BAG: Notwendige Verkündung eines Urteils

Leider ereignen sich in der hektischen Alltagspraxis in den Tatsacheninstanzen immer wieder Versäumnisse, die Zeit und Geld kosten und eigentlich vermieden werden sollten. Im hier zu berichtenden Fall erließ das ArbG nach mündlicher Verhandlung in einem Verkündungstermin ein Teilurteil. Dieses Urteil wurde auch schriftlich verfasst und war von allen Richtern unterzeichnet. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hatte darauf einen Verkündungsvermerk angebracht. Weiterhin wurde das Urteil aufgrund einer Verfügung der Urkundsbeamtin an die Parteien zugestellt. Ein Verkündungsprotokoll existierte allerdings nicht.

Die Beklagte legte gegen das Urteil Berufung ein, die vom LAG zurückgewiesen wurde. Auf die Revision der Beklagten wurde der Rechtsstreit an das Arbeitsgericht zurückverwiesen!

Das BAG (Beschl. v. 24.10.2024 – 3 AZR 260/23) sieht hier einen nicht mehr behebbaren Verfahrensfehler, da es an einer Verkündung des erstinstanzlichen Urteils fehlte. Damit ist die erste Instanz noch nicht abgeschlossen. Das Urteil war nur ein Urteilsentwurf. Folglich war auch nichts in der zweiten Instanz angefallen und das LAG hätte das Scheinurteil, wogegen eine Berufung zweifellos zulässig ist, aufheben und die Sache an das ArbG zurückverweisen müssen. Dies hat das BAG nunmehr nachgeholt.

Im Einzelnen gilt: Ein Urteil muss in öffentlicher Sitzung verkündet werden (§§ 60, 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, 311 Abs. 2 S. 1 ZPO, 173 Abs. 1 GVG). Erst dadurch wird das Urteil existent. Davor liegt nur ein Entwurf vor. Der Nachweis der Förmlichkeit kann nur durch das Protokoll bewiesen werden (§ 165 S. 1 ZPO). Allerdings führen Verkündungsmängel nur dann zur Unwirksamkeit des Urteils, wenn gegen elementare Formerfordernisse verstoßen wurde. Dabei muss allerdings die Verlautbarung vom Gericht wenigstens beabsichtigt worden sein. Ausreichend ist es, wenn beispielsweise der Vorsitzende die Zustellung an die Parteien verfügt, da damit der Wille, die Entscheidung zu erlassen, klar zu Tage getreten ist. Daran fehlte es vorliegend jedoch gleichfalls: Die Zustellung des Urteils wurde von der Urkundsbeamtin verfügt, diese kann den Vorsitzenden diesbezüglich nicht ersetzen, da sie das Urteil nicht verfasst hat.

Die Parteien waren durch diese Entscheidung überrascht worden, da sie diese Umstände nicht gerügt haben. Dies ist jedoch unerheblich, da derartige Mängel von Amts wegen zu beachten sind. In einer solchen Fallkonstellation steht auch § 68 ArbGG der Zurückverweisung an das ArbG nicht entgegen. Die Gerichtskosten für das Revisionsverfahren wurden gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 GKG nicht erhoben. Die Kosten für die Berufungsinstanz darf die Revisionsinstanz nicht niederschlagen.

Fazit: Für die Gerichte ist es im Regelfall unerlässlich, ein Verkündungsprotokoll anzufertigen. Dies gilt auch und gerade nach der Einführung der elektronischen Akte. Natürlich darf auch die Signatur nicht vergessen werden! In diesem Zusammenhang können sich kleinere Versäumnisse durch überlastete Richter leider bitter rächen.

Auswirkungen von Mängeln bei der Urteilsverkündung

Der BGH (Beschl. v. 5.12.2017 – VIII ZR 204/16) hat entschieden, dass Verkündungsmängel (hier: Verkündung im Dienstzimmer des Richters) dem wirksamen Erlass eines Urteils nur entgegen stehen, wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde.

Die Berufungskammer des LG hatte einen Verkündungstermin auf 12.00 Uhr bestimmt. Der Beklagte war persönlich erschienen. Die Tür zum Sitzungssaal war verschlossen. Später am Tag erklärte der Vorsitzende dem Beklagten nach mündlicher Mitteilung der Entscheidung, dass die Tür nicht geöffnet worden wäre, da man davon ausgegangen sei, es werde niemand erscheinen. Im vom Vorsitzenden unterzeichneten Verkündungsprotokoll waren er und zwei Beisitzer aufgeführt. Darüber hinaus hieß es, das anliegende Urteil sei in öffentlicher Verhandlung verkündet worden. Das Urteil wurde dann auch zugestellt.

Aus den von dem BGH eingeholten dienstlichen Stellungnahmen der drei Richter ergab sich: Die Beisitzer waren bei der Verkündung nicht zugegen. Der Vorsitzende erklärte, er habe keine konkrete Erinnerung mehr an den Vorgang. Üblicherweise würde die Tür zum Sitzungssaal verschlossen, wenn vor einer Verkündung eine längere Pause liege und dann bei der eigentlichen Verkündung geöffnet.

Die Nichtzulassungsbeschwerde hatte gleichwohl keinen Erfolg. Es liegt kein Scheinurteil vor, da tatsächlich ein Urteil verkündet wurde und dieses auch unterschrieben und zugestellt wurde. Verkündungsmängel eines Urteils stehen dem wirksamen Erlass eines solchen nur dann entgegen, wenn es sich um elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse handelt, so dass letztlich von einer Verlautbarung im Rechtssinne gar nicht gesprochen werden kann. Nachdem das Urteil unterschrieben und zugestellt wurde und das Ergebnis auch dem Beklagten persönlich mitgeteilt wurde, bestehen aber keine Zweifel daran, dass die Verlautbarung des Urteils vom Gericht beabsichtigt war.

Zwar spricht nach den eingeholten dienstlichen Stellungnahmen alles dafür, dass die Verkündung lediglich im Dienstzimmer des Vorsitzenden in Abwesenheit der Beisitzer erfolgt ist. Auch dies würde das Urteil jedoch nicht zum Scheinurteil machen, sondern wäre lediglich ein letztlich insoweit nicht beachtlicher Verkündungsmangel, zumal das Urteil bei der Verkündung in vollständiger Form vorlag und unterschrieben war. Letzteres wird durch das Protokoll nachgewiesen und ist nicht in Frage gestellt worden.

Der BGH weist allerdings zu Recht darauf hin, dass es sich gleichwohl bei einer derartigen Verfahrensweise um eine richterliche Dienstpflichtverletzung handelte. Den Gerichten steht es in der Tat schlecht an, bei den Förmlichkeiten nachlässig zu sein. Gerade hier müssen die Gerichte mit gutem Beispiel vorangehen.

Auch Verkündungstermine sollten daher stets „sauber“ abgehalten werden. Es muss die Möglichkeit der Teilnahme durch die Parteien und der Öffentlichkeit gegeben sein, eine vollständig abgefasste und unterschriebene Entscheidung sollte unbedingt vorliegen. Das Protokoll muss nur diejenigen wiedergeben, die auch tatsächlich anwesend sind. Bei der Verwendung eines Formulars müssen die richtigen „Kreuzchen“ gesetzt werden. Und schließlich: Bei den Unterschriften der Richter sowohl unter dem Urteil als auch unter dem Protokoll muss es sich um solche handeln, nicht etwa um Kurzzeichen o. ä.