Montagsblog: Neues vom BGH

Im ersten Blog des Jahres 2022 geht es um Anwendbarkeit und Inhalt der Regelungen über den Verbrauchsgüterkauf

Beweislastumkehr beim Verbrauchsgüterkauf
Urteil vom 10. November 2021 – VIII ZR 187/20

Mit den Voraussetzungen des § 477 BGB befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Der Kläger ist als Immobilienmakler in der Rechtsform des Einzelkaufmanns tätig und sammelt privat ältere Fahrzeuge. Im Juni 2012 kaufte er von der Beklagten einen damals zwanzig Jahre alten Mercedes 600 SEL mit einer Laufleistung von 117.500 km für 9.350 Euro. Wegen des Zustands des Fahrzeugs verweist der Kaufvertrag auf einen zuvor eingeholten Dekra-Siegel-Bericht. Dieser führt deutliche Gebrauchsspuren an, etwa Korrosionsansätze an den Kotflügeln und eine gebrochene Fahrwerksfeder. Kurz nach Übergabe beanstandete der Kläger einzelne Mängel. Knapp sechs Monate nach Übergabe erhob er Klage auf Schadensersatz in Höhe von rund 9.500 Euro wegen insgesamt sechs Mängeln (Rost an den Kotflügeln, Durchrostung des hinteren Teils des Auspuffs, Defekte an Klimaanlage, Drosselklappe, Antenne und Abgaskatalysator). Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen ohne Erfolg.

Die Revision des Klägers hat zum weitaus überwiegenden Teil Erfolg und führt insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Der BGH billigt die vom OLG vorgenommene Vertragsauslegung, wonach das Fahrzeug keine Durchrostungen und keine sonstigen größeren Mängel aufweisen darf, wohl aber alters- und nutzungsbedingte Verschleißschäden. Auf dieser Grundlage hat das OLG die vom Kläger geltend gemachten Rostschäden an den Kotflügeln zu Recht nicht als Sachmangel angesehen. Hinsichtlich der weiteren Schäden kann zugunsten des Klägers hingegen die Vermutungswirkung des § 477 BGB (für den Streitfall: § 476 BGB aF) greifen.

Die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf sind im Streitfall anwendbar. Das OLG ist rechtsfehlerfrei zu der Beurteilung gelangt, dass sich nicht vollständig aufklären lässt, ob der Kläger das Fahrzeug im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit oder zu privaten Zwecken gekauft hat. Entgegen der Auffassung des OLG greift in dieser Konstellation nicht die in § 344 HGB normierte Regel, wonach die von einem Kaufmann vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Zweifel als zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehörend anzusehen sind. Maßgeblich ist vielmehr die Regel des § 13 BGB, wonach Rechtsgeschäfte einer natürlichen Person, die nicht überwiegend einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können, als Geschäfte eines Verbrauchers anzusehen sind.

Die danach maßgebliche Regelung in § 477 BGB, wonach vermutet wird, dass die Kaufsache schon bei Gefahrübergang mangelhaft war, wenn sich innerhalb von sechs Monaten ein Sachmangel zeigt, gilt für Verschleißschäden jedenfalls dann, wenn sich innerhalb der Sechsmonatsfrist ein Zustand einstellt, der nach dem Vertrag einen Mangel darstellt.

Das OLG wird deshalb klären müssen, ob das hintere Auspuffteil bereits innerhalb von sechs Monaten nach Übergabe durchrostet war, denn eine Durchrostung stellt nach der zwischen den Parteien getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung einen Sachmangel dar.

Hinsichtlich der Rostschäden an den Kotflügeln scheiden Gewährleistungsansprüche hingegen aus, weil es sich insoweit nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts um Verschleißschäden handelt und eine Durchrostung nicht geltend gemacht ist.

Hinsichtlich der Defekte an Drosselklappe, Klimaanlage, Abgaskatalysator und Antenne muss das OLG klären, ob innerhalb der Sechsmonatsfrist ein Zustand aufgetreten ist, für den als Ursache nicht nur der übliche Verschleiß in Betracht kommt, sondern auch ein dem Verkäufer zuzurechnender Umstand. Falls die Vermutungswirkung des § 477 BGB danach zugunsten des Klägers greift, muss dieser zusätzlich beweisen, dass der während der Sechsmonatsfrist eingetretene Zustand bis zum Zeitpunkt der Ausübung der Gewährleistungsrechte und bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung bzw. einer berechtigten Selbstvornahme fortbestanden hat. Eine weitergehende Beweisführung ist jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn der Käufer innerhalb der Sechsmonatsfrist alle Voraussetzungen für die Entstehung des Gewährleistungsanspruchs geschaffen hat. Dieses Erfordernis ist im Streitfall erfüllt.

Praxistipp: Die Voraussetzungen für die geltend gemachten Gewährleistungsansprüche – insbesondere eine erforderliche Fristsetzung – sollten möglichst innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 477 BGB geschaffen werden.