Co-Autor: Prof. Dr. Lars Kirchhoff, Direktor des Instituts für Konfliktmanagement an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (O.)
Die zunehmend polarisiert geführten öffentlichen Debatten unserer Tage lassen bisweilen verzweifeln: Wenn jede(r) schon vorher unverrückbar recht hat, wenn jede(r) schon weiß, was der oder die andere denkt und für eine(r) ist, wenn stets die eigene Lösung die einzige Lösung ist, wenn es nur noch darum zu gehen scheint, die eigene Meinung dem anderen in den Kopf zu hämmern oder – wenn das nicht gelingt. – ihn persönlich zu diffamieren, dann stellt sich unweigerlich die Frage, wie ein konstruktiver, offener Dialog, der die Chance eines die gegensätzlichen Perspektiven überbrückenden Konsenses beinhaltet, noch (oder wieder) gelingen kann.
Was verloren zu gehen scheint, ist der für echten Austausch unverzichtbare Minimalkonsens über die Vorbedingungen eines solchen Dialogs, die zugleich auch die Vorbedingungen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit überhaupt sind: Die Würde des Menschen, gerade auch des Andersdenkenden, als unverrückbarer Ausgangspunkt. Die Annahme, dass meine Annahmen falsch sein könnten und der andere vielleicht (auch) recht haben könnte, die Bereitschaft, die Belange und Ideen des anderen zumindest anzuhören und auf der Grundlage von Argumenten kritisch zu würdigen, die Bereitschaft, hierüber konstruktiv und wertschätzend zu kommunizieren und Sprache nicht als Waffe, sondern als Werkzeug, als Raum der Begegnung zu nutzen. All das scheint auf beiden Seiten des Meinungsspektrums auf dem Rückzug zu sein, obwohl es mehr denn je gebraucht wird.
Hier tritt die Methode der Mediation auf den Plan: Eine den Ansatz ernst nehmende Mediation bietet jeder Seite die Gelegenheit, ihre (subjektive) Sicht der Dinge in einem geschützten Raum zu schildern. Die andere Seite ist gehalten, zuzuhören (und damit zu lernen und ihr Gegenüber besser zu verstehen und die eigenen Annahmen zu hinterfragen). Es folgt ein Austausch über die Interessen der Parteien. Was wollen sie eigentlich erreichen? Worum geht es ihnen mit den jeweils vertretenen Positionen? Welche Bedürfnisse sollen befriedigt, das Realisieren welcher Befürchtungen soll vermieden werden? Erst auf der Basis dieser Interessen beginnt ein zunächst im besten Sinne unlimitierter, kreativer Austausch zwischen den Parteien über Lösungsoptionen, ohne Vorfestlegungen oder Ultimaten. Wie könnte eine Lösung aussehen? Wie ginge es vielleicht auch? Woran haben wir bislang nicht gedacht? Was wäre womöglich noch als Lösung denkbar? Sodann handeln die Parteien aus der Vielzahl der denkbaren Optionen diejenigen als Lösung aus, die ihren Interessen in Summe am besten entsprechen.
Die Methode der Mediation scheint somit in idealtypischer Weise dazu geeignet zu sein, die zuvor beschriebenen Vorbedingungen eines konstruktiven Dialogs wieder her- und ihre Einhaltung sicherzustellen. Sie lässt sich im Kleinen (z.B. im Nachbarschafts- oder Vereinsstreit) wie auch im Großen (z.B. in handfesten wirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder gar geopolitischen Konflikten) nutzen. Mit ihrer Hilfe lassen sich destruktiv polarisierte und autokratisch instrumentalisierte Konflikte in politisch verhandelbare Formen von Dissens (oder in Teilbereichen auch zu einem neuen Grundkonsens) umwandeln. Sie kann so einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Polarisierung zu überwinden und wieder in einen konstruktiven Meinungsaustausch zu finden.
An dieser Stelle nimmt der Text eine Wendung ins sehr Konkrete, nämlich zu den alle zwei Jahre vergebenen Mediationspreisen der Centrale für Mediation des Otto Schmidt Verlags. Im Vergleich zu den beschriebenen Herausforderungen sind diese Preise – das ist uns ebenso wie den Auslobenden bewusst – völlig unerheblich. Aber die Signale, die von den eingereichten Arbeiten und den nominierten Personen/Institutionen in diesem Jahr ausgehen, sind verheißungsvoll.
In allen Kategorien wurden Arbeiten für den Preis vorgeschlagen, die zumindest auch die rechts- und gesellschaftspolitische Bedeutung der Mediation beleuchten. So hatte die international besetzte Jury zur Vergabe der Preise, welcher die Autoren angehören, erneut die „Qual der Wahl“ aus einer Vielzahl interessanter wissenschaftlicher Arbeiten. Auszuwählen waren die diesjährigen Preisträger für den „Förderpreis Mediation“ für besonders hochklassige Abschlussarbeiten sowie den „Mediations-Wissenschaftspreis“ für herausragende wissenschaftliche Monographien (insbes. Dissertation und Habilitationsschriften). Auch wenn die Wahl nicht leicht fiel, hat die Jury sie auch dieses Jahr getroffen und hoch interessante, relevante und damit wegweisende Arbeiten ausgezeichnet.
Gleichermaßen hat die Jury entschieden, wem der diesjährige „Sokrates-Preis für Mediation“ als Anerkennung für herausragende Leistungen von Personen, Institutionen oder Initiativen in der Mediation und im Konflikt-Management gebührt. Auch insoweit lag das Augenmerk auf der gesellschaftspolitischen Bedeutung des Preisträgers im Sinne der beschriebenen Vorbedingungen.
Die Preisverleihung mit den Preisträgern und Juroren findet online in einer feierlichen Zeremonie am Mittwoch, 11. Juni 2025, zwischen 16:00 Uhr und 18:00 Uhr statt. Die Veranstaltung wird neben der Preisverleihung auch interessante inhaltliche Impulse und einen Austausch unter den Teilnehmenden zum Thema „Vorbedingungen für konstruktiven Dialog“ beinhalten. Alle Interessierte sind herzlich eingeladen teilzunehmen. Alle weiteren Informationen zur Veranstaltung und zur Anmeldung finden Sie hier.