Die Verlinkung von Websites als Grundprinzip des Internets ermöglicht ein Stück weit die grundrechtliche geschützte Informationsfreiheit. Haften verlinkende für die Inhalte verlinkter Seiten, kann dies die Linkbereitschaft stark einschränken. Genau diesen Weg hat der EuGH mit seiner Entscheidung C‑160/15 vom 08.09.2016 eingeschlagen. Er hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, wann eine Verlinkung eine öffentliche Wiedergabe darstellt, die in Fällen betroffener Urheberrechte zunächst vom Urheber gestattet werden müsste.
„Zum Zweck der individuellen Beurteilung des Vorliegens einer „öffentlichen Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 muss daher, wenn das Setzen eines Hyperlinks zu einem auf einer anderen Website frei zugänglichen Werk von jemandem vorgenommen wird, der dabei keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt, berücksichtigt werden, dass der Betreffende nicht weiß und vernünftigerweise nicht wissen kann, dass dieses Werk im Internet ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers veröffentlicht wurde.
Wenn auch in einem solchen Fall der Betreffende das Werk der Öffentlichkeit dadurch verfügbar macht, dass er anderen Internetnutzern direkten Zugang zu ihm bietet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Februar 2014, Svensson u. a., C‑466/12, EU:C:2014:76, Rn. 18 bis 23), handelt er doch im Allgemeinen nicht in voller Kenntnis der Folgen seines Tuns, um Kunden Zugang zu einem rechtswidrig im Internet veröffentlichten Werk zu verschaffen. […]
Ist dagegen erwiesen, dass der Betreffende wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm gesetzte Hyperlink Zugang zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk verschafft – weil er beispielsweise von dem Urheberrechtsinhaber darauf hingewiesen wurde –, so ist die Bereitstellung dieses Links als eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 zu betrachten.
[…]
Im Übrigen kann, wenn Hyperlinks mit Gewinnerzielungsabsicht gesetzt werden, von demjenigen, der sie gesetzt hat, erwartet werden, dass er die erforderlichen Nachprüfungen vornimmt, um sich zu vergewissern, dass das betroffene Werk auf der Website, zu der die Hyperlinks führen, nicht unbefugt veröffentlicht wurde, so dass zu vermuten ist, dass ein solches Setzen von Hyperlinks in voller Kenntnis der Geschütztheit des Werks und der etwaig fehlenden Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber zu seiner Veröffentlichung im Internet vorgenommen wurde. Unter solchen Umständen stellt daher, sofern diese widerlegliche Vermutung nicht entkräftet wird, die Handlung, die im Setzen eines Hyperlinks zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk besteht, eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dar.“
Eine Verlinkung mit Gewinnerzielungsabsicht bedeutet damit für den Verlinkenden eine Pflicht, sich über die Inhalte der verlinkten Seite zu vergewissern. Eine in der Praxis unmögliche Aufgabe.
Genau diese Anforderungen hat das LG Hamburg in einem aktuellen Beschluss umgesetzt und eine Verlinkung untersagt (LG Hamburg Beschluss vom 18.11.2016 Az.: 310 O 402/16).
Die nach dieser Entscheidung losgebrochene mediale Welle der Entrüstung (z.B. WDR) ist ein wenig verwunderlich. Die Weichen stellte der EuGH bereits mehr als zwei Monate vorher, da die nationalen Regelungen des Urheberrechts auf Unionsvorgaben basieren und daher eine Auslegung auf Basis des Unionsrechts und der Rechtsprechung des EuGH zu erfolgen hat.
Joerg Heidrich, Justiziar des Betreibers von Heise.de, versucht sich im kleinen Maßstab an einer Umsetzung dieser Vorgaben, war aber offenbar bisher erfolglos. Das Landgericht Hamburg konnte ihm auf seine Anfrage hin noch nicht bestätigen, dass sämtliche Inhalte auf der gerichtseigenen Website urheberrechtskonform sind (Link zu heise.de)
Ausblick
Die jetzige Rechtslage ist höchstgradig unbefriedigend. Urheberrechtsverletzende Inhalte sind im Internet in großer Fülle – auch einfach – aufzufinden und werden schnell verlinkt. Auch die Schwelle zur Gewinnerzielungsabsicht hat das LG Hamburg sehr gering angesetzt. Websitebetreiber werden mit einem Abmahnungsrisiko leben müssen, sofern sie nicht ihr Angebot stark einschränken wollen. Es ist davon auszugehen, dass in Kürze weitere Entscheidungen zu diesem Thema folgen werden. Eine mögliche Stellschraube, um die Auswirkungen dieses faktischen Linkverbotes zu begrenzen, wäre es, z.B. nur solche Verlinkungen einer verschärften Haftung zu unterwerfen, aus denen sich unmittelbar ein wirtschaftlicher Vorteil (z.B. Vergütung pro Klick) ergibt. Insbesondere Verlinkungen zu journalistischen Zwecken wären in diesem Fall weitgehend urheberrechtlich unbedenklich.