Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht geht in die nächste Runde

Mit Gesetz vom 15.2.2021 (BGBl. I 2021, 237) hat der Gesetzgeber des § 1 Abs. 3 COVInsAG die ursprünglich nur bis zum 30.9.2020, zuletzt bis zum 31.1.2021 (partiell!) verlängerte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ein weiteres Mal bis zum 30.4.2021 verlängert. Die angepasste Vorschrift des § 1 Abs. 3 COVInsAG tritt rückwirkend zum 1.2.2021 in Kraft, hilft aber wiederum nur bestimmten Unternehmen, die auf staatliche Hilfeleistungen warten. Ursprünglich hatte der Gesetzgeber mit § 1 Abs. 1 COVInsAG die Insolvenzantragspflicht sowohl bei Zahlungsunfähigkeit als auch bei Überschuldung nur bis zum 30.9.2020 ausgesetzt und u.a. mit der großzügigen Vermutung des § 1 Abs. 1 Satz 3 COVInsAG abgesichert (dazu Thole, ZIP 2020, 650). Der Gesetzgeber legte dann mit der „1. Verlängerung“ im Herbst 2020 noch einmal nach. Nunmehr wurde allerdings die Insolvenzantragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit wieder scharfgestellt. Ausgesetzt blieb für den Zeitraum vom 1.10.2020 bis 31.12.2020 nur die Antragspflicht wegen Überschuldung. Allerdings gab es im politischen Raum und in der Tagespresse ein – man muss es so nennen – „Kommunikationsdesaster“. Allerorten war zu lesen, der Gesetzgeber habe die Antragspflicht weiter ausgesetzt, obwohl er doch die Antragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit gerade wieder scharfgestellt hatte. Es steht zu befürchten, dass eine Reihe von Geschäftsleitern zahlungsunfähiger Schuldner daher im Herbst 2020 die Insolvenz verschleppt und sich Haftungsrisiken aufgeladen hat, ob nun in blindem Vertrauen auf die Pressemeldungen, aus Ignoranz oder Unkenntnis oder aus einer Mischung von Gründen. Die dann zum 1.1.2021 mit dem SanInsFoG eingeführte „2. Verlängerung“ in Gestalt des § 1 Abs. 3 COVInsAG konnte die Antragspflicht allenfalls ex nunc, aber nicht ex tunc entfallen lassen. Es gilt die allgemeine Regel, dass für Haftungstatbestände der Zeitpunkt der maßgeblichen Handlung maßgeblich ist, bei § 64 GmbHG (a.F.) mithin die relevante Zahlung (richtig auch Bitter ZIP 2021, 323, 332).

Mit der 2. Verlängerung wollte der Gesetzgeber dem Chaos bei der Bewältigung der sog. November- und Dezemberhilfen Rechnung tragen. Diese Verlängerung erfasste zunächst den Zeitraum vom 1.1.2021 bis zum 31.1.2021 und sah vor, dass die Antragspflicht für diesen Zeitraum ausgesetzt ist, wenn der Schuldner im Zeitraum vom 1.11.2020 bis 31.12.2020 (nicht im Oktober 2020) einen Antrag auf Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme gestellt hatte und nunmehr auf die Auszahlung wartete. Auf eine Beantragung der Hilfeleistungen kam es nur dann nicht an, wenn die Antragstellung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht innerhalb des genannten Zeitraums möglich war.

Mit dem Gesetz vom 15.2.2021 hat der Gesetzgeber diese Regelung nochmals bis Ende April 2021 verlängert („3. Verlängerung“). Angeknüpft wird nun tatbestandlich an einen Hilfeantrag, der in der Zeit vom 1.11.2020 bis zum 28.2.2021 gestellt wurde oder ausnahmsweise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich war. Allerdings gilt die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht weiterhin nicht, wenn offensichtlich keine Aussicht auf Erlangung der Hilfeleistung besteht oder die erlangbare Hilfeleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife unzureichend ist. Der zu erwartende Hilfebetrag muss also die jeweilige Liquiditätslücke auf einen Schlag decken. Wer nach den Bedingungen des staatlichen Hilfsprogramms schon nicht in den Kreis der Hilfeberechtigten fällt, kann sich auf die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nicht berufen. Nicht geklärt ist, ob es aus insolvenzrechtlichen Wertungsgründen sogar möglich ist, einem Geschäftsleiter die Berufung auf § 1 Abs. 3 COVInsAG zu versagen, wenn schon zuvor eine Insolvenzverschleppung vorlag. Die Förderbedingungen der staatlichen Hilfen schließen eine Hilfeleistung trotz vorhergehender Insolvenzverschleppung nicht unbedingt aus, da Hilfen nur dann ausgeschlossen sind, wenn das Insolvenzverfahren bereits beantragt ist oder der Geschäftsbetrieb dauerhaft eingestellt ist. Das setzt allerdings mittelbar einen Anreiz zur weiteren Insolvenzverschleppung. Derjenige Schuldner, dessen Geschäftsleiter den Insolvenzantrag (rechtzeitig) gestellt hat, hat demgegenüber keinen Anspruch auf staatliche Hilfe mehr (was vermutlich auch beihilferechtliche Hintergründe hat, aber wiederum zeigt, dass der Gesetzgeber den politisch stets betonten Sanierungsgedanken selbst nur halbherzig umsetzt). Besteht Aussicht auf ausreichende staatliche Hilfe, wirkt die Außerkraftsetzung der Antragspflicht unter § 1 Abs. 3 COVInsAG nur für den jeweiligen Zeitraum. Das war zunächst der Zeitraum bis Januar 2021 und ist nunmehr der Zeitraum bis Ende April.

Es bleiben weitere Fragen offen. So kann nach den Förderbedingungen von verbundenen Unternehmen in der Regel nur ein einheitlicher Antrag gestellt werden. Für die Aussetzung der Antragspflicht müsste es aber eigentlich auf die zu erwartende Liquiditätszufuhr für die konkrete Schuldnerin ankommen. Nicht sachgerecht erschiene es, wenn ein gestellter Hilfeantrag mehrfach für die einzelnen verbundenen Unternehmen in voller Höhe angesetzt würde. Wenn für den gesamten Konzern 1 Mio. Euro an staatlicher Hilfe zu erwarten sind, kann dann für die jeweiligen Gesellschaften nur der jeweils anteilige Teilbetrag angesetzt werden.

War der Hilfeantrag bereits im Oktober 2020 gestellt, so scheidet die Berufung auf § 1 Abs. 3 COVInsAG tatbestandlich aus, es sei denn, man erkennt in dem Hilfeantrag einen Dauerzustand. Wurde trotz Zahlungsunfähigkeit der Hilfeantrag erst Anfang Januar 2021 gestellt, so scheidet die Berufung auf § 1 Abs. 3 COVInsAG für den Januar 2021 wohl ebenfalls aus, denn zu diesem Zeitpunkt galt noch, dass der Hilfeantrag in der Zeit von November bis Dezember 2020 gestellt worden sein muss.

Die weitere Verlängerung des COVInsAG wirft also eine Reihe von Fragen auf. Die Unsicherheiten für die Geschäftsleiter sind nicht geringer geworden; die weitere Verlängerung zaubert bereits verwirkte Haftungstatbestände nicht rückwirkend, sondern allenfalls für die Zukunft weg. Geschäftsleiter von insolvenzgefährdeten Unternehmen tun daher gut daran, sich beraten zu lassen, denn die Komplexität des COVInsAG ist weiter gestiegen und pauschale Antworten sind kaum zu haben.