Mediator als Berichterstatter

Prof. Dr. Reinhard Greger  Prof. Dr. Reinhard Greger
RiBGH a.D., Universität Erlangen-Nürnberg

Beim Lesen von Gerichtsentscheidungen muss man sich manchmal unwillkürlich die Augen reiben. Steht da doch in einem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, mit dem die Versetzung einer im Clinch mit ihrer Vorgesetzten liegenden Beamtin für rechtmäßig erklärt wird, Folgendes zu lesen:

„Im Bericht vom … hielt der Mediator fest, dass keinem der Beteiligten eine überwiegende Schuld für die Fortdauer bzw. Eskalation des Konflikts zugeschrieben werden könne. Die Spannungen würden eine vertrauensvolle Zusammenarbeit unmöglich machen und den reibungslosen Dienstbetrieb einschränken.“

Wie bitte? Der Mediator als Berichterstatter für das Gericht? Heißt es nicht in § 1 MediationsG: „Mediation ist ein vertrauliches Verfahren“? Und steht der Mediator nicht nach § 4 des Gesetzes unter einer strengen Verschwiegenheitspflicht?

Leider ist weder dem Beschluss des VGH vom 10.1.2018 (3 CS 17.2383) noch der zugrundeliegenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu entnehmen, auf welcher Grundlage dieser Bericht, aus dem in der Entscheidungsbegründung viele Konfliktdetails wiedergegeben werden, erstattet und verwertet wurde. Der Mediator wurde offenbar vom Dienstherrn eingeschaltet. Auch dann durfte er aber nicht darüber berichten, welche Erkenntnisse er über den zugrundeliegenden Konflikt gewonnen hat; die Verschwiegenheitspflicht besteht vielmehr auch dem Auftraggeber gegenüber (Klowait/Gläßer, MediationsG, Kap. 3 3 Rn 33 f.; Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, 2. Aufl., Teil D Rn. 316).

Denkbar wäre allenfalls, dass die zerstrittenen Beamtinnen ihn zu seiner Berichterstattung gegenüber dem Dienstherrn ermächtigt haben. Sollte eine solche Vereinbarung schon vor der Mediation geschlossen worden sein, wäre dies allerdings bedenklich, weil einer solchen gewissermaßen unter Beobachtung stehenden Mediation kaum Erfolgschancen eingeräumt werden könnten. Nach Beendigung des Verfahrens wäre eine solche Ermächtigung zwar denkbar; der Mediator sollte sich aber auch dann jeder Aussage über Inhalte des Einigungsversuchs, insbesondere über Hintergründe des Konflikts und die Schuldfrage, enthalten.

Was hier geschehen ist, spricht eher dafür, dass es sich gar nicht um eine Mediation im Sinne des Mediationsgesetzes, sondern um ein moderiertes Personalgespräch, gestaltet nach den freieren Regeln der Konfliktmoderation oder Klärungshilfe, gehandelt hat. Dann allerdings wäre der Fall ein erneuter Beleg für den Fehlgebrauch des Mediationsbegriffs, der dieses Verfahren entwerten und in Verruf bringen kann.

Innerbetriebliche Konflikte eignen sich ganz besonders für alternative, auf den individuellen Fall zugeschnittene Methoden, einschließlich der Mediation. Wird eine solche vereinbart, müssen aber auch deren gesetzliche Vorgaben, von der freien Auswahl des Mediators über dessen Unabhängigkeit, das Vor- und Nachbefassungsverbot bis zur Verschwiegenheitspflicht, eingehalten werden.

Ein grundlegender Beitrag zu diesen Fragen in der ZKM ist in Vorbereitung.

Mehr zum Autor: Der Autor war Richter am Bundesgerichtshof und Inhaber des Lehrstuhls für Zivilprozessrecht, Bürgerliches Recht und freiwillige Gerichtsbarkeit an der Universität Erlangen-Nürnberg. Er ist Mitautor des ZPO-Kommentars Zöller und Redaktionsbeirat der Zeitschrift für Konfliktmanagement. Die Abschlussberichte zu zahlreichen Forschungsprojekten auf dem Gebiet der autonomen Konfliktlösung sind einsehbar unter www.reinhard-greger.de/zur-person/forschungen. Dort finden sich auch Nachweise zu weiteren Veröffentlichungen.

Ein Kommentar

  1. Veröffentlicht 4. April 2018 um 15:04 | Permalink

    Nun stellt sich die Frage nach der Grundqualifikation des Mediators. Bekanntlich gibt es viele Quereinsteiger mit nicht vertieftem psychologischem Wissen. Das ist nicht nur den Mediatoren gemein, sondern allgemein zu beobachten: minder Qualifizierte überschreiten die Grenzen ihres (formal definierten) Auftragsbereiches und geben „Empfehlungen“ ab, denen dann die Gerichte gerne folgen.
    Sagt eine Rechtsanwältin z.B. über das Verhalten von „Kindsbeiständ/innen“, denen „Empfehlungen“ eigentlich nicht zugestanden werden sollten, de facto aber das Verfahren maßgeblich beeinflussen können: „Am Anfang sind die Berichte noch neutral, aber mit der Zeit kommen dann schon ganz konkrete Handlungsempfehlungen ans Gericht, so dass ich als Familienanwältin massiv dagegenhalten muss, was nicht immer leicht ist, weil sich die Richter/innen nicht selten als Verbündete der Verfahrenshelferschaft fühlen, man hat ja ständig miteinander zu tun.“

    Da wird dann zur Wahrheit, was den vollendet geschaffenen Tatsachen folgt, was gerade in familienrechtlichen (Sorgerechts/Umgangs) An gelegenheiten höchst dramatische Folgenhaben kann – in den Händen einer „Fachkraft“, die keine Qualifikationen benötigt (es sei erwähnt: es gibt durchaus qualifizierte Fachkräfte, allerdings schützt auch das nicht vor falscher, voreiliger Meinungs(!) Bildung statt fachlicher Einschätzung.

    Wenn also im Gerichtsverfahren ein/e Mediator/in „Empfehlungen“ abgibt, ist das auf mangelnde Verfahrensführung zurückzuführen, denn der/die Vorsitzende sollte Derartiges nur bedingt akzeptieren bzw. eben nur, wenn Entbindung von der Schweigepflicht gewährt wurde.

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