Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Hemmung der Verjährung durch eine im EU-Ausland zuzustellende Klage

Demnächst erfolgte EU-Auslandszustellung
Urteil vom 25. Februar 2021 – IX ZR 156/19

Mit den Möglichkeiten der Klagezustellung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union und deren Auswirkungen auf die Hemmung der Verjährung befasst sich der IX. Zivilsenat.

Der klagende Insolvenzverwalter macht gegen die in Frankreich ansässige Beklagte Ansprüche aus Insolvenzanfechtung geltend. Er reichte die Klage am 15.12.2015 – gut zwei Wochen vor Ablauf der Verjährungsfrist – in deutscher Sprache ein und bat um Übersendung einer Kostenrechnung für die „notwendige Übersetzung“. Den am 29.12.2015 angeforderten Gerichtskostenvorschuss zahlte er am 31.12.2015. Eine Anfrage des LG, ob die Klageschrift übersetzt werden solle, bejahte er umgehend. Den dafür angeforderten Auslagenvorschuss zahlte er innerhalb einer Woche. Die daraufhin vom LG in Auftrag gegebene Übersetzung ging am 24.10.2016 bei Gericht ein. Sie wurde zusammen mit der Klageschrift am 09.12.2016 zugestellt, also knapp ein Jahr nach Einreichung der Klage. Das LG verurteilte die Beklagte antragsgemäß. Das OLG wies die Klage wegen Verjährung ab.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist die Verjährung gemäß § 167 ZPO mit Einreichung der Klageschrift gehemmt worden, weil die Klage demnächst zugestellt wurde.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH stehen Verzögerungen bei der Zustellung der Klageschrift einer Rückwirkung nach § 167 ZPO nur insoweit entgegen, als sie durch nachlässige Prozessführung des Klägers verursacht worden sind.

Im Streitfall war der Kläger nicht gehalten, eine Zustellung ohne Übersetzung zu beantragen. Eine solche Zustellung wäre nach Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 über die Zustellung von Schriftstücken (EuZVO) zwar zulässig gewesen. Sie hätte aber die Gefahr begründet, dass die Beklagte die Annahme gemäß Art. 8 Abs. 1 EuZVO mangels Kenntnis der deutschen Sprache verweigert. Dies hätte zu mindestens ebenso großen Verzögerungen führen können wie die vorherige Anfertigung einer Übersetzung.

Der Kläger war auch nicht gehalten, schon vor der Einreichung der Klage selbst eine Übersetzung in Auftrag zu geben. Eine vom Gericht in Auftrag gegebene Übersetzung bot eine höhere Richtigkeitsgewähr. Deshalb war der Kläger auch dann nicht zu weiteren Maßnahmen verpflichtet, als sich abzeichnete, dass sich die Fertigstellung der vom Gericht angeforderten Übersetzung verzögert. Ihn traf insoweit nicht einmal eine Nachfrageobliegenheit.

Praxistipp: Auch wenn grundsätzlich keine Nachfrageobliegenheit besteht, sollte der Klägeranwalt in solchen Fällen regelmäßig überprüfen und in Zweifelsfällen bei Gericht nachfragen, ob von seiner Seite noch etwas zu veranlassen ist.

Montagsblog: Neues vom BGH

Mit einem ungewöhnlichen Verfahrensverlauf befasst sich die Entscheidung aus dieser Woche.

Keine Aussetzung des Rechtsstreits bis zur Zustellung einer Streitverkündung
Beschluss vom 22. März 2018 – I ZR 76/17

Der I. Zivilsenat stellt klar, dass Schwierigkeiten bei der (Auslands-)Zustellung einer Streitverkündung keinen zureichenden Grund für eine Aussetzung des betreffenden Rechtsstreits bilden.

Die Klägerin nimmt die in den USA ansässige Beklagte wegen Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmackmusters durch Vertrieb von Schutzhüllen für iPads in Anspruch. Die Beklagte machte unter anderem geltend, die von ihr angebotenen Hüllen seien von zwei Unternehmen in Taiwan und Hongkong entworfen worden. Vorsorglich verkündete sie diesen beiden Unternehmen den Streit. Der Versuch, die Streitverkündungsschrift in Taiwan zuzustellen, scheiterte. Aus Hongkong ging keine Rückmeldung ein. Das LG verurteilte die Beklagte antragsgemäß. Ihre Berufung blieb erfolglos.

Der BGH weist die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zurück. Er legt dar, dass eine Aussetzung des Rechtsstreits bis zur Zustellung der Streitverkündungsschriften weder in unmittelbarer noch in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO zulässig ist, weil es an einem anderen Verfahren fehlt, das vorgreiflich sein könnte. Die Fortsetzung des Verfahrens trotz eines gescheiterten oder mit ungewissem Ausgang gebliebenen Zustellungsversuchs verstößt auch nicht gegen die Rechte auf ein faires Verfahren und auf rechtliches Gehör. Eine Streitverkündung hat nicht den Zweck, einer Partei die Möglichkeit eröffnen, sich auf ergänzendes Vorbringen des Streitverkündeten zu stützen.

Praxistipp: Vor dem aufgezeigten Hintergrund ist die streitverkündende Partei im eigenen Interesse gehalten, das Gericht bei der Zustellung nach besten Kräften zu unterstützen.