eine Versorgung durch Beitragszahlung nicht mehr begründet werden.

Zwar vermindert sich der Vorteil ab Renteneintritt der ausgleichsberechtigten Person kontinuierlich, aber auch im Alter von 70 Jahren beträgt er noch rund 15 %.

Wie bekommt man also den Ausgleichswert einer externen Teilung oder den Abfindungsbetrag eines schuldrechtlich auszugleichenden Anrechts (§§ 23, 24 VersAusglG) trotz Altersrentenbezug und Erreichen der Regelaltersgrenze in die DRV?

Ganz einfach: Die ausgleichsberechtigte Person wechselt zuvor von der Voll- in die Teilrente und beantragt beim Versorgungsträger eine Teilrente in Höhe von 99,99 % der Vollrente. Das öffnet das Tor der DRV für den Beitrag oder die Abfindungszahlung. Der Versorgungsverlust von 0,01 % dürfte dabei verschmerzbar sein. Wer es nicht glaubt, lese im Rechtsportal der DRV nach: https:/rvrecht.deutsche-rentenversicherung.de unter Gemeinsame Rechtliche Anweisungen (GRA) zu § 42 SGB VI Ziff. 2.2. unter Verweis auf AGVR 4/2022, TOP 4:

„Versicherte können die Höhe der Teilrente in beliebigen Prozentschritten mit zwei Dezimalstellen (Nachkommastellen) wählen. Die Teilrente muss allerdings mindestens 10,00 Prozent der Vollrente betragen (§ 42 Abs. 1 SGB VI). Sie kann höchstens in Höhe von 99,99 Prozent in Anspruch genommen werden.“

Wer also ausgleichsberechtigte Personen in Abänderungsverfahren (§ 51 VersAusglG) oder über die Abfindung schuldrechtlich auszugleichender Versorgungen (§§ 23, 24 VersAusglG) berät, sollte tunlichst prüfen, ob bei externer Teilung oder Abfindung die gesetzliche Rentenversicherung als Transfergewinne bescherende Zielversorgung in Betracht kommt. Selbst für den betagten Vollrentner ist der vorherige Wechsel zur Teilrente i.H.v. 99,9 % meist noch günstig. Wird der Abfindungs- oder Ausgleichswert mit einem Rechnungszins von unter 2,3 % berechnet, ist es selbst für eine 73 Jahre alte Person meist noch günstiger auf 0,01 % der Vollrente zu verzichten und den externen Ausgleich oder die Abfindung in die gesetzliche Rentenversicherung zu steuern. Beim 68 Jahre alten Vollrentenbezieher wird noch bei einem Rechnungszins von 3,5 % ein deutlicher Transfergewinn erzielt.

Bei werthaltigen Anrechten helfen Versicherungsmathematikerinnen, Rentenberater, aber auch die auf den Versorgungsausgleich spezialisierte Anwaltschaft konkret weiter.

Unterhalt in der Krise oder die Krise im Unterhalt

„Das Corona-Virus ist in aller Munde“ – sehr doppeldeutig beginnt das Merkblatt einer Arztpraxis zu den Verhaltensregeln anlässlich der Covid-19-Pandemie. Zum Glück gilt dies nur im übertragenen Sinn, betrifft aber längst nicht mehr nur medizinische Aspekte. Inzwischen hat ein mit bloßem Auge unsichtbares Virus alle Bereiche des öffentlichen Lebens fest im Griff und spart auch das Familienrecht nicht aus. Sehr plastisch führt uns die Schließung von Schulen und Kitas vor Augen, welch hohen Stellenwert gesicherte Betreuungsarrangements für Kinder im Alltag haben. Daran schließen sich sehr praktische Fragen an: Lässt sich ein getrennt lebender Elternteil in die Kinderbetreuung einbinden, ist ein Wechselmodell noch praktikabel oder welche Folgen hat die verordnete Einschränkung sozialer Kontakte auf einen vereinbarten Umgang? Sehr schnell spürbar wurden für viele Betroffene auch die wirtschaftlichen Folgen der Krise, die sich zugleich unmittelbar auf die Unterhaltspflichten auswirken. Längst erreichen die Jugendämter zahlreiche Anfragen – von Unterhaltspflichtigen, die den Unterhalt nicht mehr aufbringen können, ebenso wie von Alleinerziehenden, die dringend auf Unterstützung angewiesen sind.

Laufende Unterhaltspflichten werden regelmäßig aufgrund einer Prognose festgelegt, die an das in der Vergangenheit bezogene Einkommen anknüpft. Dahinter steht die unausgesprochene Erwartung, dass sich diese Verhältnisse im Wesentlichen unverändert fortsetzen. Nun stehen wir plötzlich vor der Situation, dass diese jahrzehntelang nicht unrealistische Erfahrung für große Gruppen der Bevölkerung nicht mehr zutrifft. Welches Einkommen kann ein Gastwirt erzielen, der seinen Betrieb zunächst noch für einige Stunden offen halten durfte und dem infolge der nächsten Schließungsverfügung von einem Tag auf den anderen auch die letzten Einnahmen wegbrechen. In vielen anderen Branchen – Dienstleistungen, Luftfahrt, Touristik, Kulturbetriebe bis hin zu sozialen Diensten und Einrichtungen – sieht es nicht besser aus. Eine große Zahl von Arbeitnehmern ist bereits in Kurzarbeit, anderen droht die Arbeitslosigkeit. Das Einkommen sinkt dadurch auf 60 % bzw. 67 % des früheren Nettoverdienstes, während viele Kosten wie Miete, Versicherungen und Kreditbelastungen unverändert weiterlaufen. Dieses Szenario ist längst real – für wen, in welcher Weise und zu welchem Zeitpunkt es sich wieder ändern wird, ist noch lange nicht abzusehen. Zwar bringt die Bundesregierung große Hilfspakete auf den Weg, um die Folgen für die unmittelbar Betroffenen abzumildern. Erleichterungen beim Bezug von Wohngeld, Kurzarbeitergeld, Kinderzuschlag sowie ALG II, Zuschüsse an Selbständige und ein erweiterter Kündigungsschutz von Wohnraum können die wirtschaftlichen Belastungen zwar abmildern, aber nicht alle Einkommenseinbußen kompensieren. In all diesen Fällen erweist sich urplötzlich eine den Unterhaltspflichten zugrunde liegende Einkommensprognose als unzutreffend. Sollen die bisherigen Unterhaltspflichten nicht zu einem weiteren Schuldenberg anwachsen, sind bestehende Titel an die veränderten Verhältnisse anzupassen.

Anders als bei vertraglich begründeten Zahlungspflichten ist die Leistungsfähigkeit des Pflichtigen eine notwendige Voraussetzung für den gesetzlichen Unterhaltsanspruch. Vermindert sich das verfügbare Einkommen, sinkt die Unterhaltspflicht oder entfällt vollständig. Den Maßstab dafür bilden nicht mehr unterhaltsrechtliche Formeln und Pauschalen, sondern die realen wirtschaftlichen Verhältnisse des einzelnen Betroffenen. Denn dieser hat sich mit seiner Lebensführung abhängig von der bestehenden Unterhaltspflicht eingerichtet. In einer breite Bevölkerungskreise unvorbereitet treffenden und vielfach als existenzbedrohend erlebten Krise sind keine kurzfristigen Änderungen im persönlichen Lebensumfeld zu erwarten. Vielmehr sind die vorgefundenen Verhältnisse als gegeben hinzunehmen und allen unterhaltsrechtlichen Beurteilungen zugrunde zu legen.

Aus der früheren Rechtsprechung (Brandenburgisches OLG v. 12.1.1995 – 9 UF 90/94, FamRZ 1995, 1220; OLG Dresden v. 25.11.1997 – 10 WF 455/97, FamRZ 1998, 767) genährte Überlegungen, vorübergehende Einkommensrückgänge könnten in den ersten Monate einer Kurzarbeit überbrückt werden, sind ebenso realitätsfremd wie die Annahme, bei selbständiger Tätigkeit ließen sich mehrmonatige Umsatzeinbußen einige Monate später noch aufholen. Im Unterhalt gilt das Liquiditätsprinzip – d.h. die Zahlung muss aus dem laufenden Einkommen möglich sein. Ist dies nicht der Fall, sind auch kurzfristige Veränderungen zu beachten und können zu einem – möglicherweise auch nur vorübergehenden – Wegfall des Anspruchs führen.

Auch wenn alle hoffen, dass die Krise nicht allzu lange andauern möge, weiß noch niemand, wie sich Auftragslage und Arbeitsmarkt nach einer Rückkehr zum gesellschaftlichen Normalzustand entwickeln werden. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir derzeit eine weltweite Krisensituation durchleben, für die es keine Erfahrungswerte gibt und deren langfristigen Folgen sich nicht prognostizieren lassen. Daher folgt aus der Einkommenskrise des Einzelnen die notwendige Reaktion beim Unterhalt.

Aber auch für diese Anpassung gibt es keine unterhaltsrechtlich verlässlichen Erfahrungswerte. So werden derzeit eine ganze Reihe von Unterstützungsmaßnahmen installiert, die teils den betrieblichen Sektor, teils auch die private Lebenssituation betreffen und zudem Familien mit Kindern in besonderer Weise begünstigen sollen. Deren Wirkungen und Dauer lassen sich aktuell noch nicht überblicken, wie sich auch noch nicht absehen lässt, wann sich die Verhältnisse wieder stabilisieren werden. Bei diesem unsicheren Terrain ist es nicht zielführend, sich auf kleinteilige Unterhaltsberechnungen nach den bekannten unterhaltsrechtlichen Schemata einzulassen. Gefragt sind vielmehr Verständnis für die tatsächliche Lebenssituation der jeweils anderen Seite sowie die Bereitschaft, sich kreativ mit flexiblen Lösungen auseinanderzusetzen. Dabei lassen sich in einem – mit dem gebotenen Abstand geführte – persönlichen Gespräch schneller pragmatische, maßgeschneiderte Lösungen erreichen, als in einer ganzen Reihe gerichtlicher Abänderungsverfahren.

Kindererziehungszeiten für Bundesbeamte (Änderung des § 50a BeamtVG)

Etwas verspätet reagiert der Bund mit einer Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes auf die sozialpolitisch motivierte versorgungsrechtliche Anerkennung von Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder (Art. 9 des Besoldungsstrukturenmodernisierungsgesetzes – BesStMG). Der Kindererziehungszuschlag galt bislang nur für nach 1991 geborene Kinder und wurde nur dann gewährt, wenn der Beamte aus der gesetzlichen Rentenversicherung für seine Kinder keinen Kindererziehungszuschlag erhalten konnte.

Nunmehr sollen Beamten auch Kindererziehungszeiten für vor 1991 geborene Kinder gewährt und zwar im gleichen Umfang, wie auch in der gesetzlichen Rentenversicherung, auf deren Regelung in § 70 SGB VI verwiesen wird. 30 Monate „Dienstzeit“ wird als Kindererziehungszeit für jedes vor 1992 geborene Kind gewährt, für jeden Monat 0,0833 Entgeltpunkte, also maximal 2,5 EP und damit derzeit 75,08 € pro Kind (2,5 x 33,03).

Wer meint, nun im Versorgungsausgleich massenhaft Abänderungsverfahren einleiten zu können, sollte die Lage nüchtern prüfen.

  • Beamte, die einen Rentenanspruch in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben haben, haben auch bisher schon in der gesetzlichen Rentenversicherung Kindererziehungszuschläge erhalten. Eine doppelte Zuteilung von Kindererziehungszeiten ist aber ausgeschlossen (§ 50a Abs. 1 BeamtVG).
  • Der Höchstruhegehaltssatz von 71,75% des ruhegehaltsfähigen Einkommens kann auch durch Kindererziehungszeiten nicht überschritten werden (§ 50a Abs. 6 BeamtVG).

Ein Abänderungspotential besteht daher sicher nur in wenigen Fällen. Zwar bedeutet ein Zuschlag von 30 Monaten Dienstzeit bei einem Versorgungserwerb von 0,1495 % pro Monat einen nicht unerheblichen Versorgungszuschlag, bei einem vor 1992 geborenen Kind reicht das aber fast nie aus, um das Abänderungspotential von 5 % des Ausgleichswerts (§ 226 Abs. 3 FamFG) zu erreichen. Beamtenpensionen sind meist höher als Renten. Deshalb braucht es fast immer zwei Kinder um die Abänderungsschwelle zu überschreiten.