KG: Bindungswirkung einer Verweisung an eine Kammer mit spezieller funktioneller Zuständigkeit

In einer Streitigkeit aus einem Bauvertrag gemäß § 72 S. 1 Nr. 2 GVG war ein Mahnbescheid im Februar 2017 ergangen. Nach dem Widerspruch wurde die Sache im Juni 2017 an das LG abgegeben. Am 28.12.2018 ging die Anspruchsbegründung ein. Im Januar 2019 erklärt sich die Zivilkammer für unzuständig und gab die Sache in entsprechender Anwendung des § 281 ZPO an die „Baukammer“ ab. Die Baukammer erklärt sich gleichfalls für unzuständig und legte den Rechtsstreit dem KG vor.

Das KG (Beschl. v. 14.3.2019 – 2 AR 6/19) hält sich für zuständig, diesen Konflikt zu entscheiden, zumal beide Entscheidungen des LG den Parteien bekannt gemacht wurden. Gemäß § 40a EGGVG sind § 72a GVG (und auch die „parallele“ Vorschrift des § 119a GVG!) allerdings nicht auf Verfahren anzuwenden, die vor dem 1.1.2018 anhängig geworden sind. Dabei ist „anhängig“ hier tatsächlich im engen rechtstechnischen Sinne zu verstehen. Alle schon eingegangenen Verfahren sollten von der Neuregelung ausgenommen werden, um ein Umtragen derselben und den damit eintretenden Aufwand zu verhindern. Selbst wenn man aber darüber hinaus die Rechtshängigkeit eines Verfahrens fordern würde, wäre diese vorliegend gegeben: Bei einem vorausgegangenen Mahnverfahren tritt nämlich die Rechtshängigkeit mit dem Eingang der Akten bei dem Streitgericht ein! Dies war hier bereits im Jahre 2017.

Freilich könnte man nunmehr die Auffassung vertreten, dass aufgrund eines erlassenen Verweisungsbeschlusses die Baukammer gemäß § 281 Abs. 2 Satz 3 ZPO an diesen gebunden sei. Dies ist aber deswegen nicht der Fall, weil es vorliegend um die funktionale Zuständigkeit geht und nach ständiger Rechtsprechung § 281 ZPO auf Abgaben oder Verweisungen unter Abteilungen, Kammern oder Senaten desselben Gerichts generell nicht anzuwenden ist. Eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht, da aus dem Fehlen einer dem § 102 GVG entsprechenden Vorschrift (Zivilkammer/Kammer für Handelssachen) zu schließen ist, dass eine Bindungswirkung insoweit vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt war. Letztlich hat dieser Rechtsstreit daher an der Zivilkammer zu verbleiben und ist dort seiner Entscheidung zuzuführen.

OLG Frankfurt: Spezialzuständigkeit der „Ärztekammer“ beim LG

Gemäß § 72a S. 1 Nr. 3. GVG werden bei den Landgerichten  für Streitigkeiten über Ansprüche aus Heilbehandlungen „Spezialkammern“gebildet. Eine entsprechende Regelung enthält die Geschäftsverteilung des LG D. Dort ging eine Klage gegen einen Tierarzt wegen angeblicher Falschbehandlung eines Hundes ein, die bei einer allgemeinen Zivilkammer eingetragen wurde. Der Vorsitzende vertrat die Auffassung, es handele sich um eine Streitigkeit für die Spezialkammer und verfügte entsprechend. Der Vorsitzende der Spezialkammer sah dies anders und legte die Akte dem Präsidium vor. Das Präsidium sah den Eingang als allgemeine Zivilsache. Der Vorsitzende der allgemeinen Zivilkammer erklärte sich daraufhin für unzuständig und legte die Sache dem OLG zur Bestimmung der Zuständigkeit vor.

Das OLG Frankfurt (Beschl. v. 23.4.2018 – 13 SV 6/18) lehnte die Bestimmung der Zuständigkeit allerdings ab. Zwar ist § 36 Nr. 6 ZPO auf diese Fallgestaltung grundsätzlich anwendbar. Die bloße Anhängigkeit eines Rechtsstreites reicht dafür aber noch nicht aus. Darüber hinaus fehlt es an einer rechtskräftigen Unzuständigkeitserklärung, da bisher die entsprechenden Verfügungen keiner Partei bekannt gemacht wurden.

Interessant sind jedoch die weiteren Ausführungen des OLG, die vorsorglich erfolgten: Danach betrifft § 72a S. 1 Nr. 3 GVG ausweislich der Gesetzesmaterialien lediglich Ansprüche aus Heilbehandlungen von Ärzten, Zahnärzten, Psychologen, Psychotherapeuten und Physiotherapeuten. Dies sind ausschließlich Berufsbilder der Humanmedizin. Veterinärmedizinische Behandlungsverträge werden auch von den §§ 630a ff. BGB nicht erfasst. Entscheidender Unterschied zwischen Veterinär- und Humanmedizin ist, dass in der ersteren das Selbstbestimmungsrecht des Patienten eine entscheidende Rolle spielt. Letztlich sind Human- und Veterinärmedizin damit nicht ohne weiteres vergleichbar. Eine erweiternde Auslegung oder gar analoge Anwendung der erwähnten Zuständigkeitsregel auf die Veterinärmedizin kommt damit nicht in Betracht.

Der Rechtsstreit ist daher als allgemeine Zivilsache zu behandeln und zu entscheiden. Tierärzte sind keine Mediziner im Sinne des § 72 S. 1 Nr. 3. GVG.