Ausschluss des persönlichen Kontakts – Auskunft als Alternative? (Bdb. OLG v. 15.11.2023 – 13 UF 62/23)

Durch das zum 13.7.2013 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters wurde den leiblichen Vätern, die ein ernsthaftes Interesse an dem Kind zeigen, ein Recht auf Umgang eingeräumt, soweit dieser dem Kindeswohl dient. Ebenso wurde ihnen bei berechtigtem Interesse ein Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes eröffnet, soweit diese Auskunft dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

Während der Auskunftsanspruch der leiblichen Väter seit seinem Inkrafttreten gleichrangige Bedeutung neben dem persönlichen Umgang hatte, hat er im Kreis der rechtlichen Väter nach wie vor ein Schattendasein. Der Fokus liegt – durchaus berechtigt – auf dem persönlichen Umgang mit dem Kind. Im Zug einer steigenden Tendenz hochstreitiger kindschaftsrechtlicher Auseinandersetzungen, in die gewollt oder ungewollt auch die Kinder involviert werden, steigt allerdings auch die Quote der seitens der Kinder erklärten Umgangsverweigerung. Für den nicht betreuenden Elternteil ergibt sich damit aber auch die Frage, ob ggf. die Umsetzung zumindest eines Auskunftsanspruchs eine Alternative zum persönlichen Umgang darstellen kann.

Das Brandenburgische OLG hat sich in einer Entscheidung vom 15.11.2023 mit dieser besonderen Problematik auseinandergesetzt:

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatte die minderjährige Tochter mit ihrer zwischenzeitlich volljährigen Schwester zunächst nach der Trennung ihrer Eltern im Haushalt ihres Vaters gelebt, war im Zug weiterer gerichtlicher Auseinandersetzungen der Eltern aber zusammen mit ihrer Schwester in den Haushalt der Mutter gewechselt, wobei auf ausdrücklichen Wunsch der noch minderjährigen Tochter der Umgang mit dem Vater bis zum Eintritt der Volljährigkeit ausgeschlossen wurde. Dem seitens des Vaters gerichtlich geltend gemachten Auskunftsanspruch ist das Ausgangsgericht im Wesentlichen gefolgt.

Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde der Mutter sowie der Verfahrensbeiständin hat das Brandenburgische OLG jedoch die Ausgangsentscheidung teilweise aufgehoben und weitergehende Anträge des Vaters abgewiesen. In seiner Begründung hat der Senat darauf verwiesen, dass dem Vater grundsätzlich der geltend gemachte Auskunftsanspruch zusteht, da er weder personensorgeberechtigt ist, noch Umgang mit seiner Tochter hat. Anhaltspunkte dafür, dass die begehrte Auskunftserteilung missbräuchlich sein könnte, hat der Senat verneint.

Eine Einschränkung der Auskunft hat er jedoch bejaht vor dem Hintergrund des ausdrücklich erklärten Willens der Tochter, da ihr unter Berücksichtigung ihres Alters und Entwicklungsstands zuzugestehen war, über Informationen zu höchstpersönlichen Angelegenheiten selbst zu bestimmen. Dem Auskunftsrecht des Vaters auf Informationen zu stationären Krankenhausaufenthalten und deren Grund, über den Schulbesuch sowie die Information über die Aufnahme einer Berufsausbildung stand das Recht der informationellen Selbstbestimmung der Tochter entgegen. Nach dem persönlichen Eindruck des Senats war die Jugendliche in der Lage altersgemäß ihren Willen zu bilden und sich prägnant ausdrücken. Ihr ausdrücklich erklärter Wunsch, dass der Vater kein Foto von ihr oder Informationen über ihre schulischen Leistungen, ihren Ausbildungsweg sowie umfassende Auskünfte zu etwaigen Krankenhausaufenthalten erhalte sollte, war daher zu berücksichtigen. Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass Interessen der Mutter bei diesen Äußerungen im Vordergrund standen, ergaben sich nicht, wobei der Senat zudem darauf verweist, dass auch ein manipulierter Wille nicht ohne weiteres unbeachtlich ist, wenn er Ausdruck echter und damit schützenswerter Bindungen ist.

Auskunftsansprüche als Alternative zum persönlichen Umgang stehen damit nicht nur unter dem Vorbehalt des berechtigten Interesses des Auskunftsbegehrenden und der Abwägung eines möglichen Widerspruchs zum Kindeswohl. Der Anspruchsinhalt muss sich zudem am Alter des unmittelbar betroffenen Kindes orientieren, so dass einem sich der Volljährigkeit nähernden Jugendlichen letztlich die Entscheidungsfreiheit verbleiben muss, in welchem Umfang er mit der Weitergabe von Informationen einverstanden ist, die seine höchstpersönliche Privat- und Intimsphäre betreffen.

Kein Umgang ohne Nadelstiche (OLG Koblenz v. 19.4.2023 – 13 WF 78/23)

Der Praxis sind die immer wieder gleichgelagerten Beschwerdeanrufe – in der Regel am Wochenbeginn, d.h. zum Ende eines Umgangswochenendes – hinlänglich bekannt. Zwar stand das Kind pünktlich zur Abholung bereit, doch beinhaltete die mitgegebene Tasche eine Bekleidung, die entweder von der Größe unpassend, den Witterungsverhältnissen nicht angemessen oder im schlimmsten Fall nur unzureichend gereinigt war. Umgekehrt wurde bei der Rückverbringung des Kindes die mitgegebene Bekleidung nur teilweise zurückgegeben und die Herausgabe der Krankenversicherungskarte komplett vergessen.

Dass diese elterlichen Verhaltensweisen die unterschiedlichsten Zielsetzungen – keineswegs jedoch die der Sicherstellung des Kindeswohls – verfolgen, ist leicht durchschaubar, allerdings umso unverständlicher, als sie gegen eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung verstößt.

In Rechtsprechung und Literatur bestand durchgängig Einvernehmen darüber, dass einem Kind anlässlich der Wahrnehmung von Umgangskontakten die zu deren ordnungsgemäßer Durchführung ebenso erforderliche Bekleidung wie etwa notwendige persönliche Sachen oder Dokumente mitzugeben waren. Uneinheitlich war lediglich die rechtliche Grundlage, auf die diese Verpflichtung gestützt werden konnte. Diesen Meinungsstreit hat der BGH mit seiner Entscheidung vom 27.3.2019 (BGH v. 27.3.2019 – XII ZB 345/18, FamRB 2019, 259) beendet und in analoger Anwendung des sich auf das Kind richtenden Herausgabeanspruchs gem. § 1632 Abs. 1 BGB sowie der Wohlverhaltenspflicht gem. § 1684 Abs. 2 BGB den Anspruch des Obhutselternteils als auch des umgangsberechtigten Elternteils auf Herausgabe der persönlichen Gegenstände, der Bekleidung sowie der Urkunden formuliert, die das Kind während seines Aufenthalts bei dem die Herausgabe begehrenden Elternteil voraussichtlich benötigt, d.h., auf die es angewiesen ist.

Das OLG Koblenz hat in einem aktuellen Beschluss diese grundlegenden Vorgaben aufgegriffen. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt hatte der Antragsteller gerichtlich die anteilige Verteilung digitalisierter Kita-Ordner mit Fotos der gemeinsamen Kinder geltend gemacht, um Kopien für den jeweils anderen Elternteil anzufertigen und diesem zur Verfügung zu stellen. Erst im Verlauf des Verfahrens stellte die Antragsgegnerin einen USB-Stick mit den digitalisierten Ordnern zur Verfügung, so dass der Antragsteller seinen Antrag zurücknahm. Das Familiengericht legte ihm allerdings die Kosten des Verfahrens auf. Der Antragsteller legte Kostenbeschwerde ein und beantragte die vollständige Kostenlast der Antragsgegnerin.

Der Senat legte unter Abänderung der Ausgangsentscheidung die Gerichtskosten den Eltern je zur Hälfte auf. Außergerichtliche Kosten wurden nicht erstattet.

In seiner Begründung verwies der Senat darauf, dass sich die zu treffende Kostenentscheidung an Billigkeitsgesichtspunkten zu orientieren hat und dabei die bisherigen Erfolgsaussichten der jeweiligen Anträge lediglich summarisch zu prüfen sind. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass sowohl der personensorgeberechtigte Elternteil als auch der umgangsberechtigte Elternteil jeweils in die Lage versetzt werden sollen, die gemeinsame Zeit mit dem Kind ungestört und kindeswohldienlich zu verbringen. Dazu müssen ihnen all jene persönlichen Gegenstände, Kleidungsstücke und Urkunden herausgegeben werden, die das Kind während seines Aufenthalts bei dem die Herausgabe begehrenden Elternteil voraussichtlich benötigt und auf die der jeweils berechtigte Elternteil für die Ausübung der Personensorge oder des Umgangsrechts tatsächlich angewiesen ist. Dem Umgangsberechtigten bleibt es zur eigenen Verantwortung überlassen, wie er den Umgang gestaltet, solange damit keine Kindeswohlgefährdung einhergeht. Daher kann er grundsätzlich die Herausgabe aller Sachen des Kindes für die Dauer des Umgangs verlangen, die das Kind für die von ihm gewünschte Umgangsgestaltung benötigt. Soweit daher für den Umgangskontakt die Sichtung von Fotos beabsichtigt ist, kann dies die Herausgabe der entsprechenden digitalisierten Foto-Ordner umfassen.

Unabhängig von einer vermeidbar gewesenen Kostenbelastung durch das gerichtliche Verfahren hat die Antragstellerin mit ihrer Verweigerungshaltung im Ergebnis lediglich erreicht, dass ein weiteres Verfahren initiiert wurde und das Kind eine weitere Auseinandersetzung seiner Eltern um einen eigentlich nichtigen Anlass erleben musste.

Selbst wenn finanzielle Belastungen nicht zu überzeugen vermögen, sollte es für jeden Elternteil eine Selbstverständlichkeit darstellen, dass angemessene Kleidung, das Lieblingskuscheltier beim Einschlafen und die Krankenversicherungskarte bei einem akuten Krankheitsfall für das Kindeswohl essentiell sind.

Keine ungetrübte Urlaubsfreude ohne ausreichende Planung (KG v. 22.6.2022 – 16 WF 29/22)

In den vergangenen Monaten haben sich die Beschwerdegerichte wiederholt mit Ordnungsmittelanträgen befassen müssen, die aus zeitlich unzureichenden Reiseplanungen eines Elternteils resultierten. Rückreisen aus dem Urlaub wurden zeitlich so knapp oder sogar zeitlich überlappend kalkuliert, dass zeitlich anschließend geplante Reisen des jeweils anderen Elternteils teilweise nicht mehr (vgl. OLG Hamm v. 24.1.2022 – 13 WF 210/21, FamRB 2022, 224) oder nur mit Zusatzkosten umgesetzt werden konnten. Mit einem solchen Sachverhalt hat sich aktuell auch das KG in seinem Beschluss vom 22.6.2022 auseinandergesetzt.

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt war dem Vater für die Herbstferien 2021 ein Umgang in der ersten Ferienwoche zuerkannt worden. Die Übergabe des Kindes sollte am Sonntag den 17.10.2021 um 17.00 Uhr an eine Umgangspflegerin erfolgen. Seine Ferienwoche verbrachte der Vater in Galicien, wo er einen Tag vor dem geplanten Rückflug von dessen Stornierung erfuhr. Auf Initiative der Mutter, die seitens der Umgangspflegerin von der Stornierung informiert wurde, konnten mehrere Alternativflüge mit anderen Gesellschaften ermittelt werden bzw. buchte die Mutter ein mit Zusatzkosten verbundenes Upgrade, das einen Zustieg des Kindes in Madrid anlässlich eines Zwischenstopps des von der Mutter ebenfalls gebuchten Fluges zum Urlaub auf den Kanaren ermöglichte.

Dem seitens der Mutter gestellten Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsmittels gegen den Vater wegen Zuwiderhandlung gegen den Umgangsbeschluss wurde erstinstanzlich entsprochen. Die seinerseits eingelegte Beschwerde wurde zurückgewiesen. In der Beschlussbegründung hat das KG darauf verwiesen, dass der Vater seine Pflicht zur zeitgerechten Übergabe des Kindes schuldhaft verletzt habe, da sein Verhalten als fahrlässig zu bewerten sei. Er habe keine ausreichende Vorsorge getroffen, um zu verhindern, dass es nicht zu der ganz fernliegenden Möglichkeit der Versäumung des Rückgabetermins komme. Es sei allgemein bekannt, dass es im Flugverkehr vielfach zu erheblichen Flugverschiebungen und -ausfällen komme. Wer – wie der Vater – eine Gefahrenlage durch zeitlich zu knappe Rückreisetermine schaffe, sei verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zur Schadensvermeidung und Sicherstellung einer rechtzeitigen Übergabe zu treffen.

Die Verhängung von Ordnungsmittel erfordert einen schuldhaften Verstoß gegen eine gerichtliche Entscheidung bzw. einen gerichtlich gebilligten Vergleich. Es bedarf daher einer objektiven Zuwiderhandlung des Pflichtigen, wobei es auf Seiten des Pflichtigen keines Verschuldens bedarf, sondern bloße Fahrlässigkeit genügt. Etwaiges Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten ist dem jeweiligen Elternteil zuzurechnen. Die Substantiierungs- und Feststellungslast für das fehlende Vertretenmüssen liegt bei dem pflichtigen Elternteil, d.h. er muss die Umstände, die den Grund für das Scheitern des Umgangskontakts darstellen, im Einzelnen vortragen und ggf. unter Beweis stellen.

Elternteile, die während der Ferien mit dem Kind Flugreisen ins Ausland beabsichtigen, sollten bei ihren Buchungen zur Rückreise stets ausreichende Zeitpuffer einplanen, die – soweit der jeweils andere Elternteil nicht auf Anfrage im Vorfeld sich mit einer auch kurzfristigen Verspätung einverstanden erklärt hat – in jedem Fall die zeitgerechte Rückverbringung des Kindes sicherstellt, insbesondere wenn eine sich anschließende zeitlich gebundene Urlaubsreise des jeweils anderen Elternteils bekannt ist. Zutreffend hat das KG in seinem Beschluss auch ausdrücklich auf den Aspekt des Kindeswohls verwiesen, wenn – wie in dem entschiedenen Sachverhalt – ein 3 ½-jähriges Kind an einem Tag aus Spanien nach Berlin zurückfliegen und keine 24 Stunden später sich erneut in ein Flugzeug setzen muss, um wieder eine Reise nach Spanien anzutreten. Es wäre wünschenswert, wenn der ein oder andere Elternteil bei dem, was er seinem Kind als selbstverständlich abverlangt, gelegentlich hinterfragen würde, ob er sich diese Belastung selbst auferlegen würde.

Elterliches Hobby versus Kindeswohl? (OLG Frankfurt v. 27.10.2020 – 1 UF 170/20)

Dass ein – möglicherweise bereits während des elterlichen Zusammenlebens gepflegtes – Hobby nach der Trennung Anlass zur Prüfung einer Kindeswohlgefährdung sein kann, zeigt ein aktueller Beschluss des OLG Frankfurt.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt übten die getrenntlebenden Eltern die Sorge für ihren 2019 geborenen Sohn gemeinsam aus. Der Vater hielt im Zusammenhang mit dem von ihm betriebenen Schlittenhundesport u.a. fünf Huskys sowie einen Labrador. Seitens der Mutter wurde dem Umgang entgegengehalten, dass sie die Kontakte nur akzeptiere, wenn die Hunde sich in dieser Zeit im Zwinger befänden. Erstinstanzlich wurde dem Vater ein Umgang mit dem Kind zuerkannt, allerdings nur in Abwesenheit der Hunde. Auf seine Beschwerde wurde die Ausgangsentscheidung dahin abgeändert, dass er lediglich sicherzustellen hatte, dass während der Umgangskontakte das Kind nicht in Gegenwart von einem oder mehreren Hunden unbeaufsichtigt bleibe. Seine Entscheidung hat der Senat darauf gestützt, dass mit der Umgangsregelung auch Auflagen verbunden werden könnten, gerichtet etwa auf das Verbot der Gegenwart eines gefährlichen Tieres während des Umgangs. Im konkreten Fall gebe es keine Anhaltspunkte für eine konkrete Kindeswohlgefährdung, da die Hunderassen nicht als gefährlich einzustufen und auch nicht in der jeweiligen Gefahrenabwehrverordnung gelistet seien. Zudem könne davon ausgegangen werden, dass die Tiere regelmäßig trainiert würden und damit über einen Grundgehorsam verfügten. Eine abstrakte Gefahr aufgrund der Anzahl der Hunde, die eine weitergehende Regelung verlange, sei nicht zu erkennen. Ebenso seien auch keine Anhaltspunkte dargetan, dass der Vater seiner Elternverantwortung und Aufsichtspflicht während der Umgänge nicht genüge. Mit Blick auf die Bedenken der Mutter und die Loyalitätspflicht des Vaters sei es aber geboten, die Verpflichtung an den Vater zum Zweck der Klarstellung und mahnenden Erinnerung zu tenorieren, um eine besondere Aufmerksamkeit in Situationen sicherzustellen, in denen die Hunde besonders aufgeregt sein könnten.

Können sich Eltern außergerichtlich über die Umgangsregelung nicht verständigen, so bedarf es der gerichtlichen Entscheidung, in die die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern, das Kindeswohl und die Individualität des Kindes als Grundrechtsträger einzubeziehen ist. Oberster Maßstab der Entscheidung ist das Kindeswohl. Die gerichtliche Entscheidung umfasst üblicherweise nur Regelungen zur Umgangszeit, der Dauer und der Häufigkeit der Kontakte. Die konkrete Gestaltung des Umgangsablaufs obliegt primär dem Umgangsberechtigten, wobei der Loyalitätsverpflichtung gem. § 1684 Abs. 2 BGB in der Form Bedeutung zukommt, dass während des Kontakts Beeinflussungen des Kindes zu unterlassen sind. Darüber hinaus hat der umgangsberechtigte Elternteil auf die Kindesbelange – etwa bei gesundheitlichen Einschränkungen – Rücksicht zu nehmen. Werden seitens eines Elternteils am Kindeswohl orientiert Sicherheitsbedenken erhoben, die sich auch nicht als rechtsmissbräuchlich darstellen, so ist diesen bei der Ausgestaltung des Umgangs Rechnung zu tragen bzw. sind diese ggf. dann auch in die familiengerichtliche Regelung aufzunehmen. Besondere Bedeutung können derartige Sicherheitsbedenken im Zusammenhang mit Hobbys eines Elternteils erlangen. So kann durchaus ein Verbot, das Kind nicht auf einem Motorrad mitzunehmen, gerechtfertigt sein oder auch die Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass während des Umgangs ein gefährliches Haustier – etwa ein Kampfhund den das Kind zudem auch nicht kennt (z.B. KG Berlin v. 21.5.2002 – 18 UF 57/02, FamRB 2003, 9) – abwesend ist.

Da typischerweise das Verhalten des umgangsberechtigten Elternteils nicht darauf angelegt ist, das Kindewohl zu gefährden und ebenso der betreuende Elternteil nicht daran interessiert ist, die Heranführung des Kindes an das Hobby des anderen Elternteils prinzipiell zu verbieten, kann gerade in diesen Sachverhaltskonstellationen die Inanspruchnahme eines gemeinsamen Beratungsgesprächs beim Jugendamt deeskalierend wirken. Nach § 18 Abs. 3 SGB VIII haben nicht nur Kinder und Jugendliche einen eigenen Anspruch auf Beratung und Unterstützung bei der Anbahnung und Ausübung des Umgangsrechts, sondern auch Eltern, andere Umgangsberechtigte sowie Personen in deren Obhut sich das Kind befindet.

Wer betreut – bestimmt auch! (Brandenburgisches OLG v. 24.2.2020 – 13 UF 125/19)

In der Praxis sind diese Fallkonstellationen immer wieder anzutreffen: Der Elternteil, in dessen Haushalt das Kind lebt, ist mit der Ausgestaltung der Umgangskontakte nicht einverstanden, sei es dass der andere Elternteil zu umfangreiche Fernsehzeiten gewährt, eine aus Sicht des anderen Elternteils „ungesunde“ Nahrung ermöglicht oder einfach während des Umgangs Aktivitäten plant, mit denen der Obhutselternteil – aus welchen Gründen auch immer – nicht einverstanden ist. Nicht immer sind die erhobenen Einwände unberechtigt. Nicht selten zeigt sich aber auch, dass die geltend gemachten Bedenken weniger in der berechtigten Sorge um das Kindeswohl wurzeln, sondern eher in der Paarproblematik ihre Begründung finden.

Mit einem entsprechend gelagerten Sachverhalt hat sich aktuell das Brandenburgische OLG befasst:

Der Antragsteller war durch gerichtlichen Vergleich zum Umgang mit seinen beiden Söhnen berechtigt, wobei der Umgang mit dem älteren Sohn von Donnerstag nach der Schule/Hort bis Montag Schulbeginn und mit dem jüngeren Sohn von Freitag nach der Kita bis Sonntag 18.00 Uhr ausgeübt wurde. Die Kinder waren spätestens um 16.00 Uhr von der Schule bzw. Kita abzuholen. Den älteren Sohn hatte der Antragsteller aufgefordert, an den Umgangsfreitagen allein vom Schul-/Hortgebäude zum Kitagebäude seines Bruders zu gehen und dort auf den Vater zu warten. Nachdem das Kind an mindestens einem Freitag etwa 15 Minuten lang vor der verschlossenen Kitatür warten musste, forderte die Antragsgegnerin die Horterzieherin auf, es dem Kind nicht mehr zu erlauben, den Hort zu verlassen, um zur Kita zu gehen. Im gerichtlichen Verfahren forderte der Antragsteller, der Antragsgegnerin aufzugeben, das Verbot gegenüber dem Hort zurückzunehmen.

Der Senat ist in der Beschwerdeinstanz diesem Antragsbegehren gefolgt und hat darauf verwiesen, dass der Antragsteller für die Dauer des festgelegten Umgangs das Recht zur alleinigen Entscheidung über die tatsächliche Umgangsgestaltung hat und eine Einschränkung dieser Befugnis aus Gründen des Kindeswohls nicht in Betracht kommt. Zur Begründung hat der Senat weitergehend ausgeführt, dass die Art und Weise der Abholung des Kindes regelmäßig Bestandteil der Alltagssorge ist. Was aber Gegenstand der Alltagssorge ist, kann nicht gleichzeitig Umgangsmodalität sein. Ist daher ausdrücklich vereinbart, dass der Umgang nach der Schule beginnt, so ist der Moment des Schulschlusses der tatsächliche Beginn der Alltagssorge des Umgangsberechtigten, auch wenn die Umgangsvereinbarung die Formulierung enthalt, dass das Kind „spätestens um 16.00 Uhr“ von der Schule oder der Kita abzuholen ist.

Weitergehend hat der Senat auch keine Notwendigkeit gesehen, familiengerichtlich in die Entscheidungsbefugnis des Antragstellers zu der Frage einzugreifen, wie der Schulweg konkret bewältigt werden soll, da keine Kindeswohlgefährdung vorliegt, d.h. der Senat ist in Übereinstimmung mit den anderen Verfahrensbeteiligten davon ausgegangen, dass der in Rede stehende Schulweg von 800 Meter für einen Achtjährigen normal ist und die hiesigen Witterungsverhältnisse hierbei keine Gesundheitsbeeinträchtigung befürchten lassen.

Auch wenn Eltern die Sorge für ihre Kinder gemeinsam ausüben und damit grundsätzlich das Gesamtvertretungsprinzip gilt, bleibt davon ein mögliches Alleinvertretungsrecht eines Elternteils unberührt. Dieses kann sich kraft Gesetzes ergeben, etwa das Alleinentscheidungsrecht für Angelegenheiten des täglichen Lebens oder im Fall des angeordneten Ruhens der elterlichen Sorge. Daneben kommt ein Notvertretungsrecht in Betracht bei Gefahr in Verzug. Und letztlich kann einem Elternteil durch gerichtlichen Beschluss die Entscheidungsbefugnis für eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung übertragen werden, wenn die Eltern zu dieser Frage kein Einvernehmen erzielen können.

Während der Dauer eines Umgangskontakts ist der berechtigte Elternteil damit nicht nur zur Entscheidung über Angelegenheiten des täglichen Lebens berechtigt. Er bestimmt ebenso den Ort an dem der Umgang stattfindet, d.h. den Aufenthaltsort des Kindes, sowie die konkrete Ausgestaltung des Umgangs. Zu beachten sind allerdings die Belange des Kindes, etwa folgend aus gesundheitlichen Einschränkungen, so dass etwaigen Sicherheitsbedenken des anderen Elternteils auch nur in dem Umfang Rechnung zu tragen ist, als sie sich am Kindeswohl orientieren und nicht als rechtsmissbräuchlich zu werten sind.

 

Corona und Umgangskontakte

In Coronazeiten sind paradoxe Situationen und Reaktionen häufig. Wir haben in Deutschland glücklicherweise keine praktische Erfahrung mit Ausgangssperren oder -beschränkungen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die jetzt verfügten Maßnahmen neben erheblichen verfassungsrechtlichen Diskussionen auch familienrechtliche Irritationen auslösen.

Sind noch Betreuungszeiten (Umgangskontakte) von dem Elternteil zulässig, der nicht Residenzelternteil ist?

Die Frage ist uneingeschränkt zu bejahen. Solange keine konkrete Gefahr für das Kind besteht, hat das Kind das Recht auf Betreuung durch beide Elternteile und die Eltern haben die Pflicht, das Kind auch nach der Trennung gemeinsam (nicht unbedingt zeitgleich) zu betreuen. Der in Art. 6 GG begründete grundrechtliche Schutz der Familie betrifft nicht nur die zusammenlebende, sondern auch die getrennte Familie. In deren innerstes Gefüge darf und kann der Staat nur dann eingreifen, wenn das Wohl des Kindes konkret gefährdet ist. Dies dient dem Schutz des Kindes.

Eine konkrete Gefährdung liegt aber nicht vor, wenn allgemein ‚Corona‘ umgeht. Der Infektionsgrad der bundesrepublikanischen Bevölkerung beträgt knapp 0,03%.[1] Die ergriffenen Maßnahmen der Landes- und Bundesregierung zur Vermeidung der Ausbreitung des Virus indizieren keinerlei konkrete Gefahr für das jeweilige Kind, sondern dienen der allgemeinen Gefahrenabwehr.

Eine Weigerung des Residenzelternteils auf Zulassung der Betreuung des gemeinsamen Kindes durch den anderen Elternteil, die auf die allgemeine Gefahr einer Ansteckung gestützt würde, verletzt dessen elterliches Grundrecht und die des Kindes. Im Übrigen ist ja auch nicht garantiert, dass eine Ansteckung des Kindes nicht auch beim und durch den Residenzelternteil erfolgt. Dies gilt auch dann, wenn der Elternteil, der nicht Residenzelternteil ist, zum Zweck der Realisierung seiner Betreuungsanteile mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreist.

Anders kann zu entscheiden sein, wenn die Voraussetzungen einer Quarantäne des Elternteils nach § 30 IfSG vorliegen. Dies wäre dann der Fall, wenn der Betreuungszeiten geltend machende Elternteil innerhalb der Inkubationszeit von 14 Tagen aus einem vom Robert-Koch-Institut als Risikogebiet[2] eingestuftem Gebiet eingereist ist oder sich dort aufgehalten hat. In diesem Fall kann eine konkrete Gefährdung des Kindes angenommen werden und eine Beschränkung von Betreuungszeiten durch den anderen Elternteil angezeigt sein.

Sind Umgangskontakte von Großeltern mit den Kindern zulässig?

Umgangskontakte von Kindern mit ‚Dritten‘, also von Bezugspersonen, die nicht die Eltern sind, sind leichter zu beschränken als die der Eltern. Nach der gesetzlichen Konzeption des § 1685 Abs. 1 BGB sind sie im Interesse des Kindeswohls zuzulassen. Ihre Beschränkung setzt damit keine Kindeswohlgefährdung voraus. Die Einstufung von Großeltern-Enkelkontakten durch das RKI als risikoreich würde daher m.E. eine Beschränkung und Aussetzung solcher Kontakte rechtfertigen. Dazu finden sich allerdings bislang keine Hinweise. Die angeblichen Warnungen werden vielmehr von kompetenter Seite als fehlerhaft bewertet.[3] Soweit erkennbar ist bislang von medizinisch kompetenter Seite ein generationsübergreifendes Kontaktgebot nie gefordert worden. Allenfalls dem Schutz der Großeltern vor einer Infektion könnte ein solches Distanzverbot dienen, nicht aber dem Schutz der Kindern. Bislang sind keine Bevölkerungsgruppen ausgemacht worden, die schneller oder leichter angesteckt werden, wohl aber solche, bei denen das Virus gravierendere Erkrankungsverläufe aufzeigt. Ein Distanzgebot kann daher m.E. von den Kinder betreuenden Elternteilen nicht ohne weiteres den Großeltern gegenüber ausgesprochen werden. Diese sind als mündige Erwachsene selbst für ihren Schutz zuständig.

Anders könnten Pflegeheim, in denen Großeltern leben, den Kontakt der Heimbewohner innerhalb des Heimes mit anderen Personen ausschließen oder begrenzen, wenn dadurch die Ansteckungsgefahr anderer Heimbewohner steigen würde. Diese Befugnis beschränkt sich aber auf den unmittelbaren Heimbereich. Weder kann ein Pflegeheim seinen Bewohnern den ‚Ausgang‘ noch aushäusige Kontakte zu den Enkeln verbieten.

Einsicht in Corona-Testergebnisse

Ist ein Elternteil auf den Corona-Virus getestet worden und verlangt der andere Elternteil Information über das Testergebnis, wird eine solche in der Regel gegeben werden. Erfolgt die Information nicht, löst dieses Verhalten des anderen Elternteils zwar wahrscheinlich Kopfschütteln, nicht aber einen konkreten Verdacht auf eine bestehende Corona-Infektion aus.

Weiß ein Elternteil allerdings um seine Infizierung und übernimmt gleichwohl, ohne den anderen Elternteil davon in Kenntnis zu setzen, die Betreuung des Kindes, kann dies als Kindeswohlgefährdung angesehen werden, schließlich käme bei einer Übertragung der Infektion auf das Kind auch eine Straftat in Betracht.[4]

Sind Auslands- und Urlaubsreisen mit Kindern zulässig?

Die Frage ist eher akademischer Natur, da inzwischen weltweite Reisebeschränkungen bestehen, die touristische Reisen komplett unmöglich machen. Da aber zu erwarten ist, dass die derzeitigen Beschränkungen nicht ewig bestehen bleiben, ist eine Beschränkung von Reisekontakten minderjähriger Kinder mit einem Elternteil nur dann möglich, wenn

  • eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für das betreffende Land oder Gebiet besteht, oder
  • das Zielgebiet als Infektionsrisikogebiet durch das Robert-Koch-Institut eingestuft wird,
  • die konkrete Gefahr besteht, dass dem anderen Elternteil das Kind entzogen werden soll und der die Reise begleitende Elternteil nicht mit dem Kind nach Deutschland zurückkehren wird,
  • die Aufrechterhaltung einer für das Kind notwendigen medizinischen Behandlung am beabsichtigten Aufenthaltsort des Kindes nicht gewährleistet ist.

Andere die Betreuung und Kontakte des Kindes mit einem Elternteil oder Bezugspersonen betreffende Beschränkungen sind nur unter dem allgemeinen Aspekt einer konkreten Gefährdung des Kindeswohls denkbar. ‚Ungute‘ Gefühle, allgemeine Ängste und Befürchtungen reichen nicht aus.

Will also ein iranischer Vater mit Arbeitsplatz und Vita in Deutschland mit seiner 5-jährigen Tochter einen 14-tägigen Urlaub in Marokko verleben, stellt die Vermutung, er werde den Aufenthalt in Marokko nutzen, um mit seiner Tochter in den Iran zu fliegen (der als Corona-Risikogebiet geführt wird), um die Tochter dort der Familie zu präsentieren und eventuell nicht mehr zurückzukehren, sicher nicht aus, eine Umgangsbeschränkung zu rechtfertigen.

Schlussbemerkung

Der derzeitige kollektive Erregungszustand wird hoffentlich bald nüchterner Gelassenheit weichen. Es ist zu hoffen, dass die individuellen Freiheitsrechte der Bürger nicht leichtfertig einem sich zwischen Presse und Exekutive des Bundes und der Länder aufschaukelndem Bekämpfungsradikalismus geopfert werden. Dies zu verhindern ist gerade die Anwaltschaft berufen. Wir sind nicht Sprachrohr oder sogar Verstärker irrationaler Hysteriker, sondern haben die Aufgabe, das Kindeswohl sinnvoll zu verteidigen.

Individuelle Gesundheit ist zwar ein hohes Gut und ein wichtiges Menschenrecht. Sie ist aber nicht alles. Für die grundrechtlich garantierten Freiheitsrechte, das Versammlungs-, das Demonstrations-, das Recht auf Bewegungsfreiheit im Bundesgebiet, sind unzählige Deutsche und später Millionen Russen, Amerikaner, Engländer, Franzosen, Polen, Kanadier, Australier und Angehörige vieler anderer Nationen gestorben. Es wäre fatal, wenn auch die Juristen das Gespür für die Balance des Schutzes der kollektiven und individuellen Bürgerrechte in Konkurrenz zum Schutz individueller Gesundheit verlören. Einmal gebrochene Deiche sind schwer zu reparieren.

[1] https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html

[2] https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete.html

[3] https://www.evangelisch.de/inhalte/167483/20-03-2020/corona-krise-kinderaerzte-praesident-warnt-vor-haeuslicher-gewalt

[4] Vgl. die gleiche Fragestellung bei HIV-Infektionen.