Im Streitfall begehrten die Antragsteller im AdV-Verfahren die Feststellung, dass es sich bei den vier im Betriebsvermögen einer gewerblich geprägten KG befindlichen Immobilien nicht um Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 ErbStG a.F. (Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke) handelt, sondern begünstigtes Produktivvermögen vorliegt, weil die Gesellschaft einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfordert (Satz 2 lit. d ErbStG a.F.).
Die Antragsteller erbten KG-Anteile einer gewerblich geprägten Personengesellschaft, welche Eigentümerin von vier Grundstücken mit etwa 40 Mietwohnungen war. Die KG verfügte über keine eigenen Arbeitnehmer. Sie gehörte zum Firmenverbund einer Familie, die insgesamt mehr als 700 Mietwohnungen in verschiedene Firmen innehatte und verwaltete, insbesondere über eine GbR. Diese GbR beschäftigte im Streitjahr etwa 50 Mitarbeiter, die u.a. auch die Immobilien der KG verwalteten. Die Antragsteller beschrieben i.E., welche Tätigkeiten die KG zur Verwaltung ihres Grundbesitzes erbrachte und vertraten die Auffassung, dass diese wegen des beschriebenen Umfangs einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfordert.
Die Finanzverwaltung dagegen stand auf dem Standpunkt, dass die Prüfung der Voraussetzungen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs entspr. R E 13b.13 Abs. 2 Satz 5 ErbStR 2011 betriebsbezogen vorzunehmen sei. Eine Berücksichtigung der Verhältnisse bei anderen Unternehmen im Familienverbund sei deshalb nicht relevant. Da die KG weder eine umfangreiche Organisationsstruktur zur Durchführung ihrer Geschäfte (keine Arbeitnehmer) noch mehr als 300 Wohnungen verwaltete, lag auch indiziell kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vor (R E 13b.13 Abs. 3 ErbStR 2011).
Das FG folgte der Auffassung des FA und lehnte den AdV-Antrag ab: Für das Vorliegen begünstigten Produktivvermögens reicht es nicht allein aus, dass sich Grundstücke im Betriebsvermögen einer Personengesellschaft befinden. Vielmehr muss der Rahmen der Vermögensverwaltung i.S.d. § 14 Satz 3 AO überschritten sein, damit die Gesellschaft originär gewerbliche Einkünfte nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erzielt. Welche Tätigkeiten dafür insbesondere in Betracht kommen, ist dem 2. Leitsatz der Entscheidung zu entnehmen (vgl. auch T/K, AO/FGO, § 14 AO, Tz. 15 i.V.m. § 64 AO, Tz. 7):
„2. Gewerblich ist die Vermietung etwa bei Übernahme der Reinigung der vermieteten Wohnungen, bei Bewachung des Gebäudes oder falls wegen eines besonders schnellen Wechsels der Mieter oder Benutzer der Räume einer Unternehmensorganisation erforderlich ist. Sonderleistungen liegen etwa vor, wenn die Räume in der mit dem Mieter vereinbarten Weise ausgestattet werden. Bettwäsche überlassen und monatlich gewechselt wird, ein Aufenthaltsraum mit TV und Krankenzimmer bereitgehalten werden sowie ein Hausmeister bestellt wird.“
Die von den Antragstellern beschriebenen Tätigkeiten der KG gingen nach Auffassung des Gerichts nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nicht über die Aktivitäten einer privaten Vermögensverwaltung hinaus. Eine Einbeziehung weiterer Gesellschaften aus dem Firmenverbund in die Gesamtbetrachtung kommt nach Auffassung des Gerichts nicht in Betracht.
Bemerkenswert ist, dass sich das Gericht an die Regelung in R E 13b.13 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2011 (E 13b.17 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2019), nach der das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes regelmäßig anzunehmen ist, wenn das Unternehmen mehr als 300 eigene Wohnungen hält, nicht gebunden fühlt. Es betont ausdrücklich, dass auch bei einer Verwaltung von 700 Wohnungen eine reine Vermögensverwaltung vorliegen kann, wenn die Gesellschaft in der Sache keine originäre gewerbliche Tätigkeit ausübt. Auf die Größe des verwalteten Vermögens und den von der Größe des Vermögens abhängigen Umfang der Verwaltungstätigkeit kommt es nicht an. Deshalb kann der Umfang der Verwaltungstätigkeit die Vermögensverwaltung auch nicht in einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb umschlagen lassen (vgl. auch T/K, AO/FGO, § 14 AO, Tz. 14).
Damit wird der Steuerpflichtige zur Begründung begünstigten Produktivvermögens unabhängig von der Anzahl der verwalteten Objekte stets Zusatzleistungen gegenüber den Mietern erbringen müssen, wie etwa in einem Hotel, der Überlassung von Ferienwohnungen oder einer Seniorenresidenz üblich. Zum Nachweis gegenüber der Finanzverwaltung i.R.d. Gesamtbetrachtung sollten die einzelnen Sonderleistungen gegenüber dem Mieter im Mietvertrag oder in der Rechnung gesondert ausgewiesen werden.
FG Münster v. 29.4.2020 – 3 V 605/20 F