Verzicht im Verbraucherrecht – Was ist im Rahmen einer Einigung erlaubt?

Prof. Dr. Susanne Liane Gössl, LL.M (Tulane)  Prof. Dr. Susanne Liane Gössl, LL.M (Tulane)
Professorin an der Universität Bonn

Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich in einer Konfliktsituation mit einem Unternehmen. Sie erwägen eine Mediation oder Schlichtung, um unkompliziert eine Lösung zu finden. Dabei stellt sich die Frage: Darf ich im Rahmen einer Einigung auf Rechtspositionen verzichten, die mir eigentlich nach zwingendem (nationalen oder europäischen) Verbraucherrecht zustehen – etwa, weil mir im Gegenzug ein anderer Vorteil geboten wird?

Dieses Thema ist komplex, denn zwingendes Recht kann grundsätzlich nicht durch Parteivereinbarung abbedungen werden. Ein entscheidender Unterschied besteht jedoch zwischen autonomem deutschen und europäischem Verbraucherrecht: Der deutsche Gesetzgeber erlaubt mit § 779 BGB (Vergleichsvertrag) ausnahmsweise die Abbedingung zwingenden Rechts, wenn Ungewissheit über den Anspruch besteht. Beim autonomen deutschen Verbraucherrecht – etwa im Verbraucherbaurecht – ist ein solcher Verzicht im Rahmen eines Vergleichsvertrags unter Umständen zulässig. Wichtig ist, dass der Verbraucher die Konsequenzen überblickt und nicht übervorteilt wird. Ein Verzicht auf Rechte wie das Widerrufsrecht gemäß § 650l BGB kann also möglich sein, wenn der Verbraucherschutz gewahrt bleibt.

Anders verhält es sich bei zwingendem EU-Verbraucherrecht. § 779 BGB kann dieses nicht aushebeln, da EU-Recht Anwendungsvorrang genießt. Außerdem verfolgt das EU-Recht neben dem Schutz der Verbraucher auch Harmonisierungsziele sowie das Ziel der Rechtssicherheit für Unternehmen. Ein Verzicht auf EU-basierte Rechtspositionen zu Lasten des Verbrauchers ist daher in der Regel selbst dann nicht möglich, wenn der Verbraucher dies ausdrücklich wünscht.

Eine wichtige Ausnahme bildet die Schlichtung nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetzt (VSBG), also vor einer anerkannten Schlichtungsstelle. Die zugrunde liegende EU-ADR-Richtlinie fördert gütliche Einigungen und erlaubt eine gewisse Lockerung der Rechtsbindung – vorausgesetzt das Ergebnis wird nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers verbindlich.

Mit diesen Fragen und Differenzierungen habe ich mich ausführlich in meinem aktuellen Beitrag in der ZKM (ZKM0080223) auseinandergesetzt, der nun online first verfügbar ist.