Gemeinsam mit der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG) und dem Legal Tech Verband Deutschland (LTV) hat die Bucerius Law School anhand von knapp fünfzig Experteninterviews den Stand der Digitalisierung der Justiz in Deutschland mit den Vorreiter-Nationen Singapur, Kanada, Großbritannien und Österreich verglichen.
Das Fazit des Ländervergleichs: Deutschlands Politik muss die Strategie in Sachen Digitalisierung neu ordnen und Tempo aufnehmen. Wenn Deutschland es schafft, die Justiz systemisch zu digitalisieren statt Insellösungen zu entwickeln, kann es die Akzeptanz und Effizienz des Rechtssystems massiv erhöhen. Partielle Überlastung würde so überwunden und der Zugang zum Recht deutlich verbessert. Dazu gehört auch, alternative Streitbeilegungsverfahren und Online-Verhandlungen an den Anfang der Prozesskette zu stellen.
Die Studie zeigt, dass Deutschland bei der Digitalisierung der Justiz noch einen weiten Weg vor sich hat. Die in Deutschland eingesetzten technischen Lösungen sind vergleichsweise wenig vertreten, veraltet und nicht ausreichend nutzerorientiert. Zudem werden sie uneinheitlich in den einzelnen Bundesländern, Gerichten und Fachgerichtsbarkeiten umgesetzt.
„Die Digitalisierung der Justiz hinkt hinter den führenden Ländern hinterher, während die Überlastung der Gerichte, der Kostendruck und die bevorstehende Pensionierungswelle (über 25 Prozent aller Richter werden bis 2030 in den Ruhestand gehen) den Druck zur Modernisierung und Digitalisierung der Gerichte erhöhen“, sagt Christian Veith, Senior Advisor bei BCG und Co-Autor der Studie.
Zu Beginn müsse sich Deutschland das Ziel setzen, eine führende Rolle im Bereich der digitalen Justiz zu übernehmen. Klar definierte Führungsstrukturen – idealerweise auf Ministerebene – seien dabei unerlässlich. Ebenso solle auf die Erfahrungen des Privatsektors zurückgegriffen werden, um schneller zu Ergebnissen zu gelangen, ergänzt Dr. Philipp Plog vom Legal Tech Verband Deutschland (LTV).
Die Umsetzung könnte sich an drei Elementen orientieren: der Steigerung der Effizienz der Gerichte, einschließlich der Beschleunigung von Verfahren; einem klaren Bekenntnis zur Nutzerorientierung, einschließlich moderner Software und Prozessentwicklung und einer zeitnahen Einführung von Datenanalyse, um die relevanten Informationen zur Ermittlung und Lösung der dringendsten Probleme bereitzustellen. Dazu ergänzend Dirk Hartung, Executive Director am Bucerius Centre for Legal Technology and Data Science: „Wenn Deutschland seine derzeitige Digitalisierungsstrategie fortsetzt, werden wir womöglich die nächsten Jahre mit der Digitalisierung bestehender Gerichtsverfahren und der Verbesserung bestehender Lösungen verbringen. Damit sorgen wir aber weder für einen besseren Zugang zum Recht, noch steigern wir die Effizienz oder setzen neue Technologien sinnvoll ein. Ein Weitermachen wie bisher ist daher keine gute Option.“
Die Studie ist abrufbar unter: https://ottosc.hm/IZDKI
Quelle: www.law-school.de v. 10.6.2022
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