Diese Woche geht es um eine erbrechtliche Fragestellung.
Grabpflegekosten und Pflichtteil
Urteil vom 26. Mai 2021 – IV ZR 174/20
Mit der Berechnung des Zusatzpflichtteils nach § 2305 BGB befasst sich der IV. Zivilsenat.
Die im Jahr 1931 geborene und im Jahr 2017 verstorbene Erblasserin hat den Kläger, den sie im Jahr 1981 adoptiert hatte, in einem eigenhändigen Testament zusammen mit sechs weiteren Personen als Erben eingesetzt. Dem Kläger ist ein Anteil von 5 % zugedacht; die Summe der zugedachten Anteile beträgt 55 %. Ferner hat die Erblasserin angeordnet, dass aus dem Nachlass für zwanzig Jahre die Kosten der Grabpflege zu tragen sind. Der Bruttowert des Nachlasses beträgt rund 16.000 Euro, die unstreitigen Nachlassverbindlichkeiten belaufen sich auf rund 6.300 Euro, die Grabpflegekosten nach den Feststellungen des LG auf rund 9.500 Euro. Nach Abzug dieser Kosten verblieben für alle Erben zusammen also rund 200 Euro. Der Kläger, der bei gesetzlicher Erbfolge alleiniger Erbe gewesen wäre, verlangt einen Zusatzpflichtteil gemäß § 2305 BGB auf der Grundlage eines Nachlasswerts von rund 9.700 Euro, also ohne Abzug der Grabpflegekosten. Seine ursprünglich (unter Anrechnung eines bereits erhaltenen Betrags von 800 Euro) auf Zahlung von rund 3.600 Euro und in zweiter Instanz zuletzt auf Zahlung von rund 6.300 Euro gerichtete Klage ist vor dem AG und dem LG erfolglos geblieben.
Die auf Zahlung von 3.200 Euro gerichtete Revision des Klägers führt zur Zurückverweisung der Sache an das LG.
Zu den vom Erben gemäß § 1968 BGB zu tragenden Beerdigungskosten nur die Kosten des Bestattungsakts. Dieser findet seinen Abschluss mit der Errichtung einer dauerhaften Grabstätte. Die Kosten für das Grabmal und für Pflege und Instandsetzung des Grabs hat der Erbe zivilrechtlich nicht zu tragen. Insoweit kann er allenfalls nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften verpflichtet sein.
Die testamentarischen Erben sind allerdings aufgrund der Anordnung der Erblasserin, die als Auflage im Sinne von § 1940 BGB zu qualifizieren ist, zur Tragung der Grabpflegekosten verpflichtet. Als testamentarischer Erbe erhält der Kläger deshalb nur einen Anteil des nach Abzug der Grabpflegekosten verbleibenden Restbetrags von rund 200 Euro. Der Anteil des Klägers daran beträgt 9,09 % (ein Elftel). Dem Kläger sind im Testament zwar nur 5 % zugewandt worden. Da die Erblasserin insgesamt nur 55 % zugeteilt hat und ihr Testament dahin auszulegen ist, dass nur die darin genannten Personen Erben sein sollen, sind die einzelnen Anteile aber entsprechend zu erhöhen.
Zusätzlich zu diesem testamentarischen Erbteil von rund 20 Euro steht dem Kläger gemäß § 2305 BGB ein Zusatzpflichtteil in Höhe von 40,91 % des Nachlasses (die Differenz zwischen dem Pflichtteil von 50 % und dem testamentarisch zugedachten Anteil von 9,09 %) zu. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist der Nachlasswert insoweit ohne Abzug der Grabpflegekosten anzusetzen. Die Auflage im Testament ist nicht zu berücksichtigen, weil ein Pflichtteilsanspruch durch Auflagen nicht geschmälert werden darf. Dem Kläger stehen damit rund 4.000 Euro abzüglich der bereits erhaltenen 800 Euro zu.
Eine abschließende Entscheidung ist dem BGH nicht möglich, weil die Beklagten hilfsweise mit einem Schadensersatzanspruch wegen eines der Erblasser gehörenden Nerzmantels aufgerechnet haben.
Praxistipp: Will der Erblasser auch gegenüber einem Pflichtteilsberechtigten sicherstellen, dass die Grabpflegekosten aus dem Nachlass gezahlt werden, muss er bereits zu Lebzeiten einen Grabpflegevertrag schließen. Die sich daraus ergebenden Zahlungsverpflichtungen gehören nach § 1967 Abs. 2 BGB zu den Nachlassverbindlichkeiten.