Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht

Im Verfahren geht es im Wesentlichen die Verfassungs- und Unionsrechtwidrigkeit der erweiterten unbeschränkten Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 lit. b ErbStG. Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kl. – ein deutscher Staatsbürger – verlegte im November 2011 seinen Wohnsitz von Deutschland in die Schweiz. Wenige Monate nach dem Umzug schenkte seine Mutter ihm eine Immobilie in der Schweiz unter Nießbrauchsvorbehalt. Das FA setzte für den Grundstückserwerb Schenkungsteuer fest.

Das FG (FG München v. 3.7.2019 – 4 K 1286/18, ErbStB 2020, 188 [Günther]) hatte die Klage genau so abgewiesen, wie der BFH in zweiter Instanz. Der BFH sieht keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 GG. Die Vorschrift dient dazu, Steuerumgehungen durch lediglich vorübergehende Wohnsitzverlegung ins Ausland zu vermeiden. Die Ungleichbehandlung deutscher und nichtdeutscher Staatsangehöriger hält der BFH für gerechtfertigt. Diese Differenzierung kennt der Gesetzgeber etwa auch im Bundeswahlgesetz.

Mit der Beschränkung auf einen Zeitraum von fünf Jahren hat der Gesetzgeber i.R. einer zulässigen Typisierung dem mit fortschreitendem Zeitablauf allmählich verblassenden Inlandsbezug Rechnung getragen. Außerdem hat der Gesetzgeber mit der Anrechnungsmöglichkeit des § 21 ErbStG eine jedenfalls teilweise Vermeidung der Doppelbesteuerung in Auslandfällen vorgesehen.

Ein mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbares strukturelles Erhebungs- und Vollzugsdefizit erkennt der BFH ebenfalls nicht. Zwar sind die Ermittlungsmöglichkeiten der deutschen Finanzverwaltung bei Auslandsschenkungen eingeschränkt. Mit der Anzeigepflicht der Beteiligten nach § 30 Abs. 1 und 2 ErbStG, den langen Anlaufhemmungsfristen nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO und den besonderen Mitwirkungspflichten der Beteiligten in Auslandsfällen nach § 90 Abs. 2 AO hat der Gesetzgeber aber gesetzgeberische Maßnahmen ergriffen, um eine Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicherzustellen.

Eine Verletzung der unionsrechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 Abs. 1 AEUV) sieht der BFH ebenfalls nicht. Er beruft sich dabei auf eine Entscheidung des EuGH zum niederländischem Recht (EuGH v. 23.2.2006 – Rs. C-513/03, ECLI:EU:C:2006:131, Rz. 45 = Slg. 2006, I-1957). Darin hatte der EuGH entschieden, dass die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht dann nicht gegen den Grundsatz der Kapitalverkehrsfreiheit verstößt, wenn die ausländische Steuer weitgehend auf die deutsche Steuer angerechnet wird. Da eine mögliche Schweizer Schenkungsteuer nach § 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 121 Nr. 2 BewG auf die deutsche Steuer anzurechnen wäre, sieht der BFH keinen Verstoß gegen EU-Recht.

Wer die erweiterte beschränkte Steuerpflicht vermeiden möchte, wird mit Schenkungen fünf Jahre (zehn Jahre bei Wegzug in die USA gem. Art. 3 des Zustimmungsgesetzes v. 15.9.2000 zum Ergänzungsprotokoll DBA USA-Deutschland) warten müssen.

Die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht führt zu einer Besteuerung i.R.d. unbeschränkten Steuerpflicht mit den dafür geltenden Steuersätzen und persönlichen Freibeträgen. Davon zu unterscheiden ist

  • zum einen die beschränkte Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, nach der bestimmtes Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG von im Ausland ansässigen Beteiligten übertragen wird. Für die beschränkte Steuerpflicht gilt ein besonderer Freibetrag nach § 16 Abs. 2 ErbStG;

zum anderen kennt das Gesetz die erweiterte beschränkte Steuerpflicht nach § 4 i.V.m. § 2 AStG, wenn der Erblasser oder Schenker in den letzten zehn Jahren vor seinem Wegzug als deutscher Staatsbürger mindestens fünf Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war, in einem Niedrigsteuerland i.S.d. § 2 Abs. 2 AStG oder in keinem ausländischen Gebiet ansässig ist und wesentliche wirtschaftliche Interessen i.S.d. § 2 Abs. 3 AStG im Inland hat. Im Rahmen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht werden über das Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG hinaus alle Vermögensgegenstände erfasst, deren Erträge bei unbeschränkter Steuerpflicht nicht ausländische Einkünfte i.S.d. § 34c EStG wären.

BFH v. 12.10.2022 – II R 5/20, ErbStB 2023, 65

Erklärung zur optionalen Vollverschonung

Die Klägerin (Kl.) erhielt von ihrer Mutter in einer einheitlichen Schenkung vier KG-Beteiligungen (KG 1–4) übertragen. Die Verwaltungsvermögensquote betrug für die Beteiligung KG 2 13,74 %. Für alle vier Beteiligungen betrug sie insgesamt unstreitig weniger als 10 %.

Die Kl. erklärte unwiderruflich, dass sie für den gesamten Erwerb die Vollverschonung nach § 13a Abs. 8 ErbStG a.F. in Anspruch nehme.

Das FA gewährte die Vollverschonung nur für die Beteiligungen K 1, K 3 und K 4. Für die Beteiligung K 2 gewährte sie keinen Bewertungsabschlag, also auch nicht die Regelverschonung von 85 %, weil die Verwaltungsvermögensquote von 10 % für diese Beteiligung überschritten war. Das FG (FG Münster v. 10.9.2020 – 3 K 2317/19 Erb, ErbStB 2020, 345 [Kirschstein]) bestätigte die Auffassung des FA.

Die Revision war ebenfalls erfolglos. Der BFH hat die Auffassung des FA bestätigt. Er stellt zunächst fest, dass die Verwaltungsvermögensquote für jede übertragene wirtschaftliche Einheit gesondert und nicht für alle Einheiten insgesamt zu ermitteln ist.

Danach stellt er fest, dass die Optionsverschonung für jede wirtschaftliche Einheit gesondert erklärt werden kann. Im Besprechungsurteil ergab die Auslegung der abgegebenen Willenserklärung der Kl. zur Optionsverschonung, dass die Vollverschonung auf alle Beteiligungen insgesamt angewendet werden sollte. Da diese Erklärung unwiderruflich war, konnte er hinsichtlich der Beteiligung K 2 nicht auf die Begünstigung der Regelverschonung zurückfallen, denn die Gewährung der Regelverschonung für einzelne Wirtschaftseinheiten setzt voraus, dass der Erwerber für diese Einheit keine Erklärung zur Vollverschonung abgegeben hat.

Die Kl. hätte die optimale Vergünstigung in Form von dreimal Vollverschonung und einmal Regelverschonung erhalten, wenn sie den Antrag auf Vollverschonung auf die Beteiligungen KG 1 und KG 3 und 4 beschränkt hätte. Bezüglich der Beteiligung KG 2 hätte sie gar keine Erklärung abgeben dürfen.

Das Urteil ist zwar zur bis zum 30.6.2016 geltenden Rechtslage ergangen. Die Grundsätze zur gesonderten Erklärung der optionalen Vollverschonung und zur Ermittlung der Verwaltungsvermögensquote je wirtschaftlicher Einheit in § 13a Abs. 10 ErbStG dürften aber auch für das Erbschaftsteuerrecht in seiner aktuellen Fassung gelten.

Der BFH hatte im Besprechungsurteil einen Schenkungsfall zu entscheiden. In diesen Fällen kann der Antrag auf Optionsverschonung nach Aussage des Gerichts für jede Einheit gesondert erklärt werden. Ob die Auffassung der Finanzverwaltung in R E 13a.21 Abs. 1 ErbStR 2019 zutrifft, dass der Antrag auf Optionsverschonung im Erbfall nur insgesamt einheitlich gestellt werden kann, war nicht Gegenstand der Entscheidung. Er hält jedoch die einheitlich auszuübende Erklärung zur optionalen Vollverschonung für systemwidrig, weil sie gegen den Grundsatz der betriebsbezogenen Ermittlung der Verwaltungsvermögensquote verstößt (vgl. Rz. 21 der Entscheidungsgründe). Aus dieser Aussage kann möglicherweise gefolgert werden, dass die Einzeloptionsverschonung auch im Erbfall gelten muss.

BFH v. 26.7.2022 – II R 25/20

Optionsverschonung bei Übertragung mehrerer begünstigter Einheiten

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Verwaltungsvermögensquote nach § 13b Abs. 2 ErbStG a.F. und die sog. Optionsverschonung nach § 13a Abs. 8 a.F. ErbStG bei einer einheitlichen Schenkung jeweils isoliert für jede wirtschaftliche Einheit oder einheitlich für alle wirtschaftlichen Einheiten zu ermitteln bzw. anzuwenden sind.

Dem Urteil lag vereinfacht folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin (Kl.) erhielt von Ihrer Mutter zum 31.12.2010 vier Kommanditbeteiligungen i.H.v. je 0,5 % der gesamten Kommanditeinlage übertragen. Die maßgeblichen Werte für die Besteuerung wurden wie folgt festgestellt:

Beteili-gung Wert des Anteils am Betriebsvermögen Gemeiner Wert Verwaltungsver-mögen insg. davon 0,5 % Verwaltungsver-mögensquote
KG 1 3.000.000 15.000.000 75.000 2,50 %
KG 2 750.000 20.000.000 1.000.000 13,33 %
KG 3 5.000.000 6.000.000 30.000 0,60 %
KG 4 35.000 280.000 1.400 4,00 %
Konsolidierte Verwaltungsvermögensquote 7,48 %

Die Kl. machte für alle vier Beteiligungen die Optionsverschonung geltend und trug vor, dass die Verwaltungsvermögensquote für die Beteiligung 2 zwar mit 13,33 % über 10 % läge, die Quote aber konsolidiert mit 7,48 % insgesamt für alle vier Beteiligungen weniger als 10 % beträgt. Hilfsweise begehrte sie die Anwendung der Regelverschonung für die Beteiligung 2.

Der Beklagte gewährte die Optionsverschonung nur für die Beteiligungen 1, 3 und 4 und besteuerte die Beteiligung 2 in voller Höhe, also ohne Abschlag von 85 %.

Das FG hat die Klage abgewiesen. Die Kl. hatte die Auffassung vertreten, dass wenn der Antrag auf Optionsverschonung nach Auffassung der Finanzverwaltung nur einheitlich für alle wirtschaftlichen Einheiten gestellt werden könne (R E 13a.13 ErbStR 2011), konsequenterweise auch die Verwaltungsvermögensquote für alle erworbenen KG-Anteile einheitlich zu ermitteln sei.

Außerdem hatte die Kl. vorgetragen, dass es von der Finanzverwaltung inkonsequent sei, bei Übertragung wirtschaftlicher Einheiten mit bis zu 10 % und mit mehr als 10 % Verwaltungsvermögen für letztere nicht einmal die Regelverschonung zu gewähren (R E 13a.13 Abs. 3 Satz 2 ErbStR), während für den Fall, dass das Verwaltungsvermögen aller übertragenen wirtschaftlichen Einheiten mehr als 10 % beträgt oder sich das nachträgliche Überschreiten der Verwaltungsvermögensgrenze für alle wirtschaftlichen Einheiten herausstellt, insgesamt die Regelverschonung zu gewähren sei (R E 13a.13 Abs. 3 Sätze 3 und 4 ErbStR).

Das FG stützt seine Entscheidung auf den Wortlaut des § 13b Abs. 2 Satz 4 ErbStG a.F., in dem geregelt ist, wie sich die Verwaltungsvermögensquote „des Betriebs“ ermittelt. Wegen der Formulierung „des“ Betriebes und nicht „der“ Betriebe sei die Quote isoliert für jeden Betrieb gesondert zu ermitteln. Diese Auffassung hatte das Gericht bereits in seiner Entscheidung vom 9.12.2013 (FG Münster v. 9.12.2013 – 3 K 3969/11 Erb, EFG 2014, 660 = ErbStB 2014, 91 [Kirschstein]) vertreten.

Trotz der im Schrifttum geäußerten Kritik an dieser Entscheidung hält das Gericht an seiner Auffassung fest. Es begründet seine Auffassung wiederum mit dem Wortlaut des § 13a Abs. 8 a.F., wonach „die“ und nicht etwa „eine“ Steuerbefreiung nach den Absätzen 1 bis 7 mit geänderten Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen gewährt wird. Daraus ergibt sich auch, dass ein „Rückfall“ auf die 85 % Regelverschonung vom Gesetzgeber nicht vorgesehen ist.

Das Gericht begründet seine Auffassung auch damit, dass der Antrag auf Optionsverschonung nur unwiderruflich erklärt werden kann. Wäre ein „Rückfall“ auf die Regelverschonung möglich, sofern die Voraussetzungen für die Optionsverschonung von Beginn an oder während der genannten Fristen nicht erfüllt würden, würde die Unwiderruflichkeit der Erklärung ins Leere laufen. Dieses von Teilen der Literatur als „Optionsfalle“ beschriebene Risiko ist aber nach Auffassung des Gerichts vor dem Hintergrund, dass bereits die Regelverschonung eine mit 85 % weitgehende Steuerbefreiung vorsieht und die Vollverschonung als Ausnahmevorschrift grundsätzlich nur unter engen Voraussetzungen möglich sein soll, hinzunehmen.

Ob diese „Optionsfalle“ entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung auch dann gelten müsse, wenn die 10 %-Grenze bei allen Einheiten überschritten ist, hatte das Gericht nicht zu entscheiden.

Fazit:

Der Antrag auf Optionsverschonung nach § 13a Abs. 8 ErbStG in der am 31.12.2010 geltenden Fassung (ErbStG a.F.) kann bei Übertragung mehrerer begünstigter Einheiten nur einheitlich ausgeübt werden. Wird sowohl Produktivvermögen mit bis zu 10 % Verwaltungsvermögen als auch solches mit mehr als 10 % und bis zu 50 % Verwaltungsvermögen übertragen und wird von der Anwendung der Vollverschonung Gebrauch gemacht, so kommt für letztere Einheiten weder die Vollverschonung noch die Regelverschonung in Betracht.

Das Gericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Zwar betrifft der Fall auslaufendes Recht. Aufgrund der teilweise langfristigen Bewertungs- und Einspruchsverfahren ist es allerdings nicht ausgeschlossen, dass die §§ 13a und 13b ErbStG a.F. weiterhin auf eine Vielzahl von Fällen Anwendung findet. Außerdem hält die Finanzverwaltung auch nach Inkrafttreten des neuen Erbschaftsteuerrechts ab dem 1.7.2016 an ihrer Auffassung zur Geltung der „Optionsfalle“ fest, vgl. R E 13a.21 Abs. 4 Satz 2 ErbStR.

FG Münster v. 10.9.2020 – 3 K 2317/19 Erb (Rev. II R 25/20), ErbStB 2020, 345

 

Vorbehalt eines nachrangigen Nießbrauchs

Der BFH hat entschieden, dass § 6 Abs. 1 BewG nicht für einen am Stichtag entstandenen, aber nachrangigen Nießbrauch gilt und bei der Schenkungsteuerfestsetzung der vorrangige und der nachrangige lebenslange Nießbrauch (als einheitliche Last) nur einmal mit dem höheren Vervielfältiger gem. § 14 BewG zu berücksichtigen sind.

Im Fall hatte die Klägerin (Kl.) von ihrer Mutter (M) einen GbR-Anteil unter Nießbrauchsvorbehalt geschenkt bekommen. In 2010 verschenkte sie diesen Anteil an ihre Töchter S (Az. d. BFH II R 11/19) und T (Az. d. BFH II R 12/19) – die Enkelinnen der M – wiederum unter Nießbrauchsvorbehalt, wobei der Nießbrauch der M vorrangig vor dem der Kl. fortbestehen sollte. Während das FA nur den Nießbrauch der M i.R.d. § 25 ErbStG a.F. berücksichtigte, begehrte die Kl. die Berücksichtigung des Kapitalwertes des nachrangigen Nießbrauchs.

Die Entscheidung des BFH soll anhand eines Zahlenbeispiels erläutert werden, wobei von folgenden Daten ausgegangen werden soll:

Steuerwert des GbR-Anteils 600.000 €
Jahreswert der Nutzung 10.000 €
Alter der M 80 Jahre
Alter der Kl. 55 Jahre

 

Das FA veranlagte danach wie folgt:

Bereicherung des Erwerbers 600.000 €
./. Freibetrag, § 16 ErbStG 400.000 €
Steuerpflichtiger Erwerb 200.000 €
Steuer 11 % 22.000 €

 

Ermittlung Stundungsbetrag gem. § 25 ErbStG:

Erwerb 600.000 €
./. Kapitalwert Nießbrauch M in 2010 (10.000 € x 7,125 [Vervielfältiger], BMF v. 1.10.2009, BStBl. I 2019, 1168) 71.250 €
Bereicherung des Erwerbers 528.750 €
./. Freibetrag, § 16 ErbStG 400.000 €
Steuerpflichtiger Erwerb 128.750 €
Abgerundet, § 10 Abs. 1 Satz 6 ErbStG 128.700 €
Steuer 11 % sofort fällig 14.157 €
Zu stundende Steuer gem. § 25 ErbStG a.F. 7.843 €

 

Das FA begründete die Berechnung damit, dass es sich beim Nießbrauch der Kl. um eine Last handele, deren Entstehung vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängig sei und deshalb nach § 6 Abs. 1 BewG nicht zu berücksichtigen sei.

Die Kl. begehrte dagegen den Abzug des ihr zustehenden Nießbrauchs und ermittelte den Stundungsbetrag wie folgt:

Erwerb 600.000 €
./. Kapitalwert Nießbrauch Kl. in 2010
(10.000 € x 14,759 [Vervielfältiger],
BMF v. 1.10.2009, BStBl. I 2019, 1168)
147.590 €
Bereicherung des Erwerbers 452.410 €
./. Freibetrag, § 16 ErbStG 400.000 €
Steuerpflichtiger Erwerb 52.410 €
Abgerundet, § 10 Abs. 1 Satz 6 ErbStG 52.400 €
Steuer 7 % sofort fällig 3.668 €
Zu stundende Steuer gem. § 25 ErbStG a.F. 18.332 €

 

Sie trug vor, dass der ihr eingeräumte Nießbrauch unbedingt, aber nachrangig zum Nießbrauch der M entstanden sei. Auch dieser nachrangige Nießbrauch unterliege dem Abzugsverbot und der Stundungsregelung des § 25 Abs. 1 ErbStG a.F.

Der BFH ist der Argumentation der Kl. gefolgt und hat der Revision gegen das Urteil des FG München (FG München v. 15.11.2017 – 4 K 204/15) stattgegeben. Es stützt sich dabei auf den Wortlaut des § 6 Abs. 1 BewG, der auf die rechtliche „Entstehung“ der Verpflichtung und nicht auf die Möglichkeit der Geltendmachung oder zwangsweise Durchsetzung durch den Berechtigten abstellt. Die Entstehung des nachrangigen Nießbrauchs wird durch die Existenz des vorrangigen älteren Nießbrauchs nicht verhindert.

Der BFH hat darüber hinaus entschieden, dass der vorrangige und der nachrangige Nießbrauch als einheitliche Last nur einmal, aber mit dem jeweils höheren Vervielfältiger abgezogen werden können, denn die Mehrheit von Nutzungsberechtigten führt nicht zu einer zusätzlichen Last, sondern allenfalls einer Verlängerung der Belastungsdauer.

Praxishinweise:

Nach Aufhebung des § 25 ErbStG mit Wirkung zum 1.1.2009 wird die Steuer, die auf den Nießbrauch entfällt, nicht mehr nur gestundet, sondern der Nießbrauch bei der Ermittlung der Bereicherung des Erwerbs mit dem Kapitalwert abgezogen. Nach aktueller Rechtslage wäre die Steuer also wie folgt zu ermitteln:

Erwerb 600.000 €
./. Kapitalwert Nießbrauch Kl. in 2010
(10.000 € x 14,759 [Vervielfältiger],
BMF v. 1.10.2009, BStBl. I 2019, 1168)
147.590 €
Bereicherung des Erwerbers 452.410 €
./. Freibetrag, § 16 ErbStG 400.000 €
Steuerpflichtiger Erwerb 52.410 €
Abgerundet, § 10 Abs. 1 Satz 6 ErbStG 52.400 €
Steuer 7 % 3.668 €

 

Der Fall wäre anders zu entscheiden gewesen, wenn ein sog. Sukzessivnießbrauch vereinbart worden wäre, der zweite Nießbrauch also erst beim Tod des ersten Nießbrauchers entstanden wäre. In diesem Fall wäre der zweite Nießbrauch noch nicht entstanden und demnach auch nicht abzugsfähig. Derartige Gestaltungen sind also zu vermeiden.

BFH v. 6.5.2020 – II R 11/19, BFH v. 6.5.2020 – II R 12/19, ErbStB 2020, 313

 

Begünstigtes Betriebsvermögen bei Erfüllung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs

Im Streitfall begehrten die Antragsteller im AdV-Verfahren die Feststellung, dass es sich bei den vier im Betriebsvermögen einer gewerblich geprägten KG befindlichen Immobilien nicht um Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 ErbStG a.F. (Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke) handelt, sondern begünstigtes Produktivvermögen vorliegt, weil die Gesellschaft einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfordert (Satz 2 lit. d ErbStG a.F.).

Die Antragsteller erbten KG-Anteile einer gewerblich geprägten Personengesellschaft, welche Eigentümerin von vier Grundstücken mit etwa 40 Mietwohnungen war. Die KG verfügte über keine eigenen Arbeitnehmer. Sie gehörte zum Firmenverbund einer Familie, die insgesamt mehr als 700 Mietwohnungen in verschiedene Firmen innehatte und verwaltete, insbesondere über eine GbR. Diese GbR beschäftigte im Streitjahr etwa 50 Mitarbeiter, die u.a. auch die Immobilien der KG verwalteten. Die Antragsteller beschrieben i.E., welche Tätigkeiten die KG zur Verwaltung ihres Grundbesitzes erbrachte und vertraten die Auffassung, dass diese wegen des beschriebenen Umfangs einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfordert.

Die Finanzverwaltung dagegen stand auf dem Standpunkt, dass die Prüfung der Voraussetzungen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs entspr. R E 13b.13 Abs. 2 Satz 5 ErbStR 2011 betriebsbezogen vorzunehmen sei. Eine Berücksichtigung der Verhältnisse bei anderen Unternehmen im Familienverbund sei deshalb nicht relevant. Da die KG weder eine umfangreiche Organisationsstruktur zur Durchführung ihrer Geschäfte (keine Arbeitnehmer) noch mehr als 300 Wohnungen verwaltete, lag auch indiziell kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vor (R E 13b.13 Abs. 3 ErbStR 2011).

Das FG folgte der Auffassung des FA und lehnte den AdV-Antrag ab: Für das Vorliegen begünstigten Produktivvermögens reicht es nicht allein aus, dass sich Grundstücke im Betriebsvermögen einer Personengesellschaft befinden. Vielmehr muss der Rahmen der Vermögensverwaltung i.S.d. § 14 Satz 3 AO überschritten sein, damit die Gesellschaft originär gewerbliche Einkünfte nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erzielt. Welche Tätigkeiten dafür insbesondere in Betracht kommen, ist dem 2. Leitsatz der Entscheidung zu entnehmen (vgl. auch T/K, AO/FGO, § 14 AO, Tz. 15 i.V.m. § 64 AO, Tz. 7):

„2. Gewerblich ist die Vermietung etwa bei Übernahme der Reinigung der vermieteten Wohnungen, bei Bewachung des Gebäudes oder falls wegen eines besonders schnellen Wechsels der Mieter oder Benutzer der Räume einer Unternehmensorganisation erforderlich ist. Sonderleistungen liegen etwa vor, wenn die Räume in der mit dem Mieter vereinbarten Weise ausgestattet werden. Bettwäsche überlassen und monatlich gewechselt wird, ein Aufenthaltsraum mit TV und Krankenzimmer bereitgehalten werden sowie ein Hausmeister bestellt wird.“

Die von den Antragstellern beschriebenen Tätigkeiten der KG gingen nach Auffassung des Gerichts nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nicht über die Aktivitäten einer privaten Vermögensverwaltung hinaus. Eine Einbeziehung weiterer Gesellschaften aus dem Firmenverbund in die Gesamtbetrachtung kommt nach Auffassung des Gerichts nicht in Betracht.

Bemerkenswert ist, dass sich das Gericht an die Regelung in R E 13b.13 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2011 (E 13b.17 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2019), nach der das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes regelmäßig anzunehmen ist, wenn das Unternehmen mehr als 300 eigene Wohnungen hält, nicht gebunden fühlt. Es betont ausdrücklich, dass auch bei einer Verwaltung von 700 Wohnungen eine reine Vermögensverwaltung vorliegen kann, wenn die Gesellschaft in der Sache keine originäre gewerbliche Tätigkeit ausübt. Auf die Größe des verwalteten Vermögens und den von der Größe des Vermögens abhängigen Umfang der Verwaltungstätigkeit kommt es nicht an. Deshalb kann der Umfang der Verwaltungstätigkeit die Vermögensverwaltung auch nicht in einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb umschlagen lassen (vgl. auch T/K, AO/FGO, § 14 AO, Tz. 14).

Damit wird der Steuerpflichtige zur Begründung begünstigten Produktivvermögens unabhängig von der Anzahl der verwalteten Objekte stets Zusatzleistungen gegenüber den Mietern erbringen müssen, wie etwa in einem Hotel, der Überlassung von Ferienwohnungen oder einer Seniorenresidenz üblich. Zum Nachweis gegenüber der Finanzverwaltung i.R.d. Gesamtbetrachtung sollten die einzelnen Sonderleistungen gegenüber dem Mieter im Mietvertrag oder in der Rechnung gesondert ausgewiesen werden.

FG Münster v. 29.4.2020 – 3 V 605/20 F

Coronakrise und Lohnsummenkontrolle

Ein Mandant macht im Rahmen der Übertragung eines Betriebes mit mehr als 15 Arbeitnehmern die Vollverschonung geltend. Er muss also sieben Jahre lang 100 % der Lohnsumme einhalten. Nun musste er auf Grund von Corona Kurzarbeit anmelden und macht sich Sorgen, dass er die 100 %-Grenze reißt. Die Erbschaftsteuerrichtlinien sind in Sachen Kurzarbeitergeld (KuG) sehr eindeutig (A 13a.5 Satz 4 ErbStR). Lohnaufwand ist der in der GuV ausgewiesene Aufwand für Löhne und Gehälter. Er wird zwar nicht um das durch die Arbeitsagentur ausgezahlte KuG gekürzt. Allerdings wird auch nicht auf das Bruttoarbeitsentgelt (das mit dem Arbeitgeber vereinbarte Gehalt), auf das für KuG maßgebliche fiktive (und vom Arbeitgeber zu verbeitragende) Arbeitsentgelt abgestellt.

Die Auswirkungen sollen anhand des folgenden Beispiels dargestellt werden: Ein Arbeitnehmer ohne Kinder (Lohnsteuerklasse 1 und Leistungssatz 2 = 60 %) verursacht bei einem Bruttoarbeitsentgelt von 3.250 EUR und einer Arbeitszeitreduzierung auf 0 Lohnkosten i.H.v. 1.264,76 EUR. Das ist eine Minderung um 1.985,24 EUR oder 61,08 %.

Das klingt zwar zunächst sehr dramatisch. Man muss aber berücksichtigen, dass die Corona-Krise hoffentlich nur 2-3 Monate anhält, so dass ihre Auswirkungen bei einer Lohnsummenfrist von 7 Jahren (84 Monate) kaum ins Gewicht fallen werden. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass bei einer angenommenen Lohnsteigerung von 2 % pro Jahr ein „Lohnpuffer“ von über 20 % (jeweils 2 % auf das im Vorjahr bereits erhöhte Gehalt) bezogen auf einen Zeitraum von 7 Jahren besteht.

Sollte die Coronakrise allerdings länger anhalten, wäre es wünschenswert, wenn sich die Verwaltung hinsichtlich der Lohnsumme kulant verhalten würde. Sehr viel Hoffnung kann man seinen Mandanten dabei aber wohl nicht machen, denn auch bei der Frage des Verstoßes gegen die Behaltensfristen berücksichtigt die Finanzverwaltung die Gründe für eine Betriebsaufgabe nicht (A 13a.11 Abs. 1 Satz 2 ErbStR) so dass auch eine Insolvenz auf Grund höherer Gewalt (z.B. wegen Corona) zu einer Nachversteuerung führen würde.

Persönlicher Freibetrag und Nacherbfolge

Die Kläger erwarben von der Vorerbin sowohl deren Eigenvermögen als auch Vermögen aus zwei Vorerbschaften. Streitig ist, ob den Klägern der persönliche Freibetrag mehrfach zusteht.

Die Großeltern hatten zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Der Sohn hatte fünf Kinder. Nachdem der Sohn verstorben war, schlossen die Eltern mit ihrer Tochter einen Erbvertrag, in dem sie ihre Tochter für den Fall, dass diese kinderlos bliebe, jeweils als Vorerbin und ihre fünf Enkel als Nacherben ein-setzten. Als die Tochter kinderlos verstarb, stellte der Testamentsvollstrecker ihrer fünf Neffen den Antrag nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG und machte für die Erben als Kinder eines vorverstorbenen Kindes den Freibetrag i.H.v. 400.000 € nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG geltend. Diesen Freibetrag beantragte er doppelt mit der Begründung, dass die Kläger Nacherben im Hinblick auf das Vorerbschaftsvermögen ihres Großvaters und ihrer Großmutter geworden seien und sie für jeden der beiden Nacherbfälle jeweils einen Antrag nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG hätten stellen können. Eine solche Konstellation sei in § 6 Abs. 2 ErbStG nicht geregelt, weshalb im Streitfall für jeden Nacherbfall die jeweiligen Freibeträge gesondert zu ermitteln und zu berücksichtigen seien.

Das FG hat die Klage abgewiesen. Es begründet seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass das Erbschaftsteuerrecht eine vom Zivilrecht abweichende Regelung trifft. Zivilrechtlich wird der Vorerbe kein Rechtsnachfolger des Erblassers. Tritt der Nacherbfall ein, so erbt der Nacherbe die Vorerbschaft vom Erblasser und nicht vom Vorerben (§ 2139 BGB).

Erbschaftsteuerlich sieht § 6 Abs. 1 ErbStG stattdessen vor, dass der Vorerbe Vollerbe des Erblassers wird und der Nacherbe nach § 6 Abs. 2 ErbStG einen einheitlichen Erwerb vom Vorerben erwirbt. Daraus folgt, dass dem Nacherben auch nur ein einziger Freibetrag zustehen kann. Das Gesetz gewährt dem Nach-erben nur ein Wahlrecht, welcher Freibetrag nach § 16 ErbStG zugrunde zu legen ist, derjenige im Verhältnis zum Vorerben oder jener im Verhältnis zum Erblasser.

Das Gericht hat die Revision zur Fortbildung des Rechts zugelassen. Das ist insofern erstaunlich, als die Frage ob ein oder mehrere Freibeträge zu gewähren sind, seit der Entscheidung des BFH v. 2.12.1998 – II R 43/97, BStBl. II 1999, 235 zugunsten der ersten Alternative entschieden wurde.

Meines Erachtens noch nicht entschieden und im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich, ist vielmehr folgende Frage: Welches Verhältnis ist i.R.d. Antrags nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG zugrunde zu legen, wenn der Vorerbe Erwerbe von mehreren Erblassern erhalten hat, die jeweils auf den Nacherben übergehen, für die aber im Verhältnis zum Nacherben unterschiedliche Steuerklassen gelten.

Beispiel: Vater V setzt seinen Bruder (B) als Vorerben und seinen Sohn (S) als Nacherben ein. Außerdem setzt die Lebensgefährtin des B (L) den B als Vorerben und S als Nacherben ein. Als B verstirbt erbt S von ihm Vermögen aus den Vorerbschaften seines Vaters (St.-Kl. I) und der Lebensgefährtin (St.-Kl. III) und eigenes Vermögen des Onkels (B) (St.-Kl. II). S stellt den Antrag nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG. Wird dann die Steuerklasse I (Verhältnis zum Vater) oder die Steuerklasse III (Verhältnis zur Lebensgefährtin des Onkels) zugrunde gelegt?

Das Gesetz spricht nur vom Verhältnis „des Nacherben zum Erblasser“ und geht offensichtlich davon aus, dass es nur einen Erblasser geben kann, der Vermögen auf den Vorerben überträgt. Anhaltspunkte dafür, dass das für den Nacherben günstigste Verhältnis zugrunde zu legen ist (im Beispielsfall also zum Vater) gibt das Gesetz meines Erachtens nicht her. Eine solche Lösung wäre auch missbrauchsanfällig, etwa wenn der Vater nur ein geringes Vermögen hätte, die Lebensgefährtin dagegen ein sehr hohes Vermögen und sich auf diese Weise der hohe Freibetrag im Verhältnis zum Vater auf den Erwerb des Vermögens von der Lebensgefährtin auswirkt.

Eine Aufteilung in unterschiedliche Erwerbe und quotale Berücksichtigung verschiedener Freibeträge kommt meines Erachtens vor dem Hintergrund eines einheitlichen Erwerbs vom Vorerben ebenfalls nicht in Betracht. An dieser Stelle zeigt sich die Schwäche der steuerlichen Zusammenfassung mehrerer Erwerbe zu einem Erwerb des Nacherben vom Vorerben und die Abweichung im Steuerrecht von der zivilrechtlichen Regelung.

FG München v. 20.11.2019 – 4 K 519/18 [Rev. II R 1/20], ErbStB 2020, 95

Zahlung aufgrund Güterrechtsvereinbarung als Schenkung

Das FG München hat entschieden, dass der Verzicht auf eine im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht entstandene, möglicherweise erst zukünftig entstehende Zugewinnausgleichsforderung keinen in Geld bewertbaren Vermögenswert darstellt, der Gegenstand einer die Freizügigkeit ausschließenden Gegenleistung sein kann.

Die Klägerin (Kl.) schloss im Mai 1998 mit ihrem zukünftigen Ehemann einen notariellen Ehevertrag, in dem sich beide auf den Güterstand der Gütertrennung einigten. Außerdem wurde vereinbart, dass die Kl. einen Zahlungsanspruch von 2 Mio. DM hätte, wenn die Ehe 15 Jahre besteht. Bei Scheidung der Ehe vor Ablauf von 15 Jahren sollte sich der Betrag von 2 Mio. DM um jeweils 133.333 DM jährlich reduzieren. Im Juni 1998 heirateten die Eheleute. Die Ehe wurde im Mai 2014, also nach 16 Jahren rechtskräftig geschieden. Im Juli 2014 wurde der Kl. ein Betrag i.H.v. 1.022.583 € (= 2 Mio. DM) gutgeschrieben.

Die Kl. zeigte den Erwerb an und machte in ihrer Steuererklärung die Befreiung für die Zugewinnausgleichsforderung nach § 5 Abs. 2 ErbStG geltend. Das FA besteuerte den Vorgang wie folgt:

Schenkung, § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG         1.022.583

Freibetrag, § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG             20.000

Steuerpflichtiger Erwerb                            1.002.583

Abgerundet, § 10 Abs. 1 Satz 6 ErbStG    1.002.500

Steuer (30 %)                                                   300.750

Das FG hat die Klage abgewiesen. Es folgte damit der Argumentation des FA, wonach mangels Eheschließung im Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages noch keine Zugewinnausgleichsforderung entstanden sein könne, auf die die Kl. habe verzichten können. Der Verzicht der Kl. auf die Chance, nach Eheschließung möglicherweise eine Zugewinnausgleichsforderung zu erlangen, hielt das Gericht für dermaßen vage und unbestimmt, dass es von einer nicht in Geld zu veranschlagenden Gegenleistung ausging, die nach § 7 Abs. 3 ErbStG nicht als Gegenleistung abziehbar ist und somit die Unentgeltlichkeit der Zahlung des geschiedenen Ehemannes nicht entfallen lässt.

Bei der Zahlung des Ex-Mannes handelt es sich um eine ehebedingte Zuwendung, die zivilrechtlich nicht als Schenkung angesehen wird. Das Steuerrecht folgt dieser zivilrechtlichen Betrachtung nicht, sondern stellt allein auf die objektive Unentgeltlichkeit ab. Diese war nach Auffassung des Gerichts gegeben, weil der Kl. bei Begründung der Leistungspflicht ihrem künftigen Ehemann ggü. noch kein gesetzlicher Leistungsanspruch zustand.

Dadurch dass die Zahlung nach der Ehescheidung geleistet wurde, war die Steuerklasse II anwendbar mit der Konsequenz des niedrigeren Freibetrags und des ungünstigeren Tarifs.

Die Kl. war bei Abschluss der Vereinbarung nicht oder schlecht beraten. Sinnvoller als eine Einmalzahlung bei Beendigung der Ehe wäre es gewesen, wenn die Ehefrau einen Lebensversicherungsvertrag über 2 Mio. DM auf ihren Namen und sich als Bezugsberechtigte abgeschlossen hätte. Wenn der Mann seiner Frau jährlich 68.172 € (= 133.333 DM) zur Begleichung der Versicherungsprämie geschenkt hätte, dann wäre die Steuer wie folgt zu ermitteln gewesen:

Schenkung, 15 x 68.172 €                                            1.022.583

Freibetrag, 2 x 500.000 € (da > 10 Jahre)              1.000.000

Steuerpflichtiger Erwerb                                                    22.583

Abgerundet, § 10 Abs. 1 Satz 6 ErbStG                           22.500

Steuer, Steuerklasse I (7 %)                                                  1.575

Eine etwaige Überschussbeteiligung aus der Lebensversicherung hätte die Kl. darüber hinaus auch noch steuerfrei vereinnahmen können.

FG München v. 2.5.2018 – 4 K 3181/16 (Rev. II R 40/19)

 

Betriebsvermögen und mittelbare Schenkung

Im Streitfall (BFH v. 8.5.2019 – II R 18/16) hatte der Kläger in 2006 einen Reiterhof ersteigert. Seine Mutter schenkte ihm zum Erwerb dieses Betriebs einen Geldbetrag von 205.000 €. Das FA setzte die Schenkungsteuer daraufhin auf 0 € fest, wobei es davon ausging, dass der Erwerb nach § 13a ErbStG begünstigt sei. Vier Jahre später schenkte die Mutter ihrem Sohn ein Grundstück. Für diesen Erwerb setzte das FA Schenkungsteuer fest und berücksichtigte die Vorschenkung aus 2006 in voller Höhe – also ohne die Privilegierung nach § 13a ErbStG – als steuerpflichtigen Erwerb.

Der BFH hat die Entscheidung der Vorinstanz (FG Hessen v. 22.03.2016 – 1 K 2014/14, EFG 2016, 1277; ErbStB 2016, 304 (Kirschstein) bestätigt und die Revision des Klägers zurückgewiesen.

Der BFH stellt zunächst die Wirkungsweise des § 14 ErbStG dar. Danach trifft die Vorschrift nur eine besondere Anordnung über die Berechnung der Steuer, die für den jeweils letzten Erwerb innerhalb des Zehn-Jahres-Zeitraums festzusetzen ist. Die einzelnen Erwerbe innerhalb des Zeitraums bleiben in ihrer Besteuerung selbständig. Lediglich zum Zwecke der Steuerberechnung werden dem letzten Erwerb die einzubeziehenden Vorerwerbe mit den materiell-rechtlich zutreffenden Werten hinzugerechnet. Deshalb können bzw. müssen wegen des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) Fehler in der Steuerberechnung eines Vorerwerbs i.R.d. Ermittlung der Steuer eines späteren Erwerbs korrigiert werden. Die tatsächlich gezahlte (höhere) Steuer kann erst i.R.d. § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG eine Rolle spielen. Der Vorerwerb war somit in die Berechnung der Steuer für den Nacherwerb in zutreffender Höhe, also ohne Berücksichtigung der Betriebsvermögensvergünstigung, einzubeziehen.

Hinsichtlich der Höhe der Einbeziehung lehnt der BFH eine Vergünstigung der Geldschenkung nach § 13a ErbStG als mittelbare Betriebsvermögensschenkung ab. Er führt ausdrücklich aus (Rz. 16 d. Gründe), dass die Zuwendung von Geld zum Erwerb eines Betriebs nicht begünstigt ist. Er stützt seine Auffassung insbesondere auf die Ausführungen des BVerfG zum Erbschaftsteuerbeschluss v. 22.6.1995 (BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BStBl. II 1995, 671, unter C. I. 2. b), bb)), wonach besondere steuerliche Begünstigungen einer ausdrücklichen Rechtfertigung benötigen. Die Steuervergünstigung von Betriebsvermögen hat ihre Rechtfertigung darin, dass ein Betrieb „weitergeführt“, „aufrechterhalten“ und „fortgeführt“ wird. Daraus folgt, dass Zweck der Begünstigungsvorschrift ist, einen bestehenden Betrieb des Erblassers oder Schenkers und dessen Arbeitsplätze zu erhalten und nicht allgemein die Gründung oder den Erwerb von Betrieben durch den Erwerber mit finanziellen Mitteln des Schenkers zu begünstigen.

Die Entscheidung liegt auf der Linie der Finanzverwaltung. Diese lehnt eine begünstigte mittelbare Schenkung zum Erwerb von Produktivvermögen eines Dritten ebenfalls ab (A 13b.2 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2011 bzw. RE 13b.2 Abs. 2 Satz 2 ErbStR-E 2019). Anders sieht es die Finanzverwaltung, wenn der Beschenkte einen Geldbetrag erhält, um sich am Produktivvermögen des Schenkers zu beteiligen (A 13b.2 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2011 bzw. RE 13b.2 Abs. 2 Satz 1 ErbStR-E 2019). Vor dem Hintergrund des Besprechungsurteils erscheint es fraglich, ob diese für den Steuerpflichtigen günstige Verwaltungsauffassung noch zu halten ist. In jedem Fall sollte in der Beratungspraxis die unmittelbare Übertragung von Produktivvermögen einer mittelbaren Schenkung auch zum Erwerb vom Schenker vorgezogen werden.

Das Urteil ist auch verfahrensrechtlich interessant. Der BFH verneint zu Recht eine Bindungswirkung i.S.d. § 171 Abs. 10 AO des für den Vorerwerb ergangenen Bescheids für den späteren Erwerb, denn die Bindung muss durch das Gesetz ausdrücklich angeordnet sein (vgl. i.E. Tipke/Kruse, § 171 AO Rz. 90 m.w.N.). Daran fehlt es i.R.d. Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe nach § 14 ErbStG.

BFH v. 8.5.2019 – II R 18/16, ErbStB 2019, 250

Wirksamkeit einer Poolvereinbarung

Der BFH hat in seiner Entscheidung v. 20.2.2019 zu den Voraussetzungen an die Form von Poolvereinbarungen Stellung genommen:

Der Kläger (Kl.) erbte von seinem Vater ein Einzelunternehmen mit einem steuerlichen Wert von etwa 1,8 Mio. €. Wesentliches Vermögen dieses Unternehmens war eine 12 %ige Beteiligung an der Y-GmbH mit einem steuerlichen Wert von etwa 1,65 Mio. €, also rd. 91 % des gesamten Werts des Betriebsvermögens des Einzelunternehmens. An der Y-GmbH waren neben dem Vater (12 %) auch der Kl. mit 74 % und die Z-KG mit 14 % beteiligt, an der der Kl. wiederum zu 100 % beteiligt war.

Der Gesellschaftsvertrag der Y-GmbH sah vor, dass die Abtretung von Geschäftssanteilen vorbehaltlich der Einwilligung aller Gesellschafter zur Abtretung an einen oder mehrere Dritte nur an Gesellschafter und deren Abkömmlinge zulässig war. Außerdem hatte der Erblasser lt. Gesellschaftsvertrag ein höchstpersönliches und nicht auf die Erben übergehendes Stimmrecht in zehnfacher Höhe.

Das FA und das FG (FG Münster v. 9.6.2016 – 3 K 3171/14 Erb, EFG 2016, 1530 = ErbStB 2016, 331 [Halaczinsky]) beurteilten die 12 %ige Beteiligung an der Y-GmbH als Verwaltungsvermögen. Dadurch wurde die Betriebsvermögensvergünstigung nach § 13a ErbStG für das Einzelunternehmen versagt, weil dessen Verwaltungsvermögenquote somit mehr als 50 % betrug.

Dagegen ging der Kl. vor den BFH und trug vor, dass eine wirksame Poolvereinbarung vorgelegen habe, die zu einer Zusammenrechnung der Anteile und somit zu einem Übersteigen der Beteiligungsquote auf mehr als 25 % führte. Dadurch wäre die GmbH-Beteiligung keine Verwaltungsvermögen und der Erwerb des Einzelunternehmens nach § 13a ErbStG begünstigt.

Der BFH hat der Revision stattgegeben und an das FG zurückverwiesen.

Der BFH stellt zunächst klar, dass dem Gesetzgeber bei Abfassung des hier einschlägigen § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 ErbStG 2009 ein redaktioneller Fehler unterlaufen ist, indem das letzte Wort dieser Vorschrift „ausüben“ statt „auszuüben“ lautet. Diesen Fehler macht er zum einen daran fest, dass in § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG 2009, in dem ebenfalls auf die Poolvereinbarung abgestellt wird, das letzte Wort auch „auszuüben“ heißt. Zum anderen daran, dass der Gesetzgeber den Wortlaut durch das Gesetz zur Anpassung des ErbStG an die Rspr. des BVerfG in § 13b Abs. 4 Nr. 2 Satz 2 ErbStG geändert und an die Vorschrift des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG mit dem einheitlichen Wortlaut „auszuüben“ angepasst hat.

Aus dem Wortlaut „auszuüben“ schließt der BFH, dass eine Poolvereinbarung nur dann wirksam ist, wenn zwischen den Gesellschaftern eine rechtliche Verpflichtung i.S. eines klagbaren Anspruchs (§ 194 Abs. 1 BGB) besteht. Dafür reicht ein faktischer Zwang, eine moralische Verpflichtung oder eine langjährige Übung nicht aus. Ebenfalls nicht ausreichend ist das zehnfache Stimmrecht des Erblassers, mit dem er sich in Gesellschaftsentscheidungen zwar stets durchsetzen konnte. Durch dieses Stimmrecht haben sich die weiteren Gesellschafter aber nicht konkludent zu einer einheitlichen Stimmrechtsausübung verpflichtet, sondern nur zugelassen, dass ihr eigenes Stimmrecht entwertet wurde.

Der BFH stellt klar, dass – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung in R E 13b.6 Abs. 6 EStR 2011 – für Poolvereinbarungen keine gesetzliche Form vorgeschrieben ist, so dass Stimmrechtsbindungsverträge auch formlos abgeschlossen werden können. Das folgt aus dem Grundsatz der Formfreiheit von Verträgen. Ob eine solche rechtlich bindende Verpflichtung zwischen den Parteien vorlag, hatte das FG nicht abschließend geklärt, sondern alleine auf den Gesellschaftsvertrag der Y-GmbH abgestellt, in dem eine derartige Vereinbarung nicht enthalten war. Im zweiten Rechtsgang muss nun das FG klären, ob es eine mündliche oder zumindest konkludente Poolvereinbarung zwischen dem Vater und dem Kl. gegeben hatte.

Erfreulich ist, dass der BFH auch mündliche und konkludente Poolvereinbarungen anerkennt. Allerdings stellt der BFH in seiner Entscheidung klar, dass die Beweislast für das Zustandekommen einer bindenden Verpflichtung bei demjenigen liegt, der sich darauf beruft, also beim Kl. Außerdem hat der BFH darauf hingewiesen, dass die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer Poolvereinbarung im Zeitpunkt der Steuerentstehung vorliegen müssen, im vorliegenden Fall also bei Tod des Erblassers.

Auch wenn der BFH mündliche oder sogar konkludente Stimmrechtsbindungsvereinbarungen zulässt, sollten Sie unbedingt rechtzeitig Beweisvorsorge treffen. Selbstverständlich könnten Sie den Nachweis der Vereinbarung auch durch Zeugen erbringen, was bei Erwerben unter Lebenden oder im Erbfall bei weiteren Mitgesellschaftern regelmäßig gelingen dürfte. Wenn allerdings – wie im Entscheidungsfall – einer der beiden Parteien verstorben ist, bleibt nur zu hoffen, dass sich der Abschluss der Vereinbarung etwa aus Gesellschafterprotokollen ergibt oder eine Dritte Person z.B. ein Fremdgeschäftsführer oder Berater bei Abschluss der Vereinbarung anwesend war und sich an diese noch erinnern kann bzw. eine Gesprächsnotiz angelegt hat.

BFH v. 20.2.2019 – II R 25/16, ErbStB 2019, 221