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Zwischenruf: Die Rechtstatsachenforschung als Kollateralschaden des DiRUG?

Dr. Philipp Scholz, LL.M. (Harvard) und Thomas Hoffmann  Dr. Philipp Scholz, LL.M. (Harvard) und Thomas Hoffmann

Abschaffung der Handelsregisterbekanntmachungen

Eintragungen in das Handelsregister sind nicht nur unter handelsregister.de abrufbar. Sie werden zusätzlich auf registerbekanntmachungen.de bekanntgemacht. Diese Doppelpublizität wurde in der Vergangenheit vielfach kritisiert. Als die Digitalisierungsrichtlinie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnete, künftig auf die Bekanntmachungen zu verzichten, wurde dies vielfach als Chance begriffen, sie endlich abzuschaffen. Diesen Vorschlägen ist das BMJV nun mit dem Regierungsentwurf zum DiRUG gefolgt: Er streicht die Bekanntmachung zwar nicht aus dem Gesetz; sie wird jedoch künftig mit dem Zeitpunkt der erstmaligen Abrufbarkeit gleichgesetzt (dazu Knaier, GmbHR 2021, 169 Rz. 35 ff.; J. Schmidt, ZIP 2021, 112, 118 ff.). Dass bislang nur Bekanntmachungen erlaubten, sich kostenlos über Änderungen bei Vertragspartnern zu informieren, soll künftig durch die Kostenfreiheit des Registerabrufs kompensiert werden.

Konsequenzen für die Rechtstatsachenforschung

Die Beseitigung der Paywall erleichtert den Zugang zu Registerdaten und ist damit ein Gewinn für die Rechtstatsachenforschung, wie sie seit Jahren – u.a. von uns – unter der Leitung von Walter Bayer am Institut für Rechtstatsachenforschung zum Deutschen und Europäischen Unternehmensrecht betrieben wird. Dagegen droht die Abschaffung der Bekanntmachungen, zahlreichen Facetten der Rechtstatsachenforschung den Boden zu entziehen. So wäre z.B. die jüngst veröffentlichte Untersuchung zur Vermögensübertragung nach dem UmwG (Bayer/Hoffmann, AG 2021, R36) praktisch undurchführbar gewesen. Das gilt aber auch für vom BMJV in der Vergangenheit selbst in Auftrag gegebene Studien.

Ausblick

Man kann gewiss geteilter Meinung darüber sein, ob es Aufgabe des Handelsregisters sein sollte, Rechtstatsachenforschung zu ermöglichen. Ob bewusst oder unbewusst, haben die Bekanntmachungen dies jedoch bislang geleistet. Die Rechtstatsachenforschung hat so floriert und Wissenschaft sowie Gesetzgeber mit wertvoller Empirie versorgt. Der Entwurf rüttelt nun an diesem Fundament. Darüber sollte sich der Gesetzgeber zumindest im Klaren sein. Mit der Umsetzung der Richtlinie über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors steht er zudem noch vor Inkrafttreten des DiRUG vor der Aufgabe, Handelsregisterdaten in Form hochwertiger Datensätze bereitzustellen. Das mag mehr verlangen, als das alte Bekanntmachungswesen wieder einzuführen. Es nicht abzuschaffen, wäre vielleicht trotzdem ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Der vollständige Beitrag der Autoren ist in AG 2021, 227 abgedruckt.

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