In einem Zivilverfahren hatte das Amtsgericht in einer Fallkonstellation, die die Anwendung der §§ 816 Abs. 2, 185 BGB nahelegte, auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt hingewiesen, der sich allerdings an Hand des Parteivortrages ohnehin aufgedrängt hatte. Daraufhin wurde der Richter von einer der Parteien wegen angeblicher Befangenheit abgelehnt. Anschließend erklärten sich beide Parteien mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden. Der Richter kündigte allerdings an, es solle zunächst über den Befangenheitsantrag entschieden werden.
Das Amtsgericht wies den Befangenheitsantrag zurück, das Landgericht sah denselben bereits als unzulässig an. Der Antragsteller habe sich schließlich auf die Verhandlung eingelassen, nachdem der Befangenheitsantrag gestellt worden war (§ 43 ZPO).
Der BGH (Beschl. v. 26.04.2016 – VIII ZB 47/15, MDR 2016, 902; siehe auch die Besprechung von Conrad in MDR 2016, 1005) teilt diese Auffassung nicht. In Rechtsprechung und Literatur ist allerdings umstritten, wie diese Rechtsfrage zu entscheiden ist. Der BGH folgt denjenigen Stimmen, die § 43 ZPO auf diese Konstellation nicht anwenden wollen. Nach seinem Wortlaut regelt § 43 ZPO den Verlust des Ablehnungsrechts nur für den Fall, dass der Ablehnungsgrund anfällt, jedoch von der betroffenen Partei überhaupt nicht geltend gemacht wird. Es besteht aber kein praktisches Bedürfnis, § 43 ZPO auf die hier vorliegende Konstellation ausdehnend anzuwenden. § 43 ZPO fordert lediglich, dass der Ablehnungsgrund zeitnahe geltend gemacht wird, nicht erforderlich ist es, in eine Verweigerungshaltung einzutreten. Zwar ist es richtig, dass durch eine derartige Verfahrensweise richterliche Arbeit überflüssig werden kann, jedoch hat das Gericht es selbst in der Hand, dies zu verhindern. Die Fortsetzung eines Termins ist gemäß § 47 Abs. 2 S. 1 ZPO möglich, jedoch nicht zwingend geboten. Der Befangenheitsantrag war daher – entgegen der Ansicht des LG – zulässig.
In der Sache weist der BGH den Befangenheitsantrag damit nicht als unzulässig, wohl aber als unbegründet zurück. Das hier beanstandete Verhalten des Richters war unter den vorliegenden Umständen ohne weiteres von § 139 ZPO gedeckt.
Fazit: Die Entscheidung ist sachgerecht und praxisgerecht. Es ist nunmehr höchstrichterlich klargestellt, dass das Ablehnungsrecht nicht verlorengeht, wenn sich eine Partei nach der Ablehnung eines Richters auf eine weitere Verhandlung einlässt, insbesondere Anträge stellt oder einem schriftlichen Verfahren zustimmt.
Weiterführende Literatur: Conrad, Ablehnung des Richters – Verfahren und ausgewählte Fallgruppen zur „Besorgnis der Befangenheit“, MDR 2015, 1048.