BGH: Stellungnahmefrist zu einem Sachverständigengutachten

In einem Prozess ging es um komplexe Fragen der Schadensverursachung durch ein Bauvorhaben der Beklagten an einem anderen Bauwerk, dessen Eigentümer die Kläger sind. Die Beklagte hatte fristgemäß gegen ein zuvor von dem OLG eingeholtes Ergänzungsgutachten Bedenken geltend gemacht. Um diese Einwände näher geltend zu machen, hatte die Beklagte eine mehrmonatige Fristverlängerung beantragt. Sie wollte einen Privatgutachter mit der Ausformulierung von Einwänden gegen das Gutachten des Gerichtssachverständigen beauftragen. Diese Fristverlängerung lehnt das OLG ab, da die Beklagte ein sachkundiges Bauunternehmen sei und eine so lange Frist mit der Prozessförderungspflicht nicht zu vereinbaren sei. Weiterhin zahlte die Beklagte den von dem OLG geforderten Vorschuss für die von ihr beantragte Anhörung des Sachverständigen nicht ein. Die Beklagte verlor dann den Prozess, da das OLG einen bereits bestimmten Termin nicht aufhob, sondern abhielt und entschied.

Die Revision der Beklagten hatte wieder einmal mit einer Gehörsrüge Erfolg. Betrifft ein Sachverständigengutachten schwierige Fragen, muss den Parteien natürlich die erforderliche Gelegenheit gegeben werden, um zu dem Gutachten Stellung nehmen zu können. Dies ist selbstverständlich. Die Länge der hierfür zu gewährenden Frist hängt auch davon ab, ob die Partei ihrerseits einer sachverständigen Beratung bedarf, um ihre Stellungnahme abzugeben. Hier führt die Tatsache, dass es sich bei der Beklagten um ein Bauunternehmen handelt, nicht dazu, dass sich die Beklagte auch mit den hier maßgeblichen konkreten und schwierigen Bodenkundefragen auskennen müsste. Der Beklagten hätte daher eine längere Frist eingeräumt werden müssen, damit diese sich sachverständig hätte beraten lassen können. Auch ein Verstoß gegen die Prozessförderungspflicht durch die Beklagte ist nicht erkennbar. Zwar hatte die Beklagte bestimmte Unterlagen erst eher spät vorgelegt, jedoch war die Beklagte nicht gemäß § 282 Abs. 1 ZPO zur Vorlage dieser Unterlagen verpflichtet und eine gerichtliche Anordnung, diese Unterlagen vorzulegen, ist nicht rechtzeitig erfolgt. Nicht relevant ist auch die Nichtzahlung des Vorschusses für die beantragte Anhörung des Sachverständigen, weil der ursprünglich bestimmte Termin auch bei rechtzeitiger Zahlung des Vorschusses nicht hätte durchgeführt werden dürfen, da die Beklagte ja noch innerhalb der zu verlängernden Frist hätte Stellung nehmen können.

Fazit: Diese Entscheidung ist nicht ganz unproblematisch. Sie gibt den Parteien, vor allem den wirtschaftlich stärkeren Parteien, die Möglichkeit, einen Prozess erheblich zu verschleppen. Wenn man genug schreibt, hat man immer die Möglichkeit, triviale Fragen zu wissenschaftlich hochkomplexen Fragestellung hoch zu stilisieren. Der Prozessgegner ist in derartigen Fällen dann oftmals machtlos. Vor lauter Gewährung von rechtlichem Gehör darf man nicht vergessen, dass ein Prozess auch einmal eines Endes bedarf. Mindestens eine der Parteien hat daran in aller Regel ein wirklich großes Interesse. Dieses Interesse droht die höchstrichterliche Rechtsprechung mit der beständigen Ausdehnung des rechtlichen Gehörs in alle nur denkbaren Richtungen aus dem Auge zu verlieren. Die immer wieder neue und ständig erweiterte Gewährung des rechtlichen Gehörs sollte daher nicht unbedingt zum Maß aller Dinge werden.

BGH, Beschl. v. 12.4.2018 – V ZR 153/17

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