Keine Abzinsung einer aufschiebend bedingten Last

Der BFH hat der Revision der Kl. stattgegeben und entschieden, dass eine Abzinsung der aufschiebend bedingten Last für die Zeit zwischen dem Rechtsgeschäft und dem Bedingungseintritt nicht stattfindet.

Die Klägerin (Kl.) ist Alleinerbin nach ihrem im Januar 2016 verstorbenen Ehemann M. Dieser hatte am 23.12.2004 seinen Kommanditanteil an der A-KG seiner Tochter T geschenkt unter Vorbehalt des Nießbrauchs hieran. Nach seinem Tod hatte die Tochter an die im Dezember 1937 geborene Kl. (Mutter der T) zulasten des Kommanditanteils einen monatlichen Betrag i.H.v. 4.000 € zu zahlen. M übernahm die Schenkungsteuer. Das FA setzte deshalb die Schenkungsteuer ggü. M am 31.3.2010 fest. Hierbei wurde die der Kl. ggü. bestehende Rentenzahlungsverpflichtung der T gem. § 6 Abs. 2 BewG nicht angesetzt. Nach dem Tod des M beantragte die Kl., die Steuerfestsetzung vom 31.3.2010 zu ändern und die von der Beschenkten an sie zu entrichtende Rentenlast nunmehr steuermindernd bei der Steuerfestsetzung ggü. M zu berücksichtigen (Jahreswert 48.000 € x Vervielfältiger von 8,034 = 385.632 €).

Dem folgte das FA jedoch nur i.H.v. 213.100 €, da nach seiner Auffassung der auf den Todestag des Schenkers im Januar 2016 zu berechnende Kapitalwert (unstreitig 385.632 €) auf den Zeitpunkt der gemischten Schenkung (23.12.2004) abzuzinsen sei.

Die Klage blieb erfolglos, da nach Ansicht des FG der Wert der Rentenlast auf den Tag des Bedingungseintritts (Tod des M) zu ermitteln und nach § 12 Abs. 3 BewG abzuzinsen sei.

Wirkung einer aufschiebenden Bedingung: Bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs einer Schenkung werden gem. § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 6 Abs. 2 BewG Lasten, deren Entstehung vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt, zunächst nicht berücksichtigt. Tritt die Bedingung ein, ist nach § 6 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 BewG die Festsetzung der nicht laufend veranlagten Steuern, also auch der Schenkungsteuer, auf Antrag nach dem tatsächlichen Wert des Erwerbs zu berichtigen.

Der Begriff „Bedingung“ in § 6 Abs. 1 BewG ist zivilrechtlich zu verstehen und bedeutet, dass bei einer rechtsgeschäftlich vereinbarten aufschiebenden Bedingung die Wirkung dieses Rechtsgeschäfts von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis abhängt, das Rechtsgeschäft also gem. § 158 Abs. 1 BGB erst mit dem Eintritt der Bedingung wirksam wird. Solange die Bedingung nicht eingetreten ist, liegt die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts im Ungewissen bzw. schwebt.

Maßgebender Bewertungszeitpunkt bei aufschiebend bedingter Last: Die abzugsfähigen Verbindlichkeiten sind mit ihrem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert abzuziehen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG). Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BewG ist der Kapitalwert von lebenslänglichen Nutzungen und Leistungen mit dem Vielfachen des Jahreswerts anzusetzen. Die Vervielfältiger sind nach der Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes zu ermitteln (§ 14 Abs. 1 Satz 2 BewG). Maßgebender Zeitpunkt für die Berechnung des Kapitalwerts einer aufschiebend bedingten Belastung ist der Zeitpunkt des Bedingungseintritts. Zugrunde zu legen ist daher der bei Bedingungseintritt geltende Vervielfältiger gem. § 14 Abs. 1 BewG.

Keine Abzinsung während des Schwebezustands: Die bedingte Last ist nicht nach § 12 Abs. 3 BewG für den Zeitraum des Schwebezustands zwischen dem Rechtsgeschäft – hier der Schenkung des M im Jahre 2004 – und dem Bedingungseintritt – hier dem Tod des M im Jahre 2016 – abzuzinsen. Die Abzinsung erfolgt nach § 12 Abs. 3 Satz 1 BewG nur bei einer unverzinslichen Schuld mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr und wenn diese zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig wird. Die Schuld oder Forderung ist dann mit dem Betrag anzusetzen, der vom Nennwert nach Abzug von Zwischenzinsen (5,5 %) unter Berücksichtigung von Zinseszinsen verbleibt. Die Regelung des § 12 Abs. 3 BewG beruht darauf, dass bei identischem Nominalbetrag eine auf Jahre gestundete Forderung oder Schuld einen niedrigeren gegenwärtigen Wert hat als die sofort fällige Forderung. Durch die Abzinsung einer Schuld soll berücksichtigt werden, dass eine Verpflichtung nicht zeitnah, sondern erst in fernerer Zukunft zu erfüllen ist und damit der zu ihrer Erfüllung erforderliche Aufwand zeitversetzt anfällt. § 12 Abs. 3 BewG ermöglicht aber keine Abzinsung bei einer Schuld, die unter einer aufschiebenden Bedingung steht. Diese führt auch im Bewertungsrecht zu einem Schwebezustand der zukünftigen Forderung bzw. Schuld. §§ 4 ff. BewG bestimmen für den bedingten Erwerb entspr. der BGB-Regelung ausdrücklich, dass der Schwebezustand bewertungsrechtlich unberücksichtigt bleibt.

Eine Abzinsung nach § 12 Abs. 3 BewG scheitert schon daran, dass die Fälligkeit der Rentenverpflichtung nicht zu einem feststehenden Zeitpunkt eintritt, denn der Zeitpunkt des Todes des M, von dem die Fälligkeit abhängt, ist ungewiss. Außerdem fehlt es während des Schwebezustands an einer abzuzinsenden Forderung, denn die Forderung ist erstmals mit Eintritt der Bedingung zu berücksichtigen; sie ist gleichzeitig aber auch fällig und nicht mehr gestundet. Damit sind weder im Zeitpunkt der gemischten Schenkung (mangels bestimmten Fälligkeitszeitpunkts einer noch nicht existenten Verpflichtung) noch im Zeitpunkt des Bedingungseintritts (mangels mehr als einjähriger Laufzeit einer zinslos gestundeten Forderung) die Voraussetzungen einer Abzinsung nach § 12 Abs. 3 BewG erfüllt.

Das Urteil bestätigt die m.E. gem. § 6 Abs. 2 BewG eindeutige Rechtslage, wonach aufschiebend bedingte Lasten zunächst weder bei der Erbschaft- noch bei der Schenkungsteuer berücksichtigt werden. Erst wenn die vereinbarte Bedingung eintritt, ist bei aufschiebend bedingten Lasten die entspr. Steuerfestsetzung auf Antrag zu ändern.

Zu beachten ist, dass die Berücksichtigung aufschiebend bedingter Lasten nur auf Grund eines Änderungsantrags zu einer Änderung der Schenkung- oder Erbschaftsteuerfestsetzung zugunsten des Antragstellers führt.

Der BFH gibt ausdrücklich die Rechtslage des § 12 Abs. 3 BewG wieder, nach der im Falle der Abzinsung von einem Zinssatz von 5,5 % auszugehen ist. Dem steht nicht der Beschluss des BVerfG entgegen, wonach lediglich die 6%-Verzinsung von Steuerforderungen und –erstattungen verfassungswidrig ist. Die Zugrundelegung von 5,5 % in § 12 Abs. 3 BewG und Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen sind von dieser Entscheidung nicht betroffen.

BFH v. 15.7.2021 – II R 26/19, ErbStB 2022, 4

 

Schenkungsteuer bei der Errichtung einer Familienstiftung

Welches Verwandtschaftsverhältnis muss bei der Besteuerung einer schenkweisen Übertragung von Vermögen auf eine inländische Familienstiftung (§ 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG) zugrunde gelegt werden, wenn durch die Familienstiftung neben einer angemessene Versorgung der Stifter A und B und ihrem Kind, hier der Tochter, weiterer Abkömmlinge des Stammes von A & B, jedoch erst nach Wegfall der vorherigen Generation, angemessen finanziell unterstützt werden sollen? Wer ist hier „entferntest Berechtigter“ i.S.d. § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG?

Im Streitfall richten sich die Steuerklasse gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG und der anzurechnende Freibetrag nach der für Urenkel und deren Abkömmlinge geltenden Vorschrift des § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG (Freibetrag von 100.000 € für übrigen Personen der StKl. I). Denn dieser Personenkreis gehört zu den „entferntest Berechtigten“ gem. §15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG, weil sie nach der Satzung – auch nur theoretisch – in Zukunft aus der Generationenfolge Vorteile aus der Familienstiftung erlangen können.

Zur Begründung führt das Gericht u.a. aus: § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG soll nicht die weitestgehende Begünstigung der Familienstiftungen (StKl. I und pauschal einen Freibetrag von zurzeit 400.000 €) normieren, sondern auf die Satzung Rücksicht nehmen. Die Stiftung hätte es selbst in der Hand, den Kreis der Begünstigten und damit die steuerliche Begünstigung zu bestimmen. Es bestehe keine Verpflichtung bzw. kein Anspruch, den Kreis der Begünstigten danach zu bemessen, welche nach der Satzung vorgesehenen Begünstigten bei der Errichtung der Familienstiftung tatsächlich schon geboren sind. Es lehnt damit entspr. einschränkende Auffassungen im Schrifttum ab (z.B. Söffing, ErbStB 2020, 107; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, Stand: 4/2019, § 15 Rz. 106). Jülicher hat sich i. Erg. primär dafür ausgesprochen, erst mit der Geburt der nächsten Generation potentiell Begünstigter diese nachträglich in die Besteuerung der Errichtung einer Familienstiftung einzubeziehen und einen solchen Bescheid sodann nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO mit dem Bekanntwerden einer solchen Geburt wegen dieses späteren Ereignisses mit Rückwirkung zu ändern. Jedenfalls müsse aber dann, wenn entgegen der Erwartung der Stifter eine solche nachfolgende Generation bis zur Auflösung der Stiftung tatsächlich nicht geboren wird, der Steuerbescheid, der die Errichtung der Stiftung erfasste, aufgrund der gleichen Vorschrift der AO mit Rückwirkung geändert werden.

Bei Errichtung einer Familienstiftung ist genau zu überlegen, wer potentiell Begünstigter/Begünstigte sein soll. Berechtigte sind der oder die Personen, denen nach der Satzung (Stiftungsurkunde) Vermögensvorteile eingeräumt werden (vgl. R E 15.2. ErbStR 2019). Dabei kommt es stets auf das Verwandtschaftsverhältnis zu dem/den Stifter(n) an (gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG nach dem Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten zu dem Erblasser oder Schenker). Mit jeder weiteren begünstigten Generation wirkt die Begünstigung auf ein entfernteres Verwandtschaftsverhältnis zu den Stiftern. Im Ergebnis ist der entferntest Berechtigte die Person, die das ungünstigste persönliche Verhältnis i.S.d. § 15 Abs. 1 ErbStG zum Stifter verursacht (vgl. z.B. Stein in v. Oertzen/Loose, ErbStG, 2. Aufl. 2020, § 15 Rz. 68).

In schon verwirklichten/errichteten Familienstiftungen, bei denen lt. Satzung auch Urenkel und deren Abkömmlinge begünstigt worden sind, und in denen die Steuerklasse bzw. der Freibetrag umstritten sind, können laufende Einspruchs-/Klageverfahren in Hinblick darauf, dass Revision eingelegt worden ist (Rev. II R 25/21) weiterhin ruhen. Festsetzungen unter Auslegung des „entferntest Berechtigten“ i.S.d. dieses Urteils könnten in Hinblick auf die Revision angefochten werden.

Allerdings sind die Erfolgsaussichten eher ungünstig einzuschätzen. Die Finanzverwaltung (vgl. R E 15.2 Abs. 1 ErbStR 2019 und H E 15.2. ErbStH 2019) und auch das FG Münster v. 18.5.2017 – 3 K 3247/15 Erb, EFG 2017, 1208 = ErbStB 2017, 267 [E. Böing] aufgehoben aus verfahrensrechtlichen Gründen durch BFH v. 19.2.2020 – II R 32/17, BStBl. II 2021, 25 = ErbStB 2020, 341 [Rothenberger]) gehen – wie das FG Niedersachsen – davon aus, dass für Zwecke des Freibetrags bei Übergang von Vermögen auf eine Familienstiftung auch eine im Stiftungsgeschäft als Begünstigte erfasste, aber noch nicht lebende Enkelgeneration zu berücksichtigen sei. Anzumerken ist hier noch, dass § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG nur für Familienstiftungen gilt, die im Inland errichtet werden (vgl. FG Hessen v. 7.3.2019 – 10 K 541/17, EFG 2019, 930). Diese Grundsätze sollten jedenfalls bei anstehenden Satzungsgestaltungen beachtet werden. Hierzu ist auf die Urteilsgründe und einschlägiges Schrifttum zu verweisen.

Niedersächsisches FG v. 24.6.2021 – 3 K 5/21 (Rev. II R 25/21), s.a. ErbStB 2021, 300, mit Komm. Marfels

Korrespondenzprinzip zwischen Feststellungsverfahren und Schenkungsteuerbescheid – Berücksichtigung von Grundstücksbelastungen

Können bei Grundstückschenkungen übernommene Wohn-/Nutzungsrechte als Gegenleistungen schenkungsteuermindernd abgezogen werden (entspr. § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStG), wenn im Feststellungsbescheid über den Grundbesitzwert als Grundstückswert ein niedrigerer Verkehrswert gem. § 198 BewG angesetzt wird, bei dem Wohn-/Nutzungsrechte fehlerhaft wertmindernd berücksichtigt worden sind?

Im Streitfall wurde das betr. Grundstück i.R. einer gemischten Schenkung durch Vertrag v. 3.3.2015 übertragen. Die Schenkung galt zu diesem Tag als ausgeführt (näheres zum Zeitpunkt der Ausführung s. R E 9.1 ErbStR). Die Wohn-/Nutzungsrechte wurden aber erst aufgrund des Übertragungsvertrages am 3.3.2015 begründet und zu einem späteren Zeitpunkt im Grundbuch eingetragen. Der Beschenkte hatte somit kein dinglich vorbelastetes Grundstück erworben, sondern den insoweit unbelasteten Erwerbsgegenstand erst im Gegenzug für die Übertragung mit den vereinbarten Nutzungsrechten belastet. Der Gutachter hatte aber die Wohn-/Nutzungsrechte schon bei der Bewertung auf den 3.3.2015 wertmindernd berücksichtigt. Das Erbschaft-/Schenkungsteuer-FA war an die (fehlerhafte) Feststellung des niedrigeren Verkehrswerts gebunden (Grundlagenbescheid).

Haben sich bei der gutachterlichen Ermittlung des niedrigeren gemeinen Werts einer wirtschaftlichen Einheit des Grundbesitzes Nutzungsrechte als Grundstücksbelastungen bereits wertmindernd ausgewirkt (§ 198 BewG), ist deren Abzug im Verfahren über die Festsetzung der Schenkungsteuer nach § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG ausgeschlossen, so das FG. Im Fall des rechtsfehlerhaften Abzugs der Nutzungsrechte im Wertermittlungsverfahren (nach § 198 BewG) wird dieser Fehler somit nicht im Feststellungsverfahren korrigiert, sondern durch korrespondierende Sachbehandlung im Steuerfestsetzungsverfahren kompensiert.

Allgemein gilt: Soweit möglich sollten Steuerpflichtige/bzw. deren Berater, die auf Basis eines Sachverständigengutachten einen individuellen niedrigeren Verkehrswerts übernehmen, diesen schon vorab auf Unstimmigkeiten/Fehler prüfen (zu den Anforderungen grundlegend R B 198 ErbStR; H B 198 ErbStH).

Im Übrigen wird das Urteil im Ergebnis dem Abzugsverbot des § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG gerecht (dazu R E 10.10 Abs. 6 ErbStR). Die Frage ist aber, ob das Ergebnis nicht durch Korrektur des Feststellungsbescheides hätte herbeigeführt werden müssen (und wenn dieses verfahrensrechtlich nicht mehr möglich ist) gleichwohl die Wohn-/Nutzungsrechte abgezogen werden müssten). Ob dies so ist, wäre in einer Revision vom BFH zu entscheiden. Da das FG die Revision nicht zugelassen hatte, ist Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden (Az. des BFH: II B 44/21). Sollte ein vergleichbarer Fall vorliegen, könnte der Nichtabzug von Wohn-/Nutzungsrechte in Hinblick auf eine mögl. Revision vorerst angefochten/offengehalten werden.

Der Fall ist insgesamt für die Gestaltung von Grundstücksübertragungen gegen Wohn-/Nutzungsrechte und gegen Übernahme weiterer Verpflichtungen wie Darlehensübernahmen (abziehbar), aufgestauten Sanierungskosten (nicht abziehbar) und Bausachverständigenkosten (abziehbar) von Interesse (zu den Abzugsmöglichkeiten s.a. R E 7.4 ErbStR, H E 7.4 ErbStH). Außerdem ging es um den 10%igen Abschlag für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke (§ 13c jetzt § 13d ErbStG, R E 13d Abs. 9, 10 ErbStR). Der Kläger hatte die Hälfte eines Hauses geschenkt bekommen, in dem 4 Wohnungen vermietet waren. Anzumerken ist, dass die 10 %-Steuerbefreiung für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke nach § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG zur Folge hat, dass übernommenen Gegenleistungen im Regelfall „nur“ zu 90 % abzugsfähig sind (R E 10.10 Abs. 5 ErbStR).

Unabhängig vom Einzelfall kann grundsätzlich durch Beantragung des Ansatzes eines nachgewiesenen niedrigeren Verkehrswerts gem. § 198 BewG Erbschaft-/Schenkungsteuer gespart werden (sofern die Gutachterkosten die Ersparnis nicht „aufzehren“). Werden dabei Wohn-/Nutzungsrechte wertmindernd berücksichtigt (durch Abzug mit ihrem Kapitalwert), ist dies im Zweifel günstiger als der Abzug nach § 10 Abs. 1 Satz 1und 2 ErbStG. Denn der Abzug ist in dem Fall, in dem das Nutzungsrecht vorzeitig endet (insb. durch Tod des Berechtigten) gem. § 14 Abs. 2 BewG vom FA zwangsläufig nachträglich zu reduzieren (was nachträglich zu einer höheren Steuerbelastung führt/führen kann); vgl. z.B. FG Hamburg v. 27.5.2020 – 3 K 122/18, ZErb 2021, 153 = DStRE 2021, 154). Dieser Effekt kann nicht eintreten, wenn das Wohn-/Nutzungsrechts i.R.d. Wertermittlung nach § 198 BewG berücksichtig wird; der Feststellungsbescheid muss nicht nachträglich korrigiert werden.

FG München v. 16.6.2021 – 4 K 347/19 (NZB II B 44/21), ErbStB 2021, 322

Anwendung des Substanzwertverfahrens bei Ableitung des gemeinen Werts einer Kapitalgesellschaft aus Verkäufen

Die Beteiligten streiten darüber, ob der gemeine Wert eines Anteils an einer GmbH gem. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG aus Einziehungen von Geschäftsanteilen abgeleitet werden kann. Die Kläger (Kl.) sind die Erben ihrer am 23.11.2014 verstorbenen Mutter. Zum Nachlass der Erblasserin gehörte eine Beteiligung an der GmbH im Nennbetrag von 511.516 € (entspricht rd. 9,95 %).

In der ordentlichen Gesellschafterversammlung der GmbH am 7.2.2015 wurde ein Beschluss über die Einziehung von Teilgeschäftsanteilen gefasst. Danach wurde die Geschäftsführung bis auf Widerruf beauftragt, Einziehungen gegen Zahlung eines Einziehungsentgelts zu einem Einziehungskurs von 400 % zu veranlassen, sofern der GmbH Geschäftsanteile oder Teilgeschäftsanteile im Nominalwert von mindestens 52.000 € angeboten werden. Die eingezogenen Anteile sollten jeweils die verbleibenden Geschäftsanteile verhältniswahrend aufstocken. Anschließend boten zwei Gesellschafterinnen der GmbH in der gleichen Gesellschafterversammlung von ihren jeweiligen Beteiligungen im Umfang von 492.297 € je einen Teilgeschäftsanteil i.H.v. 52.000 € zur Einziehung an. Dieses Angebot wurde umgehend angenommen und umgesetzt.

Die Kl. erklärten den Wert des erworbenen Gesellschaftsanteils auf Basis der umgesetzten Einziehung im Wege der Ableitung aus Verkäufen i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BewG. Das FA setzte nach Durchführung einer Betriebsprüfung den deutlich höheren Substanzwert gem. § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG an, da eine Ableitung aus Verkäufen bei einer Einziehung von Anteilen nicht möglich sei. Mit ihrer Klage verfolgen die Kl. ihr Begehren weiter, den Wert des Anteils am Betriebsvermögen der GmbH aus den Einziehungen vom 7.2.2015 abzuleiten und wie erklärt festzustellen.

Das FG Münster hat die Klage als unbegründet angesehen. Eine freiwillige Einziehung von GmbH-Anteilen kann grundsätzlich einen Verkauf i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 2 ErbStG darstellen. Auch bei einer Ableitung des gemeinen Werts einer Kapitalgesellschaft aus Verkäufen ist jedoch der Substanzwert gem. § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG als Mindestwert zu beachten. Daher habe die Beklagte den gemeinen Wert des Anteils der Erblasserin an der GmbH zutreffend anhand des Substanzwerts der Gesellschaft nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG ermittelt.

Freiwillige Einziehung grundsätzlich als Verkauf anzusehen: Nach Auffassung des Senats sprechen durchaus Gründe dafür, zumindest für den Fall einer freiwilligen Einziehung eines (Teil-)Geschäftsanteils, einen verkaufsähnlichen Vorgang anzunehmen. Es liege grundsätzlich im freien Ermessen eines einziehungswilligen Gesellschafters, das bis auf Widerruf bestehende Angebot der Gesellschaft zu Einziehung zum Einziehungskurs von 400 % anzunehmen, sofern er dies für marktgerecht hält und er einen stets zulässigen Verkauf an Mitgesellschafter oder einen zustimmungsbedürftigen Verkauf an Dritte zu besseren Konditionen nicht erzielen kann oder er einen solchen für nicht erzielbar erachtet.

Die Beschlussfassung über die Einziehung knapp elf Wochen nach dem maßgeblichen Stichtag könnte zudem die Voraussetzung für die Anerkennung eines nach dem Stichtag liegenden Verkaufs nach der Rspr. des BFH, wonach bei vorheriger Einigung über den Kaufpreis der Vertragsabschluss „kurz“ nach dem Bewertungsstichtag erfolgt sein muss, worunter eine nach Wochen zu bemessende Zeitspanne zu verstehen ist (vgl. BFH v. 16.5.2003 – II B 50/02, BFH/NV 2003, 1150 m.w.N.), noch erfüllen.

Jedoch sei – auch wenn die Einziehungen maßgebliche Verkäufe unter fremden Dritten i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG darstellen würden – nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG der Substanzwert stets als Mindestwert anzusetzen. Der Substanzwert bildet bei der Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften die untere Grenze (BFH v. 27.9.2017 – II R 15/15, BFHE 260, 75 = ErbStB 2018, 107 [E. Böing]). Dies gilt nach Auffassung des Senats auch dann, wenn der Steuerpflichtige die Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen unter fremden Dritten geltend macht (entgegen R B 11.3 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011, entspr. für nach dem Stichtag liegende Zeiträume in R B 11.3 Abs. 2 Satz 3 und R B 11.5 Abs. 1 ErbStR 2019).

In der Literatur wird unter Verweis auf die Verwaltungsauffassung vertreten, dass sich der tatsächlich erzielte Kaufpreis nachweislich am Markt gebildet habe und daher den gemeinen Wert abbilde, sodass der Ansatz des Substanzwerts als Mindestwert ausgeschlossen sei (vgl. z.B. Mannek in Stenger/Loose, Bewertungsrecht, Stand: 154. EL 3/2021, § 11 BewG Rz. 188 ff. und Rz. 310; s. Viskorf in Viskorf/Schuck/Wälzholz, ErbStG/BewG, 5. Aufl. 2017, § 11 BewG Rz. 82).

Diese Ansicht wird teilweise damit begründet, dass es keine Fälle geben dürfe, in welchen der aus Verkäufen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr abgeleitete Preis unterhalb des Substanzwerts liege, wenn der Steuerpflichtige – wie es die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/7918, 38) postuliere – am Markt stets mindestens den Substanzwert erzielen könne (Kreutziger/Jacob in Kreutziger/Schaffner/Stephany, § 11 BewG Rz. 90).

Diese Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG ergibt sich nach Ansicht des FG Münster jedoch weder aus dem Wortlaut der Norm noch aus der Systematik des Gesetzes (vgl. auch Krumm in Leingärtner, Besteuerung der Landwirte, Kap. 94 Rz. 40; Wollny, DStR 2012, 766; offengelassen FG Düsseldorf v. 3.4.2019 – 4 K 2524/16 F, EFG 2019, 1163 = ErbStB 2019, 194 [Knittel]).

Auch mit der Gesetzesbegründung lässt sich nach Auffassung des FG Münster eine entspr. einschränkende Auslegung nach Ansicht des Senats nicht begründen. Der Gesetzgeber habe dort unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass „Untergrenze … stets der Substanzwert als Mindestwert [ist], den ein Steuerpflichtiger am Markt erzielen könnte“ (BT-Drucks. 16/7918, 38).

Der Auffassung des FG Münster ist entgegenzuhalten, dass die einschränkende Auffassung der Finanzverwaltung den Steuerpflichtigen vor den Typisierungsunschärfen des Substanzwertverfahrens schützen soll. Gegen den Substanzwert ist keine gesetzliche Möglichkeit eines Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts durch ein Gutachten eröffnet. Gleichzeitig stellt der unter fremden Dritten erzielte Kaufpreis den wahrscheinlichsten gemeinen Wert für einen Vermögensgegenstand dar. Insofern besteht bei Anwendung der Rechtsauffassung des FG Münsters das erhebliche Risiko, dass ein Anteil einer Überbewertung zugeführt wird. Allenfalls im Vergleich mit dem ebenfalls typisiert ermittelten Wert nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren oder einem im Schätzungswege ermittelten Gutachtenwert ist dieses Risiko m.E. vom Steuerpflichtigen hinzunehmen.

Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

FG Münster v. 15.4.2021 – 3 K 3724/19 F (Rev. II R 15/21), ErbStB 2021, 209

Bewertung eines gemischt genutzten Grundstücks im Ertrags- oder Sachwertverfahren

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das FA zu Recht das streitgegenständliche Grundstück für Zwecke der Schenkungsteuer nicht im Sachwert-, sondern im Ertragswertverfahren bewertet hat. Das gemischt-genutzte Grundstück mit mehreren Gebäuden (Wohnungen, Büros, Läden und Hotel) diente am Stichtag zu mehr als 50 % und zu nicht mehr als 80 % betrieblichen Zwecken.

Das FA ist der Ansicht, es habe das gemischt-genutzte Grundstück im Streitfall zu Recht im Ertragswertverfahren bewertet. Für alle Wohn- und Gewerbeflächen sei – wie von § 182 Abs. 3 Nr. 2 BewG gefordert – eine übliche Miete ermittelbar. Die tatsächlich erzielten Mieten für Wohnungen, Büros, Läden und das Hotel seien hier mit unterschiedlichen fremden Dritten vereinbart worden. Die tatsächlichen Wohnungsmieten (10,35 € bis 15,44 €) würden dem Mietspiegel in X-Stadt entsprechen und nicht um mehr als 20 % von der üblichen Miete abweichen.

Ableitung der üblichen Miete aus dem Objekt selbst: Die Mieten für Büros im Vordergebäude (11,85 € bis 12,99 €) und die Mieten für die Läden (14,25 € bis 16,19 €) würden dem Gewerbeimmobilienmarktbericht der Region entsprechen bzw. nicht mehr als 20 % von der üblichen Miete abweichen. Bezüglich der neun Büros und drei Läden auf dem Grundstück ergebe sich die ortsübliche Miete bereits aus dem Objekt selbst. Die Mieten seien mit verschiedenen Vertragspartnern ausgehandelt worden und wiesen ein einheitliches Bild auf, die Differenzierungen seien schlüssig aus der Lage im Vorder- bzw. Seitengebäude und dem Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages begründet.

20%-Klausel bei Mietansatz nicht geprüft?: Zur Begründung der Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass die Bewertung des Grundstücks im Sachwertverfahren vorzunehmen sei. Es läge kein gesicherter Mietspiegel vor und somit könnten die angesetzten tatsächlichen Mieten nicht auf ihre Üblichkeit geprüft werden. Im Streitfall habe das FA die Prüfberechnung der 20%-Abweichung in keinem Fall vorgenommen, sondern die tatsächlichen Mieten ohne weitere Prüfungsschritte als ortsüblich bezeichnet. Insbesondere seien keinerlei Nachweise hinsichtlich der abzuleitenden Büromieten oder gar der Hotelmiete erbracht worden.

Das FG München hat die zulässige Klage als unbegründet angesehen und daher abgewiesen. Auf welche Art und Weise die übliche Miete zur Prüfung der 20%-Grenze zu ermitteln ist, gebe der Gesetzgeber nicht vor. Letztlich handele es sich um eine Schätzung gem. § 162 AO, bei der alle Umstände, die für die Schätzung von Bedeutung sind, zu berücksichtigen seien. Weicht die tatsächlich vereinbarte Miete um mehr als 20 % nach oben von der üblichen Miete ab, liege es im eigenen Interesse des Steuerpflichtigen, die Abweichung nachzuweisen, ihn treffe also in diesem Fall die Nachweislast (vgl. Rössler/Troll, §§ 184–188 BewG Rz. 15a).

Ermittlung der üblichen Miete nicht erforderlich: Die übliche Miete lasse sich im Streitfall in Anbetracht der Vielzahl der vermieteten Gewerberäume in X-Stadt, ggf. unter Heranziehung eines Sachverständigen, ermitteln. Für die Anwendbarkeit des Ertragswertverfahrens fordere § 182 Abs. 3 Nr. 2 BewG lediglich, dass sich – wie im Streitfall – auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt. Nicht erforderlich ist nach Ansicht des Gerichts, dass eine übliche Miete bereits ermittelt wurde.

Weicht die tatsächliche Miete also um mehr als 20 % nach oben von der ortsüblichen Miete ab, so wirkt sich der Ansatz der ortsüblichen Miete zugunsten des Steuerpflichtigen aus. Für eine Prüfpflicht des FA, ob eine solche Abweichung vorliegt, ist nach Ansicht des Gerichts deshalb zumindest ein diesbezüglicher substantiierter Vortrag des Steuerpflichtigen erforderlich.

Die Ansicht des FG München ist m.E. abzulehnen. § 186 Abs. 2 Nr. 2 BewG fordert den Ansatz der üblichen Miete, wenn der Eigentümer dem Mieter Grundstücksteile zu einer um mehr als 20 % von der üblichen Miete abweichenden tatsächlichen Miete überlassen hat. Eine Nachweisregelung oder gar eine Antragspflicht enthält § 186 Abs. 2 BewG nicht. Die Prüf- und Ermittlungspflicht des FA ergibt sich somit bereits aus § 85 Satz 1 AO. Der allgemeine Grundsatz, dass der Steuerpflichtige steuermindernde Sachverhalte gelten machen muss, kann bei einer derartigen eindeutigen Anordnung der Ermittlung von Berechnungsfaktoren innerhalb eines gesetzlich geregelten Bewertungsverfahrens nicht gelten.

Die vom FG herangezogene Formulierung „für die sich eine übliche Miete ermitteln lässt“ in § 182 Abs. 3 Nr. 2 BewG zielt allein darauf ab, dass sich zur Anwendung des Ertragswertverfahrens die übliche Miete zur Durchführung der 20%-Prüfung ermitteln lassen muss. Ist dies nicht der Fall, ist die Bewertung des Grundstücks zur Verhinderung von Gestaltungsmissbrauch durch bewusst niedrig vereinbarte Mietansätze im Sachwertverfahren durchzuführen.

Pflicht zur Ermittlung der üblichen Miete: Ist eine übliche Miete ermittelbar und somit das Ertragswertverfahren anzuwenden, so muss sie für die Prüfung der 20%-Klausel i.R.d. Ermittlung des Rohertrags auch tatsächlich ermittelt werden (vgl. zur „Vorfrage“ der Ermittelbarkeit einer üblichen Miete Mannek in Stenger/Loose, BewG/ErbStG/GrStG, § 182 BewG Rz. 30, und zur Vermeidung von Gestaltungsmöglichkeiten beim Mietansatz durch die 20%-Klausel Mannek in Stenger/Loose, BewG/ErbStG/GrStG, § 182 BewG Rz. 57). Eine einseitige Verkürzung des Prüfbereichs des § 186 Abs. 2 Nr. 2 BewG auf Abweichungen der Miete nach unten ist abzulehnen.

Gegen die Entscheidung des FG München hat der Kläger Revision eingelegt.

FG München v. 7.12.2020 – 4 K 2988/17 (Rev. II R 41/20), ErbStB 2021, 102

Zeitliche Anwendbarkeit der WertV und der ImmoWertV

Die Kläger (Kl.) und die Finanzverwaltung streiten sich darüber, ob ein Gutachten auf den Bewertungsstichtag 1.6.2009 nach der bis zum 30.6.2009 gültigen WertV oder nach der ab dem 1.7.2009 gültigen ImmoWertV zu erstellen ist. Darüber hinaus ist strittig, welcher Bodenrichtwert für das zu bewertende Grundstück in Frage kommt. Im Streitfall sind grundsätzlich zwei Bodenrichtwerte für die Ableitung des Bodenwerts geeignet: ein Straßenwert von 5.500 €/m² und ein Platzwert von 500 €/m².

Während des Klageverfahrens vor dem FG reichte der Kl. zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts ein Gutachten vom 25.7.2017 eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen ein. Dieses Gutachten ermittelte einen Verkehrswert des Grundstücks zum 1.6.2009 i.H.v. 1.900.000 €. Der Gutachter führte in diesem Gutachten u.a. aus, es sei in Anlehnung an die §§ 192 bis 198 BauGB i.V.m. den Vorschriften der ImmoWertV erstellt worden.

Die Klage vor dem FG wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das FG führte im Wesentlichen aus, das im Klageverfahren eingereichte Gutachten sei nicht geeignet, einen niedrigeren gemeinen Wert des Grundstücks nachzuweisen. Die Erstellung des Gutachtens müsse sich an den Vorschriften des BauGB und der ImmoWertV orientieren. Im Streitfall sei die ImmoWertV, die am 1.7.2010 in Kraft getreten sei, und nicht die zuvor gültige WertV maßgebend. Für die Beurteilung, welche Vorschriften Anwendung fänden, komme es auf den Zeitpunkt der Gutachtenerstellung und nicht den Wertermittlungsstichtag an.

Das im Klageverfahren vorgelegte Gutachten aus dem Jahr 2017 verletze die Vorgaben der ImmoWertV. Es sei insb. bei der Ableitung des Bodenwerts aus dem Bodenrichtwert und i.R.d. Ertragswertermittlung des Gebäudes bei der Herleitung des Liegenschaftszinssatzes nicht plausibel. Die Lücken könnten nicht vollständig durch das Gericht geschlossen werden.

Der BFH hat die Revision für begründet erachtet. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass für die Wertermittlung des Grundstücks auf den Stichtag 1.6.2009 die Vorgaben der ImmoWertV zu beachten sind.

Die WertV war bis zum 30.6.2010 in Kraft und wurde am 1.7.2010 durch die ImmoWertV abgelöst (vgl. § 24 ImmoWertV). Deshalb seien für Bewertungsstichtage bis 30.6.2010 die Vorschriften der WertV und für Bewertungsstichtage ab 1.7.2010 die Vorschriften der ImmoWertV anwendbar (vgl. BFH v. 24.10.2017 – II R 40/15 – Rz. 14, BStBl. II 2019, 21 = ErbStB 2018, 45 [Marfels]). Die in der ImmoWertV klar geregelten Zeitpunkte des Außer-Kraft-Tretens der WertV und des In-Kraft-Tretens der ImmoWertV seien für die Beteiligten eindeutig und machten den zeitlichen Anwendungsbereich der jeweiligen Rechtsverordnung vorhersehbar und bestimmbar.

Der Zeitpunkt der Gutachtenerstellung ist für die zeitliche Anwendung der WertV und der ImmoWertV nicht von Bedeutung (a.A. Mannek in: Stenger/Loose, BewG, § 198 Rz. 60 f.). Würde man auf letzteren abstellen, könnten bei einer Gutachtenerstellung für Bewertungsstichtage bis 30.6.2010 entweder die WertV – solange das Gutachten bis zu diesem Datum erstellt wurde – oder alternativ die ImmoWertV – falls das Gutachten ab dem 1.7.2010 erstellt wurde – und somit unterschiedliche Regelungen zu beachten sein. Dies würde einer vorhersehbaren und rechtssicheren Wertermittlung widersprechen.

Die Sache ist nicht spruchreif. Für den zweiten Rechtsgang hat der BFH aus Gründen der Prozessökonomie darauf hingewiesen, dass Bodenrichtwerte geeignet sind, wenn sie für eine Bodenrichtwertzone ermittelt sind, in der das Grundstück liegt. Dann könne davon ausgegangen werden, dass das Grundstück nach seinen tatsächlichen Eigenschaften und rechtlichen Gegebenheiten, aufgrund gleicher Struktur und Lage im Zeitpunkt der Bodenrichtwertermittlung ein annähernd gleiches Preisniveau aufweist wie die Grundstücke, deren Lagewert für die Bestimmung des Bodenrichtwerts in dieser Zone herangezogen wurde. Im Streitfall seien grundsätzlich zwei Bodenrichtwerte für die Ableitung des Bodenwerts geeignet. In welchem Umfang das Anliegergrundstück jeweils dem Straßen- oder Platzwert zuzuordnen ist, sei i.R. einer Ein­zelbewertung (vgl. § 194 BauGB) zu entscheiden.

Die Entscheidung hat insb. Bedeutung für zukünftige Neufassungen der Vorschriften zur Verkehrswertermittlung. Derzeit ist die Neufassung der ImmoWertV in Vorbereitung (ImmoWertV 2021, vgl. ausführlich zum Stand des Verfahrens https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/novellierung-des-wertermittlungsrechts.html). Bei der Erstellung von Gutachten wird der Zeitpunkt der Gültigkeit der ImmoWertV 2021 zu beachten sein.

Fazit: Die Entscheidung gibt Rechtssicherheit für zukünftige Neuordnungen der Vorschriften zur Verkehrswertermittlung. Es ist m.E. empfehlenswert, den Gutachter bei der Beauftragung von Gutachten für Bewertungsstichtage nach Inkrafttreten der ImmoWertV 2021 auf die Entscheidung des BFH hinzuweisen.

BFH v. 16.9.2020 – II R 1/18, ErbStB, 2021, 67

Bedarfsbewertung: Wirtschaftliche Einheiten beim Erbbaugrundstück

Der BFH hat entschieden, dass – so wie bei jedem Wohnungs- und Teilerbbaurecht – der entspr. Anteil des Erbbaugrundstücks nach den Anschauungen des Verkehrs i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 3 BewG ebenfalls je eine wirtschaftliche Einheit für sich darstellt.

Zum Sachverhalt: Der Steuerpflichtige ist Begünstigter einer Schenkung. Er erhielt im Jahr 2014 von seinen Eltern deren Miteigentumsanteile an einem Grundstück (notarielle Beurkundung: 6.11.2014). Auf dem mit Wohn- und Geschäftshäusern sowie einer Tiefgarage bebauten Grundstück lastet seit 1973 ein Erbbaurecht, das noch bis 2071 besteht. Mit jedem Anteil am Erbbaurecht sind Wohnungserbbaurechte bzw. Teilerbbaurechte verbunden, die 1974 auf verschiedene Dritte übertragen worden sind. Streitig ist, ob für Zwecke der Schenkungsteuer jeweils der Wert der einzelnen Eigentumswohnungen festzustellen ist (so das FA) oder ob insg. nur zwei Feststellungsbescheide zu erlassen sind, und zwar einer für die Schenkung der Mutter und einer für die Schenkung des Vaters (so der Steuerpflichtige).

Das FG gab der Klage mit der Begründung statt, der Steuerpflichtige habe weder Erbbaurechte noch Eigentumswohnungen erworben, sondern Eigentum an einem mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstück. Erbbaugrundstück und Erbbaurecht seien zu unterscheiden.

Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Erwerbsgegenstand: Wird – wie im Besprechungsfall – Grundvermögen (§ 18 Nr. 2, § 176 Abs. 1 BewG) unentgeltlich zugewendet, so ist für die nach § 12 Abs. 3 ErbStG erforderliche Wertermittlung der Zuwendung der Erwerbsgegenstand zu bestimmen. Dies erfolgt nach erbschaft- und schenkungsteuerrechtlichen Grundsätzen in Anknüpfung an das Zivilrecht.

Bewertet werden die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens (§ 157 Abs. 3 Satz 1 BewG), und zwar jede wirtschaftliche Einheit für sich (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BewG). Der Miteigentumsanteil an einem Grundstück bildet grundsätzlich eine wirtschaftliche Einheit i.S.d. § 157 Abs. 3 Satz 1 BewG. Er kann aber auch in mehrere wirtschaftliche (Unter-)Einheiten zerfallen (BFH v. 18.8.2004 – II R 22/04, BStBl. II 205, 19 = ErbStB 2004, 367 [Kussmann]). Was als wirtschaftliche Einheit zu gelten hat, ist gem. § 2 Abs. 1 Satz 3 BewG nach den Anschauungen des Verkehrs zu entscheiden.

Ein Erbbauberechtigter kann sein Erbbaurecht aufteilen, indem er jedem der mitberechtigten Bruchteilsgemeinschafter das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung oder an nicht Wohnzwecken dienenden bestimmten Räumen in einem aufgrund des Erbbaurechts errichteten oder zu errichtenden Gebäude einräumt (Wohnungserbbaurecht, Teilerbbaurecht, § 30 WEG i.V.m. § 8 WEG). Bei erbbaubelasteten Grundstücken sind die Werte für die wirtschaftliche Einheit Erbbaurecht (§ 193 BewG) und für die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks (§ 194 BewG) gem. § 192 Satz 1 BewG gesondert zu ermitteln. Erbbaurecht und Erbbaugrundstück bilden danach stets selbständige wirtschaftliche Einheiten.

Jedoch spielt das Wohnungs- oder Teilerbbaurecht bei der Bewertung des Erbbaugrundstücks eine entscheidende Rolle: Ohne Berücksichtigung des Erbbaurechts kann keine Bewertung des Erbbaugrundstücks erfolgen, weil für die Bewertung nach der finanzmathematischen Methode sowohl der Erbbauzins als auch insb. die Restlaufzeit des Erbbaurechts benötigt wird (§ 194 Abs. 2 bis 4 BewG). Ist das auf einem Erbbaugrundstück lastende Erbbaurecht in mehrere Wohnungs- oder Teilerbbaurechte aufgeteilt worden, können zwar die Erbbauzinsen addiert werden. Bei unterschiedlichen Restlaufzeiten, wie sie ohne weiteres möglich sind, versagen indes die gesetzlichen Bewertungsregeln. Der Gesetzgeber geht in § 194 BewG vielmehr davon aus, dass ein Erbbaugrundstück und ein Erbbaurecht einander gegenüberstehen. Das gilt auch dann, wenn im Einzelfall mehrere, viele oder alle Erbbaurechte dieselbe Restlaufzeit aufweisen. In diesen Fällen werden deshalb die einzelnen Einheiten „mit Wohnungs- oder Teilerbbaurecht belasteter Anteil an einem Erbbaugrundstück“ bewertet, auf die sich der Miteigentumsanteil bezieht.

Verfahrensrecht: Das Feststellungs-FA hat so viele Feststellungsbescheide zu erlassen, wie wirtschaftliche Einheiten „mit Wohnungs- oder Teilerbbaurecht belasteter Anteil an einem Erbbaugrundstück“ vorhanden sind. Dem steht nicht entgegen, dass der Bedachte zivil- und schenkungsteuerrechtlich einen Miteigentumsanteil an einem Erbbaugrundstück erwirbt. Ebenso wenig ist entscheidungserheblich, ob der den einzelnen Wohnungs- und Teilerbbaurechten entspr. Anteil an dem Erbbaugrundstück einzeln veräußerbar ist oder das Erbbaugrundstück nur als Ganzes veräußert werden kann.

Liegenschaftszinssätze: Gemäß § 193 Abs. 3 Satz 2 BewG wird der Abzinsungsfaktor für den Bodenwert in Abhängigkeit vom Zinssatz nach § 193 Abs. 4 BewG und der Restlaufzeit des jeweiligen Wohnungs- bzw. Teil-Erbbaurechts ermittelt. Der angemessene Verzinsungsbetrag des Bodenwerts des unbelasteten Grundstücks ergibt sich durch Anwendung des Liegenschaftszinssatzes, der von den Gutachterausschüssen i.S.d. §§ 192 ff. BauGB ermittelt wurde, auf den Bodenwert nach § 179 BewG (§ 193 Abs. 4 Satz 1 BewG). Haben die Gutachterausschüsse keine geeigneten Liegenschaftszinssätze ermittelt bzw. mitgeteilt, gelten die in § 193 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 oder 2 BewG vorgegebenen Zinssätze.

Im Besprechungsfall hat das FA den Grundstücksmarktbericht 2014 des örtlichen Gutachterausschusses herangezogen. Die dort veröffentlichen Liegenschaftszinssätze sind jedoch für das Jahr 2013 ermittelt worden. Das FG wird im zweiten Rechtsgang feststellen, ob für den Bewertungsstichtag (6.11.2014) durch den örtlichen Gutachterausschuss ermittelte, geeignete Liegenschaftszinssätze vorliegen.

Die Besprechungsentscheidung ist eindeutig. Der Grundbesitzwert von Erbbaugrundstücken ist in so vielen wirtschaftlichen Einheiten festzustellen, wie Wohnungs- oder Teilerbbaurechte bestellt sind.

Prüfen Sie regelmäßig, ob die vom Feststellungs-FA angewendeten Liegenschaftszinssätze den Bewertungsstichtag erfassen. Auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Gutachterausschuss oder den Zeitpunkt der Veröffentlichung der für einen bestimmten Zeitraum ermittelten Zinssätze kommt es nicht an.

BFH v. 26.8.2020 – II R 43/18, ErbStB 2021, 34

Optionsverschonung bei Übertragung mehrerer begünstigter Einheiten

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Verwaltungsvermögensquote nach § 13b Abs. 2 ErbStG a.F. und die sog. Optionsverschonung nach § 13a Abs. 8 a.F. ErbStG bei einer einheitlichen Schenkung jeweils isoliert für jede wirtschaftliche Einheit oder einheitlich für alle wirtschaftlichen Einheiten zu ermitteln bzw. anzuwenden sind.

Dem Urteil lag vereinfacht folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin (Kl.) erhielt von Ihrer Mutter zum 31.12.2010 vier Kommanditbeteiligungen i.H.v. je 0,5 % der gesamten Kommanditeinlage übertragen. Die maßgeblichen Werte für die Besteuerung wurden wie folgt festgestellt:

Beteili-gung Wert des Anteils am Betriebsvermögen Gemeiner Wert Verwaltungsver-mögen insg. davon 0,5 % Verwaltungsver-mögensquote
KG 1 3.000.000 15.000.000 75.000 2,50 %
KG 2 750.000 20.000.000 1.000.000 13,33 %
KG 3 5.000.000 6.000.000 30.000 0,60 %
KG 4 35.000 280.000 1.400 4,00 %
Konsolidierte Verwaltungsvermögensquote 7,48 %

Die Kl. machte für alle vier Beteiligungen die Optionsverschonung geltend und trug vor, dass die Verwaltungsvermögensquote für die Beteiligung 2 zwar mit 13,33 % über 10 % läge, die Quote aber konsolidiert mit 7,48 % insgesamt für alle vier Beteiligungen weniger als 10 % beträgt. Hilfsweise begehrte sie die Anwendung der Regelverschonung für die Beteiligung 2.

Der Beklagte gewährte die Optionsverschonung nur für die Beteiligungen 1, 3 und 4 und besteuerte die Beteiligung 2 in voller Höhe, also ohne Abschlag von 85 %.

Das FG hat die Klage abgewiesen. Die Kl. hatte die Auffassung vertreten, dass wenn der Antrag auf Optionsverschonung nach Auffassung der Finanzverwaltung nur einheitlich für alle wirtschaftlichen Einheiten gestellt werden könne (R E 13a.13 ErbStR 2011), konsequenterweise auch die Verwaltungsvermögensquote für alle erworbenen KG-Anteile einheitlich zu ermitteln sei.

Außerdem hatte die Kl. vorgetragen, dass es von der Finanzverwaltung inkonsequent sei, bei Übertragung wirtschaftlicher Einheiten mit bis zu 10 % und mit mehr als 10 % Verwaltungsvermögen für letztere nicht einmal die Regelverschonung zu gewähren (R E 13a.13 Abs. 3 Satz 2 ErbStR), während für den Fall, dass das Verwaltungsvermögen aller übertragenen wirtschaftlichen Einheiten mehr als 10 % beträgt oder sich das nachträgliche Überschreiten der Verwaltungsvermögensgrenze für alle wirtschaftlichen Einheiten herausstellt, insgesamt die Regelverschonung zu gewähren sei (R E 13a.13 Abs. 3 Sätze 3 und 4 ErbStR).

Das FG stützt seine Entscheidung auf den Wortlaut des § 13b Abs. 2 Satz 4 ErbStG a.F., in dem geregelt ist, wie sich die Verwaltungsvermögensquote „des Betriebs“ ermittelt. Wegen der Formulierung „des“ Betriebes und nicht „der“ Betriebe sei die Quote isoliert für jeden Betrieb gesondert zu ermitteln. Diese Auffassung hatte das Gericht bereits in seiner Entscheidung vom 9.12.2013 (FG Münster v. 9.12.2013 – 3 K 3969/11 Erb, EFG 2014, 660 = ErbStB 2014, 91 [Kirschstein]) vertreten.

Trotz der im Schrifttum geäußerten Kritik an dieser Entscheidung hält das Gericht an seiner Auffassung fest. Es begründet seine Auffassung wiederum mit dem Wortlaut des § 13a Abs. 8 a.F., wonach „die“ und nicht etwa „eine“ Steuerbefreiung nach den Absätzen 1 bis 7 mit geänderten Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen gewährt wird. Daraus ergibt sich auch, dass ein „Rückfall“ auf die 85 % Regelverschonung vom Gesetzgeber nicht vorgesehen ist.

Das Gericht begründet seine Auffassung auch damit, dass der Antrag auf Optionsverschonung nur unwiderruflich erklärt werden kann. Wäre ein „Rückfall“ auf die Regelverschonung möglich, sofern die Voraussetzungen für die Optionsverschonung von Beginn an oder während der genannten Fristen nicht erfüllt würden, würde die Unwiderruflichkeit der Erklärung ins Leere laufen. Dieses von Teilen der Literatur als „Optionsfalle“ beschriebene Risiko ist aber nach Auffassung des Gerichts vor dem Hintergrund, dass bereits die Regelverschonung eine mit 85 % weitgehende Steuerbefreiung vorsieht und die Vollverschonung als Ausnahmevorschrift grundsätzlich nur unter engen Voraussetzungen möglich sein soll, hinzunehmen.

Ob diese „Optionsfalle“ entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung auch dann gelten müsse, wenn die 10 %-Grenze bei allen Einheiten überschritten ist, hatte das Gericht nicht zu entscheiden.

Fazit:

Der Antrag auf Optionsverschonung nach § 13a Abs. 8 ErbStG in der am 31.12.2010 geltenden Fassung (ErbStG a.F.) kann bei Übertragung mehrerer begünstigter Einheiten nur einheitlich ausgeübt werden. Wird sowohl Produktivvermögen mit bis zu 10 % Verwaltungsvermögen als auch solches mit mehr als 10 % und bis zu 50 % Verwaltungsvermögen übertragen und wird von der Anwendung der Vollverschonung Gebrauch gemacht, so kommt für letztere Einheiten weder die Vollverschonung noch die Regelverschonung in Betracht.

Das Gericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Zwar betrifft der Fall auslaufendes Recht. Aufgrund der teilweise langfristigen Bewertungs- und Einspruchsverfahren ist es allerdings nicht ausgeschlossen, dass die §§ 13a und 13b ErbStG a.F. weiterhin auf eine Vielzahl von Fällen Anwendung findet. Außerdem hält die Finanzverwaltung auch nach Inkrafttreten des neuen Erbschaftsteuerrechts ab dem 1.7.2016 an ihrer Auffassung zur Geltung der „Optionsfalle“ fest, vgl. R E 13a.21 Abs. 4 Satz 2 ErbStR.

FG Münster v. 10.9.2020 – 3 K 2317/19 Erb (Rev. II R 25/20), ErbStB 2020, 345

 

Vorbehalt eines nachrangigen Nießbrauchs

Der BFH hat entschieden, dass § 6 Abs. 1 BewG nicht für einen am Stichtag entstandenen, aber nachrangigen Nießbrauch gilt und bei der Schenkungsteuerfestsetzung der vorrangige und der nachrangige lebenslange Nießbrauch (als einheitliche Last) nur einmal mit dem höheren Vervielfältiger gem. § 14 BewG zu berücksichtigen sind.

Im Fall hatte die Klägerin (Kl.) von ihrer Mutter (M) einen GbR-Anteil unter Nießbrauchsvorbehalt geschenkt bekommen. In 2010 verschenkte sie diesen Anteil an ihre Töchter S (Az. d. BFH II R 11/19) und T (Az. d. BFH II R 12/19) – die Enkelinnen der M – wiederum unter Nießbrauchsvorbehalt, wobei der Nießbrauch der M vorrangig vor dem der Kl. fortbestehen sollte. Während das FA nur den Nießbrauch der M i.R.d. § 25 ErbStG a.F. berücksichtigte, begehrte die Kl. die Berücksichtigung des Kapitalwertes des nachrangigen Nießbrauchs.

Die Entscheidung des BFH soll anhand eines Zahlenbeispiels erläutert werden, wobei von folgenden Daten ausgegangen werden soll:

Steuerwert des GbR-Anteils 600.000 €
Jahreswert der Nutzung 10.000 €
Alter der M 80 Jahre
Alter der Kl. 55 Jahre

 

Das FA veranlagte danach wie folgt:

Bereicherung des Erwerbers 600.000 €
./. Freibetrag, § 16 ErbStG 400.000 €
Steuerpflichtiger Erwerb 200.000 €
Steuer 11 % 22.000 €

 

Ermittlung Stundungsbetrag gem. § 25 ErbStG:

Erwerb 600.000 €
./. Kapitalwert Nießbrauch M in 2010 (10.000 € x 7,125 [Vervielfältiger], BMF v. 1.10.2009, BStBl. I 2019, 1168) 71.250 €
Bereicherung des Erwerbers 528.750 €
./. Freibetrag, § 16 ErbStG 400.000 €
Steuerpflichtiger Erwerb 128.750 €
Abgerundet, § 10 Abs. 1 Satz 6 ErbStG 128.700 €
Steuer 11 % sofort fällig 14.157 €
Zu stundende Steuer gem. § 25 ErbStG a.F. 7.843 €

 

Das FA begründete die Berechnung damit, dass es sich beim Nießbrauch der Kl. um eine Last handele, deren Entstehung vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängig sei und deshalb nach § 6 Abs. 1 BewG nicht zu berücksichtigen sei.

Die Kl. begehrte dagegen den Abzug des ihr zustehenden Nießbrauchs und ermittelte den Stundungsbetrag wie folgt:

Erwerb 600.000 €
./. Kapitalwert Nießbrauch Kl. in 2010
(10.000 € x 14,759 [Vervielfältiger],
BMF v. 1.10.2009, BStBl. I 2019, 1168)
147.590 €
Bereicherung des Erwerbers 452.410 €
./. Freibetrag, § 16 ErbStG 400.000 €
Steuerpflichtiger Erwerb 52.410 €
Abgerundet, § 10 Abs. 1 Satz 6 ErbStG 52.400 €
Steuer 7 % sofort fällig 3.668 €
Zu stundende Steuer gem. § 25 ErbStG a.F. 18.332 €

 

Sie trug vor, dass der ihr eingeräumte Nießbrauch unbedingt, aber nachrangig zum Nießbrauch der M entstanden sei. Auch dieser nachrangige Nießbrauch unterliege dem Abzugsverbot und der Stundungsregelung des § 25 Abs. 1 ErbStG a.F.

Der BFH ist der Argumentation der Kl. gefolgt und hat der Revision gegen das Urteil des FG München (FG München v. 15.11.2017 – 4 K 204/15) stattgegeben. Es stützt sich dabei auf den Wortlaut des § 6 Abs. 1 BewG, der auf die rechtliche „Entstehung“ der Verpflichtung und nicht auf die Möglichkeit der Geltendmachung oder zwangsweise Durchsetzung durch den Berechtigten abstellt. Die Entstehung des nachrangigen Nießbrauchs wird durch die Existenz des vorrangigen älteren Nießbrauchs nicht verhindert.

Der BFH hat darüber hinaus entschieden, dass der vorrangige und der nachrangige Nießbrauch als einheitliche Last nur einmal, aber mit dem jeweils höheren Vervielfältiger abgezogen werden können, denn die Mehrheit von Nutzungsberechtigten führt nicht zu einer zusätzlichen Last, sondern allenfalls einer Verlängerung der Belastungsdauer.

Praxishinweise:

Nach Aufhebung des § 25 ErbStG mit Wirkung zum 1.1.2009 wird die Steuer, die auf den Nießbrauch entfällt, nicht mehr nur gestundet, sondern der Nießbrauch bei der Ermittlung der Bereicherung des Erwerbs mit dem Kapitalwert abgezogen. Nach aktueller Rechtslage wäre die Steuer also wie folgt zu ermitteln:

Erwerb 600.000 €
./. Kapitalwert Nießbrauch Kl. in 2010
(10.000 € x 14,759 [Vervielfältiger],
BMF v. 1.10.2009, BStBl. I 2019, 1168)
147.590 €
Bereicherung des Erwerbers 452.410 €
./. Freibetrag, § 16 ErbStG 400.000 €
Steuerpflichtiger Erwerb 52.410 €
Abgerundet, § 10 Abs. 1 Satz 6 ErbStG 52.400 €
Steuer 7 % 3.668 €

 

Der Fall wäre anders zu entscheiden gewesen, wenn ein sog. Sukzessivnießbrauch vereinbart worden wäre, der zweite Nießbrauch also erst beim Tod des ersten Nießbrauchers entstanden wäre. In diesem Fall wäre der zweite Nießbrauch noch nicht entstanden und demnach auch nicht abzugsfähig. Derartige Gestaltungen sind also zu vermeiden.

BFH v. 6.5.2020 – II R 11/19, BFH v. 6.5.2020 – II R 12/19, ErbStB 2020, 313

 

Begünstigtes Betriebsvermögen: Junges Verwaltungsvermögen bei Aktivtausch

Im Verfahren vor dem BFH war die Begünstigung der Kommanditbeteiligung an einer KG, zu deren Betriebsvermögen (BV) innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Erbfall festverzinsliche Wertpapiere gehörten, streitig. In diesem Zeitraum erfolgten Umschichtungen, indem Erlöse aus fälligen Geldanlagen erneut in solche Wertpapiere investiert und aus flüssigen Mitteln zusätzliche Erwerbe vorgenommen wurden. Das Betriebs-FA vermerkte im Feststellungsbescheid für den nach § 13b ErbStG begünstigten KG-Anteil nachrichtlich den anteiligen Wert am nicht begünstigten jungen Verwaltungsvermögens i.H.v. … €. Das FA erließ auf dieser Basis den ErbSt-Bescheid gegen die Klägerin (Kl.). Mit erfolgloser Klage hatte sie geltend gemacht, es sei lediglich ein Aktivtausch von Vermögen erfolgt.

Der BFH hat die Revision der Kl. als unbegründet zurückgewiesen: Die Begünstigung für BV ist um den Anteil für junges Verwaltungsvermögen zu kürzen.

Steuerbefreiung für begünstigtes BV: Nach § 13a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 ErbStG a.F., der trotz vom BVerfG festgestellter Unvereinbarkeit mit Art. 3 GG bis zur Neuregelung anwendbar ist, bleibt der Erwerb eines Anteils an einer KG als Gesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 des EStG zu 85 % außer Ansatz (Verschonungsabschlag). Gemäß § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG a.F. entfällt die Begünstigung, wenn das BV zu mehr als 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht.

Auch wenn das Verwaltungsvermögen nicht mehr als 50 % beträgt, das BV also grds. begünstigt ist, ist solches Verwaltungsvermögen, welches dem Betrieb im Besteuerungszeitpunkt weniger als zwei Jahre zuzurechnen war, als sog. „junges Verwaltungsvermögen“ gem. § 13b Abs. 2 Satz 3 ErbStG a.F von der Begünstigung ausgeschlossen. Ob junges Verwaltungsvermögen vorliegt, ist für jedes einzelne Wirtschaftsgut (WG) zu entscheiden. Es erfolgt keine Saldierung oder gattungsbezogene Betrachtung verschiedener WG. Auf die Herkunft des Vermögensgegenstandes oder der zu seiner Finanzierung verwendeten Mittel kommt es nicht an.

Die Verwaltung bezieht in R E 13b.27 Satz 2 ErbStR 2019 die Vorschrift auf das einzelne WG, so dass zum jungen Verwaltungsvermögen nicht nur innerhalb des Zwei-Jahres-Zeitraums eingelegtes Verwaltungsvermögen gehört, sondern auch solches, das innerhalb dieses Zeitraums aus betrieblichen Mitteln angeschafft oder hergestellt wurde, auch wenn dies durch Umschichtungen von einem bereits länger zum BV gehörenden WG in ein anderes WG geschieht. Im Schrifttum wird teilweise die Umschichtung wegen fehlender Missbrauchsgefahr für begünstigungsunschädlich erachtet.

Maßgebend ist das einzelne WG: Mit den Worten „solches Verwaltungsvermögen i.S.d. Satzes 2 Nr. 1 bis 5“ in § 13b Abs. 2 Satz 3 ErbStG a.F. ist jeder einzelne Vermögensgegenstand gemeint (vgl. § 240 Abs. 1 i.V.m. § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB). „Verwaltungsvermögen“ kann zwar einen Gattungsbegriff darstellen, steht aber in der Vorschrift nicht isoliert. Der Hinweis „solches“ und die in Bezug genommene Aufzählung in § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 5 ErbStG a.F. verdeutlichen, dass die einzelnen WG des jungen Verwaltungsvermögens gemeint sind. Außerdem kann sich die dort vorgesehene Zurechnung für jedes einzelne WG unterschiedlich darstellen, so dass sie denknotwendig auf das einzelne WG zu beziehen ist.

Keine Reduktion auf Missbrauchsfälle: Eine Reduzierung der Vorschrift durch teleologische Reduktion auf eine konkrete missbräuchliche Gestaltung im Einzelfall, z.B. bei Verknüpfung der Anschaffung oder Herstellung mit einer Privateinlage, ist nicht möglich. Da der Tatbestand der Norm kein Missbrauchselement enthält, ist im Streitfall nicht zu prüfen, ob ein Missbrauchsfall vorliegt oder nicht. Umschichtungen, auch innerhalb des Verwaltungsvermögens können betriebswirtschaftlich sinnvoll und angezeigt sein und trotzdem grundsätzlich zu jungem Verwaltungsvermögen führen.

Die Vorschrift ist nicht auf Fälle der Einlage von Verwaltungsvermögen aus dem Privatvermögen innerhalb der Zwei-Jahres-Frist beschränkt, da die „Einlage“ gerade nicht gesetzliches Tatbestandsmerkmal geworden ist wie z.B. § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 ErbStG a.F. zeigt. Zum anderen könnte der Zweck der Vorschrift, Missbräuche durch kurzfristige Einlagen aus dem Privatvermögen zu verhindern, so nicht erreicht werden. Eine derartige Eingrenzung wäre ohne weiteres durch Einlage eines nicht zum Verwaltungsvermögen gehörenden WG und Erwerb von Verwaltungsvermögen aus der so erlangten Liquidität zu umgehen. Im Streitjahr wäre dies sogar noch durch Einlage von Finanzmitteln möglich gewesen, denn Geldforderungen, die nicht Wertpapiere oder Wertpapieren vergleichbar sind, wie etwa Sparanlagen und Festgeldkonten sowie Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sowie Bargeld, rechneten seinerzeit noch nicht zum jungen Verwaltungsvermögen.

Hiernach hatte die KG in Gestalt der Zugänge im Wertpapierdepot innerhalb der Zwei-Jahres-Frist junges Verwaltungsvermögen erworben. Der Erwerb der Kl. ist insoweit nicht nach §§ 13a, 13b ErbStG a.F. steuerfrei.

Der BFH schließt sich bei der Frage des „jungen Verwaltungsvermögens“ der Auffassung der Verwaltung an, wonach es auf die Dauer der Zugehörigkeit jedes einzelnen WG zum BV ankommt. Werden also mehr als zwei Jahre zum BV gehörenden WG des Verwaltungsvermögens veräußert und der Erlös in gleichartige WG reinvestiert, sind die so angeschafften WG als junges Verwaltungsvermögen nicht begünstigt.

Beachten Sie: Kurz vor einer Schenkung oder einem erwarteten Erbfall erfolgte Umschichtungen von älterem Verwaltungsvermögen (an Dritte überlassene Grundstücke, Kapitalanlagen etc.) in anderes Verwaltungsvermögen mögen betriebswirtschaftlich sinnvoll sein. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass hierdurch die für älteres Verwaltungsvermögen geltende Begünstigung bei der Erbschaftsteuer entfällt, auch wenn der Anteil des Verwaltungsvermögens nicht mehr als 50 % beträgt.

BFH v. 22.1.2020 ‑ II R 8/18, ErbStB 2020, 282