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FamRB-Blog

Das Problem mit der Grundrente im Versorgungsausgleich

Jörn Hauß  Jörn Hauß
Fachanwalt für Familienrecht

Die Grundrente bereitet zurzeit in Versorgungsausgleichsverfahren zunehmend Probleme, weil die Deutsche Rentenversicherung derzeit nicht in der Lage ist, Auskünfte über die Höhe eines möglichen ehezeitlichen Grundrentenerwerbs zu erteilen. Der dafür zuständige § 76g SGB VI muss als einer der Höhepunkte sozialrechtlicher Gesetzgebungskunst bezeichnet werden, weshalb er – mit besonderem Hinweis auf seinen Abs. 4 – am Ende dieses Textes aufgeführt ist.

Unstreitig ist ein Ehezeitanteil der Grundrente nach §§ 2, 5 VersAusglG im Versorgungsausgleich zu berücksichtigen. Es ist auch völlig unstreitig, dass Entgeltpunkte und die Zuschläge aufgrund der Grundrente unterschiedlich zu tenorieren sind. Grundrentenzuschläge sind im Tenor gesondert als Grundrentenentgeltpunkte auszuweisen.[1] Ebenso unstreitig ist, dass die Übertragung von Grundrentenentgeltpunkten im Versorgungsausgleich der insoweit ausgleichsberechtigten Person nur nutzen, wenn sie nicht an der Einkommensprüfung scheitert, also selbst bedürftig ist und

In Versorgungsausgleichsverfahren, deren beteiligte Ehegatten noch in rentenfernem Alter sind, ist es ohne weiteres möglich, den Versorgungsausgleich insgesamt vom Verfahren abzutrennen und zu einem späteren Zeitpunkt darüber zu entscheiden.

Problematisch sind die Fälle, in denen ein oder beide Ehegatten bereits Rentenbezieher sind. Ein monate- oder auch jahrelanges Abwarten auf eine Auskunft der Versorgungsträger, bevor eine Entscheidung über den Versorgungsausgleich ergeht, würde in diesen Fällen zu Versorgungsverlusten der in der Bilanz ausgleichsberechtigten Person führen und gegebenenfalls Unterhaltsansprüche eines Ehegatten gegen den anderen unnötigerweise erhöhen, weil der Versorgungsausgleich nicht durchgeführt werden kann. In diesen Fällen hilft die Möglichkeit der Teilentscheidung über den ehezeitlichen Versorgungserwerb, über den die Versorgungsträger eine vollständige Auskunft erteilt haben und die Abtrennung des Versorgungsausgleichs (§ 140 Abs. 2 Nr. 5 FamFG) aus dem Scheidungsverbund insoweit, als die Versorgungsträger über den ehezeitlichen Grundrentenerwerb keine Auskunft erteilen konnten.[2]

Der Vorteil dieser Lösung besteht darin, dass

  • die Ehe geschieden werden kann,
  • Unterhaltsansprüche reduziert werden und
  • bereicherungsrechtliche Ausgleichsansprüche der Beteiligten weitgehend vermieden werden können, da die Grundrentenzuschläge relativ gering sein werden und die übrigen Versorgungen ausgeglichen sind.

Ob überhaupt ein Grundrentenbezug in Betracht kommt, kann anhand der Versorgungsauskunft der gesetzlichen Rentenversicherung des Rentenbescheids oder bei Kenntnis der Erwerbsbiografie des betreffenden Ehegatten ermittelt werden. Ein Zuschlag an Grundrentenentgeltpunkten setzt mindestens 33 bzw. 35 Jahre Grundrentenzeiten voraus. Grundrentenzeiten sind im Wesentlichen

  • Pflichtbeitragszeiten aufgrund versicherungspflichtiger Beschäftigung, Kindererziehungszeiten oder Pflege,
  • rentenrechtliche Zeiten wegen Bezugs von Leistungen bei Krankheit und Rehabilitation
  • Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung und Pflege und
  • Ersatzzeiten (§ 76g Abs. 2 SGB VI).

Ergibt der Blick in den Versicherungsverlauf, dass unter Berücksichtigung dieser Faktoren nicht mindestens 33 Jahre Grundrentenzeit zusammenkommen, kann man davon ausgehen, dass die im Übrigen sehr komplizierten Voraussetzungen für den Bezug von Grundrente nicht erfüllt werden. In diesen Fällen kann auf der Basis der vorhandenen Auskünfte in der Regel der Versorgungsausgleich fehlerfrei durchgeführt werden. In der klassischen Hausfrauen- oder Hausmannsehe, in der einer der Ehegatten Küche und Kinder und die Versorgung des anderen Ehegatten gemanagt hat ohne selbst über einen längeren Zeitraum berufstätig zu sein, kommt ein Grund Rentenbezug nicht in Betracht. Man müsste schon elf Kinder erzogen haben, um allein aus Kindererziehungszeiten die notwendige Grundrentenzeit anzusammeln. In diesem Fall allerdings käme ein Grundrentenbezug nicht in Betracht, weil die Höchstbegrenzung nach § 76g Abs. 4 SGB VI überschritten wären.

 

76g SGB VI

Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung

(1) Ein Zuschlag an Entgeltpunkten wird ermittelt, wenn mindestens 33 Jahre mit Grundrentenzeiten vorhanden sind und sich aus den Kalendermonaten mit Grundrentenbewertungszeiten ein Durchschnittswert an Entgeltpunkten ergibt, der unter dem nach Absatz 4 maßgebenden Höchstwert liegt.

(2) Grundrentenzeiten sind Kalendermonate mit anrechenbaren Zeiten nach § 51 Absatz 3a Satz 1 Nummer 1 bis 3; § 55 Absatz 2 gilt entsprechend. Grundrentenzeiten sind auch Kalendermonate mit Ersatzzeiten. Abweichend von Satz 1 sind Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld keine Grundrentenzeiten.

(3) Grundrentenbewertungszeiten sind Kalendermonate mit Zeiten nach Absatz 2, wenn auf diese Zeiten Entgeltpunkte entfallen, die für den Kalendermonat mindestens 0,025 Entgeltpunkte betragen. Berücksichtigt werden für die Grundrentenbewertungszeiten auch Zuschläge an Entgeltpunkten nach den §§ 76e und 76f.

(4) Der Zuschlag an Entgeltpunkten wird ermittelt aus dem Durchschnittswert an Entgeltpunkten aus allen Kalendermonaten mit Grundrentenbewertungszeiten und umfasst zunächst diesen Durchschnittswert. Übersteigt das Zweifache dieses Durchschnittswertes den jeweils maßgeblichen Höchstwert an Entgeltpunkten nach den Sätzen 3 bis 5, wird der Zuschlag aus dem Differenzbetrag zwischen dem jeweiligen Höchstwert und dem Durchschnittswert nach Satz 1 ermittelt. Der Höchstwert beträgt 0,0334 Entgeltpunkte, wenn 33 Jahre mit Grundrentenzeiten vorliegen. Liegen mehr als 33, aber weniger als 35 Jahre mit Grundrentenzeiten vor, wird der Höchstwert nach Satz 3 je zusätzlichen Kalendermonat mit Grundrentenzeiten um 0,001389 Entgeltpunkte erhöht; das Ergebnis ist auf vier Dezimalstellen zu runden. Liegen mindestens 35 Jahre mit Grundrentenzeiten vor, beträgt der Höchstwert 0,0667 Entgeltpunkte. Zur Berechnung der Höhe des Zuschlags an Entgeltpunkten wird der nach den Sätzen 1 bis 5 ermittelte Entgeltpunktewert mit dem Faktor 0,875 und anschließend mit der Anzahl der Kalendermonate mit Grundrentenbewertungszeiten, höchstens jedoch mit 420 Kalendermonaten, vervielfältigt.

(5) Der Zuschlag an Entgeltpunkten wird den Kalendermonaten mit Grundrentenbewertungszeiten zu gleichen Teilen zugeordnet; dabei werden Kalendermonaten mit Entgeltpunkten (Ost) Zuschläge an Entgeltpunkten (Ost) zugeordnet.

 

[1] § 120f Abs. 2 Nr. 3 SGB VI; Bachmann/Borth, FamRZ 2020, 1609, 1611.

[2] Bachmann/Borth, FamRZ 2020, 1609, 1613.

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