Der folgende Beitrag befasst sich mit der Möglichkeit für Gesellschafter einer GmbH, in Zeiten der COVID-19 Pandemie auch ohne Abhalten einer Gesellschafterversammlung funktionsfähig zu bleiben. Hierbei wird in den Blick genommen, welche Erleichterungen mit dem am 28.3.2020 in Kraft getretenen Art. 2 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht implementiert worden sind:
Abweichend von der bisherigen Fassung des § 48 Abs. 2 GmbHG wird die Herbeiführung von Gesellschafterbeschlüssen durch das Gesetz zur Abmilderung der COVID-19 Folgen erheblich erleichtert. § 48 Abs. 2 GmbHG wurde dahingehend geändert, dass nunmehr nicht mehr das Einverständnis aller Gesellschafter mit dem schriftlichen Umlaufverfahren erforderlich ist. Bisher war man auf den einheitlichen Standpunkt aller Gesellschafter angewiesen, wenn man einen Gesellschafterbeschluss im schriftlichen Verfahren durchführen wollte. Dies begegnete folglich dann Problemen, wenn vereinzelte Gesellschafter das Einverständnis verweigerten. Gab es keine Satzungsregelung, um das Umlaufverfahren auch an einzelnen Gesellschaftern vorbei durchzuführen, war man auf die Präsenzversammlung beschränkt. In Zeiten der COVID-19 Pandemie und damit einhergehenden Versammlungsverboten und Reisebeschränkungen wären viele Gesellschaften in ihrer Funktionsfähigkeit stark eingeschränkt. Es ist deshalb äußerst begrüßenswert, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit der schriftlichen Beschlussfassung erheblich erleichterte, in dem er das Erfordernis der gesamtheitlichen Zustimmung aller Gesellschafter – zunächst auf das Jahr 2020 beschränkt – abschaffte. Somit ist es GmbH-Gesellschaftern möglich, trotz der gesellschaftlichen Beschränkungen weiterhin Beschlüsse zu fassen.
Die Neuregelung wirft indes weitere Fragen zur Ausgestaltung und Durchführung des schriftlichen Umlaufverfahrens auf. Mit der Neuregelung wurde nicht bestimmt, wer das Initiativrecht zur Einleitung und Durchsetzung des Verfahrens hat und ob auch ein kombiniertes Verfahren aus fernmündlicher Beteiligung und Präsenzversammlung zulässig sein soll. Bezogen auf das Recht zur Durchsetzung bietet es sich daher an, insoweit auf die §§ 49, 50 GmbHG zurückzugreifen. Danach können die Geschäftsführer das schriftliche Umlaufverfahren anordnen (§ 49 GmbHG) oder eine zehnprozentige Minderheit ein solches Verfahren verlangen oder im Verweigerungsfall gar selbst durchführen (§ 50 GmbHG). Streng hiervon ist zu unterscheiden, dass in materieller Hinsicht weiterhin die Mehrheitserfordernisse gelten, die für den konkreten Beschluss auch bei der Präsenzversammlung gelten würden. Auch ist selbstverständlich weiterhin das Teilnahmerecht aller Gesellschafter zu gewährleisten. Alle Gesellschafter müssen entsprechend über das schriftliche Umlaufverfahren informiert werden und die Möglichkeit der Teilnahme erhalten. Andernfalls ist der dennoch gefasste Beschluss wegen Verstoßes gegen das Teilnahmerecht entsprechend § 241 Nr. 1 AktG nichtig.
Wie auch in seiner bisherigen Fassung entbehrt § 48 Abs. 2 GmbHG indes nicht der weiteren Anforderung der notariellen Beurkundung bei bestimmten Beschlüssen (vgl. beispielsweise § 53 Abs. 2 GmbHG bei Satzungsänderungen). Diese ist auch weiterhin im schriftlichen Umlaufverfahren erforderlich.
Einen Interpretationsspielraum hinsichtlich der notariellen Beurkundungspflicht eröffnet in diesem Rahmen allerdings der ebenfalls am 28.3.2020 in Kraft getretene § 9a Wirtschaftsstabilisierungsbeschleunigungsgesetz (WStBG; vormals „Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz“ – FMStBG, siehe Art. 2 des „Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetzes“ – WStFG). Danach können Beschlüsse im Rahmen des Wirtschaftsstabilisierungsfondgesetzes „nach § 48 Absatz 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung auch durch schriftliche Abgabe der Stimmen gefasst werden“. Der Wortlaut der Vorschrift ist insoweit klar. Der Beschluss ist gefasst, wenn die Stimmen in der erforderlichen Mehrheit schriftlich abgegeben sind. Eine notarielle Beurkundung wäre insoweit zur Fassung des Beschlusses nicht erforderlich. Bei dem klaren Wortlaut dürfte allerdings der äußerst kurze Zeitrahmen zu berücksichtigen sein, in dem das Gesetz entworfen wurde. Dieser war in Anbetracht der rasanten Entwicklung der Pandemie erforderlich. Ob dabei auch alle Folgewirkungen bedacht wurden, ist angesichts des zeitlichen Drucks, unter dem der Gesetzgeber stand, fraglich. Es wäre zwar denkbar, dass der Gesetzgeber in den vom Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz vorgesehenen Drucksituationen für die Gesellschaften die Beurkundungspflicht zur Beschleunigung aussetzen wollte. Ebenso möglich ist aber auch, dass § 9a WStBG missverständlich gefasst wurde und die Beurkundungspflicht wie auch sonst bei Anwendung des schriftlichen Umlaufverfahrens weiterhin besteht. Hierfür spricht auch ein Querverweis auf die Beschlussfassung bei der AG, bei der die notarielle Beurkundung bei präsenzlosen Versammlungen weiterhin ebenfalls erforderlich ist.
Aus praktischer Sicht ist jedenfalls empfehlenswert, die notarielle Beurkundung auch in den von § 9a WStBG erfassten Fällen vorsichtshalber durchzuführen, um die Wirksamkeit der Beschlüsse nicht zu gefährden. Notartermine dürften derzeit wohl zeitnah zu bekommen sein.
Zusammengefasst erlaubt der Gesetzgeber nach wie vor nicht, Gesellschafterversammlungen auf alternativem Wege, beispielsweise per Video- oder Telefonkonferenz durchzuführen, sofern das nicht in der Satzung vorgesehen ist. Es bleibt daher der Initiative des Satzungsgebers vorbehalten, die Voraussetzungen für eine weitgehend präsenzlose Gesellschafterversammlung zu schaffen. Der Rückgriff auf Videokonferenzen hat gegenüber rein schriftlichen Beschlussverfahren erhebliche Vorteile.
Siehe zu alldem in Kürze Reichert/Knoche in GmbHR 9/2020.