Begünstigtes Betriebsvermögen bei Erfüllung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs

Im Streitfall begehrten die Antragsteller im AdV-Verfahren die Feststellung, dass es sich bei den vier im Betriebsvermögen einer gewerblich geprägten KG befindlichen Immobilien nicht um Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 ErbStG a.F. (Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke) handelt, sondern begünstigtes Produktivvermögen vorliegt, weil die Gesellschaft einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfordert (Satz 2 lit. d ErbStG a.F.).

Die Antragsteller erbten KG-Anteile einer gewerblich geprägten Personengesellschaft, welche Eigentümerin von vier Grundstücken mit etwa 40 Mietwohnungen war. Die KG verfügte über keine eigenen Arbeitnehmer. Sie gehörte zum Firmenverbund einer Familie, die insgesamt mehr als 700 Mietwohnungen in verschiedene Firmen innehatte und verwaltete, insbesondere über eine GbR. Diese GbR beschäftigte im Streitjahr etwa 50 Mitarbeiter, die u.a. auch die Immobilien der KG verwalteten. Die Antragsteller beschrieben i.E., welche Tätigkeiten die KG zur Verwaltung ihres Grundbesitzes erbrachte und vertraten die Auffassung, dass diese wegen des beschriebenen Umfangs einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfordert.

Die Finanzverwaltung dagegen stand auf dem Standpunkt, dass die Prüfung der Voraussetzungen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs entspr. R E 13b.13 Abs. 2 Satz 5 ErbStR 2011 betriebsbezogen vorzunehmen sei. Eine Berücksichtigung der Verhältnisse bei anderen Unternehmen im Familienverbund sei deshalb nicht relevant. Da die KG weder eine umfangreiche Organisationsstruktur zur Durchführung ihrer Geschäfte (keine Arbeitnehmer) noch mehr als 300 Wohnungen verwaltete, lag auch indiziell kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vor (R E 13b.13 Abs. 3 ErbStR 2011).

Das FG folgte der Auffassung des FA und lehnte den AdV-Antrag ab: Für das Vorliegen begünstigten Produktivvermögens reicht es nicht allein aus, dass sich Grundstücke im Betriebsvermögen einer Personengesellschaft befinden. Vielmehr muss der Rahmen der Vermögensverwaltung i.S.d. § 14 Satz 3 AO überschritten sein, damit die Gesellschaft originär gewerbliche Einkünfte nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erzielt. Welche Tätigkeiten dafür insbesondere in Betracht kommen, ist dem 2. Leitsatz der Entscheidung zu entnehmen (vgl. auch T/K, AO/FGO, § 14 AO, Tz. 15 i.V.m. § 64 AO, Tz. 7):

„2. Gewerblich ist die Vermietung etwa bei Übernahme der Reinigung der vermieteten Wohnungen, bei Bewachung des Gebäudes oder falls wegen eines besonders schnellen Wechsels der Mieter oder Benutzer der Räume einer Unternehmensorganisation erforderlich ist. Sonderleistungen liegen etwa vor, wenn die Räume in der mit dem Mieter vereinbarten Weise ausgestattet werden. Bettwäsche überlassen und monatlich gewechselt wird, ein Aufenthaltsraum mit TV und Krankenzimmer bereitgehalten werden sowie ein Hausmeister bestellt wird.“

Die von den Antragstellern beschriebenen Tätigkeiten der KG gingen nach Auffassung des Gerichts nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nicht über die Aktivitäten einer privaten Vermögensverwaltung hinaus. Eine Einbeziehung weiterer Gesellschaften aus dem Firmenverbund in die Gesamtbetrachtung kommt nach Auffassung des Gerichts nicht in Betracht.

Bemerkenswert ist, dass sich das Gericht an die Regelung in R E 13b.13 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2011 (E 13b.17 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2019), nach der das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes regelmäßig anzunehmen ist, wenn das Unternehmen mehr als 300 eigene Wohnungen hält, nicht gebunden fühlt. Es betont ausdrücklich, dass auch bei einer Verwaltung von 700 Wohnungen eine reine Vermögensverwaltung vorliegen kann, wenn die Gesellschaft in der Sache keine originäre gewerbliche Tätigkeit ausübt. Auf die Größe des verwalteten Vermögens und den von der Größe des Vermögens abhängigen Umfang der Verwaltungstätigkeit kommt es nicht an. Deshalb kann der Umfang der Verwaltungstätigkeit die Vermögensverwaltung auch nicht in einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb umschlagen lassen (vgl. auch T/K, AO/FGO, § 14 AO, Tz. 14).

Damit wird der Steuerpflichtige zur Begründung begünstigten Produktivvermögens unabhängig von der Anzahl der verwalteten Objekte stets Zusatzleistungen gegenüber den Mietern erbringen müssen, wie etwa in einem Hotel, der Überlassung von Ferienwohnungen oder einer Seniorenresidenz üblich. Zum Nachweis gegenüber der Finanzverwaltung i.R.d. Gesamtbetrachtung sollten die einzelnen Sonderleistungen gegenüber dem Mieter im Mietvertrag oder in der Rechnung gesondert ausgewiesen werden.

FG Münster v. 29.4.2020 – 3 V 605/20 F

Abziehbarkeit vergeblicher Rechtsverfolgungskosten als Nachlassverbindlichkeit

Streitig war in beiden Revisionsverfahren die Abzugsfähigkeit von Rechtsverfolgungskosten als Nachlassverbindlichkeit: Im Verfahren II R 29/16 hatte die Klägerin (als Rechtsnachfolgerin des Miterben B) vergeblich einen Prozess gegen ein Museum zur Herausgabe einer Porzellansammlung geführt, die der Erblasser dem Museum geschenkt hatte. Im Nachlass hatte sich außerdem ein Miteigentumsanteil an einem Mietwohngrundstück befunden, den die Miterben verkauft hatten. Die Käufer des Grundstücks leisteten an den bisherigen Mieter i.R. einer Räumungsklage eine Zahlung von 15.000 €. Die Erben erstatteten daraufhin vertragsgemäß den Käufern diesen Betrag zzgl. Rechtsanwaltskosten und eines pauschalen Schadensersatzes wegen verspäteter Räumung der Wohnung. Diese Aufwendungen machten sie anschließend i.R. eines Zivilprozesses vergeblich gegen den Mieter geltend. Die Klägerin begehrte daraufhin als Gesamtrechtsnachfolgerin des zwischenzeitlich verstorbenen Miterben B die Berücksichtigung von Prozesskosten als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG. Dabei machte sie rd. 112.000 € für den Prozess zur Herausgabe der Porzellansammlung und rd. 50.0000 € für den Rechtsstreit gegen den Mieter geltend. Zu den Kosten gehörten u.a. Honorare, die der Ehemann der Klägerin für anwaltliche Leistungen von dem zwischenzeitlich verstorbenen Miterben B für die Durchführung mehrerer Verfahren erhalten haben soll. Das FG wies die Klage ab (FG Baden-Württemberg v. 25.3.2015 – 11 K 448/01, ErbStB 2017, 199 [Halaczinsky]).

Im Verfahren II R 6/17 war der Kläger neben seinem Bruder Erbe der im Jahr 2012 verstorbenen Mutter. In den Jahren vor dem Tod hatte der Bruder, der das Vermögen der Mutter verwaltete, Beträge von rd. 345.400 € vom Konto der Erblasserin abgehoben sowie weitere Überweisungen und Abbuchungen i.H.v. rd. 94.000 € veranlasst. Der Kläger erhob nach dem Tod der Mutter Stufenklage gegen seinen Bruder auf Auskunft über die Verwendung der Mittel sowie Rückzahlung an die aus ihm und dem Bruder bestehende Erbengemeinschaft. Diese Klage wurde im Berufungsverfahren abgewiesen. Für den Rechtsstreit waren dem Kläger Prozesskosten i.H.v. rd. 15.000 € entstanden. Nach einem vergeblichen Einspruchsverfahren gab das FG der Klage statt und erkannte die Kosten als Nachlassverbindlichkeiten an (FG Düsseldorf v. 25.1.2017 – 4 K 509/16 Erb, ErbStB 2017, 176 [Günther]).

Der BFH hat die Revision des FA im Verfahren II R 6/17 aus formellen Gründen für begründet erachtet, da die Vorentscheidung dem FA nicht wirksam zugestellt worden war. Im Verfahren II R 29/16 hat der BFH die Revision der Klägerin ebenfalls für begründet erachtet. Beide Verfahren wurden zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die jeweiligen FG zurückverwiesen.

Nach Auffassung des BFH sind Kosten eines Zivilprozesses, in dem ein Erbe vermeintliche zum Nachlass gehörende Ansprüche des Erblassers geltend gemacht hat, als Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG abzugsfähig. Einem Abzug stehe auch § 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG nicht entgegenstehe.

Der Begriff der Nachlassverbindlichkeiten sei grundsätzlich weit auszulegen und umfasse u.a. die Kosten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses sowie alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen. Dazu könnten auch Kosten zählen, die dem Erben durch die gerichtliche Geltendmachung von (vermeintlichen) zum Nachlass gehörenden Ansprüchen des Erblassers entstehen. Ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Regelung des Nachlasses liege vor, wenn die Kosten in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen und nicht erst durch die spätere Verwaltung des Nachlasses (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG) anfallen. Ein sachlicher Zusammenhang sei gegeben, wenn die Klage dazu diene, das Bestehen von nachlasszugehörigen Ansprüchen des Erblassers zu klären oder die Herausgabe von Nachlassgegenständen durch Dritte zu erwirken. Herrsche Gewissheit über Umfang und Zusammensetzung des Nachlasses und habe der Erbe die Gegenstände in Besitz genommen, so ende der sachliche Zusammenhang mit dem Erwerb.

Dem Abzug der Prozesskosten als Nachlassverbindlichkeit stehe § 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG nicht entgegen. Danach seien Schulden und Lasten nicht abzugsfähig, soweit sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Vermögensgegenständen stünden, die nicht der Besteuerung nach diesem Gesetz unterlägen. Diese Vorschrift gelte aber nur für vom Erblasser begründete Schulden und Lasten und sei nicht auf Nachlassregelungskosten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG anwendbar. Nachlassregelungskosten würden Aufwendungen umfassen, die der Erwerber des Nachlasses nach dem Erwerb zur Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses erbracht habe, so dass es sich schon begrifflich nicht um vom Erblasser herrührende Schulden handele. Das gelte selbst dann, wenn Nachlassregelungskosten darauf abzielten, an sich steuerbefreite Vermögensgegenstände zum Nachlass zu ziehen.

Auf der Grundlage dieser Ausführungen hat der BFH im Verfahren II R 29/16 entschieden, dass die Kosten für den Rechtsstreit mit dem Mieter nicht abzugsfähig sind, da es sich nicht um Nachlassregelungskosten, sondern um Kosten der Nachlassverwertung handele. Die Klage habe nicht dazu gedient, das Bestehen eines nachlasszugehörigen Anspruchs auf Herausgabe der Mietwohnung zu klären, so dass kein sachlicher Zusammenhang mit dem Erwerb bestanden habe. Die Kosten für den Prozess bzgl. der Herausgabe der Porzellansammlung seien dagegen grundsätzlich abzugsfähig. Es sei allerdings durch das FG noch zu beurteilen, ob ein enger zeitlicher Zusammenhang der Kosten mit dem Erwerb vorgelegen habe und ob die Kosten der anwaltlichen Vertretung durch den Ehemann der Klägerin tatsächlich entstanden seien.

Die Revision im Verfahren II R 7/16 hat der BFH wegen fehlender wirksamer Zustellung der Vorentscheidung für begründet erachtet und die Sache an das FG zurückverwiesen. Für diesen zweiten Rechtsgang hat der BFH ohne Bindungswirkung auf die Abzugsfähigkeit der Rechtsverfolgungskosten hingewiesen.

Es ist zu begrüßen, dass der BFH auch vergebliche Rechtsverfolgungskosten als Nachlassverbindlichkeit zum Abzug zulässt, selbst dann, wenn sie darauf abzielen, an sich steuerbefreite Vermögensgegenstände zum Nachlass zu ziehen. Ein Abzug scheidet nur dann aus, wenn es zu überhaupt keinem steuerpflichtigen Erwerb i.S.d. § 3 ErbStG gekommen ist.

Zu beachten ist, dass nicht alle Prozesskosten anlässlich eines Erbfalls abzugsfähig sind, wie der BFH im Verfahren II R 29/16 deutlich gemacht hat. So scheidet ein Abzug aus, wenn ein Rechtsstreit nicht dazu dient, das Bestehen eines nachlasszugehörigen Anspruchs zu klären, sondern vielmehr mit der Nachlassverwertung im Zusammenhang steht. Die Kosten der Nachlassverwertung sind, ebenso wie die Kosten der Nachlassverwaltung, vom Abzug ausgeschlossen. Insoweit ist eine genaue Abgrenzung der einzelnen entstandenen Kosten erforderlich.

BFH v. 6.11.2019 – II R 29/16 und BFH v. 6.11.2019 – II R 6/17, ErbStB 2020, 177

Altenteilsleistungen nach § 23 HöfeO RP keine Versorgungsleistungen i.S.v. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG

Die Klägerin (Kl.) wurde von ihrem Vater testamentarisch zu seiner alleinigen und unbeschränkten Hoferbin (eines Weinguts) eingesetzt. Im Testament war keine Regelung/Verpflichtung betr. Unterhalt/Wohnungsgewährung für die Mutter der Kl. enthalten. Im Januar 2012 verstarb der Vater. Die Kl. erbte das Gut im Wege der Sonderrechtsnachfolge nach der HöfeO RP. Im Juni 2012 schloss sie u.a. einen Vertrag zum Zwecke der Abfindung der weichenden Erben entspr. der HöfeO RP sowie zum Ausgleich der Pflichtteilsansprüche der Mutter sowie der Geschwister ab. Hierin verpflichtete sie sich u.a., an ihre Mutter monatlich einen Betrag i.H.v. 660 € zu zahlen, erstmals einen Monat nach Beurkundung des Vertrages (ab Juli 2012). Des Weiteren wurde der Mutter ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht an einem zum Hof gehörenden Wohnhaus sowie ein Pflegerecht eingeräumt. Das Problem ist/war, ob diese wiederkehrenden Unterhaltsleistungen und die Wohnungsüberlassung (sog. Altenteilsverpflichtungen) als dauernde Last gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG (Sonderausgaben) abgezogen werden können.

Das FA lehnte den Abzug als dauernde Last ab. Das FG bestätigte die Entscheidung des FA. Die wiederkehrenden Leistungen der Kl. an ihre Mutter i.H.v. 660 € monatlich erfüllen nicht die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG (i.d.F. v. 20.12.2007). Die wiederkehrenden Leistungen seien weder in einem Vermögensübergabevertrag vereinbart noch der Kl. durch Testament aus 1991 auferlegt worden. Nach Ansicht des Gerichts könnten die sich aus § 23 Abs. 2 und 3 HöfeO RP ergebenden Verpflichtungen zu Barleistungen wegen Unbestimmtheit eine für die steuerliche Anerkennung der wiederkehrenden Leistungen zwingend erforderliche, klare und eindeutige einzelvertragliche Regelung über Versorgungsleistungen aufgrund Vermögensübergabe nicht ersetzen. Die sich aus § 23 Abs. 2 und 3 HöfeO RP ergebende gesetzliche Verpflichtung zu Barleistungen seien auch nicht durch die Verträge im Juni 2012 konkretisiert worden. Die wiederkehrenden Leistungen seien nämlich erst nachträglich durch Vertrag vom Juni 2012 vereinbart worden. Zu diesem Zeitpunkt sei kein nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG begünstigtes Betriebsvermögen übertragen worden, da der Hofübergang an die Kl. schon im Januar 2012 erfolgt sei. Zudem seien die wiederkehrenden Leistungen ohne jegliche Bezugnahme auf etwaig übertragenes Vermögen vereinbart worden.

Die Streitfrage betraf zwar die Einkommensbesteuerung 2012 und 2013. Die hier maßgebende Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG wurde mit Wirkung ab Veranlagungszeiträumen 2015 aufgehoben und durch Abs. 1a Nr. 2 ersetzt (Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 22.12.2014, BGBl. I 2014, 2417). Nach dem ab 2015 geltenden Recht können lebenslängliche und wiederkehrende Versorgungsleistung ebenfalls nur als Sonderausgeben abgezogen werden, wenn sie auf einem Vermögensübertragungsvertrag beruhen, in dem die gegenseitigen Rechte und Pflichten klar und eindeutig sowie rechtswirksam vereinbart bzw. testamentarisch angeordnet wurden und die Leistungen wie vereinbart tatsächlich erbracht werden.

Um eine steuerrechtliche Zurechnung von Versorgungsleistungen zu den begünstigten wiederkehrenden Leistungen und Sonderausgaben i.S.v. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG zu erreichen, sollten die Vorgaben des BMF v. 11.3.2010 – IV C 3-S 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 227 = ErbStB 2010, 170 [Krämer] (sog. IV. Rentenerlass) beachtet werden (mit den Änderungen durch BMF v. 6.5.2016 – IV C 3-S 2221/15/10011:004, BStBl. I 2016, 476 = ErbStB 2016, 208 [Günther]). Zur Schriftform von Vermögensübergabeverträgen vgl. BFH v. 15.9.2010 – X R 13/09, BStBl. II 2011, 641 = ErbStB 2011, 66 [Rothenberger]. Aus der Lit. Wälzholz, GmbH-StB 2010, 206, und zur Bemessung von unbaren Altenteilsleistungen in der Land- und Forstwirtschaft z.B. BayLfSt v. 23.12.2019 – S 2221.1.1-10/49 St 32, juris: FMNR5a2130019).

Bei Planung testamentarischer Anordnungen und/oder Vermögensübergabeverträgen sollte nicht davon ausgegangen werden, dass die Bestimmungen in den Höfeordnungen (jedenfalls wie hier in § 23 Abs. 2 und 3 HöfeO RP) (automatisch) klare und eindeutige einzelvertragliche oder testamentarische Regelungen ersetzen können; zu vertiefenden Ausführung betr. das Höferecht s. die Urteilsgründe. In vergleichbaren (schon verwirklichten) Fällen (Ablehnung als Sonderausgaben) sollten die Bescheide in Hinblick darauf, dass die Revision beim BFH anhängig ist (BFH X R 4/20), offengehalten werden.

FG Rheinland-Pfalz v. 31.7.2019 – 1 K 1053/17, ErbStB 2020, 152

Coronakrise und Lohnsummenkontrolle

Ein Mandant macht im Rahmen der Übertragung eines Betriebes mit mehr als 15 Arbeitnehmern die Vollverschonung geltend. Er muss also sieben Jahre lang 100 % der Lohnsumme einhalten. Nun musste er auf Grund von Corona Kurzarbeit anmelden und macht sich Sorgen, dass er die 100 %-Grenze reißt. Die Erbschaftsteuerrichtlinien sind in Sachen Kurzarbeitergeld (KuG) sehr eindeutig (A 13a.5 Satz 4 ErbStR). Lohnaufwand ist der in der GuV ausgewiesene Aufwand für Löhne und Gehälter. Er wird zwar nicht um das durch die Arbeitsagentur ausgezahlte KuG gekürzt. Allerdings wird auch nicht auf das Bruttoarbeitsentgelt (das mit dem Arbeitgeber vereinbarte Gehalt), auf das für KuG maßgebliche fiktive (und vom Arbeitgeber zu verbeitragende) Arbeitsentgelt abgestellt.

Die Auswirkungen sollen anhand des folgenden Beispiels dargestellt werden: Ein Arbeitnehmer ohne Kinder (Lohnsteuerklasse 1 und Leistungssatz 2 = 60 %) verursacht bei einem Bruttoarbeitsentgelt von 3.250 EUR und einer Arbeitszeitreduzierung auf 0 Lohnkosten i.H.v. 1.264,76 EUR. Das ist eine Minderung um 1.985,24 EUR oder 61,08 %.

Das klingt zwar zunächst sehr dramatisch. Man muss aber berücksichtigen, dass die Corona-Krise hoffentlich nur 2-3 Monate anhält, so dass ihre Auswirkungen bei einer Lohnsummenfrist von 7 Jahren (84 Monate) kaum ins Gewicht fallen werden. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass bei einer angenommenen Lohnsteigerung von 2 % pro Jahr ein „Lohnpuffer“ von über 20 % (jeweils 2 % auf das im Vorjahr bereits erhöhte Gehalt) bezogen auf einen Zeitraum von 7 Jahren besteht.

Sollte die Coronakrise allerdings länger anhalten, wäre es wünschenswert, wenn sich die Verwaltung hinsichtlich der Lohnsumme kulant verhalten würde. Sehr viel Hoffnung kann man seinen Mandanten dabei aber wohl nicht machen, denn auch bei der Frage des Verstoßes gegen die Behaltensfristen berücksichtigt die Finanzverwaltung die Gründe für eine Betriebsaufgabe nicht (A 13a.11 Abs. 1 Satz 2 ErbStR) so dass auch eine Insolvenz auf Grund höherer Gewalt (z.B. wegen Corona) zu einer Nachversteuerung führen würde.

Persönlicher Freibetrag und Nacherbfolge

Die Kläger erwarben von der Vorerbin sowohl deren Eigenvermögen als auch Vermögen aus zwei Vorerbschaften. Streitig ist, ob den Klägern der persönliche Freibetrag mehrfach zusteht.

Die Großeltern hatten zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Der Sohn hatte fünf Kinder. Nachdem der Sohn verstorben war, schlossen die Eltern mit ihrer Tochter einen Erbvertrag, in dem sie ihre Tochter für den Fall, dass diese kinderlos bliebe, jeweils als Vorerbin und ihre fünf Enkel als Nacherben ein-setzten. Als die Tochter kinderlos verstarb, stellte der Testamentsvollstrecker ihrer fünf Neffen den Antrag nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG und machte für die Erben als Kinder eines vorverstorbenen Kindes den Freibetrag i.H.v. 400.000 € nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG geltend. Diesen Freibetrag beantragte er doppelt mit der Begründung, dass die Kläger Nacherben im Hinblick auf das Vorerbschaftsvermögen ihres Großvaters und ihrer Großmutter geworden seien und sie für jeden der beiden Nacherbfälle jeweils einen Antrag nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG hätten stellen können. Eine solche Konstellation sei in § 6 Abs. 2 ErbStG nicht geregelt, weshalb im Streitfall für jeden Nacherbfall die jeweiligen Freibeträge gesondert zu ermitteln und zu berücksichtigen seien.

Das FG hat die Klage abgewiesen. Es begründet seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass das Erbschaftsteuerrecht eine vom Zivilrecht abweichende Regelung trifft. Zivilrechtlich wird der Vorerbe kein Rechtsnachfolger des Erblassers. Tritt der Nacherbfall ein, so erbt der Nacherbe die Vorerbschaft vom Erblasser und nicht vom Vorerben (§ 2139 BGB).

Erbschaftsteuerlich sieht § 6 Abs. 1 ErbStG stattdessen vor, dass der Vorerbe Vollerbe des Erblassers wird und der Nacherbe nach § 6 Abs. 2 ErbStG einen einheitlichen Erwerb vom Vorerben erwirbt. Daraus folgt, dass dem Nacherben auch nur ein einziger Freibetrag zustehen kann. Das Gesetz gewährt dem Nach-erben nur ein Wahlrecht, welcher Freibetrag nach § 16 ErbStG zugrunde zu legen ist, derjenige im Verhältnis zum Vorerben oder jener im Verhältnis zum Erblasser.

Das Gericht hat die Revision zur Fortbildung des Rechts zugelassen. Das ist insofern erstaunlich, als die Frage ob ein oder mehrere Freibeträge zu gewähren sind, seit der Entscheidung des BFH v. 2.12.1998 – II R 43/97, BStBl. II 1999, 235 zugunsten der ersten Alternative entschieden wurde.

Meines Erachtens noch nicht entschieden und im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich, ist vielmehr folgende Frage: Welches Verhältnis ist i.R.d. Antrags nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG zugrunde zu legen, wenn der Vorerbe Erwerbe von mehreren Erblassern erhalten hat, die jeweils auf den Nacherben übergehen, für die aber im Verhältnis zum Nacherben unterschiedliche Steuerklassen gelten.

Beispiel: Vater V setzt seinen Bruder (B) als Vorerben und seinen Sohn (S) als Nacherben ein. Außerdem setzt die Lebensgefährtin des B (L) den B als Vorerben und S als Nacherben ein. Als B verstirbt erbt S von ihm Vermögen aus den Vorerbschaften seines Vaters (St.-Kl. I) und der Lebensgefährtin (St.-Kl. III) und eigenes Vermögen des Onkels (B) (St.-Kl. II). S stellt den Antrag nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG. Wird dann die Steuerklasse I (Verhältnis zum Vater) oder die Steuerklasse III (Verhältnis zur Lebensgefährtin des Onkels) zugrunde gelegt?

Das Gesetz spricht nur vom Verhältnis „des Nacherben zum Erblasser“ und geht offensichtlich davon aus, dass es nur einen Erblasser geben kann, der Vermögen auf den Vorerben überträgt. Anhaltspunkte dafür, dass das für den Nacherben günstigste Verhältnis zugrunde zu legen ist (im Beispielsfall also zum Vater) gibt das Gesetz meines Erachtens nicht her. Eine solche Lösung wäre auch missbrauchsanfällig, etwa wenn der Vater nur ein geringes Vermögen hätte, die Lebensgefährtin dagegen ein sehr hohes Vermögen und sich auf diese Weise der hohe Freibetrag im Verhältnis zum Vater auf den Erwerb des Vermögens von der Lebensgefährtin auswirkt.

Eine Aufteilung in unterschiedliche Erwerbe und quotale Berücksichtigung verschiedener Freibeträge kommt meines Erachtens vor dem Hintergrund eines einheitlichen Erwerbs vom Vorerben ebenfalls nicht in Betracht. An dieser Stelle zeigt sich die Schwäche der steuerlichen Zusammenfassung mehrerer Erwerbe zu einem Erwerb des Nacherben vom Vorerben und die Abweichung im Steuerrecht von der zivilrechtlichen Regelung.

FG München v. 20.11.2019 – 4 K 519/18 [Rev. II R 1/20], ErbStB 2020, 95

Zahlung aufgrund Güterrechtsvereinbarung als Schenkung

Das FG München hat entschieden, dass der Verzicht auf eine im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht entstandene, möglicherweise erst zukünftig entstehende Zugewinnausgleichsforderung keinen in Geld bewertbaren Vermögenswert darstellt, der Gegenstand einer die Freizügigkeit ausschließenden Gegenleistung sein kann.

Die Klägerin (Kl.) schloss im Mai 1998 mit ihrem zukünftigen Ehemann einen notariellen Ehevertrag, in dem sich beide auf den Güterstand der Gütertrennung einigten. Außerdem wurde vereinbart, dass die Kl. einen Zahlungsanspruch von 2 Mio. DM hätte, wenn die Ehe 15 Jahre besteht. Bei Scheidung der Ehe vor Ablauf von 15 Jahren sollte sich der Betrag von 2 Mio. DM um jeweils 133.333 DM jährlich reduzieren. Im Juni 1998 heirateten die Eheleute. Die Ehe wurde im Mai 2014, also nach 16 Jahren rechtskräftig geschieden. Im Juli 2014 wurde der Kl. ein Betrag i.H.v. 1.022.583 € (= 2 Mio. DM) gutgeschrieben.

Die Kl. zeigte den Erwerb an und machte in ihrer Steuererklärung die Befreiung für die Zugewinnausgleichsforderung nach § 5 Abs. 2 ErbStG geltend. Das FA besteuerte den Vorgang wie folgt:

Schenkung, § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG         1.022.583

Freibetrag, § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG             20.000

Steuerpflichtiger Erwerb                            1.002.583

Abgerundet, § 10 Abs. 1 Satz 6 ErbStG    1.002.500

Steuer (30 %)                                                   300.750

Das FG hat die Klage abgewiesen. Es folgte damit der Argumentation des FA, wonach mangels Eheschließung im Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages noch keine Zugewinnausgleichsforderung entstanden sein könne, auf die die Kl. habe verzichten können. Der Verzicht der Kl. auf die Chance, nach Eheschließung möglicherweise eine Zugewinnausgleichsforderung zu erlangen, hielt das Gericht für dermaßen vage und unbestimmt, dass es von einer nicht in Geld zu veranschlagenden Gegenleistung ausging, die nach § 7 Abs. 3 ErbStG nicht als Gegenleistung abziehbar ist und somit die Unentgeltlichkeit der Zahlung des geschiedenen Ehemannes nicht entfallen lässt.

Bei der Zahlung des Ex-Mannes handelt es sich um eine ehebedingte Zuwendung, die zivilrechtlich nicht als Schenkung angesehen wird. Das Steuerrecht folgt dieser zivilrechtlichen Betrachtung nicht, sondern stellt allein auf die objektive Unentgeltlichkeit ab. Diese war nach Auffassung des Gerichts gegeben, weil der Kl. bei Begründung der Leistungspflicht ihrem künftigen Ehemann ggü. noch kein gesetzlicher Leistungsanspruch zustand.

Dadurch dass die Zahlung nach der Ehescheidung geleistet wurde, war die Steuerklasse II anwendbar mit der Konsequenz des niedrigeren Freibetrags und des ungünstigeren Tarifs.

Die Kl. war bei Abschluss der Vereinbarung nicht oder schlecht beraten. Sinnvoller als eine Einmalzahlung bei Beendigung der Ehe wäre es gewesen, wenn die Ehefrau einen Lebensversicherungsvertrag über 2 Mio. DM auf ihren Namen und sich als Bezugsberechtigte abgeschlossen hätte. Wenn der Mann seiner Frau jährlich 68.172 € (= 133.333 DM) zur Begleichung der Versicherungsprämie geschenkt hätte, dann wäre die Steuer wie folgt zu ermitteln gewesen:

Schenkung, 15 x 68.172 €                                            1.022.583

Freibetrag, 2 x 500.000 € (da > 10 Jahre)              1.000.000

Steuerpflichtiger Erwerb                                                    22.583

Abgerundet, § 10 Abs. 1 Satz 6 ErbStG                           22.500

Steuer, Steuerklasse I (7 %)                                                  1.575

Eine etwaige Überschussbeteiligung aus der Lebensversicherung hätte die Kl. darüber hinaus auch noch steuerfrei vereinnahmen können.

FG München v. 2.5.2018 – 4 K 3181/16 (Rev. II R 40/19)

 

Haftungsbeschränkung: Arztpraxisverkauf durch nicht approbierten Erben

Zum Sachverhalt: Da der Kläger (Kl.) die geerbte Pathologie-Praxis mangels eigener Approbation nicht fortführen durfte, veräußerte er sie und erzielte hieraus einen einkommensteuerpflichtigen Gewinn. Über den Nachlass wurde das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet. Da der Kl. die auf den Veräußerungsgewinn entfallende festgesetzte ESt nicht zahlte, betrieb das FA die Zwangsvollstreckung durch Erlass von Pfändungs- und Einziehungsverfügungen und Eintragung einer Sicherungshypothek. Daraufhin beantragte der Kl. die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gem. § 258 AO sowie festzustellen, dass die Zwangsvollstreckung in sein Eigenvermögen unzulässig sei.

Dies lehnte das FA ab, da aus dem Nachlassinsolvenzverfahren keine Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf den Nachlass folge. Hiergegen trägt der Kl. vor, die Praxisveräußerung sei ihm nicht zuzurechnen: Er habe keine Handlungsoption gehabt, da er wegen mangelnder Berufsqualifikation die Praxis habe verkaufen oder schließen müssen. Folglich seien die auf den Veräußerungsgewinn entfallenden, ihm zwangsweise entstandenen Steuerschulden auf den Nachlass beschränkt.

Das FG Münster hat die Klage als unbegründet abgewiesen, da der Kl. der Zwangsvollstreckung in das Eigenvermögen nicht die Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf den Nachlass nach § 45 Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. § 1975 BGB entgegensetzen kann.

Gemäß dem § 45 Abs. 2 Satz 1 AO ist für die Frage, ob eine Steuerschuld von der Haftungsbeschränkung umfasst ist, das zivilrechtliche Haftungsregime maßgebend, und zwar unabhängig davon, dass steuerrechtlich allein der Erbe die Einkünfte erzielt hat. Gemäß § 1967 BGB haftet zunächst der Erbe unbeschränkt, aber ggf. beschränkbar, z.B. gem. § 1975 BGB u.a. durch die Nachlassinsolvenzeröffnung. Diese Haftungsbeschränkung erfasst die vom Erblasser herrührenden Schulden und die sog. Erbfallschulden, die den Erben als solchen treffen, z.B. Pflichtteils-, Vermächtnis- und Auflagenverbindlichkeiten. Diese entstehen mit dem Erbfall und beruhen nicht auf einem Verhalten des Erben, sondern sind trotz ihrer Entstehung nach dem Erbfall zuvor abschließend durch den Erblasser angelegt worden. Folglich sind vom BFH insb. die vom Nachlassverwalter begründeten Verbindlichkeiten einschl. der von ihm begründeten Steuerschulden ebenso wie die Beerdigungskosten und die Erbschaftsteuer als Erbfallschulden qualifiziert worden. Ebenso wurde die ESt-Schuld aus der Veräußerung eines Motorschiffes nicht als Eigenschuld des Erben eingeordnet, wenn die Veräußerung bereits zu Lebzeiten des Erblassers eingeleitet und die Abwicklung aufgrund seerechtlicher Besonderheiten weder durch den Erben noch einen Nachlassverwalter zu beeinflussen war.

Für Eigenschulden haftet der Erbe dagegen mit seinem gesamten Vermögen, da der Rechtsverkehr davon ausgehen muss, dass für vom Erben durch eigenes Verhalten begründete Verbindlichkeiten das gesamte Vermögen und nicht nur ein Nachlass als Vollstreckungsobjekt zur Verfügung steht. Auch wenn sich Gläubiger von Nachlasserbenschulden, die durch die Nachlassverwaltung entstehen, ihre Ansprüche direkt gegen den Nachlass geltend machen können bzw. bei Nachlassinsolvenz diese vorab zu befriedigen sind, um eine aufwendige Pfändung dieses Freistellungs- oder Ersatzanspruches zu vermeiden, ändert dies nichts am Bestehen des Anspruches gegen den Erben selbst und seine Haftung mit seinem Eigenvermögen.

Die Praxisveräußerung mit der Folge des Veräußerungsgewinns nach § 16 EStG beruht auf eigenem Verhalten des Kl., da er mit ihr am Rechtsverkehr teilgenommen hat, der davon ausgehen konnte, dass das Eigenvermögen des Kl. als Haftungsmasse zur Verfügung steht. Dies gilt gem. § 45 Abs. 2 Satz 1 AO auch im Steuerrecht. Folglich liegt eine Eigenschuld des Kl. vor, auf die die Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf den Nachlass keine Anwendung findet.

Nach dieser Entscheidung führt die Veräußerung, Aufgabe oder allmähliche Abwicklung einer freiberuflichen Praxis durch den nicht qualifizierten Erben immer zu einer Eigenschuld hinsichtlich der darauf beruhenden Einkommensteuer, für die er mit seinem eigenen Vermögen haftet.

Der Kl. hatte auch weitere Handlungsoptionen: Zwar musste er die Praxis aus berufsrechtlichen Gründen aufgeben, da eine Verpachtung berufsrechtlich und damit auch steuerlich nicht möglich ist. Dies konnte aber durch Betriebsaufgabe oder -veräußerung oder allmähliche Abwicklung erfolgen, so dass er mehrere Handlungsoptionen hatte, in welchem Umfang und in welcher Form er die Praxis nutzt, indem er ihren Wert (anteilig) realisiert, u.U. sogar ohne Aufdeckung der stillen Reserven. Die Möglichkeit der Ausschlagung ist entgegen der Ansicht des FA keine Handlungsoption. Das Unterbleiben der Ausschlagung ist keine hinreichende Haftungsgrundlage, die zur Begründung von Eigenschulden führt, da sonst die Haftungsbeschränkungen der §§ 1975 ff. BGB weitgehend leerlaufen würden.

Zwar musste der Kl. die Praxis aus berufsrechtlichen Gründen aufgeben, so dass die Steuerschuld zwingend entstanden ist. Auch wenn damit die Entstehung einer Steuerschuld durch den beruflich qualifizierten Erblasser angelegt war, erkennt das FG angesichts der aktiven Veräußerungshandlung eine systematische Gleichstellung der verschiedenen Entstehungstatbestände nicht an, da ansonsten für alle Formen der Steuerentstehung eine Haftungsbeschränkung anzunehmen wäre. Unerheblich ist der Einwand des Kl., er werde dafür bestraft, Arbeitsplätze erhalten und eine wirtschaftlich sinnvolle Lösung gewählt zu haben, da das erbrechtliche Haftungsregime nicht auf wirtschaftspolitischen Überlegungen beruht.

Das FG lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu, da der BFH bisher nur über eine Erbfallschuld, nicht aber über Eigenschulden des Erben befunden hat. Zudem ist in der Rspr. nicht geklärt, ob bei berufsrechtlich bedingter zwangsweiser Betriebsaufgabe oder -veräußerung die hierdurch entstehende Steuerschuld zur Beschränkung der Nachlasshaftung führt.

Bei der Beratung muss auf diese unbeschränkte Haftung hingewiesen werden. In vergleichbaren Fällen sollte dennoch die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass geltend gemacht werden unter Hinweis auf die Revisionszulassung. Es bleibt abzuwarten, ob der Kl. Revision einlegen wird. Das Urteil erscheint fraglich, da der Erbe keine Möglichkeit hat, die Einkommensteuer zu vermeiden, wenn er aus berufsrechtlichen Gründen die Praxis verkaufen muss und auch nicht verpachten kann.

FG Münster v. 24.9.2019 – 12 K 2262/16 (Rev. VII R 42/19), ErbStB 2020, 9

 

Berücksichtigung des Abzugsbetrags nach § 13a Abs. 2 ErbStG bei mehreren Erwerben

Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Festsetzung der Schenkungsteuer der Abzugsbetrag gem. § 13a Abs. 2 ErbStG zu berücksichtigen ist.

Kein Ansatz des Abzugsbetrags beim Ersterwerb: Der Kläger (Kl.) macht geltend, die Schenkerin hätte bereits mit Vertrag vom 27.12.2012 von ihrem Kapitalanteil an der Y KG an ihn einen Anteil abgetreten. Darüber hinaus hätte sie in dem o.g. Vertrag einen Anteil von ihren Guthaben auf den bei der Y KG für sie geführten Fest- sowie Gesellschafterkonto an den Kl. abgetreten. Im Rahmen der darauffolgenden Schenkungsteuerfestsetzung wäre Schenkungsteuer ggü. dem Kl. festgesetzt worden. Der Abzugsbetrag gem. § 13a Abs. 2 ErbStG wäre dabei nicht zum Ansatz gekommen, da der Wert des nicht unter § 13b Abs. 4 ErbStG fallenden Teils des übertragenen Betriebsvermögens zu hoch gewesen wäre mit der Folge, dass sich der Abzugsbetrag gem. § 13 Abs. 2 Satz 2 ErbStG auf 0 € verringert hätte.

Der noch nicht verbrauchte Betrag sei bei der Festsetzung der streitgegenständlichen Schenkungsteuer zu berücksichtigen. Dies sei noch möglich, da sich der Abzugsbetrag bei der Zuwendung aus dem Jahr 2012 nicht ausgewirkt hätte und daher nicht i.S.v. § 13a Abs. 2 Satz 3 ErbStG berücksichtigt worden wäre. Die im Streitfall gegebene Konstellation sei nicht anders zu behandeln, als der Fall, in welchem der Abzugsbetrag zusammen mit der zehnjährigen Sperrfrist nachträglich vollständig wegfalle.

Das FG München hat die Klage als unbegründet zurückgewiesen.

Keine gesetzliche Regelung: Ob der Steuerpflichtige (Stpfl.) einen Anspruch darauf hat, dass sich bei mehreren Erwerbern von derselben Person, die innerhalb von zehn Jahren erfolgen, der Abzugsbetrag bei einem der Erwerbe bei der Steuerfestsetzung auswirken muss, sei nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt. Der mehrfachen Berücksichtigung des Abzugsbetrages stehe jedoch der Sinn und Zweck der Regelung des § 13a Abs. 2 Satz 3 ErbStG entgegen.

Mangels Antragsgebundenheit könne der Stpfl. die Berücksichtigung weder ausschließen noch aufschieben, was die Absicht des Gesetzgebers belegt, wonach der Stpfl. über den Abzugsbetrag während des Zehn-Jahres-Zeitraums nicht frei verfügen sollte. Soweit Geck einen Verzicht auf den Abzugsbetrag zugunsten späterer Erwerbe für zulässig hält (vgl. Geck in: Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13a Rz. 28), folgt dem der Senat nicht, weil es für einen solchen Verzicht keine gesetzliche Grundlage gebe. Zudem wolle der Gesetzgeber die Möglichkeit, den Abzugsbetrag durch Aufteilung in mehrere Erwerbe zu maximieren, ausschließen, was er durch das Tatbestandsmerkmal „nur einmal“ zum Ausdruck gebracht habe (vgl. BT-Drucks. 16/7918, S. 34).

Auch ein Freibetrag i.H.v. 0 € gilt als Verbrauch: Die notwendige Konsequenz daraus sei, dass das Gesetz auch einen Abzugsbetrag von 0 € vorsieht (vgl. BT-Drucks. 16/7918, S. 34). Letzterer sei daher nach Ansicht des Senats bei der Festlegung der Zehn-Jahres-Frist auch dann gem. § 13a Abs. 2 Satz 3 ErbStG zu berücksichtigen, wenn er sich – wie im Streitfall – bei der Festsetzung der Schenkungsteuer nicht ausgewirkt habe. Insoweit stimmt der Senat der Auffassung der Verwaltung, der sich auch Teile der Literatur angeschlossen haben, zu (vgl. R E 13a.2 Abs. 2 ErbStR 2011; AEErbSt 2017 Abschn. 13a.3 Abs. 2 Satz 3; Wachter in: Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, 6. Aufl. 2017, § 13a Rz. 223; Halaczinsky in: Halaczinsky/Wochner, Schenken, Erben, Steuern, 11. Aufl. 2017, Punkt C., VI, 16, b, bb), Rz. 464; Söffing in: Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, 98. EL 2000, § 13a ErbStG Rz. 62).

Abweichender Literaturmeinung ist nicht zu folgen: Soweit Meincke und Geck die Auffassung vertreten, wonach der Abzugsbetrag nur dann als berücksichtigt i.S.v. § 13a Abs. 2 Satz 3 ErbStG gilt, wenn er größer als 0 € gewesen ist (Meincke, ErbStG, 16. Aufl. 2012, § 13a Rz. 14 bzw. Meincke, ErbStG, 17. Aufl. 2018, § 13a Rz. 32; Geck in: Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13a Rz. 28), sei diese mit dem Wortlaut und der Intention des Gesetzes nicht vereinbar.

Bei dem Abzugsbetrag handelt es sich um keinen festen Freibetrag, wie z.B. den Grundfreibetrag (§ 32a Abs. 1 Nr. 1 EStG). Vielmehr wird der Abzugsbetrag stets für jeden Steuerfall individuell festgelegt und bewegt sich in dem Bereich von 0 € bis 150.000 €. Dieser gleitende Abzugsbetrag wird kraft Gesetzes gewährt (vgl. Geck in: Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13a Rz. 27; Wachter in: Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, 6. Aufl. 2017, § 13a Rz. 225; Meinke/Hannes/Holtz, ErbStG, 17. Aufl. 2018, § 13a Rz. 30) und – bei Zuwendungen von derselben Person – innerhalb von zehn Jahren nur einmal berücksichtigt.

Die Revision wurde gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO unter dem Gesichtspunkt der Rechtsfortbildung zugelassen und ist unter dem Az. II R 34/19 anhängig.

FG München v. 15.5.2019 – 4 K 500/17, ErbStB 2019, 341

Ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des sog. 90 %-Tests

Das FG Münster (FG Münster v. 3.6.2019 – 3 V 3697/18) hat ernstliche verfassungsrechtliche Zweifel an der gesetzlichen Regelung des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG (sog. 90%-Grenze) geäußert, da die Finanzmittel zur Berechnung des 90 %-Tests ohne Abzug der Schulden und ohne Abzug des 15%igen Freibetrags berücksichtigt werden. Im Streitfall wurden Anteile an einer GmbH übertragen, deren Substanzwert mit rund 556.000 € festgestellt wurde. Weiterhin wurden Finanzmittel (im Wesentlichen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen) i.H.v. 2,5 Mio. € und Schulden i.H.v. 3,1 Mio. € festgestellt. Das FA lehnte wegen Verstoßes gegen den 90 %-Test eine Begünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG vollständig ab und setzte Schenkungsteuer fest. Die i.R.d. Einspruchs gegen die Schenkungsteuerfestsetzung beantragte Aussetzung der Vollziehung wurde vom FA ebenfalls abgelehnt. Hiergegen richtete sich die Klage des Beschenkten. Nach Auffassung des FG Münster führt die gesetzliche Regelung zu einem wirtschaftlich nicht nachvollziehbaren Ergebnis, so dass zweifelhaft sei, ob dieses Ergebnis durch den Gesetzeszweck, der darin besteht, Missbrauch zu verhindern, gedeckt sei. Das FG hat deshalb die Aussetzung der Vollziehung zugelassen.

Hintergrund der Entscheidung ist der sog. 90 %-Verwaltungsvermögenstest. Nach § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG ist eine Begünstigung nach den §§ 13a ff. ErbStG vollständig nicht zu gewähren (Fallbeil-Prinzip), wenn das Verwaltungsvermögen die Grenze von 90 % des Unternehmenswerts erreicht. Es handelt sich um eine Regelung, die missbräuchliche Gestaltungen verhindern soll. Aufgrund des Gesetzeswortlauts dürfen jedoch bei der Ermittlung des Verwaltungsvermögens Schulden nicht abgezogen werden. Für Finanzmittel gilt neben dem Verbot des Schuldenabzugs auch ein Verbot zum Abzug des sog. Finanzmittelfreibetrags von 15 % des Unternehmenswerts. Beide Positionen werden allerdings bei Ermittlung des (steuerpflichtigen) schädlichen Verwaltungsvermögens mindernd berücksichtigt.

Damit wird der Bruttowert des Verwaltungsvermögens mit einem Nettounternehmenswert verglichen. Im Urteilsfall, in welchem der Unternehmenswert als Substanzwert ermittelt wurde, wird dies besonders deutlich. Es ergab sich eine Verwaltungsvermögensquote von 473 %.

Die 90 %-Grenze kann – wie im Urteilsfall – auch dann erreicht sein, wenn das unter Anwendung des Finanzmitteltests (Schuldenabzug und Abzug des 15 %-Freibetrags) berechnete, grundsätzlich steuerpflichtige Verwaltungsvermögen 0 € beträgt und damit sogar die Optionsverschonung zur Anwendung kommen würde. Dies zeigt die Absurdität der gesetzlichen Regelung. Im Urteilsfall kam weiter hinzu, dass sich die Finanzmittel im Wesentlichen aus Forderungen aus Lieferungen und Leistungen zusammensetzten. Eine missbräuchliche Gestaltung ist in diesem Fall nicht ersichtlich.

In den vom Bundesrat am 11.10.2019 zugestimmten ErbStR 2019 hat die Finanzverwaltung – wohl wegen des eindeutigen Gesetzeswortlauts – keine Erleichterung im Hinblick auf die 90 %-Grenze vorgesehen. In der Literatur wird dagegen eine teleologische Reduktion für zulässig angesehen (Korezkij, DStR 2017, 745). Im Urteil wird zudem ausführlich auf die umfangreiche Kritik in der Literatur verwiesen.

Gegen Bescheide, die eine Begünstigung nach §§ 13a ff. ErbStG wegen Verstoßes gegen den 90 %-Test ablehnen, sollte Einspruch eingelegt werden. Hilfsweise besteht – in Erbfällen – die Möglichkeit, durch Anwendung der sog. Investitionsklausel innerhalb von zwei Jahren nach einem Erbfall zum Todestag vorhandenes schädliches Verwaltungsvermögen in begünstigtes Vermögen „umzuwandeln“ (§ 13b Abs. 5 ErbStG). Allerdings kann es – insb. bei Minderheitsgesellschaftern – Restriktionen aufgrund des Erfordernisses des vorgefassten Plans des Erblassers geben. Für den Fall einer Schenkung besteht die Möglichkeit der Anwendung der Investitionsklausel nicht. Zwar kann vor einer Schenkung das Vermögen der betrieblichen Einheit möglichst steuergünstig strukturiert werden. Da die schädlichen Finanzmittel im Urteilsfall aus Forderung aus Lieferungen und Leistungen resultierten, wäre allerdings eine Strukturierung der Finanzmittel als Gestaltungsvariante nicht in Betracht gekommen.

Um das Risiko einer erneuten Verfassungswidrigkeit des ErbStG zu vermeiden, wäre der Gesetzgeber gut beraten, den systematisch und wirtschaftlich unsinnigen Gesetzeswortlaut anzupassen. Solange dies jedoch nicht erfolgt ist und auch keine günstige Verwaltungsauffassung vorhanden ist, muss vor jeder Schenkung die Höhe des Bruttoverwaltungsvermögens überprüft werden, um bei Bedarf noch rechtzeitig Gestaltungen umsetzen zu können.

Insbesondere im Falle von Personengesellschaften ist zu berücksichtigen, dass auch Gesellschafterdarlehen – ohne Verrechnung mit den Schulden im Gesamthandsvermögen – zu den diesbezüglich zu berücksichtigenden Finanzmitteln gehören.

FG Münster v. 3.6.2019 – 3 V 3697/18, ErbStB 2019, 317

Gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts gegenüber mehreren Miterben

Genügt es im Fall, in dem eine Erbengemeinschaft Grundbesitz erbt, den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts an die „Erbengem. E – z.Hd. Frau …“ zu adressieren? Inhaltlich erging der Bescheid „für: Erbengem. E“ und enthielt den Zusatz:

„Der Bescheid ergeht an Sie für und gegen alle Feststellungsbeteiligten“. Die Zurechnung des Grundbesitzwerts erfolgte neu an „Erbengem. E“.

Da sich aus dem Bescheid weder im Adressfeld noch aus den Betreffzeilen noch aus dem weiteren Inhalt des Bescheids oder seiner Anlage entnehmen ließ, welche Personen die Erbengemeinschaft nach E beteiligt sind, ist der Bescheid nach der vorliegenden Entscheidung des BFH (BFH v. 26.6.2019 – II R 58/15) rechtswidrig/nichtig. Bei mehreren Miterben muss einem Bescheid klar und eindeutig entnommen werden können, gegen welche Beteiligten der Erbengemeinschaft sich die Feststellungen richten (§ 154 Abs. 3 Satz 2 BewG).

Die Entscheidung hat zum einen für die Finanzämter Bedeutung. Bei Erlass eines Feststellungsbescheides i.S.v. § 151 BewG ggü. Erbengemeinschaften ist es zwingend erforderlich, alle Beteiligten namentlich aufzuführen (entspr. Verwaltungsanweisung liegen schon länger vor). Zu beachten ist weiterhin, dass eine spätere vollständige Aufzählung in der Einspruchsentscheidung, die den gesetzlichen Anforderungen genügt, keine Heilung der mangelnden Bezeichnung der Inhaltsadressaten (der Nichtigkeit) ermöglicht. Heilung ist nur durch (rechtzeitige) Neubescheidung möglich.

Für betroffene Steuerpflichtige und deren Berater hat die Entscheidung zur Folge, dass entspr. fehlerhafte Feststellungsbescheide der Erbschaftbesteuerung nicht zugrunde gelegt werden dürfen. Eine Neubescheidung ist nur innerhalb der Feststellungsfrist möglich. Ein nichtiger Bescheid wahrt die Verjährungsfrist nicht; ein evtl. eingelegter Einspruch führt nicht zur Ablaufhemmung.

Insbesondere in nicht alltäglichen Situationen kommen häufiger verfahrensrechtliche Fehler der Finanzämter vor. Insofern sollte insb. bei komplizierten materiellen Rechtstreitigkeiten vorab auch die verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit geprüft werden. Im Streitfall ging es in der Sache um die materielle Rechtsfrage, ob das Grundstück (Restbauernhof) noch dem LuF-Vermögen oder dem Grundvermögen zuzuordnen ist. Im Endeffekt blieb dies unentschieden, weil die Feststellung (als Grundvermögen) nichtig und eine Neubescheidung verfristet war.

Grundsätzlich kann das Finanzamt innerhalb der betreffenden Verjährungsfrist einen „richtigen“ Bescheid erlassen. Gemäß § 153 Abs. 5 BewG i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO beginnt die vierjährige Feststellungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) u.a. dann, wenn eine Steuer-/Feststellungserklärung einzureichen ist, mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist. Nach § 153 Abs. 5 BewG i.V.m. § 181 Abs. 5 Satz 1 AO kann eine gesonderte Feststellung (Neubescheidung) auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung, hier für die Erbschaftsteuerfestsetzung, von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist; hierbei bleibt § 171 Abs. 10 AO außer Betracht.

Unabdingbare Voraussetzung dafür ist aber, dass das Finanzamt bei Erlass eines Feststellungsbescheids nach Ablauf der Feststellungsfrist in dem Bescheid darauf ausdrücklich hinweist, dass die getroffenen Feststellungen nur noch für solche Steuerfestsetzungen Bedeutung haben sollen, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist (§ 153 Abs. 5 BewG i.V.m. § 181 Abs. 5 Satz 2 AO). Dieser Hinweis lag im Streitfall nicht vor, so dass die Neubescheidung nicht „gelungen“ war.

BFH v. 26.6.2019 – II R 58/15, ErbStB 2019, 281