Autoren im Zwiegespräch: Der Mediator als Coach?

Dr. Peter Röthemeyer  Dr. Peter Röthemeyer
Jurist und Mediator in Wennigsen bei Hannover

Co-Autor:
Adrian Schweizer
Rechtsanwalt, Mediator, Executive Coach

PR: Magst Du schildern, worum es in Deinem Artikel geht?

AS: Kurz und knapp: um anzuzeigen, wie eine Mediation konstruktiv und ohne gegenseitige Schuldzuweisungen erfolgen könnte! Wie müssen Einzelgespräche, deren Einsetzbarkeit inzwischen ja allgemein anerkannt sind, gestaltet werden, damit nach psychologischen und neurobiologischen Wirksamkeitskriterien tatsächlich eine Verhaltensveränderung bei den Medianden eintritt? Was muss ich tun, dass die daran anschließende gemeinsame Runde locker und entspannt abläuft und eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Parteien nicht wieder in gegenseitige Schuldzuweisungen zurückfallen? Ich helfe kommunizierenden Menschen gerne, gemeinsam Lösungen zu finden. Kinderartiges Gekreische mag ich aber nicht besonders.

Wie kamst Du auf die Idee, dass ich darüber einen Artikel schreiben könnte und Du dazu juristisch Stellung nimmst?

PR: Ich hatte das Vergnügen, Deine Trilogie „Konfliktlösung ohne Gericht“ zu rezensieren (ZKM 2022, 203), in der Du mit Deinen Studentinnen und Studenten Deine ganz besondere und im besten Sinne unorthodoxe Arbeitsweise vorstellst. Besonders gereizt hat mich die immer wieder aufscheinende Einbindung mit Coaching. So kam die Idee, eine Deiner Fallstudien sowie weitere in der Literatur beschriebene Einsätze von Coachingelementen in der Mediation nach deutschem Mediationsrecht zu analysieren. Warum hast Du Dich darauf eingelassen?

AS: Als ich Deine Besprechung meiner Trilogie in der ZKM gelesen hatte, war mir klar, dass hier jemand schreibt, der meine „unorthodoxe Arbeitsweise“ schätzt und auch versteht. Beides hat sich dann in zahlreichen Gesprächen bestätigt. Die Idee, dass wir etwas zusammenschreiben könnten, kam von der Redaktion. Das Thema Einzelgespräche bot sich an. Es beschäftigt mich schon seit vielen Jahren und die wissenschaftlich abgestützte Vorgehensweise ist mir besonders wichtig.

Als ich mit Reiner Ponschab vor fast 30 Jahren in den USA Feldstudien betrieben habe und wir uns überlegt haben, wie Wirtschaftsmediation in Deutschland strukturiert sein könnte, ist mir von Anfang an aufgefallen, dass das Setting, das vom Gerichtsverfahren oder der Familienmediation her kommt, nämlich, dass mit beide Parteien gleichzeitig und permanent im gleichen Raum verhandelt wird, im Wirtschaftskontext nicht funktioniert: Für die Ermittlung der Motive des Handelns, in der Mediation Interessen genannt, müssen die Parteien nach innen schauen. Gerade das aber tun Manager nicht, wenn andere Manager im Raum sind. Die Gefahr, genau dann, wenn ich äußerlich unaufmerksam bin, einen über den Kopf gezogen zu kriegen, ist menschliche Erfahrung seit 300.000 Jahren. Also habe ich von Anfang an Einzelgespräche vorgeschlagen und auch praktiziert. Dafür bin ich dann fast 20 Jahre kritisiert worden und nun, wo es immer mehr Mediatoren gibt, die über Mediation nicht nur schreiben, sondern auch selbst mediieren, gilt es als „State-of-the-Art.“

Da ich auch als Coach arbeite und zudem Coaches ausbilde, weiß ich, dass rein „philosophische“ Interventionen nicht wirken. In einer Ausbildung beim vor Kurzem verstorbenen Neurobiologen Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth habe ich den Grund erfahren: Reine Redeinterventionen verhallen im kognitiv-sprachlichen Zentrum des Hirnes. Sie befördern höchstens das Wissen (warum etwas nicht geht!), verändern aber leider nicht das Verhalten. Um ins limbische System zu kommen, wo das Verhalten gesteuert wird, braucht es emotional-körperliche Interventionen. Die wenigsten Coaches wissen, wie man das genau macht und noch weniger Mediatoren. Bei der Entwicklung meiner Arbeitsweise habe ich natürlich nicht unbedingt über Rechtsfragen nachgedacht. Dass es einem Mediator verboten sein könnte, mit Einzelgesprächen oder mit Coaching-Elementen zu arbeiten, kam mir nicht in den Sinn. Über Deine Einordnung im Kontext des deutschen Mediationsrechts bin ich deshalb sehr froh. Magst Du ein Fazit ziehen?

PR: In aller Kürze: Einzelgespräche sind nach dem MediationsG unproblematisch, solange sie transparent und im allseitigen Einvernehmen stattfinden. Zur Tätigkeitsbeschränkung kann nach Ziel und Funktion des Coachings differenziert werden kann. Danach ist Coaching gegen die Interessen des anderen Medianden kritisch; rechtlich unbedenklich scheinen mir unabhängig von ihrer Bezeichnung Einzelcoachings zu sein, die dem Mediationsverfahren im gemeinsamen Interesse der Medianden dienlich sind.

 

Hinweis der Redaktion:

Zum methodischen Vorgehen und zur Wirkkraft von Einzel-Coaching in der Mediation siehe Adrian Schweizer, „Wenn der Feind im Raum ist, schaut man nicht nach innen!“, ZKM 2023, 94 ff.

Peter Röthemeyer, geht in derselben ZKM-Ausgabe der Frage nach, ob und unter welchen Voraussetzungen der Mediator nach deutschen Mediationsrecht selbst eine der Mediationsparteien coachen darf, vgl. ZKM 2023, 99 ff.">Der Mediator als Coach?, ZKM 2023, 99 ff.

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