Was eine Partei vortragen muss, um Wiedereinsetzung gegen die Versäumnis der Berufungsbegründungsfrist gewährt zu bekommen, hat erneut den BGH beschäftigt (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2025 – VI ZB 36/24):
Die Klägerin beantragt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumnis der Berufungsbegründungsfrist. Hierzu hat sie durch ihre Prozessbevollmächtigten ausführen und anwaltlich versichern lassen, wie die Fristenkontrolle in der Kanzlei organisiert sei und dass eine bis dahin stets zuverlässige Kanzleiangestellte G. am 17. Mai 2024 versehentlich die am 7. Juni 2024 ablaufende Berufungsbegründungsfrist als erledigt vermerkt habe, obwohl die Berufungsbegründung nicht der zuständigen Rechtsanwältin zur abschließenden Prüfung vorgelegt und versendet worden sei. Das Berufungsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin hätten die Berufungsbegründungsfrist schuldhaft versäumt, weil ihre Büroorganisation hinsichtlich der Ausgangskontrolle der Post unzureichend sei.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Hat eine Partei die Berufungsbegründungsfrist versäumt, ist ihr nach § 233 Satz 1 ZPO Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten wird der Partei zugerechnet (§ 85 Abs. 2 ZPO). Die Partei hat einen Verfahrensablauf vorzutragen und glaubhaft zu machen (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO), der ein Verschulden an der Nichteinhaltung der Frist zweifelsfrei ausschließt; verbleibt die Möglichkeit, dass die Einhaltung der Frist durch ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Partei versäumt worden ist, ist der Antrag auf Wiedereinsetzung unbegründet. So liegt es hier. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Fristversäumnis auf einem Verschulden der Prozessbevollmächtigten beruht. Die Klägerin hat in ihrem Wiedereinsetzungsantrag nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten über eine Ausgangskontrolle verfügt, die den Anforderungen der ständigen Rechtsprechung des BGH genügt. Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Hierbei hat er grundsätzlich sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Rechtsmittelfristen auszuschließen. Dazu gehört u.a. die Anordnung, die Erledigung von fristgebundenen Schriftsätzen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders durch eine beauftragte Bürokraft zu überprüfen. Eine wirksame Ausgangskontrolle hat sich dabei auch darüber Gewissheit zu verschaffen, dass die fristwahrende Handlung in einer im Fristenkalender als erledigt vermerkten Sache auch tatsächlich vorgenommen wurde. Deshalb ist die Bürokraft anzuweisen, gegebenenfalls anhand der Akten zu prüfen, ob die im Fristenkalender als erledigt gekennzeichneten Schriftsätze auch abgesandt worden sind. Bei der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen mittels beA ist es unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen. Daher hat der Rechtsanwalt das zuständige Personal anzuweisen, stets den Erhalt der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu kontrollieren. Von einer erfolgreichen Übermittlung darf der Rechtsanwalt nicht ausgehen, wenn in der Eingangsbestätigung im Abschnitt „Zusammenfassung Prüfprotokoll“ nicht als Meldetext „request executed“ und unter dem Unterpunkt „Übermittlungsstatus“ nicht die Meldung „erfolgreich“ angezeigt wird. Es fällt deshalb in den Verantwortungsbereich des Rechtsanwalts, das für die Versendung fristwahrender Schriftsätze über das beA zuständige Personal dahingehend anzuweisen, Erhalt und Inhalt der Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO nach Abschluss des Übermittlungsvorgangs stets zu kontrollieren. Gemessen daran hat die Klägerin nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass im Büro ihrer Prozessbevollmächtigten hinreichende organisatorische Vorkehrungen getroffen worden sind, um eine effektive Ausgangskontrolle zu gewährleisten. Ihr Vortrag zur allabendlichen Kontrolle hat sich auf folgenden – anwaltlich versicherten – Satz beschränkt: „Vor Büroschluss wird von Frau G. noch einmal kontrolliert, ob alle Fristsachen erledigt sind; erst dann wird die Frist gelöscht.“ Es fehlen jegliche Angaben dazu, wie die Kontrolle, „ob alle Fristsachen erledigt“ sind, nach den kanzleiinternen Anweisungen zu erfolgen hat. Insbesondere wird nicht mitgeteilt, ob und wie organisatorisch sichergestellt wird, dass im Fristenkalender als erledigt gekennzeichnete fristgebundene Schriftsätze tatsächlich abgesandt worden und bei Gericht eingegangen sind. Die Erklärung, es werde noch einmal kontrolliert, ob „alle Fristsachen erledigt“ sind, impliziert nicht, dass die spezifischen an eine wirksame Ausgangskontrolle gestellten Anforderungen erfüllt worden sind. Der Vortrag im Wiedereinsetzungsantrag war damit nicht geeignet, ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten der Klägerin an der Nichteinhaltung der Frist zweifelsfrei auszuschließen.
Fazit: Begehrt eine Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, hat sie einen Verfahrensablauf vorzutragen und glaubhaft zu machen, der ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten an der Nichteinhaltung der Frist zweifelsfrei ausschließt. Der Vortrag, in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten werde vor Büroschluss noch einmal kontrolliert, „ob alle Fristsachen erledigt sind“, impliziert nicht, dass die spezifischen, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an eine wirksame Ausgangskontrolle gestellten Anforderungen erfüllt worden sind; er ist damit nicht geeignet, ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten der Partei an der Nichteinhaltung der Frist zweifelsfrei auszuschließen.