BGH: Zulassung der Berufung durch das Berufungsgericht

Der BGH, Beschl. v. 12.9.2023 – VI ZB 72/22, MDR 2023, 1543 hatte sich mit einem Fall zu befassen, in dem der Beklagte vom AG erstinstanzlich zu einer Unterlassung verurteilt worden war. Er legte Berufung ein. Das LG setzte den Gebührenstreitwert für die zweite Instanz auf bis zu 300 Euro fest und verwarf die Berufung, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro nicht überstieg und das AG die Berufung auch nicht zugelassen hatte. Dagegen richtete sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

Da das LG die Berufung verworfen hatte, ist die Rechtsbeschwerde grundsätzlich statthaft. Für ihre Zulässigkeit müssten die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 (hier Nr. 2 Alt. 2) ZPO vorliegen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Vorliegend erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der Beklagte hatte hier beanstandet, dass das LG als Berufungsgericht keine eigene Entscheidung über die Zulassung der Berufung getroffen hatte.

Eine Zulassung der Berufung durch das Berufungsgericht selbst ist allerdings im Zivilprozess nicht vorgesehen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH muss das Berufungsgericht eine solche Prüfung gleichwohl dann nachholen, wenn das erstinstanzliche Gericht davon ausgegangen war, dass die Beschwer ohnehin 600 Euro übersteigt und deswegen seinerseits nicht geprüft hat, ob es die Berufung zulassen soll. Wurde eine solche Prüfung durch das Berufungsgericht versäumt, liegt eine unzumutbare Erschwerung des Zugangs zu der Berufung vor. Dies stellt dann wiederum einen Grund für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO wegen einer Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes jedoch nur dann dar, wenn ein Grund für die Zulassung der Berufung vorliegt.

Einen solchen Grund hatte der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde allerdings nicht geltend gemacht, sondern lediglich die unterlassene Prüfung durch das Berufungsgericht beanstandet. Für die Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde reicht dies jedoch nicht. Damit kann auch dahingestellt bleiben, ob das erstinstanzliche Gericht von einer 600 Euro übersteigenden Beschwer ausgegangen war oder nicht. Der BGH hat die Rechtsbeschwerde des Beklagten daher verworfen.

Fazit: Wer rügen möchte, das Berufungsgericht habe nicht geprüft, ob es die Berufung zulassen solle, muss gleichzeitig einen Zulassungsgrund für die Berufung darlegen.