SanInsKG in Kraft

Das Gesetz zur Abschaffung des Güterrechtsregisters und zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes ist am 8.11.2022 im Bundesgesetzblatt verkündet worden, das SanInsKG ist als Teil davon am Tag danach in Kraft getreten. Im Folgenden sollen das Gesetzgebungsverfahren und die Inhalte des Gesetzes kritisch betrachtet werden.

I. Verkappte Regierungsentwürfe

Warum wird an dieser Stelle etwas zum Thema eheliches Güterrecht berichtet? Das liegt an der Gesetzgebungskultur, die vor vielen Jahren in Deutschland Einzug gehalten hat und in der Krisenära seit Corona ihre Blütezeit erlebt. Gesetzentwürfe der Bundesregierung heißen heutzutage nur noch manchmal Gesetzentwürfe der Bundesregierung. Soll es schnell gehen, betitelt man sie „Formulierungshilfe“ und sorgt dafür, dass sie nicht – wie in der Verfassung für ordentliche Gesetzentwürfe der Bundesregierung vorgeschrieben – erst zum Bundesrat gelangen und von dort aus in den Deutschen Bundestag, sondern eine Abkürzung nehmen: Vom Bundeskabinett direkt in die Hände von Abgeordneten des Bundestags, mit deren (vermeintlicher) Autorenschaft versehen in den Rechtsausschuss, dort an einen beliebigen Gesetzentwurf angeheftet, dann in zweiter und dritter Lesung (die erste findet nur im Grundgesetz statt und gilt für den Entwurfsteil, den man mehr oder weniger zufällig im Rechtsausschuss auf einem Stapel vorfand) verabschiedet, vom Bundespräsidenten unterzeichnet (der mit dem Verfahren offensichtlich einverstanden ist, es womöglich in Zeiten der eigenen Mitgliedschaft in einer Regierung selbst genutzt hat) und amtlich verkündet. Im Fall des SanInsKG war es ein Gesetz zum Familienrecht, das im Rechtsausschuss auf Verabschiedung wartete, und so verknüpft sich das Schicksal der deutschen Wirtschaftsunternehmen mit jenem von Ehe und Familie.

Gesetz zur vorübergehenden Anpassung sanierungs- und insolvenzrechtlicher Vorschriften zur Abmilderung von Krisenfolgen, oder – amtlich kürzer – Sanierungs- und insolvenzrechtliches Krisenfolgenabmilderungsgesetz, so lautet der Lang- bzw. Kurztitel des Gesetzes, das mit SanInsKG auf die kürzeste Formel gebracht wird. Abmilderung, das kennt man nicht zuletzt aus der Zeit von COVID-19 (s. etwa den Buchtitel „COVID-19 Abmilderungsgesetze“, vom Verfasser dieser Zeilen im Jahre 2020 herausgegeben; 2. Auflage 2022 unter dem Titel „COVInsAG“). Es besagt so viel wie: Keine Lösung eines Problems, aber Linderung der Folgen. Und erfasst damit Phänomene, von denen der Gesetzgeber selbst schon im Titel seiner Maßnahme eingestehen muss, dass er sich zur restlosen Bewältigung außerstande sieht.

II. Gesetzesmantel neu befüllt

Das Gesetz, dessen Teil das SanInsKG bildet, nimmt ein anderes, bereits bestehendes Gesetz, ändert seinen Titel und fügt zwei Bestimmungen ein. Das andere Gesetz ist das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG). Denkt man in Kategorien des Gesellschaftsrechts, so würde man vermutlich von einem „Mantel“ sprechen: Eine Struktur, eine leere Hülle. Die Vorschriften, die dieses am 27.3.2020 verabschiedete und rückwirkend zum 1.3.2020 in Kraft getretene Gesetz zunächst mit sich brachte, später mehrfach verändert und ergänzt, entfalten fast durchweg keine Wirkung mehr. Sie waren gedacht, die Zahl von Insolvenzen zu begrenzen, indem man die Insolvenzantragspflicht – unter wechselnden Voraussetzungen – aussetzte. Hinzu kamen Regelungen der Rechtsfolgen und später Umgestaltungen des Insolvenzrechts, alles temporär.

Nun nimmt der Gesetzgeber also diesen Gesetzesmantel und führt ihn einem anderen Zweck zu. Handelte es sich um eine GmbH, so würde sich der Gegenstand fundamental ändern und die Gründungsvorschriften müssten im Wesentlichen noch einmal durchlaufen werden. War das Gesetz nämlich ursprünglich – wie schon der Titel zeigt – auf die Sondersituation einer bestimmten Pandemie ausgelegt, so hat sich der Gesetzgeber jetzt entschlossen, ein ganz anderes Krisenfeld zu bearbeiten: die Energiekrise. Das wird in den Vorschriften nicht explizit adressiert, ergibt sich aber aus dem Kontext und der Laufzeit. Der neue Name des Gesetzes ist ebenso neutral auf Krisen aller Art gemünzt wie der spärliche Inhalt. Immer neu befüllbar, je nach gerade akuter Krise.

III. Spärlicher Inhalt

Was bringt dieses Gesetz nun inhaltlich? Überraschend wenig. Der Kelch nochmaliger Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist dieses Mal (bislang noch?) an der deutschen Wirtschaft vorbeigegangen. Seine im Grundsatz verheerenden Folgen (insbesondere das Züchten von Zombies mit allen Konsequenzen einer sich verlangsamenden Volkswirtschaft) waren in den letzten zwei Jahren nur deswegen nicht eingetreten, weil die Regierung schuldenbasiert bis dahin kaum vorstellbare Mengen Geldes in Form von Beihilfen in Unternehmen gegeben hat. Dieses Mal hätten die Folgen einschneidender ausfallen können, auch wenn nicht verkannt werden soll, dass ein vergleichbarer Reflex des „Wegkaufens“ von Problemen mit weiterem, geliehenen Geld (und nachfolgender Inflation) zu beobachten ist.

Die Prognosezeiträume der Insolvenzordnung und des StaRUG bei der Fortführungsprognose im Tatbestand der Überschuldung, der Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsplanung werden jeweils auf vier Monate verkürzt. Zwölf Monate – wie bisher bei der Überschuldungsprüfung – könne schließlich in Zeiten wie diesen niemand vorhersehen, heißt es zur Begründung. Das trifft in der Tendenz zu, wäre indes durch die Beobachtung zu ergänzen, dass angesichts einer drohenden Gasmangellage und unvorhersehbarer Preisentwicklung bei der (nicht durch eine staatliche Preisfixierung abgedeckten) Energiebeschaffung auch vier Monate noch eine lange Zeit darstellen.

IV. Geringer Anwendungsbereich

Außerdem wird die Höchstfrist zur Antragstellung in der Konstellation einer Überschuldung von sechs auf acht Wochen erhöht. Der Grundsatz bleibt insoweit, dass „ohne schuldhaftes Zögern“ gehandelt werden muss. Auswirkungen hat diese Verlängerung also nur, wenn die Geschäftsleitung bis zur sechsten Woche der Überschuldung noch seriös auf eine gute Entwicklung vertrauen darf und dann zu neuer Erkenntnis gelangt.

Nimmt man bei alledem in den Blick, dass unter fünf Prozent der Insolvenzanträge in der Praxis auf Überschuldung gründen, dann zeigt sich: Nennenswerte Veränderungen bringt dieses Gesetz nicht. Für die Lage auf dem Sektor Sanierung und Insolvenz kommt es auf diese Norm praktisch nicht an, sie zeigt nur denen, die es hören möchten, dass der Gesetzgeber „irgendetwas“ getan hat.

V. Perspektiven für den Restrukturierungsbereich

Ob es aber Restrukturierungs- oder Insolvenzfälle geben wird, hängt wie schon in der Corona-Zeit maßgeblich davon ab, wie viel Geld der Staat in die Wirtschaft gibt. Und das wiederum bedingt das Einverständnis der Europäischen Kommission mit erneuten gewaltigen Beihilfen, die wegen der damit typischerweise verbundenen Marktverzerrung grundsätzlich untersagt wären. In der Corona-Krise hat sich die EU großzügig, oder sollte man besser sagen: bereit gezeigt, die längerfristigen Grundsätze einer Sicherung funktionierender Marktwirtschaft hinter eine kürzer wirkende Staatsintervention zurücktreten zu lassen.

So könnte es im Ergebnis dabei bleiben, dass der Staat in Zeiten größter Krise – wie schon bei Auftreten von Corona – alles dafür tut, die praktische Anwendung seines dafür eigentlich geschaffenen Systems von Insolvenzregeln und Sanierungsinstrumenten zu vermeiden und stattdessen auf flächendeckende Beihilfen zu setzen. Das SanInsKG ist, soweit man ihm überhaupt eine Wirkung beimisst, ein kleiner Teil dieser größeren Strategie.