Der Versicherungsombudsmann ist – wie die vom Bundesamt der Justiz geführte Liste verrät – eine von insgesamt 28 Verbraucherschlichtungsstellen in Deutschland (abrufbar auf der Website des Bundesamts der Justiz). Gegründet 2001 ist der Versicherungsombudsmann gegenwärtig die zweitgrößte Schlichtungsstelle in Deutschland. In dem im Mai vorgestellten Jahresbericht für 2022 werden für den Berichtszeitraum insgesamt 15.907 eingehende Beschwerden gezählt. Dabei bietet der Versicherungsombudsmann zwei Verfahren mit jeweils eigener Verfahrensordnung an: Zum einen ein Beschwerdeverfahren gegen Versicherungsunternehmen, zum anderen ein Beschwerdeverfahren gegen Versicherungsvermittler.
Die stattliche Anzahl von Beschwerden steht einem Rückgang um über 2.000 Beschwerden im Vergleich zum Jahr 2021 gegenüber, der – nach den Ausführungen im Bericht – wohl auch bei anderen Verbraucherstreitbeilegungsstellen zu verzeichnen war und für den Versicherungsombudsmann auch dadurch zu erklären war, dass keine „zahlenstarken Sondereffekte“, also Sachverhaltskomplexe mit hohen Beschwerdezahlen, auftraten.
Dabei ist auch anzumerken, dass rückläufige Zahlen nicht nur außergerichtliche Streitbeilegungsmechanismen, sondern auch die Ziviljustiz treffen. So wird in dem entsprechenden Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben „Erforschung der Ursachen des Rückgangs der Eingangszahlen bei den Zivilgerichten“, der Ende April 2023 vorgestellt wurde, gemutmaßt, dass zum einen immer mehr Streitigkeiten außergerichtlich von Anwältinnen und Anwälten erledigt werden (S. 7), aber auch teilweise „Abwanderungsprozesse“ zu alternativen Lösungswegen stattfänden (S. 130 ff.). Siehe hierzu auch den Beitrag von Meller-Hannich/Nöhre/Höland: „Weniger Klagen, mehr Konfliktmanagement?“ in der August-Ausgabe der ZKM, soeben „online first“ in Otto Schmidt online ZKM0057057 erschienen. Der Versicherungsombudsmann in Person von Herrn Dr. Schluckebier trug zum vorgenannten Abschlussbericht in Form eines Interviews bei (S. 266 f.). Dabei betont er auch den „Befriedungseffekt durch Erklärung“, der durch Anhörung und Antwort in verständlicher Sprache gegenüber von versicherungsrechtlichen Problemen betroffenen Verbrauchern eintrete. Dies lässt sich lebensnah nachvollziehen und stellt schon ein Verdienst an sich dar.
Der mit 146 Seiten umfangreich ausfallende Jahresbericht des Versicherungsombudsmanns bietet aber nicht nur rein statistische Informationen über dessen Tätigkeit (etwa auch zur Verfahrensdauer von nur 70 Tagen bei zulässigen Beschwerden), sondern ermöglicht einen spannenden Einblick in die Lebenswirklichkeit der Versicherungsbranche. So stellt der Bericht dar, dass die Benzinklausel auch über 18 Jahre nach einer richtungsweisenden Entscheidung des BGH noch Gesprächs- und Streitstoff bietet (S. 20) und die Einstufung in die Schadensfreiheitsklassen der Kfz-Versicherung weiterhin ein „Dauerbrenner“ sind (S. 19). Zugleich ist der Bericht ein Spiegel der Gesellschaft bzw. der gesellschaftsrelevanten Ereignisse wie die Nennung der streitigen Versicherungsfälle zur Starkregenkatastrophe im Juli 2021 im Ahrtal zeigt (S. 21).
Auch aus Digitalisierungsperspektive ist der Versicherungsombudsmann zu loben. Ganz selbstverständlich können Beschwerden online eingereicht werden. Zudem bietet ein Online-Check die Möglichkeit, mit nur fünf Klicks zu testen, ob der Versicherungsombudsmann für das eigene Anliegen zuständig ist!
Nach alledem bleibt zu hoffen, dass der „Fixstern im Universum des alternativen Rechtsschutzes“ (so Frau Prof. Pohlmann im Grußwort zum Jahresbericht) noch lange hell strahlen wird.