Im Verfahren geht es im Wesentlichen die Verfassungs- und Unionsrechtwidrigkeit der erweiterten unbeschränkten Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 lit. b ErbStG. Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kl. – ein deutscher Staatsbürger – verlegte im November 2011 seinen Wohnsitz von Deutschland in die Schweiz. Wenige Monate nach dem Umzug schenkte seine Mutter ihm eine Immobilie in der Schweiz unter Nießbrauchsvorbehalt. Das FA setzte für den Grundstückserwerb Schenkungsteuer fest.
Das FG (FG München v. 3.7.2019 – 4 K 1286/18, ErbStB 2020, 188 [Günther]) hatte die Klage genau so abgewiesen, wie der BFH in zweiter Instanz. Der BFH sieht keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 GG. Die Vorschrift dient dazu, Steuerumgehungen durch lediglich vorübergehende Wohnsitzverlegung ins Ausland zu vermeiden. Die Ungleichbehandlung deutscher und nichtdeutscher Staatsangehöriger hält der BFH für gerechtfertigt. Diese Differenzierung kennt der Gesetzgeber etwa auch im Bundeswahlgesetz.
Mit der Beschränkung auf einen Zeitraum von fünf Jahren hat der Gesetzgeber i.R. einer zulässigen Typisierung dem mit fortschreitendem Zeitablauf allmählich verblassenden Inlandsbezug Rechnung getragen. Außerdem hat der Gesetzgeber mit der Anrechnungsmöglichkeit des § 21 ErbStG eine jedenfalls teilweise Vermeidung der Doppelbesteuerung in Auslandfällen vorgesehen.
Ein mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbares strukturelles Erhebungs- und Vollzugsdefizit erkennt der BFH ebenfalls nicht. Zwar sind die Ermittlungsmöglichkeiten der deutschen Finanzverwaltung bei Auslandsschenkungen eingeschränkt. Mit der Anzeigepflicht der Beteiligten nach § 30 Abs. 1 und 2 ErbStG, den langen Anlaufhemmungsfristen nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO und den besonderen Mitwirkungspflichten der Beteiligten in Auslandsfällen nach § 90 Abs. 2 AO hat der Gesetzgeber aber gesetzgeberische Maßnahmen ergriffen, um eine Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicherzustellen.
Eine Verletzung der unionsrechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 Abs. 1 AEUV) sieht der BFH ebenfalls nicht. Er beruft sich dabei auf eine Entscheidung des EuGH zum niederländischem Recht (EuGH v. 23.2.2006 – Rs. C-513/03, ECLI:EU:C:2006:131, Rz. 45 = Slg. 2006, I-1957). Darin hatte der EuGH entschieden, dass die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht dann nicht gegen den Grundsatz der Kapitalverkehrsfreiheit verstößt, wenn die ausländische Steuer weitgehend auf die deutsche Steuer angerechnet wird. Da eine mögliche Schweizer Schenkungsteuer nach § 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 121 Nr. 2 BewG auf die deutsche Steuer anzurechnen wäre, sieht der BFH keinen Verstoß gegen EU-Recht.
Wer die erweiterte beschränkte Steuerpflicht vermeiden möchte, wird mit Schenkungen fünf Jahre (zehn Jahre bei Wegzug in die USA gem. Art. 3 des Zustimmungsgesetzes v. 15.9.2000 zum Ergänzungsprotokoll DBA USA-Deutschland) warten müssen.
Die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht führt zu einer Besteuerung i.R.d. unbeschränkten Steuerpflicht mit den dafür geltenden Steuersätzen und persönlichen Freibeträgen. Davon zu unterscheiden ist
- zum einen die beschränkte Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, nach der bestimmtes Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG von im Ausland ansässigen Beteiligten übertragen wird. Für die beschränkte Steuerpflicht gilt ein besonderer Freibetrag nach § 16 Abs. 2 ErbStG;
zum anderen kennt das Gesetz die erweiterte beschränkte Steuerpflicht nach § 4 i.V.m. § 2 AStG, wenn der Erblasser oder Schenker in den letzten zehn Jahren vor seinem Wegzug als deutscher Staatsbürger mindestens fünf Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war, in einem Niedrigsteuerland i.S.d. § 2 Abs. 2 AStG oder in keinem ausländischen Gebiet ansässig ist und wesentliche wirtschaftliche Interessen i.S.d. § 2 Abs. 3 AStG im Inland hat. Im Rahmen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht werden über das Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG hinaus alle Vermögensgegenstände erfasst, deren Erträge bei unbeschränkter Steuerpflicht nicht ausländische Einkünfte i.S.d. § 34c EStG wären.
BFH v. 12.10.2022 – II R 5/20, ErbStB 2023, 65