Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat jetzt den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) veröffentlicht. Der Entwurf bewegt sich im Großen und Ganzen auf den auch durch wissenschaftliche Fachtagungen und zahlreiche Publikationen in Fachzeitschriften eingefahrenen Gleisen des am 20.4.2020 veröffentlichten Mauracher Entwurfs (abrufbar mit Abschlussbericht und Thesenpapieren der einzelnen Arbeitsgruppen unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/PM/Modernisierung_PersonengesellschaftsR.html), der von einer auf Grundlage einer Vereinbarung im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die gegenwärtige Legislaturperiode vom BMJV im Herbst 2018 (S. 131 des Koalitionsvertrags für die 19. Legislaturperiode (abrufbar unter: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/656734/847984/5b8bc23590d4cb2892b31c987ad672b7/2018-03-14-koalitionsvertrag-data.pdf?download%20 =%201) eingesetzten Expertenkommission erstellt worden war. Tragende Säule auch des RefE sind (1) das bislang in den §§ 705 ff. BGB nicht geregelte Außenrecht der GbR mit Perpetuierung der Rechts- und Parteifähigkeit, organschaftlicher Vertretung und persönlicher akzessorischer Gesellschafterhaftung, (2) Einführung eines Gesellschaftsregisters mit nur mittelbarem Eintragungszwang (Voreintragungsprinzip), (3) Öffnung der OHG und KG und damit auch der GmbH & Co. KG für die Freien Berufe sowie (4) das Beschluss- und Beschlussmängelrecht.
I. Gesetzliche Perpetuierung der Rechts- und Parteifähigkeit der GbR – Abgrenzung zur juristischen Person
Die mit der Grundsatzentscheidung „ARGE Weißes Ross“ vom BGH am 29.1.2001 anerkannte Rechts- und Parteifähigkeit (BGHZ 146, 341) perpetuiert § 705 Abs. 2 BGB-RefE: „Die Gesellschaft kann entweder selbst Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, wenn sie nach dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnehmen soll (rechtsfähige Gesellschaft), oder sie kann den Gesellschaftern zur Ausgestaltung ihres Rechtsverhältnisses untereinander dienen (nicht rechtsfähige Gesellschaft).“ Die zweite Alternative betrifft die auch schon bislang nicht rechts- und parteifähige Innengesellschaft. Nach § 719 Abs. 1 BGB-RefE entsteht die GbR im Verhältnis zu Dritten, „sobald sie mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnimmt, spätestens aber mit Eintragung in das Gesellschaftsregister“. Zur Vertretung der GbR sind gem. § 720 Abs. 1 BGB-RefE „alle Gesellschafter gemeinsam befugt, es sei denn der Gesellschaftsvertrag bestimmt etwas anderes“. Der RefE hält damit am Prinzip der Selbstorganschaft fest und markiert damit einen wesentlichen Unterschied zur juristischen Person.
Auch die Personengesellschaft des RefE stellt keine juristische Person dar. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Rechtsformen liegt nicht im Bereich der Rechts- und Parteifähigkeit im Außenverhältnis, sondern in der fehlenden Verselbständigung der Gesamtheit der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft im Innenverhältnis, die insbesondere durch das Prinzip der Selbstorganschaft und die „An- und Abwachsung“ der Wertanteile bei Veränderungen im Gesellschafterbestand sowie das Bestehen eines Schuldvertrags im Innenverhältnis zum Ausdruck kommt. In ertragssteuerrechtlicher Hinsicht erfolgt daher weiterhin eine Mitunternehmerbesteuerung nach §§ 15, 15a EStG und keine Besteuerung nach KStG (vgl. dazu auch Wertenbruch, GmbHR 2020, R 196).
II. GbR-Register mit mittelbarem Eintragungszwang – problematische Ausnahme für Patent-, Marken-, Gebrauchsmuster und Designregister
1. Eintragungsfreiheit und Voreintragungprinzip
Die §§ 707 ff. RefE regeln das neue Gesellschaftsregister ohne unmittelbaren Eintragungszwang. Die Eintragungsoption mutiert aber zu einem mittelbaren Zwang, wenn eine noch nicht eingetragene GbR eine rechtliche Maßnahme vornehmen will, die eine Eintragung dieser GbR in ein anderes Register (insbesondere Grundbuch oder Handelsregister) erfordert. Die GbR muss dann für eine Voreintragung sorgen. Entsprechendes gilt beispielsweise in dem Fall, in dem die GbR einen Anteil an einer GmbH erwerben will und deshalb im Rahmen des Vollzugs die Gesellschafterliste geändert werden muss. Das Voreintragungsprinzip mit der Konzentration der gesellschaftsrechtlichen Daten der GbR – insbesondere Sitz und Vertretungsmacht – im digital einsehbaren Gesellschaftsregister dient nicht nur der Rechtsklarheit und der Rechtsicherheit, sondern in besonderem Maße auch der Effizienz im Bereich der behördlichen Registerverwaltung.
2. Die Problematik der Nichtgeltung des Voreintragungsprinzips bei gewerblichen Schutzrechten
Die vom Mauracher Entwurf abweichende Nichtgeltung des Voreintragungsprinzips im Bereich der gewerblichen Schutzrechte Patent, Marke, Gebrauchsmuster und Design ist allerdings bestenfalls nutzlos. Die für die einzelnen Schutzrechte vorgesehenen Veränderungen der einschlägigen Verordnungen (vgl. dazu Begründung RefE S. 328 ff.) stellen richtigerweise die eingetragene GbR der juristischen Person und der OHG/KG gleich, das heißt, es müssen nur Name/Firma, Rechtsform und Sitz angegeben werden. Die aktuellen Regelungen, nach denen im Falle einer Schutzrechtsanmeldung durch eine GbR die Angabe und Anschrift mindestens eines vertretungsberechtigten Gesellschafters erforderlich ist, sollen aber für diejenigen Gesellschaften fortgelten, die von ihrem Eintragungswahlrecht (noch) nicht Gebrauch gemacht haben. Es ist in einem solchen Anmeldungsfall aber nicht klar, ob das Recht der (rechtsfähigen) Gesellschaft als solcher oder den Gesellschaftern als Bruchteilsberechtigten in irgendeiner schuldvertraglichen Verbundenheit zusteht. Die Problematik verschärft sich, wenn die Eintragung in das Gesellschaftsregister nach der Schutzrechtsanmeldung erfolgt. Das belegen auch die Ausführungen in der Begründung (S. 328) zu diesem Fall. Hier soll nämlich, so die Begründung, davon auszugehen sein, dass es sich um eine Namensänderung (also Identität) im Sinne des § 27 DPMAV handelt, die auf Antrag im Patentregister bzw. den anderen einschlägigen Registern vermerkt, wenn sie dem DMPA nachgewiesen wird.
Die registerrechtliche Fortgeltung des Prinzips der Schutzrechtsanmeldung durch eine GbR ohne vorherige Registrierung kommt prima facie in einem unbürokratischen und auf Schnelligkeit geschneiderten Gewande daher, provoziert aber in Wirklichkeit materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Probleme, die von den Gesellschaftern zum Zeitpunkt der Anmeldung nicht überschaut werden können, sowie einen vermeidbaren zusätzlichen Verwaltungsaufwand auf Seiten der Registerbehörden. Die in Rede stehende Ausnahme vom Voreintragungsprinzip öffnet daher nicht nur in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht, sondern auch in Bezug auf sämtliche Rechtsgeschäfte, die das betreffende Schutzrecht zum Gegenstand haben, in einem nicht unbedeutenden Bereich des Rechtsverkehrs eine Büchse der Pandora, die der II. Zivilsenat mit der „ARGE Weißes Ross“ zugeschraubt und der Mauracher Entwurf versiegelt hat.
III. Öffnung der GmbH & Co. KG für die Freien Berufe
Wirtschaftsprüfer und Steuerberater können auf Grundlage von Spezialvorschriften in der WPO bzw. im StBerG schon jetzt in der Rechtsform der KG und GmbH & Co. KG praktizieren. Für Rechtsanwälte und sonstige freie Berufe besteht diese Rechtsformfreiheit bislang nicht. § 107 Abs. 1 Satz 2 RefE eröffnet insoweit eine Eintragungsoption, „soweit das anwendbare Berufsrecht dies zulässt“. Dieser Berufsrechtsvorbehalt kommt insbesondere dann zum Tragen, sofern es um die Zulässigkeit von reinen Kapitalbeteiligungen geht. Die Öffnung der OHG/KG für Rechtsanwälte wäre zwar auch durch Spezialregelungen in der BRAO, die dann leges speciales im Verhältnis zu § 105 HGB wären, gesetzestechnisch möglich. Dadurch würden aber diejenigen freien Berufe in Bezug auf die Eintragungsoption „ausgebremst“, deren Berufsrecht in die Zuständigkeit der Landesgesetzgeber fällt, also insbesondere Ärzte, Bauingenieure und Architekten (vgl. dazu Wertenbruch, NZG 2019, 407 ff.). Die gesellschaftsrechtliche Landungsbrücke des § 107 Abs. 1 Satz 2 RefE für die freien Berufe ist daher breiter und insgesamt überzeugender als partielle Stege.
IV. Neues System der Beschlussanfechtung
Die §§ 110 ff. RefE regeln das neue Beschlussmängelrecht der OHG/KG – in systematischer Anlehnung an die Beschlussanfechtung bei der AG und GmbH – in Gestalt einer Anfechtungsklage und Nichtigkeitsklage, wobei die Befristung des § 112 RefE nur für die Anfechtungsklage gilt. Die Nichtigkeitsgründe sind so transparent und passend gesetzlich konfiguriert, dass die Modernisierung gerade auch im Verhältnis zur AG und GmbH, wo der Reformprozess bei der Beschlussanfechtung noch nicht in Gang gekommen ist, deutlich sichtbar ist. Die Gesellschafter der GbR können durch den Gesellschaftsvertrag optieren (vgl. Begründung RefE S. 123). Abweichend vom Mauracher Entwurf ist die Nichtigkeits- und Anfechtungsklage aber bei der GbR nicht das gesetzliche Regelmodell. Das ist offenbar dem Umstand geschuldet, dass bei einer kleinen GbR ohne anwaltlichen Beistand – also beispielsweise einer vierköpfigen Musikband, die auf den ersten Hit warten – im Falle eines Beschlussstreits die GbR als solche vom Kläger mit der Nichtigkeits- und Anfechtungsklage angegriffen werden und die anderen Gesellschafter auf Seiten der GbR als Nebenintervenienten beitreten und sich als Streitgenossen auf die Seite des Klägers schlagen können, wohl nicht der Verkehrsauffassung in derartigen Geschäftsbereichen entspricht (vgl. dazu Wertenbruch, GmbHR 2020, 875, 882).
V. Resumee
Dass der RefE im Wesentlichen mit dem inzwischen breit diskutierten Mauracher Entwurf übereinstimmt und insbesondere die Grundprinzipien und Leitbilder keine Änderungen erfahren haben, sind m.E. Pluspunkte, die hoffentlich auch im weiteren Gesetzgebungsverfahren positiv zu Buche schlagen. Die Ausnahme vom Voreintragungsprinzip bei der Anmeldung eines gewerblichen Schutzrechts durch eine GbR sollte allerdings für eine Disqualifikation vorgesehen werden, die schon mit dem Regierungsentwurf wirksam wird.