Jede zehnte Trennung in der Schweiz endet in einem erbitterten Kampf um das Kind. Dies treibt die Zahl der Kindesschutzmaßnahmen in die Höhe, beschäftigt Anwälte, Gutachter und Gerichte. Jetzt diskutiert das Bundesamt für Justiz über eine Änderung im Familienrecht, berichtet das NZZ Magazin.
In der Reportage werden zahlreiche Beispiele zerrütteter Familien nach jahrelangen Trennungskämpfen geschildert. 20.350 Kinder wurden allein 2022 in der Schweiz unter Schutzmaßnahmen des Staates gestellt. Der Kampf, den zerrüttete Paare auf ihren Schultern ihrer Kinder austragen, wird immer härter. Wurden 2015, im Jahr nach der Einführung des gemeinsamen Sorgerechts, noch 11.413 Beistandschaften angeordnet, so zählte man 2022 bereits 17.769 und damit fast ein Drittel mehr. Grund dafür sei die Einführung des gemeinsamen Sorgerechts.
Nun hat das Bundesamt für Justiz (BJ) für den 27. November 2023 eine interdisziplinäre Tagung mit Fachleuten aus Praxis, Forschung und Theorie einberufen, um über Best Practices im Umgang mit familiären Konflikten zu diskutieren. Außerdem hat es ein Pilotprojekt in Bern genehmigt. Weil es Gerichten in der Schweiz nicht erlaubt ist, zerstrittene Paare vor der Scheidung zu einer Mediation zu verpflichten, hat der Kanton Bern in Absprache mit dem Bundesamt für Justiz für den Pilotversuch erstmals eine Sondergenehmigung der Zivilprozessordnung zur Anwendung gebracht, um so den Einigungsdruck der Eltern zugunsten der Kinder und in einem möglichst frühen Stadium der Konflikteskalation zu erhöhen. Anfang September ist das Pilotprojekt gestartet. In den Sitzungen holt der Mediator die beiden zerstrittenen Elternteile jeweils einzeln in der Lobby ab. Der Beratungsablauf ist bis ins kleinste Detail durchgeplant und folgen klaren Regeln: Die Eltern werden nicht mit Namen, sondern konsequent als Vater und Mutter angesprochen, sie reden nicht miteinander, sondern bringen ihre Anliegen via Berater ein.
Jedes Ansetzen zum Lamento über den Ex-Partner wird sofort unterbrochen. Jede Respektlosigkeit sanktioniert. Für die Dauer der Beratung werden keine Klagen eingereicht, keine Gutachten angeordnet. Ziel ist es, dass die Eltern sich in sechs bis acht Terminen auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zum Wohl ihres Kindes einigen. Dieser wird schriftlich festgehalten, von beiden Elternteilen unterschrieben und dem Gericht vorgelegt.
Quelle: www.magazin.nzz.ch v. 4.11.2023
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