In einer Artikelserie der Süddeutschen Zeitung über „Traumjobs“ wurde auch über den Richterberuf berichtet (SZ v. 24.8.2022, S. 15). Eine Zivilrichterin schilderte, warum sie ihre Tätigkeit trotz der vergleichsweise geringen Bezahlung und der oft hohen Arbeitsbelastung so schätzt: wegen der großen Abwechslung und weil die Fälle mitten aus dem Leben kommen. Sie berichtete dann von einem Rechtsstreit zwischen zwei betagten Brüdern, in dem es um Schmerzensgeld wegen einer tätlichen Auseinandersetzung ging. Ihr sei gleich klar gewesen, dass hinter diesem Fall „mehr steckt, als man auf den ersten Blick denkt“. In der Verhandlung seien dann auch jahrelange Familienstreitigkeiten um Erbe, Grundstücke und Geld zutage getreten. Diese Probleme seien zwar in eineinhalb Stunden nicht zu lösen gewesen, aber sie habe zu einem Vergleich geraten, dem beide zugestimmt haben. Demnach hat der tätlich gewordene Bruder Schmerzensgeld zu zahlen, allerdings deutlich weniger, als der andere sich erhofft hatte. Und am Ende habe sie den beiden geraten: „Versuchen Sie am besten, sich aus dem Weg zu gehen“.
Die „Traumjob“-Richterin hat hier sicher ihr Bestes gegeben. Kritikwürdig ist aber die Tatsache, dass solche Konflikte überhaupt vor dem Prozessgericht verhandelt werden. Es gibt gerichtsnahe Mediation, es gibt das Güterichterverfahren. Weshalb werden diese Möglichkeiten sogar von solchen Richtern nicht genutzt, die erkannt haben, dass es in ihren Fällen oft um menschliche Beziehungen und nicht nur um Rechtsansprüche geht? Offenbar reicht es nicht aus, solche Optionen in das richterliche Verfahrensermessen zu stellen. Benötigt werden Instrumentarien, die sicherstellen, dass Konflikte auf dem für sie passenden Forum landen.